Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.03.2011, Az. I R 61/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 8104

STEUERRECHT STEUERN GEBÜHREN

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Gegenstand

Verfassungsmäßigkeit der sog. Auskunftsgebühr - Zweck und Wesen der Auskunftsgebühr und des Auskunftsverfahrens - Abgrenzung von Gebühren zu Steuern - Ursachen für die Unübersichtlichkeit der steuerlichen Normen - Gebührenerlass aus Billigkeitsgründen


Leitsatz

Die sog. Wertgebühr, die für die Bearbeitung von Anträgen auf verbindliche Auskünfte erhoben wird, ist dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß .

Tatbestand

1

I. Streitpunkt ist die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenerhebung für verbindliche Auskünfte gemäß § 89 Abs. 3 bis 5 der Abgabenordnung i.d.[X.] vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28) --AO--.

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, beantragte im Juli 2007 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) im Zusammenhang mit einer geplanten Umstrukturierung des Unternehmens die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zu den Fragen, ob eine nicht verhältniswahrende Abspaltung die Anwendbarkeit von § 11 Abs. 2 und § 13 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 2006) beeinträchtige und ob es sich bei den in ihrem Betriebsvermögen befindlichen Beteiligungen an ausländischen Vertriebsgesellschaften um wesentliche Betriebsgrundlagen handele. Den Gegenstandswert der Auskunft gab die Klägerin mit 1.274.581 € an. Das [X.] erteilte die begehrte Auskunft im Sinne der Klägerin und erließ am 7. August 2007 einen Gebührenbescheid gemäß § 89 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 1, Abs. [X.] (sog. [X.]) über 5.356 €. Die Klägerin hält die Gebührenpflicht für die verbindliche Auskunft für verfassungswidrig. Ihre deswegen erhobene Klage blieb jedoch ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) Münster hat sie mit Urteil vom 1. Juli 2010  3 K 722/08 S, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2010, 1973, als unbegründet abgewiesen.

3

Gegen das [X.] richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Klägerin.

4

Die Klägerin beantragt, das [X.] und den Gebührenbescheid des [X.] aufzuheben.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat den angefochtenen Gebührenbescheid zutreffend als rechtmäßig angesehen. Die Bestimmungen des § 89 Abs. 3 bis 5 [X.] über die Erhebung und die Bemessung der [X.] für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung verbindlicher Auskünfte sind nicht verfassungswidrig (so auch die bisher einhellige Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung, vgl. neben dem angefochtenen [X.]-Urteil die Urteile des [X.] Baden-Württemberg vom 20. Mai 2008  1 K 46/07, E[X.] 2008, 1342, und vom 17. März 2010  1 K 661/08, E[X.] 2010, 1284; Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 24. Juni 2010  6 K 12181/08, E[X.] 2010, 1562; Beschluss des Niedersächsischen [X.] vom 16. Juli 2010  [X.], juris; Urteil des Schleswig-Holsteinischen [X.] vom 1. Oktober 2010  1 K 282/07, E[X.] 2010, 2061).

7

1. Die [X.] nach § 89 Abs. 3 [X.] ist ihrem materiellen Gehalt nach eine nichtsteuerliche Abgabe. Denn sie wird nicht, wie eine Steuer i.S. der Art. 105, 106 des Grundgesetzes (GG), "voraussetzungslos", sondern als Gegenleistung für eine öffentlich-rechtliche Leistung --nämlich die Bearbeitung des Antrags auf verbindliche [X.] nach § 89 Abs. 2 [X.] durch die [X.] erhoben. Da es sich bei der [X.] um eine öffentlich-rechtliche Geldleistung handelt, die aus Anlass einer dem jeweiligen Schuldner individuell zuzuordnenden öffentlichen ([X.] hoheitlich auferlegt wird und die jedenfalls auch dazu bestimmt ist, die Kosten dieser Leistung zu decken, handelt es sich dem Typus nach um eine Gebühr (vgl. zur Definition Urteil des [X.] vom 19. März 2003  2 [X.], [X.] 108, 1, m.w.[X.]). Die Gesetzgebungskompetenz des [X.] der [X.] ergibt sich aus Art. 108 Abs. 5 GG als Annex (vgl. Urteil des [X.] --BVerwG-- vom 3. März 1994  4 C 1/93, [X.], 188) zum Recht, das Verfahren betreffend die Erhebung der Steuern zu regeln.

