Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.01.2017, Az. B 8 SO 82/16 B

8. Senat | REWIS RS 2017, 17089

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verwerfung wegen Unzulässigkeit - Kostenentscheidung - Kostenprivilegierung nach 183 SGG - Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Ehegatten - Möglichkeit einer Sonderrechtsnachfolge nach § 56 SGB 1)


Tenor

Die Beschwerden der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in den Beschlüssen des [X.] vom 7. April 2016 - [X.] [X.] 19/12 und [X.] [X.] 20/12 - werden als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit ist die zuschussweise Gewährung von Leistungen der [X.]ilfe zur Pflege und von Bestattungskosten anstelle der jeweils nur gegen Aufwendungsersatz bewilligten Leistungen.

2

Die Klägerin ist die Witwe des im Juli 2004 verstorbenen [X.] ([X.]), dem die Beklagte ab Februar 2004 Leistungen der [X.]ilfe zur Pflege gegen Aufwendungsersatz bewilligt hatte. Der Klägerin selbst bewilligte sie nach dem Tod des [X.] Bestattungskosten ebenfalls nur gegen Aufwendungsersatz. Die von der als Erbin ([X.]ilfe zur Pflege) bzw als originäre Anspruchsinhaberin (Bestattungskosten) erhobenen Klagen blieben in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteile des [X.] vom 1.9.2010; Beschlüsse des Landessozialgerichts <[X.]> Niedersachsen-Bremen vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidungen hat das [X.] ausgeführt, ein Anspruch auf Leistungen ohne Aufwendungsersatz bestehe in beiden Fällen nicht, sodass dahinstehen könne, ob Leistungen gegen Aufwendungsersatz hätten erbracht werden dürfen. Soweit die Klägerin als Rechtsnachfolgerin ihres im Juli 2004 verstorbenen Ehemanns [X.]ilfe zur Pflege für die Zeit von Februar 2004 bis zu [X.]s Tod geltend mache, stehe einem Anspruch schon die fehlende [X.]ilfebedürftigkeit des Verstorbenen entgegen. Dieser sei zur [X.]älfte Miteigentümer eines Grundstücks in B. sowie anteilig Inhaber eines Schadensersatzanspruchs gegen die [X.] gewesen. Insbesondere sei das [X.]aus nicht als Schonvermögen zu bewerten, weil es von der Klägerin und/oder ihrem Ehemann weder selbst bewohnt worden sei noch in absehbarer Zeit hätte bezogen werden sollen. Die Verwertung des Vermögens stelle auch keine [X.]ärte dar. Dies gelte selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin und ihr Ehemann das Eigentum daran im Zusammenhang mit der Ausreise bzw Ausweisung aus der [X.] zunächst verloren hätten; denn sie hätten das Eigentum 1993 wiedererlangt. Nachteile aus der Beschädigung des Wohnhauses seien durch rechtskräftig zuerkannte Schadensersatzansprüche ausgeglichen worden. Entsprechendes gelte für die Übernahme von Bestattungskosten. Der Anspruch setze voraus, dass die Kostentragung unzumutbar sei. Für die Klägerin als Alleinerbin sei dies bereits wegen der Möglichkeit, den Nachlass einzusetzen, zu verneinen. Der Einsatz des Nachlasses bedeute keine [X.]ärte.

3

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der jeweiligen Rechtssache geltend und rügt Verstöße gegen § 88 Abs 2 [X.] Bundessozialhilfegesetz (BS[X.]G; jetzt § 90 Abs 2 [X.] Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - <[X.]>) und § 88 Abs 3 BS[X.]G (jetzt § 90 Abs 3 [X.]). Grundsätzlich bedeutsam sei die Rechtsfrage, ob ursprünglich selbstbewohntes Grundeigentum dadurch seine Eigenschaft als Schonvermögen iS des § 88 Abs 2 [X.] BS[X.]G verliere, dass es dem Betroffenen durch staatliches [X.]andeln widerrechtlich entzogen und zerstört werde, und zwar unter besonderer Berücksichtigung des Umstands, dass ein von Seiten des Staates bzw der öffentlichen [X.]and zur Schadenswiedergutmachung gezahlter Geldbetrag erst nach Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BS[X.]G gezahlt worden sei, sodass der betroffene Leistungsbezieher während des Leistungsbezugs daran gehindert gewesen sei, das ursprünglich zum Schonvermögen zählende [X.]ausgrundstück für sich und seine Angehörigen zu nutzen (1. Frage). Grundsätzlich bedeutsam sei zudem die Rechtsfrage, ob die widerrechtliche Entziehung von ursprünglich selbstbewohntem Eigentum durch staatliche Maßnahmen einen atypischen [X.]ärtefall iS des § 88 Abs 3 Satz 1 BS[X.]G darstelle (2. Frage).

4

Beide Rechtsfragen seien klärungsbedürftig, weil weder das [X.] ([X.]) noch Tatsachengerichte zur Frage des Entzugs der [X.] durch rechtswidrige staatliche Maßnahmen Entscheidungen getroffen hätten. Sie, die Klägerin, und ihr verstorbener Ehemann hätten das [X.]aus nicht freiwillig aufgegeben; sie seien in der [X.] vielmehr dazu gezwungen worden. Würde dem [X.]ausgrundstück nunmehr die [X.] abgesprochen, wäre dies einer zweiten Enteignung gleichzustellen. Der von ihr durchgesetzte Schadensersatzanspruch habe der Wiederherstellung des [X.]auses dienen sollen und sei als Ersatz für dessen fehlende Nutzbarkeit anzusehen. Gleiches gelte für die durch den [X.]ausverkauf erlöste Summe und die Eigentumswohnung, die sie sich davon gekauft habe. Diese seien Surrogate des Schonvermögens und deshalb ebenfalls geschützt. Jedenfalls aber liege eine besondere [X.]ärte vor. Werde eine Person durch Unrecht und Gewalt gehindert, ihr Eigentum zu bewohnen, dürfe sich das Schonvermögen darstellende Eigentum nicht in verwertbares Vermögen "auflösen".

