Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2005, Az. I ZR 303/02

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 223

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 303/02 Verkündet am: 15. Dezember 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der I. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 15. Dezember 2005 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 23. Oktober 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht ein Mitverschulden verneint hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist [X.]

GmbH in [X.] (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus übergegangenem 1 - 3 - und abgetretenem Recht wegen des Verlusts von Transportgut auf Schadens-ersatz in Anspruch. 2 Die Versicherungsnehmerin stand in ständiger Geschäftsverbindung mit der [X.]. In die [X.] waren die Beförderungsbedingun-gen der [X.] (Stand September 1996) einbezogen. Deren Nummer 10 lautete auszugsweise wie folgt: "10 Haftung – In den Fällen, in denen das [X.] oder das [X.] nicht gelten, wird die Haftung von U. durch die vorliegenden Beförde- rungsbedingungen geregelt. U. haftet bei Verschulden für nach- gewiesene direkte Schäden bis zu einer Höhe von – [X.] 1.000,- pro Sendung – oder bis zu dem nach § 54 ADSp – ermittelten [X.], je nachdem, welcher Betrag höher ist, es sei denn, der Versender hat, wie im Folgenden beschrieben, einen höheren Wert angegeben. Die Wert- und Haftungsgrenze wird angehoben durch die korrekte Deklaration des Wertes der Sendung auf der Vorderseite des [X.], und wenn der in der [X.] aufgeführte Zuschlag entsprechend der Frankatur auf der Vorderseite des [X.] entrichtet wird. Diese Wertangabe gilt als Haftungsgrenze. Der [X.] erklärt durch die Unterlassung der Wertangabe, dass sein Interesse an den Gütern die oben genannte Grundhaftung nicht übersteigt. – Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U. , seiner gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen.
Sofern vom Versender nicht anders vorgeschrieben, kann U. die Wertzuschläge als Prämie für die Versicherung der Interessen des Versenders in seinem Namen an ein oder mehrere Versicherungs-unternehmen weitergeben. –" - 4 - [X.] beauftragte die Versicherungsnehmerin die Beklagte - so-weit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - mit dem Transport von vier Paketen, ohne hierbei eine [X.] vorzunehmen. Die Pakete enthiel-ten [X.] oder Zubehör mit einem Wert von 1.990 [X.] (Fall 1), 21.840 [X.] (Fall 2), 8.750 [X.] (Fall 3) und 53.745 [X.] (Fall 5). Die Pakete gerie-ten bei der [X.] in Verlust. 3 Die Klägerin regulierte den der Versicherungsnehmerin in diesen Fällen entstandenen Schaden unter Berücksichtigung der vereinbarten Selbstbeteili-gung in Höhe von insgesamt umgerechnet [X.] •. 4 Die von der Klägerin deswegen und wegen eines weiteren Schadensfal-les (Fall 4) gegen die Beklagte erhobene Klage hatte vor dem [X.]. 5 Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] die Beklagte in den [X.], 2, 3 und 5 antragsgemäß verurteilt. 6 Diese erstrebt mit ihrer - vom Senat beschränkt auf die Frage des [X.] zugelassenen - Revision die Wiederherstellung des landgerichtli-chen Urteils. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. 7 - 5 - Entscheidungsgründe: 8 I. Das Berufungsgericht hat die Klage in den [X.], 2, 3 und 5 für [X.] erachtet. Hierzu hat es ausgeführt: Die wegen des Verlusts der vier Pakete geltend gemachten [X.] seien gemäß § 51a ADSp a.F. i.V. mit Nummer 10 der [X.] Beförderungsbedingungen der [X.] begründet. Die Beklagte kön-ne sich nicht auf eine Haftungsbeschränkung berufen, weil sie keine oder nur unzureichende Schnittstellenkontrollen durchgeführt habe und daher vermutet werde, dass sie den Verlust der Pakete durch grobe Fahrlässigkeit herbeige-führt habe. Die Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerin seien mit der Schadensregulierung durch die Klägerin auf diese übergegangen. 9 Die Ansprüche seien nicht durch ein der Klägerin [X.] der Versicherungsnehmerin gemindert. 