8

Soweit der Charakterisierung als Gebühr entgegengehalten wird, das [X.]sverfahren sei --wegen der Verortung des § 89 [X.] im Abschnitt "allgemeine Verfahrensvorschriften"-- ein unselbständiger Teil des Besteuerungsverfahrens ([X.], [X.] Steuer-Zeitung [X.], 421, 423), kann dem nicht gefolgt werden. Die verbindliche [X.] bezieht sich nach § 89 Abs. 2 Satz 1 [X.] ausschließlich auf die Beurteilung noch nicht verwirklichter Sachverhalte, hinsichtlich derer folglich ein Besteuerungsverfahren noch nicht begonnen haben kann und von denen nicht sicher ist, dass sie später tatsächlich verwirklicht und im Rahmen von Besteuerungsverfahren zu beurteilen sein werden. Deshalb handelt es sich bei dem [X.]sverfahren nach § 89 Abs. 2 [X.] um ein eigenständiges Verwaltungsverfahren, in dem die Finanzbehörde gegenüber dem [X.] eine besondere Dienstleistung erbringt ([X.]/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 89 [X.] Rz 323; [X.], Abgabenordnung, § 89 Rz 83; vgl. auch Begründung des Regierungsentwurfs eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011, BTDrucks 17/5125, [X.]).

9

Nicht zu folgen ist auch der Auffassung, nach der es für die formelle Verfassungsmäßigkeit der [X.] unter dem finanzverfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des "[X.] der Steuer" von maßgeblicher Bedeutung sein soll, dass der abstrakte Gebührensatz maximal so hoch bemessen ist, dass das pro Rechnungsperiode zu veranschlagende Gesamtaufkommen aus der Gebühr diejenigen Kosten nicht übersteigt, welche der betreffenden Gebietskörperschaft durch die Erbringung der gebührenpflichtigen Leistungen insgesamt entstehen (so [X.], Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2007, 749, 750 f.). Denn zum einen können nach der Rechtsprechung des [X.] Gebühren nicht deshalb ganz oder teilweise zu Steuern werden, weil sie unzulässig überhöht bemessen sind ([X.]-Urteil in [X.] 108, 1). Zum anderen dient die Erhebung der [X.] nicht nur dem Zweck des Kostenausgleichs, sondern auch dem einer Vorteilsabschöpfung (dazu sogleich unter [X.]), so dass der Vergleich des [X.] mit dem behördlichen Aufwand nicht der allein maßgebliche Beurteilungsmaßstab sein kann.

2. Die Erhebung von Gebühren bedarf im Hinblick auf die Wahrung der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) einer besonderen sachlichen Rechtfertigung; als solche kommen u.a. die [X.] der Kostendeckung und des Vorteilsausgleichs in Betracht ([X.]-Urteil in [X.] 108, 1; [X.]-Beschluss vom 7. November 1995  2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93, [X.] 93, 319, jeweils m.w.[X.]). Beide Zwecke sind im Falle der [X.] nach § 89 Abs. 3 bis 5 [X.] gegeben und rechtfertigen diese dem Grunde nach (ebenso [X.]/ [X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 321 ff.; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 89 [X.] Rz 63 ff.; [X.], Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2007, 1325, 1327 f.; [X.], NVwZ 2007, 749, 751 ff.; [X.], [X.], 382, 391 f.; [X.] in [X.], Abgabenordnung, 10. Aufl., § 89 Rz 17; [X.], a.a.[X.], § 89 Rz 82; a.[X.], Der Betrieb --[X.]-- 2007, 2333, 2334 ff.; [X.], [X.]s Steuerrecht --DStR-- 2007, 557, 563 f.; [X.], [X.], 421, 423 f.; [X.]/[X.], [X.], 1466, 1467; zweifelnd auch [X.] in [X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 89 [X.] Rz 79).

