Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2010, Az. I ZR 11/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2354

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Gegenstand

Urheberrechtliche Verwertungsgesellschaft: Voraussetzungen für die Verpflichtung zum Abschluss eines Gesamtvertrags; Anwendbarkeit der GEMA-Tarife für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten – Gesamtvertrag Musikabrufdienste


Leitsatz

Gesamtvertrag Musikabrufdienste

1. Eine Verwertungsgesellschaft hat die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nach § 11 Abs. 1, § 12 UrhWG nur denjenigen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die diese zumindest auch für eigene Nutzungshandlungen benötigen. Sie muss die Nutzungsrechte dagegen nicht denjenigen einräumen, die diese ausschließlich auf Dritte weiterübertragen möchten .

2. Hat eine Verwertungsgesellschaft einen Tarif für einen Nutzungsvorgang aufgestellt, der mehrere Nutzungshandlungen umfasst, so ist sie gegenüber Vereinigungen, deren Mitglieder keine der von diesem Tarif erfassten Nutzungshandlungen selbst vornehmen, nicht nach § 12 UrhWG zum Abschluss eines Gesamtvertrages über diesen Tarif verpflichtet .

3. Die GEMA-Tarife VR-OD 2 und VR-OD 3 für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten erfassen allein das Aufnehmen und Aufbereiten von Musikstücken durch Nutzer oder im Auftrag von Nutzern, die beabsichtigen, diese Musikdateien anschließend selbst öffentlich zugänglich zu machen . Nutzer, die nicht selbst Musikstücke in Musikabrufdiensten anbieten, können den Tarif der Beklagten für die Musiknutzung in Musikabrufdiensten daher auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie diese Musikstücke für eine Nutzung in Musikabrufdiensten aufnehmen und aufbereiten .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 29. November 2007 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist der [X.] gehören 13 [X.] und 370 Tonträgerhersteller an. [X.] bieten im [X.] zum Herunterladen und zum Anhören an.

2

Die Beklagte ist die [X.] ([X.]). Sie nimmt als Verwertungsgesellschaft die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahr.

3

Die Beklagte stellte erstmals im Oktober 2002 zwei die Musiknutzung in [X.]n betreffende Tarife auf: die "Vergütungssätze [X.] 2 für die Nutzung von Werken des [X.]-Repertoires Music-on-Demand mit Download beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (ausgenommen Ruftonmelodien)", die für das Angebot von Musikstücken zum Herunterladen auf Speichermedien gelten, und die "Vergütungssätze [X.] 3 für die Nutzung von Werken des [X.]-Repertoires Music-on-Demand ohne Download beim Endnutzer zum privaten Gebrauch", die das Angebot von Musikstücken zum bloßen Anhören betreffen.

4

Der Kläger verlangt von der [X.] nach § 12 UrhWG den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung dieser Tarife. Er hat - nach Durchführung des in § 14 Abs. 1 Nr. 1c, § 16 Abs. 1 UrhWG vorgesehenen Verfahrens vor der Schiedsstelle - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Gesamtvertrag über die Nutzung der Tarife [X.] 2 und [X.] 3 zu schließen, dessen Inhalt das Gericht, insbesondere nach Art und Höhe der Vergütung, nach billigem Ermessen festlegen möge, und zwar auf der Grundlage des als Anlage [X.] vorgelegten Gesamtvertragsentwurfs.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen ([X.], [X.] 2008, 360). Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6

I. Das [X.] hat angenommen, der Kläger könne von der [X.] nicht den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife für die Musiknutzung in [X.] verlangen, weil der [X.] dies angesichts der geringen Zahl der vom Kläger vertretenen [X.] nicht zumutbar sei und auf die dem Kläger angehörenden Tonträgerhersteller nicht abgestellt werden könne. Die Weigerung der [X.], einen Gesamtvertrag abzuschließen, sei auch nicht kartellrechtswidrig. Dazu hat es ausgeführt:

