Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2005, Az. I ZR 72/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 218

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 72/03 Verkündet am: 15. Dezember 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 15. Dezember 2005 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] [X.], [X.], Dr. Schaffert und Dr. Bergmann für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des [X.] vom 29. Januar 2003 unter Zu-rückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht ein [X.] verneint hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-rufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist Transportversicherungs-Assekuradeur der [X.], die ihrerseits führender Transportversicherer der [X.]

1 - 3 - Handels GmbH (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) ist. Sie nimmt die [X.], die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem Recht wegen des Verlusts von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. 2 Die Versicherungsnehmerin stand in ständiger Geschäftsbeziehung mit der Beklagten. Im Februar 1999 beauftragte sie die Beklagte mit dem Inlands-transport einer Sendung im Wert von umgerechnet 34.932,48 •, ohne diesen Wert zu deklarieren. Das Paket ging im [X.] der Beklagten ver-loren. Die Versicherungsnehmerin trat ihre Rechte aus dem Schadensfall an die [X.] und diese ihrerseits an die Klägerin ab. Das [X.] hat der Klage nur in Höhe der in den [X.] der Beklagten vereinbarten Haftungshöchstgrenze von 1.000 DM stattgegeben. 3 Die Berufung der Klägerin hat zur Verurteilung der Beklagten zur [X.] von weiteren 34.421,19 • nebst Zinsen geführt. 4 Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen. 5 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat der Klägerin den geltend gemachten Scha-densersatzanspruch in voller Höhe zuerkannt. Zur Begründung hat es ausge-führt: 6 - 4 - 7 Die Beklagte unterliege als Fixkostenspediteurin für den in ihrem Ge-wahrsamsbereich eingetretenen Verlust der Frachtführerhaftung gemäß § 425 Abs. 1 HGB und hafte, da der Verzicht auf Schnittstellenkontrollen den Vorwurf leichtfertigen Handelns rechtfertige, summenmäßig unbeschränkt. Der Wert des in Verlust geratenen Pakets stehe aufgrund der vorgelegten Handelsrechnung sowie der Einvernahme der Zeugen [X.], [X.]und [X.]fest. Die Klägerin brauche sich wegen der unterbliebenen [X.] kein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin anrechnen zu lassen. Im Rahmen des § 254 [X.] hätte die Beklagte darzulegen und zu beweisen [X.], dass im Falle der [X.] für den konkreten Laufweg des [X.] gekommenen Pakets ein lückenlos ineinander greifendes Kontroll- und Ü-berwachungssystem zur Verfügung gestanden habe und auch tatsächlich prak-tiziert worden sei. Hierzu habe die Beklagte nichts vorgetragen. 8 I[X.] Die Revision hat Erfolg, soweit das Berufungsgericht ein den [X.] minderndes Mitverschulden der Klägerin verneint hat. Sie führt in [X.] Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverwei-sung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Revision [X.]. 9 1. Zu Recht und von der Revision unangegriffen hat das Berufungsge-richt der Klägerin dem Grunde nach Schadensersatz für den Verlust des Trans-portgutes gemäß § 425 Abs. 1, §§ 435 HGB, 398 [X.] zugesprochen. Nach den getroffenen Feststellungen führt die Beklagte keine Schnittstellenkontrollen durch. Das begründet den Vorwurf eines leichtfertigen Verhaltens (st. Rspr.; vgl. [X.], 322, 327 ff.; [X.], Urt. v. 17.6.2004 - I ZR 263/01, [X.] 2004, 399, 401; Urt. [X.] - I ZR 276/02, [X.] 2005, 208, 209). Ebenfalls 10 - 5 - zutreffend und von der Revision auch nicht angegriffen worden sind die Fest-stellungen des Berufungsgerichts zum Wert des in Verlust geratenen Pakets der Versicherungsnehmerin. 11 2. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Be-rufungsgerichts, die Klägerin müsse sich keinen mitwirkenden [X.] der Versicherungsnehmerin anrechnen lassen. a) Gemäß § 425 Abs. 2 HGB hängen die Verpflichtung zum [X.] sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders mitgewirkt hat. § 425 Abs. 2 HGB greift den Rechtsgedanken des § 254 [X.] auf und fasst alle Fälle mitwirkenden Verhaltens des Ersatzberechtigten in einer Vorschrift zu-sammen (Begründung zum Regierungsentwurf des [X.], BT-Drucks. 