a) Die Gebührenpflicht nach § 89 Abs. 3 bis 5 [X.] ist auf Vorschlag des [X.] mit dem Jahressteuergesetz 2007 in das Gesetz aufgenommen worden, weil nach erstmaliger Normierung der verbindlichen [X.] in § 89 Abs. 2 [X.] durch das [X.] vom 5. September 2006 ([X.], 2098) mit einem starken Anstieg der Zahl der [X.]santräge gerechnet wurde. In der Stellungnahme des [X.] zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 ([X.] 622/06, [X.]) heißt es, die vermehrte Erteilung verbindlicher Auskünfte werde bei den zuständigen Finanzbehörden voraussichtlich zu einem erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand führen. Vor dem Hintergrund, dass die verbindliche [X.] vor allem bei Dauersachverhalten die Finanzverwaltung für viele Jahre binden könne, sei eine sehr intensive Prüfung unerlässlich; die zu erhebenden Gebühren sollten sich am Verwaltungsaufwand und an den steuerlichen Auswirkungen beim Antragsteller bemessen und pauschaliert werden. Der Finanzausschuss (7. Ausschuss) des [X.] führt in seinem Bericht zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 (BTDrucks 16/3368, [X.]) aus, die vermehrte Erteilung verbindlicher Auskünfte, die nicht Hauptaufgabe der Finanzverwaltung sei, werde bei den zuständigen Finanzbehörden zu einem erheblichen zusätzlichen Arbeitsaufwand führen; da es sich um eine Aufgabe handele, die nicht mehr im Bereich der Steuerfestsetzung und -erhebung liege, sondern eine individuelle Leistung gegenüber dem Antragsteller darstelle, sei die Erhebung einer Gebühr sachgerecht. Im Regelfall richte sich die Höhe der Gebühr nach dem Gegenstandswert, also dem Wert, den die verbindliche [X.] für den Antragsteller habe.

Die Gesetzesmaterialien lassen mithin erkennen, dass mit der Einführung der Gebührenpflicht zum einen der mit der Bearbeitung des Antrags auf verbindliche [X.] verbundene besondere Verwaltungsaufwand abgegolten werden soll. Zum anderen verdeutlicht die primäre Orientierung der Gebührenhöhe am Gegenstandswert (§ 89 Abs. 4 [X.]) den weiteren Gesetzeszweck der Abschöpfung des Vorteils, den der Steuerpflichtige mit der Beantragung der verbindlichen [X.] zu erreichen trachtet. Beide Gesichtspunkte sind legitime [X.], die geeignet sind, die Erhebung einer [X.] zu rechtfertigen.

b) Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass sich die Verpflichtung zur [X.]serteilung bereits aus den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden allgemeinen Fürsorge- und Betreuungspflichten des Staates ergebe, nach denen dieser verpflichtet sei, den Bürger im Bereich der [X.] kostenfrei in Kenntnis seiner Rechte und Pflichten zu setzen (so aber [X.], [X.] 2007, 2333, 2335; [X.], [X.], 557, 563; [X.], [X.], 421, 423). Diese Sichtweise berücksichtigt nicht hinreichend den vom Antragsteller mit dem [X.]sverfahren nach § 89 Abs. 2 [X.] angestrebten Vorteil. Mit der [X.] erhält der Antragsteller schon vor Verwirklichung der geplanten Sachverhalte nicht nur Kenntnis über deren steuerliche Beurteilung durch die zuständigen Finanzbehörden. Vielmehr bewirkt § 89 Abs. 2 Satz 4 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsverordnung zu § 89 Abs. 2 [X.] vom 30. November 2007 ([X.], 2783, [X.], 820) --Steuer-[X.]sverordnung ([X.] eine Selbstbindung der Verwaltung in dem künftigen Besteuerungsverfahren. Das führt dazu, dass die Finanzbehörde die erteilte [X.] selbst dann, wenn sich später deren Unrichtigkeit herausstellt, mit Wirkung für die Vergangenheit nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 129 bis 131 [X.] berichtigen, zurücknehmen oder widerrufen darf. Und bei der gemäß § 2 Abs. 3 [X.] im Ermessen der Finanzverwaltung stehenden Entscheidung über die Aufhebung oder Änderung der unrichtigen [X.] mit Wirkung für die Zukunft ist der Vertrauensschutz zu beachten; zu Lasten des Steuerpflichtigen dürfen solche Korrekturen deshalb grundsätzlich nur dann vorgenommen werden, wenn der Sachverhalt, auf den sich die [X.] bezogen hat, noch nicht verwirklicht ist (vgl. [X.] --[X.]--, [X.] zur Abgabenordnung i.d.[X.] vom 2. Januar 2008, [X.], 26, Nr. 3.6.6 zu § 89 [X.]). Auch die Gerichte haben die Bindungswirkung der [X.] zu beachten und dürfen im Falle der inhaltlichen Unrichtigkeit der [X.] das materiell als zutreffend angesehene Recht nicht zu Lasten des [X.]sadressaten anwenden. In der Bindungswirkung liegt mithin ein individuell dem [X.]sadressaten zuzurechnender Sondervorteil. Eine Verpflichtung, dem Steuerpflichtigen das zur Erreichung dieses Vorteils erforderliche Verwaltungsverfahren kostenfrei zur Verfügung zu stellen, kann aus den im Bereich der [X.] bestehenden Fürsorge- und Betreuungspflichten der öffentlichen Hand nicht abgeleitet werden.