7

Der [X.] sei der Abschluss eines Gesamtvertrages nicht zumutbar. Bei der überschaubaren Zahl von 13 Mitgliedern des [X.], die Musikwerke zum Abruf anböten, stünden die Vorteile, die für die [X.] mit dem Abschluss eines Gesamtvertrags verbunden wären, in keinem angemessenen Verhältnis zu dem [X.] von 20%, den die [X.] zu gewähren hätte. Auf den Marktanteil der vom Kläger repräsentierten [X.] von etwa 90% komme es nicht an. Die [X.] habe zwar in einem anderen Fall mit einem Verband, dem 13 Filmtheaterbetriebe mit 47 Theatern angehört hätten, einen Gesamtvertrag geschlossen; dieser Fall sei aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Die bloße Bereitschaft der [X.] zum Abschluss eines Vertrages mit dem [X.] und neue Medien e.V. ([X.]) könne nicht berücksichtigt werden, weil die Zahl der Mitglieder dieses Verbandes nicht bekannt sei und die Vergleichbarkeit der Vertragsbedingungen mangels Vertragsschlusses nicht beurteilt werden könne.

8

Der Kläger könne den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife für die Musiknutzung in [X.] auch nicht im Blick auf die ihm angehörenden 370 Tonträgerhersteller verlangen. Bei der Musiknutzung in [X.] bestehe die maßgebliche Nutzungshandlung im öffentlichen Zugänglichmachen des Werkes für den interaktiven Abruf. Diese Nutzungshandlung werde von den [X.] und nicht von den [X.] vorgenommen. Dass die Tarife der [X.] auch das Recht umfassten, Werke des Repertoires der [X.] aufzunehmen und für die Nutzung technisch aufzubereiten, begründe keinen Anspruch der Tonträgerhersteller auf einen Lizenzerwerb für den gesamten Auswertungsvorgang.

9

II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.] hat keinen Erfolg.

1. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass dem Kläger gegen die [X.] kein Anspruch aus § 12 [X.] auf Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung ihrer Tarife [X.] 2 und [X.] 3 für die Musiknutzung in [X.] zusteht.

a) Die Verwertungsgesellschaft ist nach § 12 Halbs. 1 [X.] verpflichtet, mit Vereinigungen, deren Mitglieder nach dem Urheberrechtsgesetz geschützte Werke oder Leistungen nutzen, Gesamtverträge über die von ihr wahrgenommenen Rechte oder Ansprüche zu angemessenen Bedingungen abzuschließen. Dieser Kontrahierungszwang stellt das Gegengewicht zur Monopolstellung der Verwertungsgesellschaften dar (Schricker/[X.], Urheberrecht, 4. Aufl., § 12 [X.] Rn. 1). Der Abschluss von [X.] ist für die Verwertungsgesellschaften und die [X.]en gleichermaßen vorteilhaft. Der Vorteil für die Verwertungsgesellschaften besteht in der Verwaltungsvereinfachung. Der Vorteil für die [X.]en und ihre Mitglieder liegt darin, dass der Gesamtvertrag regelmäßig niedrigere Vergütungssätze als die allgemein geltenden Einzelnutzungstarife enthält (Schricker/[X.] aaO § 12 [X.] Rn. 4 mwN; [X.] in Dreier/[X.], [X.], 3. Aufl., § 12 [X.] Rn. 2).

