Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. B 9 BL 1/14 B

9. Senat | REWIS RS 2014, 2439

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - Schwerbehindertenrecht - bayerisches Landesblindengeld - Revisibilität von Landesrecht - ungleiche Landesgesetze im föderalistischen System - Gleichheitssatz - sozialgerichtliches Verfahren - grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache - Aktivlegitimation eines nachrangigen Miterben nach § 56 SGB 1 - gemeinsame Sonderrechtsnachfolge - Kostenfreiheit)


Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2013 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache erstreben die [X.]läger als Rechtsnachfolger ihres am 27.11.2010 verstorbenen Ehemanns bzw [X.] gemeinsam die Gewährung von Blindengeld nach dem [X.] ([X.]). Mit Urteil vom 8.10.2013 hat das [X.] einen Anspruch der [X.]läger auf Blindengeld verneint, weil ein solcher Anspruch mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen überhaupt nicht entstanden sei. Der [X.]läger zu 2. sei zudem als [X.] des verstorbenen Antragstellers schon nicht aktiv legitimiert. Seine Mutter, die [X.]lägerin zu 1., gehe ihm nach § 56 Abs 1 S 1 [X.] als [X.]rin vor und schließe damit seinen Anspruch aus.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung haben die [X.]läger Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie machen geltend, das [X.] habe die Vorschriften der §§ 56 ff [X.] und deshalb zu Unrecht die Aktivlegitimation des [X.] zu 2. verkannt. Beide [X.]läger seien als Rechtsnachfolger mit gleichem Rang mit einer jeweils zu gleichen Teilen vorliegenden Berechtigung zu bewerten. Das [X.] habe zudem die im Verfahren eingeholten Gutachten und weiteren Beweise unzutreffend gewürdigt. Schließlich habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, weil das [X.] Blindheit gleichheitswidrig enger definiere als die Blindengesetze anderer [X.]esländer sowie anderer [X.] der [X.] Union.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 [X.] [X.]).

4

Soweit die [X.]läger einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]) rügen und diesen ausführlich damit zu begründen versuchen, das Berufungsgericht habe die vorliegenden Beweise fehlerhaft und zu Lasten ihres verstorbenen Ehemanns bzw [X.] gewürdigt, vermag dies der Beschwerde von vornherein nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die [X.]läger übersehen, dass nach § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] der geltend gemachte Verfahrensmangel generell nicht auf eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung aus § 128 Abs 1 S 1 [X.] gestützt werden kann.

5

Auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) haben die [X.]läger nicht substantiiert dargelegt. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer [X.]lärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die als grundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage muss eine der Entscheidung des Revisionsgerichts zugängliche Vorschrift betreffen. Denn nach § 162 [X.] kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung einer Vorschrift des [X.]esrechts oder einer sonstigen im Bezirk des [X.] geltenden Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk des [X.] hinaus erstreckt (vgl [X.], 76 = [X.]-5921 Art 1 [X.] 2).

6

Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde mit ihrer Rüge, das [X.] benachteilige hochgradig sehbehinderte Menschen im Vergleich zu den [X.] anderer [X.]esländer ohne rechtfertigenden Grund, nicht substantiiert dargelegt. Im Gegenteil argumentieren die [X.]läger gerade damit, die von ihnen als gleichheitswidrig gerügte landesrechtliche Vorschrift des Art 1 Abs 2 S 1 [X.] unterscheide sich maßgeblich von den Vorschriften anderer [X.]esländer. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung einer Frage des revisiblen Rechts nicht dargetan.

7

Ohnehin hat das [X.] hinsichtlich des vermeintlichen Gleichheitsverstoßes (Art 3 Abs 1 GG) zudem zutreffend auf die entgegenstehende Rechtsprechung des [X.] hingewiesen. Danach kann aufgrund der föderalistischen Struktur der [X.] und der eigenständigen Gesetzgebungskompetenzen der Länder die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil es von verwandten Regelungen in anderen [X.]esländern oder im [X.] abweicht ([X.]E 51, 43, 58 f). Auf diese Argumentation des [X.] geht die Beschwerde nicht näher ein.