10 Eine Minderung gemäß § 254 [X.] im Hinblick auf die unterlassene [X.] scheide aus, weil die Beklagte dazu im Einzelnen darzulegen und zu beweisen gehabt hätte, dass im Falle der [X.] bezogen auf den konkreten Laufweg der abhanden gekommenen Pakete ein lückenlos in-einander greifendes Kontroll- und Überwachungssystem zur Verfügung gestan-den hätte und auch tatsächlich praktiziert worden wäre. Dies sei nach den [X.] der [X.] nicht der Fall gewesen. Die Beklagte sehe nach den hinsichtlich ihrer allgemeinen Betriebsorganisation vorgelegten Unterlagen, auch bei wertdeklarierten Paketen keine Schnittstellenkontrollen zwischen dem Eingang der Warensendung im ersten Umschlagcenter und dem Eingang im [X.] vor. 11 - 6 - 12 II. Die Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhe-bung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dessen Annahme, die Klägerin müsse sich das Unterlassen der [X.] nicht als Mitverschulden der Versicherungsnehmerin an-rechnen lassen, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Der Einwand des Mitverschuldens wegen unterlassener Wertdeklara-tion scheitert nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität, wenn auch bei wertdeklarierten Sendungen ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen wer-den kann. Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkender Beitrag des [X.]s kommt auch dann in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen trotz sorgfältigerer Überwachung des [X.] noch Lücken bei den Schnittstellenkontrollen verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Sendung gerade in diesem Bereich verloren gegangen ist und die An-gabe des Wertes der Ware daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. [X.], Urt. [X.], [X.] 2003, 317, 318 = [X.], 1596; Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, [X.] 2004, 399, 401). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich, wenn der Weg des [X.] im Falle einer Wert-deklaration weitergehend kontrolliert wird und daher im Verlustfall genauer nachzuvollziehen ist als bei einer nicht deklarierten Sendung, die Möglichkeiten der [X.] erhöhen, die Vermutung, ein besonders krasser Pflichtenverstoß habe den Schadenseintritt verursacht, durch den Nachweis zu widerlegen, dass die Ware in einem gesicherten Bereich verloren gegangen ist ([X.] [X.] 2003, 317, 318; [X.] 2004, 399, 401 f.). 13 2. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht geprüft, ob die unterlassene Wertangabe den Schaden mit [X.] hat, weil die Beklagte ihre Sorgfaltspflichten bei richtiger Wertangabe 14 - 7 - besser erfüllt hätte. Die Beklagte hat unter Vorlage eines [X.] ihrer internen Arbeitsanweisung für Wertpakete vorgetragen, der Transportweg einer dem Wert nach deklarierten Sendung unterliege weiterreichenden Kontrollen als der Weg einer nicht wertdeklarierten Sendung. Diesem Vorbringen wird das [X.] in der wiedereröffneten Berufungsinstanz nachzugehen haben. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob auch Pakete mit einem Wert unter 5.000 [X.] - wie im Fall 1 - möglicherweise sorgfältiger behandelt worden wären. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus gleichfalls folgerichtig - Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Versiche-rungsnehmerin die sorgfältigere Behandlung von [X.] durch die [X.] kennen musste. Das Berufungsgericht wird dieser Frage unter Berück-sichtigung der Nummer 10 der Beförderungsbedingungen der [X.] nach-zugehen haben. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die dortige [X.] die Kenntnis vermittelt, dass die Beklagte nur bei einer [X.] über die in [X.] genannte Haftungshöchstgrenze hinaus (1.000 [X.] oder Erstattungsbetrag nach § 54 ADSp a.F.) haften will. Bereits aus der versprochenen Haftung bis zum deklarierten Wert ergibt sich, dass die [X.] alles daran setzen wird, Haftungsrisiken möglichst auszuschließen. [X.] Haftung ist von der Zahlung eines Wertzuschlags nach der [X.] der [X.] abhängig. Die erhöhte Transportvergütung legt zusätzlich nahe, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb darauf ausgerichtet hat, wertdeklarierte Sendungen sorgfältiger zu behandeln. Dem steht nicht entgegen, dass [X.] der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der [X.] die Möglichkeit [X.], die Wertzuschläge als Prämie für eine Versicherung weiterzugeben. Ein verständiger Versender, der die Möglichkeit der Versendung von [X.] gegen höhere Vergütung ebenso kennt wie die erhöhte Haftung der [X.] in diesem Fall, wird davon ausgehen, dass die Beklagte bei der Beförderung von [X.] erhöhte Sorgfalt aufwendet. Er wird zur Vermeidung eigenen 15 - 8 - Schadens den Wert der Sendung deklarieren, wenn dieser den in den Beförde-rungsbedingungen des Spediteurs genannten [X.] über-schreitet. 