Die Verpflichtung zum Abschluss eines Gesamtvertrages besteht nach § 12 Halbs. 2 [X.] nicht, wenn der Verwertungsgesellschaft der Abschluss eines Gesamtvertrages nicht zuzumuten ist, insbesondere, weil die Vereinigung eine zu geringe Mitgliederzahl hat. Der Abschluss eines Gesamtvertrages ist nur gerechtfertigt, wenn zahlreiche Verträge abzuschließen sind und der Verwaltungsaufwand vereinfacht wird. Ist mit einer spürbaren Erleichterung des [X.] und der Kontrolle nicht zu rechnen, braucht die Verwertungsgesellschaft keinen Gesamtvertrag abzuschließen, weil das mehrstufige System eines Gesamtvertrages und darauf aufbauender Einzelverträge den Aufwand in einem solchen Fall eher erhöhen als verringern würde. Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen sind neben der Mitgliederzahl der [X.] das zu erwartende Vertragsvolumen sowie die bisherige Vertragspraxis der Verwertungsgesellschaft zu berücksichtigen ([X.] in Dreier/[X.] aaO § 12 [X.] Rn. 12; Schricker/[X.] aaO § 12 [X.] Rn. 10 f.).

b) Danach ist der [X.] der vom Kläger begehrte Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung ihrer Tarife für die Musiknutzung in [X.] nicht zumutbar.

aa) Das [X.] hat angenommen, bei der überschaubaren Zahl von 13 Mitgliedern des [X.], die Musikwerke zum Abruf anböten, stünden die Vorteile, die für die [X.] mit dem Abschluss eines Gesamtvertrags verbunden wären, in keinem angemessenen Verhältnis zu dem [X.] von 20%, den die [X.] zu gewähren hätte.

Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Der mit dem Abschluss des angetragenen Gesamtvertrages verbundene Vorteil der [X.] bestünde darin, dass der Kläger den Abschluss von Einzelverträgen durch seine Mitglieder sicherstellt (Ziffer 1 des [X.]) und der [X.] dadurch Vertragshilfe leistet, dass er ihr die Anschriften seiner Mitglieder mitteilt, seine Mitglieder zum Abschluss von Einzelverträgen und zur Einhaltung der Vertragspflichten anhält und der [X.] die Erfüllung ihrer Aufgaben durch Koordination und Information erleichtert (Ziffer 2 des [X.]). Hinsichtlich der lediglich 13 Mitglieder des [X.], die [X.] betreiben, würde die Übernahme dieser Aufgaben durch den Kläger den Verwaltungsaufwand der [X.] nach den [X.] Feststellungen des [X.]s nicht wesentlich verringern.

Die Revision rügt ohne Erfolg, dass das [X.] die mündliche Verhandlung mit Blick auf den Vortrag des [X.] im Schriftsatz vom 1. November 2007 zu den möglichen Vorteilen der [X.] aus einem Gesamtvertrag nicht wieder eröffnet hat. Das [X.] habe erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2007 zu erkennen gegeben, dass es den Vortrag des [X.] zu diesem Gesichtspunkt für unzureichend halte. Der Kläger habe daraufhin zu diesem Punkt mit Schriftsatz vom 1. November 2007 umfangreich vorgetragen und darum gebeten, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Das [X.] habe zu Unrecht gemeint, der nicht nachgelassene Schriftsatz gebe keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Entgegen der Ansicht der Revision ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das [X.] die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hat. Der Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör ist daher nicht verletzt. Das Gericht ist allerdings gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn es einen nach § 139 ZPO gebotenen Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung erteilt hat und sich aus einem nicht nachgelassenen Schriftsatz ergibt, dass die betroffene [X.] sich dazu in der mündlichen Verhandlung nicht ausreichend erklären konnte (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 2010 - [X.] Rn. 39 - Gewährleistungsausschluss im [X.], mwN). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt. Das [X.] war nicht verpflichtet, den Kläger bereits vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass es seinen Vortrag zu den möglichen Vorteilen der [X.] aus einem Gesamtvertrag für unzureichend hält, oder ihm - falls der Hinweis erst in der mündlichen Verhandlung erfolgte - Gelegenheit zu geben, ergänzend vorzutragen. Der gesamte Rechtsstreit drehte sich von vornherein um die Frage, ob der Abschluss eines Gesamtvertrages für die [X.] vorteilhaft bzw. zumutbar ist. Nachdem die Schiedsstelle entschieden hatte, dass dies nicht der Fall sei, musste der Kläger damit rechnen, dass das [X.] diese Beurteilung teilt.

bb) Das [X.] hat weiter angenommen, auf den Marktanteil der vom Kläger repräsentierten [X.] von etwa 90% komme es nicht an. Wäre der Marktanteil der Verwerter maßgeblich, müsste die [X.] beispielsweise bereits dann einen [X.] gewähren, wenn der Markt von nur zwei Unternehmen beherrscht würde, obwohl keine nennenswerten Vorteile bei Verwaltung und Inkasso einträten.

