Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.01.2020, Az. B 13 R 273/18 B

13. Senat | REWIS RS 2020, 2529

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Rechtsfrage bei auslaufendem bzw ausgelaufenem Recht - keine Kostenfreiheit für sonstige Rechtsnachfolger bei einem weit nach dem Tod eines Versicherten vom Erben vor dem SG anhängig gemachten Rechtsstreit


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 25. Juli 2018 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3165,31 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger ist Rechtsnachfolger des am [X.] verstorbenen Versicherten [X.], dem die Beklagte nach seinem Tode eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer für den Zeitraum 1.3.2005 bis [X.] gewährte. Die Beklagte zahlte an den Kläger einen Betrag von 633,16 [X.] zuzüglich 178,29 [X.] Zinsen als Rentennachzahlung aus. Mit Urteil vom [X.] hat das [X.] das Urteil des [X.] vom 11.8.2016 aufgehoben und einen Anspruch des [X.] auf Auszahlung weiterer 3165,31 [X.] aufgrund der rückwirkenden Rentengewährung verneint. Diesem Anspruch stehe die [X.] des § 107 Abs 1 [X.]B X entgegen. Der Beigeladene habe einen entsprechenden Erstattungsanspruch gemäß § 104 Abs 1 [X.]B X gegen die Beklagte gehabt.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]).

3

II. Die Beschwerde des [X.] ist unzulässig. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]) nicht hinreichend dargelegt.

4

Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; zB [X.] vom 19.10.2011 - [X.] R 241/11 B - [X.] 4-4200 § 25 [X.] 1 Rd[X.] 9 mwN; vgl auch [X.] Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - [X.] 3-1500 § 160a [X.] 7; jüngst [X.] vom 29.6.2018 - [X.] R 9/16 B - juris Rd[X.] 12).

5

Der Kläger misst der Frage, "ob für § 104 Abs 1 S 1 [X.]B X eine nachrangige Verpflichtung im Sinne einer rechtmäßigen Leistungsgewährung auch dann gegeben ist, wenn dies zum Zeitpunkt der Leistungserbringung auf einer von den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm abweichenden Fiktion der Sachlage beruht", grundsätzliche Bedeutung zu.

6

Es kann dahinstehen, ob er damit eine hinreichend konkrete Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 [X.]) mit höherrangigem Recht aufgeworfen und in den folgenden Ausführungen den vom Revisionsgericht erwarteten klärenden Schritt ausreichend konkret dargelegt hat. Jedenfalls hat er - die Qualität als Rechtsfrage unterstellt - die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht den nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.] diesbezüglich geltenden Anforderungen genügend dargelegt.

7

Der Kläger hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass sich die Rechtsfrage auch nach Einführung des § 40a [X.] mit Wirkung vom 1.1.2009 (durch Art 1 [X.] 2 8. [X.]-Änderungsgesetz vom 28.7.2014 - [X.] 1306) noch stellt. Wie der Kläger in seiner Beschwerdebegründung selbst einräumt, betrifft die hier aufgeworfene Rechtsfrage im [X.] auslaufendes bzw ausgelaufenes Recht. [X.] oder ausgelaufenes Recht kann in aller Regel keine grundsätzlichen Rechtsfragen mehr aufwerfen (vgl [X.] vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] 10 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, [X.], 2. Aufl 2014, § 160 Rd[X.] 32). Eine Bejahung des Klärungsbedarfs bei [X.] bzw ausgelaufenem Recht kann nur angenommen werden wenn es a) noch eine erhebliche Anzahl von Fällen gibt, für die die Rechtsfrage von Bedeutung ist (vgl [X.] vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - [X.] 1500 § 160a [X.] 19) oder b) die Vorschrift insoweit nachwirkt, als sie die Grundlage für eine Nachfolgevorschrift darstellt ([X.] vom 19.1.2017 - B 10 [X.] B - juris Rd[X.] 7) oder c) die frühere Rechtsprechung für die neue Rechtslage erheblich geblieben ist (vgl [X.] vom 19.3.1986 - 7 [X.]/85 - [X.] 1500 § 160a [X.] 58). Das Vorliegen dieser Fallkonstellationen hat der Kläger nicht hinreichend dargebracht.