c) Der des Weiteren vorgebrachte Einwand, auch die Finanzverwaltung profitiere von der verbindlichen [X.], weil sie dadurch im späteren Veranlagungsverfahren und bei einer möglichen steuerlichen Außenprüfung entlastet werde (so [X.] in [X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 79), überzeugt nicht. Denn zum einen steht nicht fest, dass die im Rahmen des [X.]sverfahrens zu prüfenden Sachverhalte später überhaupt verwirklicht werden. Werden die Sachverhalte realisiert, entsteht der Behörde in den späteren Veranlagungs- und Prüfungsverfahren zudem dadurch Aufwand, dass sie zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen, unter denen die Zusage erteilt wurde, tatsächlich vorliegen (zutreffend [X.], NJW 2007, 1325, 1328). Zum anderen besteht die beschriebene Bindungswirkung nur zugunsten des Steuerpflichtigen, nicht aber zu dessen Ungunsten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die Finanzbehörden haben deshalb in den späteren Verfahren auch zu prüfen, ob die erteilte [X.] möglicherweise zuungunsten des Steuerpflichtigen dem geltenden Recht widerspricht, und müssen sich ggf. mit den insoweit vorgebrachten Einwänden des Steuerpflichtigen befassen. Eine annähernd mit den Vorteilen des [X.]sadressaten zu vergleichende Besserstellung der Finanzbehörde in den späteren [X.] und Prüfungsverfahren führt die Durchführung des [X.]sverfahrens somit nicht herbei.

d) Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Gebührenpflicht sei deshalb sachlich nicht gerechtfertigt, weil der Staat als Gesetzgeber selbst für das komplizierte und unsystematische Steuerrecht verantwortlich sei; es könne deshalb nicht als Sondervorteil angesehen werden, wenn der Steuerpflichtige den Umfang seiner steuerlichen Rechte und Pflichten von der Behörde mitgeteilt bekomme (so [X.], [X.] 2007, 2333, 2336; [X.], [X.], 557, 563 f.; vgl. auch [X.], [X.] 7/2007, [X.]. 5, und die Nachweise aus der Tagespresse und aus den Pressemitteilungen der Verbände bei [X.] in Tipke/ [X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 63, und bei [X.], NJW 2007, 1325, 1327).

Gegen diese Sichtweise spricht zunächst, dass die Kompliziertheit des Steuerrechts ihre Ursache nicht ausschließlich in der unbestritten oft unsystematischen und nicht hinreichend durchdachten Vorgehensweise bei der Gesetzgebung hat. Zu einem erheblichen Teil beruht die Kompliziertheit und mangelnde Durchschaubarkeit des Steuerrechts auch auf der Komplexität und Vielgestaltigkeit des modernen Rechts- und Wirtschaftslebens, das einer Erfassung in schlichten, für jedermann durchschaubaren Steuertatbeständen nicht zugänglich ist. Zwar folgt aus dem auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) beruhenden Bestimmtheitsgebot, dass der Gesetzgeber Vorschriften so genau zu fassen hat, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist; der Betroffene muss die Rechtslage anhand der gesetzlichen Regelung so erkennen können, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 108, 1; Senatsurteil vom 18. März 2009 [X.], [X.], 323, jeweils m.w.[X.]). Jedoch wäre angesichts der Komplexität der Lebenswirklichkeit auch ein idealer Gesetzgeber nicht in der Lage, z.B. in dem im Streitfall relevanten Bereich der Umstrukturierung von Unternehmen ein Steuergesetz so zu formulieren, dass die Steuerschuld zweifelsfrei daraus abzulesen wäre (vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 64; [X.]/[X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 325; [X.], NVwZ 2007, 749, 752).