Diese Beurteilung wird von der Revision hingenommen und lässt auch keinen Rechtsfehler erkennen. Das Ausmaß der Verwaltungsvereinfachung für die [X.] hängt in erster Linie von der Anzahl der Mitglieder der [X.] und der Anzahl der Einzelverträge ab, die die [X.] mit diesen Mitgliedern auf der Grundlage eines Gesamtvertrages schließen kann. Der Marktanteil der Mitglieder der [X.] ist für den Verwaltungsaufwand der [X.] dagegen ohne Bedeutung. Aus diesem Grunde kommt es auch nicht darauf an, ob die Mitglieder des [X.] - wie die Revision geltend macht - mit dem Verkauf von Musikaufnahmen über [X.] erhebliche Umsätze erzielen.

cc) Für die Zumutbarkeit des Abschlusses eines Gesamtvertrages spräche es allerdings, wenn die [X.] in einem vergleichbaren Fall eine ähnlich geringe Mitgliederzahl einer [X.] als ausreichend für einen Gesamtvertragsabschluss angesehen hätte. Das [X.] hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass hierfür keine Anhaltspunkte bestehen.

(1) Die [X.] hat allerdings, wie aus der Entscheidung des [X.]s "Doppelmitgliedschaft" hervorgeht, einen Gesamtvertrag mit einem Verband geschlossen, dem lediglich 13 Filmtheaterbetriebe angehörten ([X.], [X.], 358, 359). Die in jenem Verfahren erwähnte Zahl von 13 Filmtheaterbetrieben stimmt zwar mit der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Zahl von 13 [X.] überein. Der in der Entscheidung "Doppelmitgliedschaft" erwähnte Fall ist dennoch, wie das [X.] zutreffend angenommen hat, mit dem Streitfall nicht vergleichbar. In jenem Fall hat das [X.] darauf abgestellt, dass zu den 13 Filmtheaterbetrieben 47 Filmtheater gehörten, die Mitglieder des Verbandes waren ([X.], [X.], 358). Geht man von 47 möglichen Einzelverträgen aus, so konnte die [X.] in jenem Fall durch den Abschluss eines Gesamtvertrages eine wesentlich größere Verwaltungsvereinfachung erreichen, als ihr dies im vorliegenden Fall möglich wäre.

(2) Das [X.] hat angenommen, die bloße Bereitschaft der [X.] zum Abschluss eines Vertrages mit dem [X.] und neue Medien e.V. ([X.]) könne nicht berücksichtigt werden, weil die Zahl der Mitglieder dieses Verbandes nicht bekannt sei und die Vergleichbarkeit der Vertragsbedingungen mangels Vertragsschlusses nicht beurteilt werden könne.

Die Revision rügt ohne Erfolg, das [X.] habe verkannt, dass die [X.] die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Ausnahme vom Kontrahierungszwang trage und die Darlegung der mangelnden Vergleichbarkeit daher der [X.] oblegen hätte. Nach den Feststellungen des [X.]s hat die [X.] mit dem [X.] noch keinen Gesamtvertrag geschlossen. Das [X.] hat daher mit Recht angenommen, dass bislang keine Vertragspraxis vorliegt, an der sich die [X.] möglicherweise festhalten lassen müsste.

