Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. X ZR 168/12

X. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2418

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BUN[X.]ESGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]ES VOLKES

URTEIL
X ZR 168/12
Verkündet am:

7.
Oktober 2014

Wermes

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache

-
2
-
[X.]er X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom
7.
Oktober 2014
durch
die Richter [X.], [X.]r.
Grabinski und
Hoffmann
sowie
die Richterinnen Schuster und
[X.]r.
Kober-[X.]ehm
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24.
Juli
2012 verkün-dete Urteil des 4.
Senats ([X.]) des [X.] abgeändert.
[X.]ie Klage wird abgewiesen.
[X.]ie Anschlussberufung der Klägerin zu 1 wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des [X.] im erstinstanzlichen Verfahren trägt die Klägerin zu 1 zwei [X.]rittel. [X.]ie Kosten des Berufungsverfahrens und ihre eigenen au-ßergerichtlichen Kosten im erstinstanzlichen Verfahren trägt die Klägerin zu 1.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[X.]er Beklagte ist Inhaber des [X.] ([X.]), das am 17. [X.]ezember 1993 angemeldet wurde. [X.]as Streitpatent umfasst 18
Patentansprüche, von denen Patentanspruch
1 folgenden Wortlaut hat:
1
-
3
-
"1.
Fixationssystem für Knochen mit einer [X.] (8) mit wenigstens einem [X.] (9), wenigstens einer in ein [X.] eingesetzten Knochenschraube (1), eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Winkeln er-möglichenden Sitzflächen (4, 11) von [X.] (8) und Knochenschraube (1) und Mitteln zum Festlegen der [X.] in einem bestimmten Winkel zur [X.], dadurch gekennzeichnet, dass die Mittel zum Festlegen eine durch Eindrehen der Knochenschraube (1) in dem be-stimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde (6, 10) an mindestens einer Sitzfläche (4, 11) gebildete Gewinde-verbindung der Sitzflächen von [X.] (8) und [X.] (1) aufweisen."
[X.]ie Patentansprüche 2 bis 17 sind auf Patentanspruch 1 unmittelbar
oder mittelbar rückbezogen.
[X.]ie Klägerin zu 1
(nachfolgend: Klägerin)
hat geltend gemacht, der [X.] der Patentansprüche sei nicht patentfähig
und die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
[X.]er
Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit elf
Hilfsanträgen verteidigt.
[X.]as Patentgericht hat
das Streitpatent insoweit für nichtig erklärt, als die-ses über die Fassung des zweiten [X.] hinausgeht. [X.]agegen richtet sich die Berufung des
Beklagten, mit der er
beantragt, das Urteil des Patentge-richts abzuändern und die Nichtigkeitsklage abzuweisen. [X.]ie Klägerin [X.], die Berufung zurückzuweisen
und,
im Wege der Anschlussberufung,
das Urteil des Patentgerichts aufzuheben und das Streitpatent für nichtig zu erklä-ren.