Auch darf in diesem Zusammenhang nicht außer [X.] bleiben, dass die Unübersichtlichkeit der steuerlichen Normen ihre Ursache zum Teil auch in der Kreativität der Steuerpflichtigen und deren Berater hat, die stets --in durchaus legitimer [X.] bestrebt sind, etwa vorhandene Gesetzeslücken aufzuspüren und auszunutzen und die dadurch den Gesetzgeber zu weiteren gesetzlichen Ergänzungen provozieren. Und schließlich trägt zweifelsohne mitunter auch die Rechtsprechung dazu bei, das Steuerrecht für den Anwender unübersichtlicher zu machen. Eine monokausale Zuweisung der Verantwortung an den Gesetzgeber erscheint deshalb nach allem nicht angebracht.

e) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich für den Streitfall nicht insoweit etwas anderes, als die beantragte [X.] wegen der von ihr --der [X.] als "unsinnig und unvertretbar" angesehene Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 15 Abs. 1 Satz 3 UmwStG 2006 durch [X.]. 15.06 des [X.] vom 25. März 1998 (sog. Umwandlungssteuererlass, BStBl I 1998, 268) auf Beteiligungen, die nicht notwendiges Betriebsvermögen des zurückbleibenden Teilbetriebs sind, erforderlich geworden ist. Denn zum einen gibt es im Schrifttum durchaus Stimmen, die der Auffassung des [X.] in [X.]. 15.06 des [X.] beipflichten (z.B. Widmann in Widmann/[X.], Umwandlungsrecht, § 15 UmwStG [X.], m.w.[X.] in Fußnote 3). Und zum anderen besagt die erteilte [X.] nicht etwa, dass das [X.] der Auffassung des [X.] nicht folge. Das [X.] hat dort vielmehr nur der Ansicht der Klägerin zugestimmt, dass es sich bei der fraglichen Beteiligung nicht um eine wesentliche Betriebsgrundlage der Klägerin handele.

Im Übrigen käme nach geltendem Recht in dem Fall, dass ein [X.]santrag tatsächlich durch eine gänzlich unvertretbare Verwaltungsanweisung provoziert worden ist, ein Gebührenerlass im Billigkeitswege gemäß § 227 [X.] in Betracht (de lege ferenda sieht § 89 Abs. 7 Satz 1 i.d.[X.] des Art. 3 Nr. 2 des Regierungsentwurfs eines Steuervereinfachungsgesetzes [BTDrucks 17/5125, [X.]] einen Gebührenverzicht wegen Unbilligkeit ausdrücklich vor). Denn bei den [X.]en handelt es sich gemäß § 3 Abs. 4 [X.] um steuerliche Nebenleistungen, mithin um Ansprüche aus dem Steuerverhältnis i.S. von § 227 [X.].

3. Die Regelungen zur Höhe der [X.] sind ebenfalls nicht als verfassungswidrig zu beurteilen.

a) Allerdings sind Gebühren von Verfassungs wegen auch in ihrer Höhe rechtfertigungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Bemessung einer Gebühr gerechtfertigt, wenn deren Höhe durch die zulässigen, vom Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung erkennbar verfolgten [X.] legitimiert ist. Eine Gebührenbemessung ist verfassungsrechtlich dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem groben Missverhältnis zu den verfolgten legitimen [X.]n steht ([X.]-Urteil in [X.] 108, 1). In erster Linie steht es in der Entscheidung des Gesetzgebers, welche Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze er für eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung aufstellen will und welche über die Kostendeckung hinausreichenden Zwecke er mit einer Gebührenregelung anstrebt ([X.]-Beschlüsse vom 6. Februar 1979  2 BvL 5/76, [X.] 50, 217, und vom 10. März 1998  1 BvR 178/97, [X.] 97, 332). Die verfassungsrechtliche Kontrolle der gesetzgeberischen Gebührenbemessung, die ihrerseits komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen voraussetzt, darf daher nicht überspannt werden. Gebühren werden in der Regel in Massenverfahren erhoben, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten, Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutungen in gewissem Maß vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann. Maßgebliche Bestimmungsgrößen der Gebührenbemessung, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistungen oder der Vorteil der Leistungen für den Gebührenschuldner, werden sich häufig nicht exakt und im Voraus ermitteln und quantifizieren lassen. Bei der Ordnung der Gebührenerhebung und Gebührenbemessung ist der Gesetzgeber daher berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in einem Gesamtbild zu erfassen. Er darf generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, die verlässlich und effizient vollzogen werden können ([X.]-Urteil in [X.] 108, 1).

b) Nach diesen Maßgaben sind die im Streitfall zur Anwendung gekommenen Regelungen des § 89 Abs. 4 und 5 [X.] zur Höhe der [X.]en nicht verfassungswidrig.