Die Revision beanstandet des Weiteren vergeblich, das [X.] habe nicht berücksichtigt, dass eine Gesamtvertragsfähigkeit des [X.] auch deshalb angenommen werden müsse, weil es für die Mitglieder des [X.] unzumutbar sei, dem [X.] beizutreten. Würde die Gesamtvertragsfähigkeit des [X.] verneint, bestünde für seine Mitglieder, die einen Gesamtvertragsrabatt erlangen wollten, ein tatsächlicher Zwang zur Mitgliedschaft beim [X.]. Eine solche Mitgliedschaft sei ihnen jedoch unzumutbar, weil der Kläger und der [X.] sich in fast allen Beziehungen als Marktteilnehmer mit gegenläufigen Interessen gegenüberstünden. Die Interessen der Mitglieder des [X.] als Inhaber des Repertoires seien notwendigerweise andere als die Interessen der Mitglieder des [X.], die ihr Geschäft mit dem Weiterverkauf dieses Repertoires bestritten. Diese Rüge greift schon deshalb nicht durch, weil zwischen der [X.] und dem [X.] noch kein Gesamtvertrag zustande gekommen ist, dem die Mitglieder des [X.] möglicherweise beitreten könnten. Im Übrigen sind die Mitglieder des [X.] nicht gezwungen, dem [X.] beizutreten und einen Gesamtvertragsrabatt in Anspruch zu nehmen.

c) Der Kläger kann von der [X.] den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife [X.] 2 und [X.] 3 für die Musiknutzung in [X.] auch nicht im Blick auf die ihm angehörenden 370 Tonträgerhersteller verlangen.

aa) Der von der [X.] aufgestellte Tarif [X.] 2 gilt nach Ziffer I Absatz 1 ausschließlich

für Music-on-Demand Audio-Angebote mit Download im [X.] oder ähnlichen Datennetzen, welche die Speicherung von Werken (Upload) sowie deren Übermittlung (Streaming) und die Speicherung von Werken beim Endnutzer (Download) zum Gegenstand haben, ausgenommen Ruftonmelodien.

Er umfasst nach Ziffer [X.] (1) folgende Rechte:

- Das Recht, Werke des [X.] aufzunehmen und für die Nutzung technisch aufzubereiten.

- Das Recht, Werke des [X.] in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art (z.B. Serverrechner) einzubringen (Upload).

- Das Recht, Werke des [X.], die in Datenbanken, Dokumentationssystemen oder in Speichern ähnlicher Art (z.B. Serverrechner) eingebracht sind, elektronisch oder in ähnlicher Weise zu übermitteln ("Right of Communication to the Public and Making Available").

- [X.] auf einen Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download).

Der von der [X.] aufgestellte Tarif [X.] 3 gilt ausschließlich

für Music-on-Demand Audio-Angebote ohne Download im [X.] oder ähnlichen Datennetzen, welche die Speicherung von Werken (Upload) sowie deren Übermittlung an den Endnutzer (Streaming) zum Gegenstand haben.

Er umfasst nach Ziffer [X.] (1) die gleichen Rechte wie der Tarif [X.] 2 mit Ausnahme des Rechts zur Speicherung des Werkes auf einem Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download).

Die Tarife [X.] 2 und [X.] 3 für die Musiknutzung in [X.] erfassen verschiedene [X.] (Aufnehmen und Aufbereiten des Musikstücks, Einbringen in die Datenbank, Bereithalten und Übertragen auf Abruf, Speichern beim Endnutzer) und sehen für die Einräumung der für diese [X.] erforderlichen Nutzungsrechte (Vervielfältigungsrecht, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung) ein einheitliches Entgelt vor. Das ist sachgerecht, da es sich bei der Musiknutzung in [X.] um einen bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise einheitlichen [X.] handelt, auch wenn er mehrere [X.] einschließt und unterschiedliche Nutzungsrechte betrifft.