2
3
4
5
-
4
-
Entscheidungsgründe:
[X.]ie zulässige Berufung des
Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. [X.]ie zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist hingegen nicht begründet.
I. [X.]as Streitpatent betrifft ein Fixationssystem für Knochen. [X.]erartige Systeme werden nach den Angaben in der
Beschreibung in der Osteosynthese verwendet, wobei die [X.]n die Fraktur überbrücken und die [X.]n mit den Fragmenten verbunden werden.
[X.]abei ist es nach den weiteren Erläuterungen in der
Beschreibung wün-schenswert,
die Knochenschraube in einem den
individuellen Gegebenheiten des zu verbindenden Knochenteils entsprechenden Winkel
in die [X.] einzubringen. Um dies zu erreichen
sei es bekannt,
den Kopf der Knochen-schraube
mit einer etwa halbkugelförmigen
Sitzfläche
zu versehen, der
eine Sitzfläche in den [X.] zugeordnet sei. Sei die Winkelverbindung zwischen Knochenschraube und [X.] dabei
nur durch die [X.] zwischen [X.] und [X.] gesichert, könne es jedoch zu unerwünschten Lockerungen kommen. Um demgegenüber eine winkelstabile Verbindung zu erreichen,
sei
es bekannt, den [X.] mit einem Außengewinde und das [X.] mit einem Innengewinde zu [X.]. [X.]ie nach Eindrehen der Schraube
entstehende
Winkelverbindung sei zwar stabil, habe aber den Nachteil, dass die Schraube nur in dem durch die [X.] vorgegebenen Winkel in die Platte eingebracht werden könne. Andere be-kannte Fixationssysteme
seien nachteilhaft, weil sie
aufgrund ihres verhältnis-mäßig großen Volumens in der
Anwendbarkeit beschränkt
oder in der [X.] zu aufwändig
seien.
6
7
8
-
5
-
[X.]er Erfindung liege vor diesem Hintergrund
das Problem ("die Aufgabe") zugrunde, ein Fixationssystem mit wählbarem und fixierbarem Winkel zwischen [X.] und Knochenschraube zu schaffen, welches einen geringen Platzbedarf hat und weniger aufwändig ist.
[X.]as soll nach Patentanspruch 1 durch folgende Merkmalskombination erreicht werden:
1.
Fixationssystem für Knochen
2.
mit einer [X.] 8
mit wenigstens einem [X.]urchgangs-loch 9,
3.
wenigstens einer in ein [X.] eingesetzten [X.] 1,
4.
wobei [X.]
8 und Knochenschraube
1 Sitzflächen
4, 11 haben, die eine gegenseitige Ausrichtung unter verschie-denen Winkeln ermöglichen,
5.
und Mitteln zum Festlegen der Knochenschraube in einem be-stimmten Winkel zur [X.].
5.1
[X.]ie Mittel zum Festlegen weisen eine Gewindeverbin-dung der Sitzflächen von [X.]
8 und Knochen-schraube
1 auf.
5.2
[X.]ie Gewindeverbindung wird durch Eindrehen der [X.] in einem bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde
6,
10 an mindestens einer Sitz-fläche
4,
11 gebildet.
Als Fachmann ist, wie auch von den Parteien in der Verhandlung nicht in Frage gestellt worden ist,
ein im Bereich der Biomechanik berufserfahrener In-genieur
anzusehen, der sich mit der Entwicklung und Fertigung von Fixations-9
10
11
-
6
-
systemen
für Knochen einschließlich [X.] beschäftigt und der im Hinblick auf die spezifischen medizinischen Anforderungen und Anwendungen mit einem Chirurgen oder Orthopäden zusammenarbeitet und diesen bei kli-nisch-medizinischen Fragestellungen zu Rate zieht.
Aus Sicht eines solchen Fachmanns ist, wie das Patentgericht
zutreffend erkannt hat, unter einer Gewindeverbindung der Sitzflächen von [X.] und Knochenschraube, welche die Mittel zum Festlegen der Knochenschraube in einem bestimmten Winkel zur [X.] nach Merkmal 5.1 aufweisen sollen, eine formschlüssige Verbindung zu verstehen, bei der Gewindeprofile, die im [X.] der [X.] und an der Knochenschraube aus-gebildet sind, ineinander greifen.
[X.]adurch entsteht eine winkelstabile Ausrich-tung von Platte und Schraube, wie sie nach den Angaben der Beschreibung bei vorgegebenem Winkel bereits im Stand der Technik bekannt war ([X.], [X.]
49
ff.) und wie sie erfindungsgemäß bei wählbarem Winkel erreicht werden soll ([X.]. 2, [X.] 8 ff.). Nach Merkmal 5.2 soll eine solche Gewindeverbindung durch Eindrehen der Knochenschraube in einem bestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde
6,
10 an mindestens einer Sitzfläche
4,
11 gebildet wer-den, wobei offen bleibt und damit in das Belieben des Benutzers gestellt ist, auf welche Weise die Bildung der Gewindeverbindung durch Eindrehen der [X.] von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzflä-che erfolgt.
In der Beschreibung des Streitpatents wird insoweit beispielhaft
ausge-führt, dass sowohl die Sitzfläche der [X.] und der Knochenschraube ein vorgeformtes Gewinde aus voneinander beabstandeten [X.] haben könnten und es durch das Eindringen der Schraube in die Platte zu einer Verhakung der Segmente verschiedener Gewinde kommen könne, die ein se-kundäres Lockern und Herausdrehen erschwerten. Es wird aber auch darauf 12
13
-
7
-
hingewiesen, dass ein vorgeformtes Gewinde nur in einer der Sitzflächen vor-handen sein könne, die aus einem härteren Material bestehe als die andere Sitzfläche, so dass es beim Eindrehen der Schraube zu einer Gewindeausbil-dung durch Umformung und einem durch Reib-
bzw. Stoffschluss gesicherten Gewindesitz
komme. In beiden Fällen handelt es sich nur um [X.], welche keine einschränkende Auslegung der allgemeiner gehaltenen Vorgaben des Merkmals 5.2 erlauben (vgl. [X.],
Urteil vom 7. September 2004