8

Noch weniger substantiiert dargelegt ist die behauptete Verletzung [X.] Rechts. Die Beschwerde benennt keine Vorschrift des [X.] Rechts, der das [X.] widersprechen könnte. Ein möglicherweise anderer Rechtszustand in anderen Mitgliedstaaten der [X.] Union kann von vornherein keinen Gleichheitsverstoß durch den [X.] Landesgesetzgeber nach [X.] Verfassungsrecht begründen.

9

Soweit der [X.]läger und Beschwerdeführer zu 2. sich schließlich gegen die Zurückweisung der Berufung bereits aufgrund seiner fehlenden Aktivlegitimation wenden will und zu diesem Zweck die Anwendung von § 56 [X.] durch das [X.] rügt, hat er keine fallübergreifende Frage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt. Der Vorwurf einer unrichtigen Rechtsanwendung im Einzelfall kann der Rüge der grundsätzlichen Bedeutung grundsätzlich nicht zum Erfolg verhelfen (vgl [X.] § 160a [X.] 7).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.]. Das Beschwerdeverfahren ist insgesamt gerichtskostenfrei, obwohl nach den bindenden Feststellungen des [X.] nur die [X.]lägerin zu 1. [X.]rin des verstorbenen Antragstellers iS von § 56 Abs 1 S 1 [X.] 1 [X.] geworden ist. Indes erstreckt sich die [X.]ostenfreiheit, die sich aufgrund dieses Umstands für die [X.]lägerin zu 1. auch im Beschwerdeverfahren aus § 183 S 1 [X.] ergibt, auf den [X.]läger zu 2. Denn das Verfahren hat nur einen und einheitlichen Streitgegenstand. Beide [X.]läger haben nach ihrem Eintritt ins Berufungsverfahren den Anspruch auf Blindengeld nach ihrem verstorbenen Ehemann bzw Vater stets nur zusammen als vermeintliche [X.]r des Anspruchs zu gleichen Teilen iS von § 56 Abs 1 S 2 [X.] und nicht als Miterben (§ 1922 BGB) geltend gemacht. Sie sind von einem Anspruch auf Blindengeld ausgegangen, der ihnen nach ihrer Vorstellung als [X.]r gemeinsam zustand und den sie deshalb auch als [X.]gemeinschaft nach Bruchteilen und nicht als Miterbengesamthandsge-meinschaft eingeklagt haben (vgl Lebich in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 56 Rd[X.] 20; Fock in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 74 Rd[X.]; [X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 56 Rd[X.] 12). Dies schließt es aus, hier zwei separate Streitgegenstände anzunehmen, dh einen hinsichtlich eines Anspruchs aus [X.] nach § 56 [X.] nur der [X.]lägerin zu 1. und einen weiteren, kostenrechtlich nicht privilegierten Anspruch etwa nach den Vorschriften der §§ 1922 ff, 2032 BGB (vgl zu dieser [X.]onstellation vgl [X.], 112 = [X.]-2500 § 31 [X.]). Im Rahmen des einheitlichen Streitgegenstands erstreckt sich die zu Gunsten der [X.]lägerin zu 1. bestehende [X.]ostenfreiheit auch auf den nicht privilegierten [X.]läger zu 2. (vgl BSG [X.]-1500 § 193 [X.]).

Dasselbe Ergebnis folgt im Übrigen hier aus § 183 [X.] [X.]. Danach steht im Rahmen der [X.]ostenentscheidung den kostenprivilegierten Beteiligten nach § 183 S 1 und 2 [X.] gleich, wer im Fall des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Die trifft auf den [X.]läger zu 2. zu. Denn er berühmt sich, wie gezeigt, der gleichrangigen [X.] neben der [X.]lägerin zu 1.; hätte er mit dieser Behauptung obsiegt, so wäre das Verfahren für ihn nach § 183 S 1 [X.] kostenfrei gewesen.

Meta

B 9 BL 1/14 B

06.10.2014

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BL

vorgehend SG München, 26. März 2009, Az: S 17 BL 10/06, Urteil

Art 1 Abs 2 S 1 BlindG BY, § 56 Abs 1 S 2 SGB 1, § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 1, § 56 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 1, § 1922 BGB, § 2032 BGB, § 162 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 183 S 1 SGG, § 183 S 3 SGG, § 193 Abs 1 SGG, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 06.10.2014, Az. B 9 BL 1/14 B (REWIS RS 2014, 2439)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2439

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