5

II. [X.] sind unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz ) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerden ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 [X.]albsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

6

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) [X.]keit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung aus mehreren Gründen nicht gerecht.

7

Es kann dahinstehen, ob sich die aufgeworfene Rechtsfrage 1. überhaupt ernsthaft stellt und es insoweit nicht schon aus diesem Grund für diese Frage an der Darlegung der [X.]keit mangelt. Jedenfalls ist bereits die Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage nicht dargelegt. Dies hätte eine Auseinandersetzung mit der zu § 88 Abs 2 [X.] BS[X.]G bzw § 90 Abs 2 [X.] [X.] bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelnen erfordert. Allein die Behauptung, zu der aufgeworfenen Rechtsfrage in der vorliegenden Fallkonstellation sei noch keine Rechtsprechung ergangen, ersetzt dies nicht. Gleiches gilt für die aufgeworfene Frage 2 (Auslegung der [X.]ärteregelung des § 88 Abs 3 BS[X.]G bzw § 90 Abs 3 [X.]). Die Klägerin behauptet auch insoweit letztlich nur, das [X.] habe in der Sache zu Unrecht entschieden. Der Vorwurf der inhaltlichen Unrichtigkeit einer Entscheidung vermag allerdings die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.

8

Soweit der Anspruch auf Leistungen der [X.]ilfe zur Pflege im Streit ist, ist außerdem die [X.]keit der beiden aufgeworfenen Rechtsfragen nicht dargelegt. [X.] ist eine Rechtsfrage nämlich nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist ([X.] § 160a [X.] 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also [X.] sachlich entscheiden können ([X.] § 160a [X.] 39 und 53). [X.]ier fehlt es an jeglichem Vortrag zur Vererbbarkeit des Anspruchs auf Sozialhilfeleistungen (vgl dazu nur [X.], 264 ff mwN = [X.]-3500 § 19 [X.] 2); dass die Klägerin Sonderrechtsnachfolgerin nach ihrem verstorbenen Ehemann geworden sei, behauptet sie nicht einmal.

9

Soweit es die Übernahme von Bestattungskosten anbelangt, ist die Klärungsbedürftigkeit beider Rechtsfragen zudem nicht schlüssig dargelegt, weil die Klägerin sich nicht mit der vom [X.] aufgeführten Rechtsprechung des [X.] (BVerwGE 105, 51 ff) und des [X.] ([X.], 61 ff Rd[X.] 24 = [X.]-3500 § 74 [X.] 2; [X.], 219 ff Rd[X.] 14 ff = [X.]-3500 § 74 [X.] 1) auseinandergesetzt, wonach die allgemeine Bedürftigkeitsprüfung "überlagert" wird von der in § 15 BS[X.]G bzw § 74 [X.] vorgesehenen besonderen Zumutbarkeitsprüfung. Es fehlen damit zwangsläufig auch Darlegungen zur [X.]keit der aufgeworfenen Rechtsfragen. Die Klägerin hat insbesondere nicht aufgezeigt, dass bzw weshalb angesichts dieser Rechtsprechung die Frage der Beurteilung des [X.]ausgrundstücks als Schonvermögen für die Prüfung der Zumutbarkeit der Kostentragung im [X.]inblick auf das insgesamt ererbte Vermögen überhaupt von Bedeutung ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; es handelt sich um ein nach § 183 SGG kostenprivilegiertes Verfahren. Soweit es um die Übernahme von Bestattungskosten als originäre Sozialhilfe zugunsten der Klägerin geht, ergibt sich dies aus § 183 Satz 1 SGG (vgl: [X.], Beschluss vom 24.2.2016 - [X.] [X.] 103/15 B; [X.], Beschluss vom 8.10.2010 - [X.] [X.] 49/10 B); über § 183 Satz 3 SGG gilt die Privilegierung auch für den als Rechtsnachfolgerin geltend gemachten Anspruch auf [X.]ilfe zur Pflege; insofern genügt es für die Anwendung des Satzes 1, dass die Möglichkeit für eine Sonderrechtsnachfolge nach § 56 Sozialgesetzbuch [X.] - ([X.]) besteht (vgl: [X.], 264 ff Rd[X.] 18 = [X.]-3500 § 19 [X.] 2 mwN; [X.] [X.]-1500 § 183 [X.]). Dass sich die Klägerin hierauf nicht ausdrücklich, sondern auf eine Erbenstellung beruft, ist ohne Bedeutung.

Meta

B 8 SO 82/16 B

19.01.2017

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend VG Bremen, 1. September 2010, Az: S 6 K 97/07, Urteil

§ 160a SGG, § 193 SGG, § 183 S 1 SGG, § 183 S 3 SGG, § 56 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 19.01.2017, Az. B 8 SO 82/16 B (REWIS RS 2017, 17089)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 17089

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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