[X.], [X.]Z 160, 204 -
bodenseitige [X.]).
[X.]as mit Patentanspruch
1 vorgeschlagene Fixationssystem hebt sich vom in der Beschreibung referierten Stand der Technik dadurch ab, dass die Sitzflächen von [X.] und schraube eine Festlegung der Knochen-schraube unter verschiedenen Winkeln ermöglichen und gleichwohl eine Ge-windeverbindung an diesen Sitzflächen besteht.
II. [X.]as Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet. [X.]as Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und [X.], dass ein Fachmann sie ausführen könne. Patentanspruch 1 in der [X.] stelle
allgemein eine winkelvariable Gewindeverbindung der Sitzflächen von [X.] und Knochenschraube unter Schutz.
[X.] offenbart sei die Erfindung zwar insoweit,
als die Gewindeverbindung nach dem
Merkmal 5.1 durch eine [X.] entstehe. [X.]enn
der Fachmann könne der Gesamtheit der Patentschrift anhand mehrerer Beispiele entnehmen, wie bei Winkelvariabilität und dem Vorhandensein eines vorgeformten [X.]s die Gewindegänge des Gegengewindes mittels [X.] gebil-det werden könnten. Nicht ausführbar offenbart sei jedoch, wie die erfindungs-gemäße Gewindeverbindung ohne Umformung unter Beibehaltung der Winkel-variabilität entstehen könne.
[X.]ie [X.] enthalte keine technischen Hinweise oder Anregungen, wie die Gewindesegmente auszubilden seien, da-14
15
-
8
-
mit eine beim Einschrauben unter verschiedenen Winkeln zwangsläufig stattfin-dende [X.] vermieden werde. [X.]er Hinweis auf ein "Verhaken"
ändere daran
nichts, weil nicht ersichtlich sei, wie ein Verhaken ohne Umfor-mung erreicht werden könne. [X.]amit sei der Gegenstand des Patentanspruchs durch eine generalisierende Formulierung über die dem Fachmann in der [X.] der Unterlagen an die Hand gegebene Lösung hinaus so weit ver[X.]ert, dass der Patentschutz über den geleisteten Gegenstand der Erfin-dung zum Stand der Technik hinausgehe.
Zulässig und patentfähig sei jedoch der Gegenstand von Patentan-spruch
1 in der Fassung des 2. [X.].
III. [X.]ie Ausführungen des Patentgerichts zur unzureichenden Offenba-rung halten den Angriffen der Berufung nicht stand.
Wie auch das Patentgericht im Ansatz nicht verkennt, ist eine für die [X.]keit hinreichende Offenbarung gegeben, wenn der Fachmann
ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs auf Grund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde-
oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird
([X.], Urteil vom 4. Oktober 1979
[X.], [X.], 166, 168
[X.]oppelachs-aggregat; Urteil vom 11. Mai 2010
[X.], [X.], 901
Rn. 31