13/8445, [X.]). Ein mitwirkender [X.] des Versenders kann sich daraus ergeben, dass er eine [X.] unterlas-sen oder von einem Hinweis auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Scha-dens abgesehen hat. Die zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten des [X.] am 1. Juli 1998 zu § 254 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 [X.] er-gangenen Senatsentscheidungen sind ohne inhaltliche Änderungen auf § 425 Abs. 2 HGB übertragbar ([X.], Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 117/04, [X.] 11 m.w.[X.]). 12 b) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz von diesen Grundsät-zen ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht einen schadensursächlich geworde-nen Mitverursachungsbeitrag der Versicherungsnehmerin verneint. Der [X.] des Mitverschuldens wegen unterlassener [X.] scheitert nicht bereits dann an der fehlenden Kausalität, wenn auch bei wertdeklarierten [X.] ein Verlust nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Ein bei der Entstehung des Schadens mitwirkender Beitrag des Versenders kommt auch 13 - 6 - dann in Betracht, wenn bei wertdeklarierten Sendungen trotz sorgfältigerer Überwachung des [X.] noch Lücken bei den Schnittstellenkontrollen verbleiben und nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Sendung gerade in diesem Bereich verloren gegangen ist und die Angabe des Wertes der Ware daher deren Verlust nicht verhindert hätte (vgl. [X.], Urt. [X.], [X.] 2003, 317, 318 = [X.], 1596; [X.] [X.] 2004, 399, 401). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich, wenn der Weg des [X.] im Falle einer [X.] weitergehend kontrolliert wird und [X.] im Verlustfall genauer nachzuvollziehen ist als bei einer nicht deklarierten Sendung, die Möglichkeiten der Beklagten erhöhen, die Vermutung, ein beson-ders krasser Pflichtenverstoß habe den Schadenseintritt verursacht, durch den Nachweis zu widerlegen, dass die Ware in einem gesicherten Bereich verloren gegangen ist ([X.] [X.] 2003, 317, 318; [X.] 2004, 399, 401 f.). 3. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - bislang nicht geprüft, ob die unterlassene Wertangabe den Schaden [X.] hat, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren auf der Grundlage der Allgemeinen Organisationsbeschreibung der Beklagten nachzuholen haben. 14 Ebenso wenig hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus gleichfalls folgerichtig - bislang geprüft, ob die Versicherungsnehmerin die sorg-fältigere Behandlung von [X.] durch die Beklagte kannte oder [X.] kennen musste. Das Berufungsgericht wird dieser Frage unter Berücksichti-gung der Nummer 10 der Beförderungsbedingungen der [X.] haben. Es wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die dortige Regelung dem Versender die Kenntnis vermittelt, dass die Beklagte nur bei einer Wertde-klaration über die in [X.] genannte Haftungshöchstgrenze hinaus (1.000 DM 15 - 7 - oder Erstattungsbetrag nach § 54 ADSp a.F.) haften will. Bereits aus der [X.] bis zum deklarierten Wert ergibt sich, dass die Beklagte alles daran setzen wird, Haftungsrisiken möglichst auszuschließen. Diese [X.] ist von der Zahlung eines Wertzuschlags nach der [X.] abhängig. Die erhöhte Transportvergütung legt zusätzlich nahe, dass die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb darauf ausgerichtet hat, wertdeklarierte [X.] sorgfältiger zu behandeln. Dem steht nicht entgegen, dass [X.] der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten die Möglichkeit eröffnet, die Wertzuschläge als Prämie für eine Versicherung weiterzugeben. Ein ver-ständiger Versender, der die Möglichkeit der Versendung von [X.] ge-gen höhere Vergütung ebenso kennt wie die erhöhte Haftung der Beklagten in diesem Fall, wird davon ausgehen, dass die Beklagte bei der Beförderung von [X.] erhöhte Sorgfalt aufwendet. Er wird zur Vermeidung eines eige-nen Schadens den Wert der Sendung deklarieren, wenn dieser den in den [X.] genannten [X.] über-schreitet. 