16 3. Sollte ein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 [X.] auch unter Be-rücksichtigung des zu vorstehend 2. Ausgeführten zu verneinen sein, wird sich das Berufungsgericht erneut auch mit dem Einwand des Mitverschuldens nach § 254 Abs. 2 Satz 1 [X.] auseinanderzusetzen haben. Bei diesem kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müssen, dass der Frachtführer [X.] mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhn-lich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Ge-fahr eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird (vgl. [X.], Urt. v. [X.] - I ZR 95/01, [X.] 2005, 311, 314 f.). Entgegen der Auffassung des [X.] liegt ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Sendungswert oberhalb von 50.000 US-Dollar vor. Die Voraussetzung einer ungewöhnlichen Höhe des Schaden lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag oder in einer bestimmten Wertrelation (etwa zwischen dem unmittelbar gefährdeten Gut und dem Gesamtschaden) angeben (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2005], § 254 Rdn. 75). Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen (vgl. [X.], Urt. v. 18.2.2002 - II ZR 355/00, NJW 2002, 2553, 2554; [X.] NJW-RR 1998, 380; [X.]/[X.]/[X.], [X.], § 254 Rdn. 28). Dabei 17 - 9 - ist auch in Rechnung zu stellen, welche Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Da insoweit die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist vor allem zu berücksichtigen, in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und andererseits von vornherein auszuschließen bemüht ist. Angesichts dessen, dass hier in ersterer Hinsicht ein Betrag von 1.000 [X.] und in letzterer Hinsicht 50.000 US-Dollar im Raum stehen, liegt es aus der Sicht des Senats nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. des § 254 Abs. 2 Satz 1 [X.] in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der [X.] 5.000 •, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß [X.] der Beförderungsbedingungen der [X.], übersteigt. 4. Die [X.] nach § 254 [X.] obliegt grundsätzlich dem Tatrichter ([X.]Z 149, 337, 355; [X.] [X.] 2004, 399, 402). 18 Im Rahmen der [X.] ist zu beachten, dass die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die [X.] relevanten Gesichtspunkt darstellt: Je größer der gesi-cherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der [X.] außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst ([X.] [X.] 2003, 317, 318). 19 Ferner ist der Wert der transportierten Ware von Bedeutung: Je höher der tatsächliche Wert der nicht wertdeklarierten Sendung ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der [X.] liegende [X.]. Denn je höher der Wert der zu transportierenden Sendung ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des [X.] eine besonders sorgfältige Behandlung 20 - 10 - durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist das in dem Unterlassen der [X.] liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst. 21 III. Danach war das Berufungsurteil aufzuheben, soweit das Berufungs-gericht ein Mitverschulden verneint hat. In diesem Umfang war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. [X.] Büscher

Schaffert Bergmann Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 06.05.1999 - 32 O 35/98 - [X.], Entscheidung vom 23.10.2002 - 18 U 124/99 -

Meta

I ZR 303/02

15.12.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2005, Az. I ZR 303/02 (REWIS RS 2005, 223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 223

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