Polymerisierbare Zementmischung).
[X.]iese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. [X.]as in [X.] geschützte Fixationssystem für Knochen umfasst neben Sitzflä-chen von [X.] und Knochenschraube, die ein gegenseitiges
Ausrich-ten
unter verschiedenen Winkeln ermöglichen, Mittel zum
Festlegen der [X.] durch eine Gewindeverbindung zwischen der [X.] und 16
17
18
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-
9
-
der Knochenschraube, die von einem vorgeformten Gewinde an mindestens einer Sitzfläche durch Eindrehen der Knochenschraube in dem
bestimmten Winkel gebildet werden. Ein solches Fixationssystem ist
in ausführbarer Weise in der [X.] offenbart. [X.]enn, wie auch das Patentgericht ange-nommen hat und zwischen den Parteien unstreitig ist,
ist der Fachmann anhand der Angaben in der [X.] in der Lage, die erfindungsgemäße Ge-windeverbindung durch [X.] etwa dergestalt zu bilden, dass ein vorgeformtes Gewinde nur an einer der beiden Sitzflächen (bevorzugt der der Knochenschraube)
besteht
und für diese Sitzfläche
ein
härteres
Material ge-wählt
wird als für die
andere Sitzfläche
(die sich bevorzugt an der [X.] befindet). Beim Eindrehen der Schraube -
in einem vom Anwender gewählten Winkel -
werden
dann die Gewindegänge des Gegengewindes
geformt ([X.]. 2, [X.] 58 ff.; [X.]. 4, [X.] 14 ff.), so dass
eine formschlüssige Verbindung
entsteht, bei der Gewindeprofile, die im [X.] der [X.] und an der [X.] ausgebildet sind, ineinander greifen.
[X.]er hinreichend vollständigen und deutlichen Offenbarung der Erfindung
steht nicht entgegen, dass nach den weiteren Ausführungen des Patentgerichts dem Fachmann in der [X.] nicht mit hinreichender [X.]eutlichkeit und Vollständigkeit offenbart sein soll, wie eine erfindungsgemäße Gewinde-verbindung ohne [X.] entstehen kann. Selbst wenn diese -
von dem
Beklagten bestrittene -
Annahme als zutreffend unterstellt wird, folgt [X.] nicht, dass es auch an einer hinreichend
deutlichen
und vollständigen Of-fenbarung der in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Erfindung fehlt.
[X.]enn Merkmal 5.2 fordert lediglich, dass die Gewindeverbindung durch Eindre-hen der Knochenschraube in einem bestimmten Winkel gebildet
wird, während offen bleibt, ob es dabei zu einer [X.] kommt oder nicht.

20
-
10
-
In der darin liegenden Verallgemeinerung kann kein Verstoß gegen das Gebot deutlicher und hinreichender Offenbarung gesehen werden. Vielmehr ist es insoweit grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Patentanspruch nicht auf die in der Patentschrift ausführbar offenbarten Ausführungsformen be-schränkt wird, sondern diese in gewissem Umfang verallgemeinert (vgl. [X.], Beschluss vom 11. September 2013
[X.], [X.]Z 198, 205
Rn. 15

[X.]ipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). [X.]aher
genügt es in aller Regel, wenn dem Fachmann in der Patentschrift ein
nacharbeitbarer
Weg zur Ausführung der be-anspruchten Erfindung aufgezeigt wird
([X.], aaO
Rn. 36
-
Polymerisierbare Zementmischung; aaO Rn. 17
[X.]ipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren). Eine genera-lisierende Formulierung in einem Patentanspruch verstößt erst dann gegen das Gebot deutlicher und vollständiger Offenbarung, wenn sie den durch das Patent geschützten Bereich über die
erfindungsgemäße, dem Fachmann in der [X.] an die Hand gegebene Lösung hinaus verallgemeinert
([X.], aaO
Rn. 18 -
[X.]ipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren).
[X.]as hat der Senat für einen Fall an-genommen, in dem der geschützte Gegenstand des Patentanspruchs durch offene Bereichsangaben für physikalische Eigenschaften eines Stoffs bestimmt wurde, während der Beitrag des Patents zum Stand der Technik nicht darin lag, den Stoff erstmals zur Verfügung zu stellen, sondern sich darin erschöpfte, ei-nen neuen Bereich von Stoffeigenschaften zugänglich zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 25. Februar 2010 -
Xa [X.], [X.], 414
Rn. 24