4. Sollte ein Mitverschulden unter Berücksichtigung des zu vorstehend 3. Ausgeführten zu verneinen sein, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Versicherungsnehmerin als Auftraggeber es zumindest unterlassen hat, die Beklagte auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die diese weder kannte noch kennen musste. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Auftraggeber Kenntnis davon hatte oder hätte wissen müs-sen, dass der Frachtführer [X.] mit größerer Sorgfalt behandelt hätte, wenn er den tatsächlichen Wert der Sendung gekannt hätte. Den Auftraggeber trifft vielmehr eine allgemeine Obliegenheit, auf die Gefahr eines außergewöhnlich hohen Schadens hinzuweisen, um seinem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, geeignete Maßnahmen zur Verhinderung eines drohenden Schadens zu ergreifen. Daran wird der Schädiger jedoch gehindert, wenn er über die Gefahr 16 - 8 - eines ungewöhnlich hohen Schadens im Unklaren gelassen wird (vgl. [X.], Urt. v. [X.] - I ZR 95/01, [X.] 2005, 311, 314 f.). 17 Entgegen der vom Berufungsgericht in anderen Urteilen geäußerten [X.] liegt ein ungewöhnlich hoher Schaden nicht erst bei einem Wert der Sendung oberhalb von 50.000 US-Dollar vor. Die Voraussetzung einer unge-wöhnlichen Höhe des Schaden lässt sich nicht in einem bestimmten Betrag [X.] in einer bestimmten Wertrelation (etwa zwischen dem unmittelbar [X.] und dem Gesamtschaden) angeben (vgl. [X.]/[X.], [X.] [2005], § 254 Rdn. 75). Die Frage, ob ein ungewöhnlich hoher Schaden droht, kann vielmehr regelmäßig nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden. Hierbei ist maßgeblich auf die Sicht des Schädigers abzustellen (vgl. [X.], Urt. v. 18.2.2002 - II ZR 355/00, NJW 2002, 2553, 2554; [X.] NJW-RR 1998, 380; [X.]/[X.]/ [X.], [X.], § 254 Rdn. 28). Dabei ist auch in Rechnung zu stellen, [X.] Höhe Schäden erfahrungsgemäß - also nicht nur selten - erreichen. Da in-soweit die Sicht des Schädigers maßgeblich ist, ist vor allem zu [X.], in welcher Höhe dieser, soweit für ihn die Möglichkeit einer vertraglichen Disposition besteht, Haftungsrisiken einerseits vertraglich eingeht und anderer-seits von vornherein auszuschließen bemüht ist. Angesichts dessen, dass hier in ersterer Hinsicht ein Betrag von 1.000 DM und in letzterer Hinsicht 50.000 US-Dollar im Raum stehen, liegt es aus der Sicht des Senats nahe, die Gefahr eines besonders hohen Schadens i.S. des § 254 Abs. 2 Satz 1 [X.] in solchen Fällen anzunehmen, in denen der Wert der Sendung 5.000 •, also etwa den zehnfachen Betrag der Haftungshöchstgrenze gemäß [X.] der Beförde-rungsbedingungen der Beklagten, übersteigt. 5. Die [X.] nach § 254 [X.] obliegt grundsätzlich dem Tatrichter ([X.]Z 149, 337, 355; [X.] [X.] 2004, 399, 402). 18 - 9 - 19 Im Rahmen der [X.] ist zu beachten, dass die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten Bereichs einen für die [X.] relevanten Gesichtspunkt darstellt: Je größer der gesi-cherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertangabe den Transport der [X.] außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst ([X.] [X.] 2003, 317, 318). Ferner ist der Wert der transportierten Ware von Bedeutung: Je höher der tatsächliche Wert der nicht wertdeklarierten Sendung ist, desto gewichtiger ist der in dem Unterlassen der [X.] liegende [X.]. Denn je höher der Wert der zu transportierenden Sendung ist, desto offensichtlicher ist es, dass die Beförderung des [X.] eine besonders sorgfältige Behandlung durch den Spediteur erfordert, und desto größer ist das in dem Unterlassen der [X.] liegende Verschulden des Versenders gegen sich selbst. 20 - 10 - II[X.] Danach war das Berufungsurteil aufzuheben, soweit das Berufungs-gericht ein Mitverschulden verneint hat. In diesem Umfang war die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im Übrigen war das Rechtsmittel [X.]. 21 [X.] Büscher

Schaffert Bergmann Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.08.2001 - 35 O 112/00 - [X.], Entscheidung vom 29.01.2003 - 18 [X.]/01 -

Meta

I ZR 72/03

15.12.2005

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2005, Az. I ZR 72/03 (REWIS RS 2005, 218)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 218

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