8

Zu den Fällen der Buchstaben a) und b) mangelt es gänzlich an Ausführungen. Die Ausführungen zur Fallkonstellation c) hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert. Sie erschöpfen sich in der reinen Behauptung der weiteren Bedeutung der Rechtsfrage auch nach der Einführung des § 40a [X.] und dem Verweis auf eine Entscheidung des [X.] [X.] R 11/11 R. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Wortlaut des § 40a Satz 2 [X.] erfolgt nicht. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen. Denn dort heißt es ua: "… Der Erstattungsanspruch besteht auch, soweit die Erbringung des [X.] allein aufgrund der nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig war…". Angesichts dessen hätte es Darlegungen dazu bedurft, inwieweit es im [X.] und im Verhältnis zwischen dem dortigen Leistungsträger sowie dem Rentenversicherungsträger auf eine - wie der Kläger formuliert - von den tatbestandlichen Voraussetzungen der Norm abweichende Fiktion der Sachlage ankommen soll.

9

Darüber hinaus ist die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des 13. Senats des [X.] ([X.] R 11/11 R) gerade kein Beleg für die weitere Klärungsbedürftigkeit und Bedeutung der Rechtsfrage nach Einführung des § 40a [X.]. Das B[X.] hat in dieser Entscheidung nicht-tragende Ausführungen nur zu der Frage eines Erstattungsanspruchs des [X.]-Trägers gegen den Rentenversicherungsträger auf Grundlage von § 104 Abs 1 Satz 1 [X.]B X vor Einführung des § 40a [X.] gemacht und insoweit im Ergebnis das Vorliegen eines solchen Erstattungsanspruchs offengelassen.

Unabhängig davon mangelt es auch an Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren. Es genügt nicht allein darauf zu verweisen, dass das Berufungsgericht von eben der - rechtlich - fingierten Erwerbsfähigkeit des [X.] ausgegangen sei. Denn es hat eben gerade nicht auf die neue Rechtslage abgestellt.

Dass der Kläger das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB [X.] vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 22 Rd[X.] 4; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 96/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.] 11 Rd[X.] 28 mwN).

Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 iVm § 183 Satz 2 [X.] und § 154 Abs 2 VwGO. Ein zur Kostenfreiheit des Verfahrens führender Fall der [X.] nach § 56 [X.] oder des § 183 Satz 2 [X.] liegt hier nicht vor. Der Kläger ist nach den Feststellungen des [X.] zwar Erbe des verstorbenen Versicherten, hat ausweislich des Erbscheins vom 12.10.2006 jedoch weder mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt (§ 56 Abs 1 letzter Halbsatz Alt 1 [X.]) noch ist er von ihm im Wesentlichen unterhalten worden (§ 56 Abs 1 letzter Halbsatz Alt 2 [X.]). Letzteres scheidet bereits deswegen aus, weil der verstorbene Versicherte bis zu seinem Tode Leistungen der Grundsicherung nach dem [X.] bezog. Auch hat der Kläger nicht als sonstiger Rechtsnachfolger iS des § 183 Satz 2 [X.] das Verfahren aufgenommen. Zumindest ist die Grenze der Privilegierung iS dieser Vorschrift überschritten, wenn Rechtsschutz mittels Nichtzulassungsbeschwerde zum B[X.] in einem Verfahren begehrt wird, in dem der Rechtsstreit vor dem [X.] weit nach dem Tod des Versicherten vom Erben anhängig gemacht geworden ist.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren auf 3165,31 [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.] iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 3 GKG.

Meta

B 13 R 273/18 B

07.01.2020

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG München, 11. August 2016, Az: S 30 R 1184/14, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 183 S 2 SGG, § 197a Abs 1 S 1 SGG, § 154 Abs 2 VwGO, § 56 Abs 1 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 07.01.2020, Az. B 13 R 273/18 B (REWIS RS 2020, 2529)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2529

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 96/10

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