bb) Hat eine Verwertungsgesellschaft - wie hier die [X.] - einen Tarif für einen [X.] aufgestellt, der mehrere [X.] umfasst, so ist sie gegenüber Vereinigungen, deren Mitglieder keine der von diesem Tarif erfassten [X.] selbst vornehmen, nicht nach § 12 [X.] zum Abschluss eines Gesamtvertrages über diesen Tarif verpflichtet. Eine Verwertungsgesellschaft hat die von ihr wahrgenommenen Nutzungsrechte nach § 11 Abs. 1, § 12 [X.] nur denjenigen zu angemessenen Bedingungen einzuräumen, die diese zumindest auch für eigene [X.] benötigen. Sie muss die Nutzungsrechte dagegen nicht denjenigen einräumen, die diese ausschließlich auf Dritte weiterübertragen möchten.

Die Verwertungsgesellschaft ist verpflichtet, die zu ihrem Tätigkeitsbereich gehörenden Rechte und Ansprüche auf Verlangen der Berechtigten wirksam wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 [X.]). Dies schließt die Verpflichtung ein, die Nutzung der wahrgenommenen Rechte durch diejenigen, denen sie Nutzungsrechte eingeräumt hat, möglichst effektiv zu kontrollieren (vgl. [X.] in Dreier/[X.] aaO § 6 [X.] Rn. 14). Diese Kontrolle kann gegenüber [X.], die der Verwertungsgesellschaft nicht bekannt und nicht verpflichtet sind, nicht wirksam ausgeübt werden. Selbst wenn sich die [X.] gegenüber der Verwertungsgesellschaft - wie die Revision geltend macht - zur Abgabe von [X.] verpflichteten und eine Haftung übernähmen, bestünde die Gefahr, dass die Verwertungsgesellschaft diese [X.] jedenfalls nicht gleichermaßen effektiv kontrollieren könnte wie Nutzungsberechtigte, mit denen sie eine Nutzungsrechtsvereinbarung geschlossen hat. Zudem erhöhte die unnötige Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsinhabers den Verwaltungsaufwand der Verwertungsgesellschaft.

Die Verwertungsgesellschaft ist ferner verpflichtet, den interessierten Nutzern die von ihr wahrgenommenen Rechte zu angemessenen Bedingungen einzuräumen (vgl. § 11 Abs. 1, § 12 [X.]). Die Weiterübertragung der Nutzungsrechte auf Dritte begründete die Gefahr, dass die Nutzer die von der Verwertungsgesellschaft wahrgenommenen Rechte nicht zu angemessenen Bedingungen nutzen könnten. Die [X.] hat grundsätzlich keine Möglichkeit, die Bedingungen der Weiterübertragung zu beeinflussen oder zu überprüfen. Soweit diejenigen, denen die Verwertungsgesellschaft die Nutzungsrechte zur Weiterübertragung eingeräumt hat, von den Nutzern eine höhere Vergütung verlangen und erhalten würden, als sie der Verwertungsgesellschaft entrichten müssten, käme diese nicht den Berechtigten zugute. Eine Zwischenschaltung weiterer Rechtsinhaber, die eigene wirtschaftliche Interessen verfolgen, liegt daher nicht im Interesse der Berechtigten.

cc) Nach diesen Maßstäben kann der Kläger den Abschluss eines Gesamtvertrages über die Nutzung der Tarife [X.] 2 und [X.] 3 für die Musiknutzung in [X.] nicht beanspruchen, weil die ihm angehörenden Tonträgerhersteller keine der von diesen Tarifen erfassten [X.] selbst vornehmen.

(1) Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass die maßgebliche Nutzungshandlung bei der von den Tarifen [X.] 2 und [X.] 3 erfassten Musiknutzung in [X.] im öffentlichen Zugänglichmachen der Werke für den interaktiven Abruf besteht und dass diese Nutzungshandlung von den [X.] und nicht von den [X.] vorgenommen wird.