Ther-moplastische Zusammensetzung). [X.]emgegenüber geht der Gegenstand des Streitpatents nicht über dessen
Beitrag zum Stand der Technik hinaus, der [X.] darin liegt, bei Fixationssystemen für Knochen eine Gewindeverbindung
zugänglich zu machen, die durch Eindrehen der Knochenschraube in einem vorbestimmten Winkel von einem vorgeformten Gewinde gebildet wird.
21
-
11
-

IV. [X.]as Urteil des Patentgerichts kann auch nicht im Hinblick auf den von der Klägerin weiterhin geltend gemachten
Nichtigkeitsgrund
der fehlenden Pa-tentfähigkeit aufrechterhalten werden, weil dieser nicht gegeben ist.
1. [X.]er Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu.

a) [X.]urch die [X.] Patentschrift 4 791 918 ([X.]) ist er nicht vorveröffentlicht. [X.]ie Entgegenhaltung offenbart
zwar ein Fixationssystem für Knochen mit einer [X.] 19 mit [X.] 35 und Knochen-schrauben ([X.]ongiosaschrauben) 36. [X.]ie im oberen Bereich ausgebildeten konkaven Vertiefungen 34 der Öffnungen 33 der [X.] verfügen auch über Sitzflächen, die mit korrespondierenden Sitzflächen an den
Köpfen der [X.] eine gegenseitige Ausrichtung unter verschiedenen Win-keln ermöglichen. Es wird jedoch weder in der Beschreibung oder den Ansprü-chen noch in der Zeichnung der Patentschrift
eine Gewindeverbindung der Sitz-flächen der [X.] und der [X.] bzw. [X.] offenbart. Soweit die Klägerin meint, aus der Zeichnung sei
am Kopf der Schrauben eine Struktur
erkennbar, die beim Eindrehen zur Bildung einer Gewindeverbindung zwischen [X.] und [X.] führe, ist dies angesichts des lichten Abstands zwischen [X.] und der konkaven Vertiefung 33 an der Öffnung der [X.] und des Fehlens einer ent-sprechenden Erläuterung in der Beschreibung der [X.] nicht nachvollziehbar.
b) [X.]er Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents ist auch nicht der -
nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu berücksichtigenden -
deutschen Offenle-gungsschrift 43 41 980 ([X.]) zu entnehmen. Wie das Patentgericht in seinem Hinweis vom 27. April 2012 zutreffend im Einzelnen ausgeführt hat, offenbart die [X.] zwar ein Fixationssystem für Knochen entsprechend den Merkmalen 1
22
23
24
25
-
12
-
bis 3
des Patentanspruchs 1, bei dem durch Anziehen des [X.]es 5 auch eine Gewindeverbindung zwischen der Sitzflächen von [X.] und Knochenschraube entsteht. Aus der Entgegenhaltung ergibt sich jedoch aus fachlicher Sicht nicht, Sitzflächen von [X.] und [X.] vorzusehen, die eine gegenseitige Ausrichtung ermöglichen. [X.]as gilt selbst dann, wenn -
wie im genannten Hinweisbeschluss des Patentgerichts -
erwogen wird, den Kopf der Knochenschraube
verkantet einzuschrauben, so dass sich das Außengewinde der Knochenschraube mit dem Innengewinde der Öffnung der [X.] verklemmt.
[X.]enn durch ein solches Verklemmen der [X.] mit der Knochenschraube würde jedenfalls keine Gewindeverbin-dung entstehen, bei der die Gewindegänge formschlüssig aneinander liegen.
Eine Gewindeverbindung würde vielmehr erst entstehen, wenn das Material der Kontaktfläche des [X.]s der [X.] oder der Knochen-schraube entsprechend umgeformt würde, so dass neue Gewindegänge ent-stünden. Eine solche Möglichkeit wird jedoch
in der [X.] nicht offenbart, wie auch im Urteil des Patentgerichts zutreffend ausgeführt ist.
2. [X.]er Gegenstand von Patentanspruch 1 wurde dem Fachmann nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
a) [X.]ie [X.]
Patentschrift 675 531 ([X.] 8) offenbart eine osteo-synthetische Vorrichtung, die Merkmalen 1 bis
4 des Patentanspruchs 1 ent-spricht. Zur Festlegung der vom Anwender winkelvariabel ausgerichteten [X.] lehrt die Entgegenhaltung, die Schraubenlöcher 2 konisch aus-zubilden, wobei die [X.]itze des Konus gegen die [X.] ist und die [X.] einen [X.] 7 mit konvexer Au-ßenform aufweisen, so dass der [X.] gegen die Innenwandung 8 der Schraubenlöcher zu einer starren Verbindung zwischen Schraube und Platte