Die Revision rügt ohne Erfolg, das [X.] habe sich durch das Herausgreifen des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung und dessen Qualifizierung als maßgeblicher Verwertungshandlung der Erkenntnis verschlossen, dass dieses Recht isoliert gesehen für die [X.] ohne Wert und Substrat sei. Ein Musikabrufdienst könne seine Tätigkeit nicht entfalten und bedürfe keiner Lizenzen der [X.], wenn er nicht zuvor die Rechte der Tonträgerhersteller und der ausübenden Künstler eingeholt hätte.

Die [X.] benötigen für das öffentliche Zugänglichmachen von Musikwerken allerdings in der Regel nicht nur die von der [X.] wahrgenommenen Rechte der Musikurheber. Sie sind zum öffentlichen Zugänglichmachen von auf Tonträgern aufgezeichneten Darbietungen ausübender Künstler vielmehr nur berechtigt, wenn ihnen auch die ausübenden Künstler und die Hersteller des Tonträgers das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung der Darbietung (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und des Tonträgers (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 [X.]) eingeräumt oder übertragen haben. Dabei handelt es sich jedoch um Verwertungsrechte, die von den Tarifen der [X.] nicht erfasst sind, weil sie nicht der [X.], sondern anderen Rechtsinhabern zustehen.

Entgegen der Darstellung der Revision entscheidet allein der Musikabrufdienst und nicht etwa der Tonträgerhersteller über das öffentliche Zugänglichmachen eines Musikwerkes auf seiner [X.]seite. Auch soweit [X.] für das öffentliche Zugänglichmachen von Musikwerken auf die Rechte der Tonträgerhersteller angewiesen sind, sind sie nicht verpflichtet, von den ihnen seitens der Tonträgerhersteller eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen.

(2) Der Kläger kann einen Anspruch auf Abschluss eines Gesamtvertrages über den gesamten von den Tarifen der [X.] erfassten [X.] auch nicht mit Erfolg darauf stützen, dass die ihm angehörenden Tonträgerhersteller die Werke des Repertoires der [X.] aufnehmen und für die Nutzung technisch aufbereiten und damit eine der von den Tarifen der [X.] erfassten [X.] vornehmen.

Das [X.] hat angenommen, der Kläger könne die Einräumung eines [X.] nicht mit dieser Begründung beanspruchen. Die Tonträgerhersteller würden bei der Aufbereitung der Musikdateien stets entweder im Auftrag der [X.] tätig oder besorgten als Geschäftsführer ohne Auftrag ein fremdes Geschäft, nämlich ein solches der [X.]. Daher sei auch diese Nutzungshandlung allein den [X.] zuzurechnen.

Die Revision rügt ohne Erfolg, diese Beurteilung stehe in Widerspruch zum Vorbringen des [X.], dass die Tonträgerhersteller hinsichtlich ihrer eigenen Rechte aus § 85 Abs. 1 [X.] und der von den ausübenden Künstlern abgeleiteten Rechte aus §§ 77, 78 Abs. 1 [X.] entschieden, welche Musikstücke in Abrufdiensten angeboten würden. Bei der technischen Aufbereitung der Musikdateien handele es sich daher um ein eigenes Geschäft der Tonträgerhersteller.

Soweit die Tonträgerhersteller mit dem Aufnehmen und Aufbereiten der Musikdateien ein eigenes Geschäft besorgen und diese [X.] daher nicht den [X.] zuzurechnen sind, werden diese [X.] nicht von den in Rede stehenden Tarifen der [X.] erfasst. Die nach den Tarifen für die Musiknutzung in [X.] maßgebliche Nutzungshandlung ist das öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke (vgl. oben unter [X.]). Die Aufnahme und das Aufbereiten der Musikstücke werden von den Tarifen nur als unselbständige Vorbereitungshandlungen erfasst. Deshalb unterliegt - was auch der Kläger nicht in Abrede stellt - beispielsweise die selbständige Nutzungshandlung der erstmaligen Aufnahme eines Musikwerkes auf einen Tonträger - also die Herstellung des sogenannten Masterbandes durch den Tonträgerhersteller - nicht diesen Tarifen. Die Tarife erfassen allein das Aufnehmen und Aufbereiten von Musikstücken durch Nutzer oder im Auftrag von Nutzern, die beabsichtigen, diese Musikdateien anschließend selbst öffentlich zugänglich zu machen.

Nutzer, die nicht selbst Musikstücke in [X.] anbieten, können den Tarif der [X.] für die Musiknutzung in [X.] daher auch dann nicht in Anspruch nehmen, wenn sie diese Musikstücke für eine Nutzung in [X.] aufnehmen und aufbereiten. Ihnen ist es allerdings unbenommen, von der [X.] nach § 11 Abs. 1 [X.] allein die Einräumung der für ein eigenes Aufnehmen und Aufbereiten von Werken aus dem Repertoire der [X.] erforderlichen Nutzungsrechte zu verlangen. Ebenso steht es [X.]en frei, die [X.] bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 [X.] auf Abschluss eines Gesamtvertrages über diese Nutzungsrechte in Anspruch zu nehmen.

(3) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die [X.] könne sich nicht darauf berufen, zu einer Einräumung von Nutzungsrechten zur Weiterübertragung auf Dritte nicht verpflichtet zu sein, weil sie im Tarif [X.] 2 selbst eine [X.] von Nutzungsrechten vorsehe.

Der Tarif [X.] 2 umfasst das Recht zur Speicherung des Werkes auf einen Datenträger beim Endnutzer zum privaten Gebrauch (Download). Da das Werk nicht vom Musikabrufdienst, sondern vom Endnutzer auf einem Datenträger gespeichert und damit vervielfältigt wird, muss der Musikabrufdienst dieses Nutzungsrecht auf den Endnutzer übertragen. Daraus kann der Kläger allerdings keinen Anspruch auf Einräumung der von ihm selbst nicht genutzten Rechte für die Musiknutzung in [X.] zur Weiterübertragung auf Dritte herleiten.

Die [X.] ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, von ihr wahrgenommene Nutzungsrechte zur Weiterübertragung an Dritte einzuräumen (vgl. oben unter [X.]); sie ist hierzu aber berechtigt, wenn dies im Interesse der Berechtigten liegt. So verhält es sich hier. Die Weiterübertragung des Nebenrechts zur Speicherung des Werkes auf einem Datenträger des [X.] durch den Nutzer des [X.] zur öffentlichen Zugänglichmachung ist aus Gründen der Praktikabilität geboten. Die [X.] ist praktisch nicht dazu in der Lage, den ihr unbekannten Endnutzern dieses Nutzungsrecht selbst einzuräumen und von ihnen hierfür eine Nutzungsvergütung zu fordern. Es entspricht daher dem Interesse der Musikurheber, dass die [X.] den Endnutzern dieses Nutzungsrecht über die [X.] als Werkvermittler verschafft und die Nutzungsvergütung von den Werkvermittlern fordert, die diese ihrerseits auf die Endnutzer umlegen können.

2. Das [X.] hat die Weigerung der [X.], einen Gesamtvertrag abzuschließen, mit Recht auch nicht als kartellrechtswidrig angesehen.

Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 GWB käme nur in Betracht, wenn sich die [X.] unter Verstoß gegen § 12 [X.] geweigert hätte, den in Rede stehenden Gesamtvertrag abzuschließen. Dies ist aber - wie ausgeführt - nicht der Fall.

III. Danach ist die Revision des [X.] mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

[X.]                               Büscher

                          Schaffert                                   Koch

Meta

I ZR 11/08

14.10.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 29. November 2007, Az: 6 WG 1/06, Urteil

§ 11 Abs 1 UrhWahrnG, § 12 UrhWahrnG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.10.2010, Az. I ZR 11/08 (REWIS RS 2010, 2354)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2354

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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