im Wege des Reibschlusses
-
verklemmt werden kann (Patentanspruch 1; vgl. 26
27
-
13
-
auch [X.], [X.] 56 ff.). Eine Gewindeverbindung

und damit ein Formschluss -
zwischen Schraube und Platte wird an keiner Stelle offenbart und es ist auch keine Anregung ersichtlich, die beim Fachmann entsprechende Überlegungen
hätte hervorrufen können.
b) Ähnlich wie die [X.] 8 offenbart auch die [X.] Patentanmeldung 0 201 024 ([X.] 7) eine [X.]nanordnung, welche die Merkmale 1 bis 4 des Patentanspruchs 1 aufweist. [X.]ie Verklemmung der winkelvariabel ausge-richteten Knochenschraube erfolgt bei der [X.] 7
durch eine auf die [X.]
1 geschraubte [X.]eckplatte 5, 22, 30, 34 oder 38, die über ineinandergreifende Erhöhungen und Vertiefungen auf den Kopf der Knochenschraube presst ([X.] 8, [X.]. 2, [X.]
2 ff.; [X.]. 4, [X.] 50 ff.; Patentanspruch 1; Figuren 4-12).
Gelehrt wird damit eine reibschlüssige und keine formschlüssige Verbindung zwischen [X.] und [X.], wie in den allgemeinen Vorteilsangaben der [X.] 7
auch ausdrücklich hervorgehoben wird, wenn es darin heißt, dass es nach Erkenntnis der Erfindung (der [X.] 7) "keiner
formschlüssig zusammenwirkenden Sitzflächen an der [X.] und an dem [X.]"
mehr bedürfe, vielmehr in vielen Fällen "ein kräftiger Reibschluss"
genüge, "der durch geeig-nete Oberflächengestaltung in gewünschtem Maße beeinflusst werden"
könne
([X.] 7, [X.]. 2, [X.] 6 ff.). Vor diesem Hintergrund geben auch die weiteren Ausfüh-rungen in der [X.] 7, dass der Reibschluss durch zusammenwirkende Rauigkeiten des [X.]es oder des [X.]nsitzes verbessert werden kann ([X.] 7, [X.]. 2, [X.] 6 ff.), keine Anregung,
unter Aufgabe der empfohlenen reib-schlüssigen
zu einer formschlüssigen Verbindung wie insbesondere einer Ge-windeverbindung überzugehen (ebenso im Ergebnis auch das Urteil des Pa-tentgerichts, nachdem es dies in seinem Hinweis vom 27. April 2012 noch [X.] gesehen hat).

28
-
14
-
c) [X.]ie [X.] Patentanmeldung 0 360 139 ([X.] 11) zeigt in der von der Klägerin herangezogenen Figur 5 eine Vorrichtung zur Osteosynthese be-stehend aus einer [X.] 5.0 mit einer Öffnung und einer Gewindestan-ge 3.0. [X.]ie Öffnung ist im oberen Bereich konkav erweitert. [X.]ie Öffnung nimmt eine -
auch als Gegenstück
bezeichnete -
Mutter 4.0 mit Innengewinde auf, die auf die Gewindestange geschraubt ist und in ihrer unteren Hälfte -
korrespon-dierend zu der sie aufnehmenden konkaven Erweiterung der Plattenöffnung -
eine konvexe Form aufweist
(vgl. [X.] 11, [X.]1, [X.] 12 f.; [X.]3, [X.] 40 ff.; [X.]5, [X.] 4 ff.).
Nach Ansicht der Klägerin soll aus Figur 5 erkennbar sein, dass sich ein Innengewinde in die Öffnung der Platte schneidet, wenn die Gewindestange zusammen mit der Mutter abgewinkelt in die [X.] eingedreht werde. [X.]em kann nicht gefolgt werden. [X.]ie Bildung einer Gewindeverbindung zwi-schen Gewindestange und Platte lässt sich
Figur 5 nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen
und ist auch mit den Erläuterungen in der Beschreibung der Entgegenhaltung nicht vereinbar, wonach
zunächst die Gewindestange in den Knochen eingeschraubt, dann das Gegenstück auf die Gewindestange aufgeschraubt, die Gewindestange mittels eines Hilfsgerätes vorgespannt und das Gegenstück festgezogen wird ([X.]3, [X.] 21 ff.; [X.] 35 ff.).
Anregungen
zur Bildung einer Gewindeverbindung zwischen den Sitzflächen der Gewindestan-ge und den
Schrauben werden von der Klägerin nicht aufgezeigt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
d) Gleiches gilt auch dann, wenn die [X.] Patentschrift 672
245 ([X.] 14) als Ausgangspunkt für die Überlegungen des Fachmanns ge-nommen wird. [X.]arin wird ein Fixationssystem für die Osteosynthese offenbart, bei dem die Köpfe von [X.]reizschrauben in den Bohrungen der [X.] aufgespannt werden. Ein Anlass, das damit realisierte Prinzip der Schrauben-29
30
31
-
15
-
befestigung durch Reibschluss aufzugeben und zu einer Gewindeverbindung zu wechseln, wird
von der Klägerin nicht dargetan.
[X.]aran ändern auch die [X.]n
Patentschriften
3 741 205 ([X.] 15) und 5 085 660 ([X.] 16)
nichts, welche dem
Fachmann zwar Gewindeverbindungen bei Fixationssystemen für Knochen offenbaren,
jedoch keine variablen Winkeleinstellungen ermöglichen und den Fachmann insoweit weg von der erfindungsgemäßen Lösung führen, wie auch bereits das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat.
e) Es kann auch nicht der Ansicht der Klägerin gefolgt werden, dass es für einen Fachmann ausgehend von der [X.] 16 nahegelegen hätte, eine winkel-variable Gewindeverbindung aufzufinden. Zwar offenbart die Entgegenhaltung eine Gewindeverbindung zwischen dem Innengewinde der Bohrung 12 der [X.] 10 und dem Außengewinde 33 der Schraube 30 ([X.] 16, [X.]. 2, [X.]
30 ff.; Figur). Insoweit fehlt es jedoch nicht nur
wie in Merkmal 5.1 vorgese-hen

an einer Gewindeverbindung zwischen der Sitzfläche von [X.] und Knochenschraube, sondern vor allem auch an einer [X.] nach Maßgabe des Merkmals 4. Worin ausgehend von dieser Offenbarung eine entsprechende Anregung hätte liegen können, hat die Kläge-rin nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein solcher Gedanke folgt auch nicht aus der [X.]. [X.]er Umstand, dass die [X.]ongiosaschraube 36 mit ihrem freien gewindeförmigen Ende 38 materialumformend in weicheres Kno-chenmaterial ([X.]
6, [X.]. 5, [X.] 28 ff.: "11.") eingebracht wird, gibt keine Anregung, auch die etwa aus der [X.] 16 be-kannte Gewindeverbindung zwischen Platte und Schraube durch [X.] herzustellen. Nichts anderes gilt, wenn die [X.] 15 zum Ausgangspunkt genommen wird.
32
-
16
-
V. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen bleibt die Anschluss-berufung, mit der die Klägerin die (vollständige)
Nichtigerklärung des [X.] begehrt, ohne Erfolg.
VI. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 Satz 2 [X.] in [X.] mit §§
91, 97 ZPO
und berücksichtigt, dass in erster Instanz auf [X.] eine weitere Partei beteiligt war, die das Streitpatent allerdings in ver-mindertem Umfang angegriffen hat.
[X.]
Grabinski
Hoffmann

Schuster
Kober-[X.]ehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 24.07.2012 -
4 Ni 21/10
verbunden mit 4 Ni 9/11 -

33
34

Meta

X ZR 168/12

07.10.2014

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.10.2014, Az. X ZR 168/12 (REWIS RS 2014, 2418)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2418

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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X ZR 51/06

X ZB 8/12

4 Ni 21/10

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