Gemäß § 89 Abs. 4 Satz 1 [X.] werden die Gebühren primär nach dem Wert berechnet, den die verbindliche [X.] für den Antragsteller hat (Gegenstandswert); für die Gebührenhöhe verweist § 89 Abs. 5 [X.] auf die Bemessung der [X.] nach § 34 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Danach ist im Streitfall die [X.] anhand des von [X.] und [X.] angenommenen und von der Klägerin erklärten und nicht angezweifelten [X.] von 1.274.581 € auf den Betrag von 5.356 € --das entspricht einer Gerichtsgebühr nach Maßgabe des § 34 [X.] festgesetzt worden.

Die Orientierung der [X.] am Maßstab des § 34 GKG ist vertretbar und steht nicht in einem groben Missverhältnis zu den --legitimen (s.o. unter [X.])-- [X.]n der Kostendeckung und der Vorteilsabschöpfung. Zwar dürfte der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Bearbeitung eines [X.]santrags häufig geringer sein als der eines Gerichtsverfahrens, weil die Finanzbehörde angesichts des vom Antragsteller vorgegebenen Sachverhalts kein Streitverfahren gerichtsförmig zu ermitteln und zu leiten hat. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber aber dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass er die Kosten auf eine einzige Gebühr beschränkt hat, während im streitig geführten Finanzgerichtsverfahren vier Gebühren anfallen.

Soweit gegen die Verhältnismäßigkeit der [X.] bei hohen Gegenstandswerten vorgebracht wird, dass die Höhe des [X.] nicht zwingend etwas über den für die Bearbeitung des Antrags erforderlichen Verwaltungsaufwand aussage ([X.]/ [X.], [X.], 1466, 1467; [X.], Betriebs-Berater 2007, 408, 412; vgl. auch [X.], [X.] 7/2007, [X.]. 5), wird der Blick zu sehr auf den Gebührenzweck der Kostendeckung verengt. Der Gebührenzweck der Abschöpfung des mit der verbindlichen [X.] verbundenen Sondervorteils der Bindungswirkung der [X.] bietet indessen durchaus einen sachlichen Grund für die Anknüpfung der Gebührenhöhe an den Maßstab des § 34 GKG (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 326 f.; [X.], NVwZ 2007, 749, 753; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 89 Rz 17; im Grundsatz auch [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 66; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 79). Überdies vermeidet die Orientierung am Gegenstandswert die bei einer reinen [X.] zu erwartenden Streitigkeiten über die Angemessenheit der Bearbeitungsdauer (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011, BTDrucks 17/5125, [X.]). Jedenfalls in den Fällen, in denen es --wie im [X.] tatsächlich zur Erteilung der beantragten [X.] kommt, hält deshalb die Gebührenbemessung auf der Grundlage des [X.] dem aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleiteten verfassungsrechtlichen Äquivalenzprinzip, nach dem Gebühren in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Gewalt gebotenen Leistung stehen dürfen (vgl. [X.]-Beschluss vom 7. Februar 1991  2 [X.], [X.] 83, 363; BVerwG-Urteil vom 25. August 1999  8 C 12/98, [X.], 272), stand (z.B. [X.]/[X.], a.a.[X.], § 89 [X.] Rz 330; a.A. [X.], [X.], 382, 392).

Meta

I R 61/10

30.03.2011

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 1. Juli 2010, Az: 3 K 722/08 S, Urteil

§ 89 Abs 3 AO vom 13.12.2006, § 89 Abs 4 AO vom 13.12.2006, § 89 Abs 5 AO vom 13.12.2006, § 2 Abs 1 StAuskV, § 2 Abs 3 StAuskV, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 108 Abs 5 GG, § 3 Abs 4 AO, § 227 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.03.2011, Az. I R 61/10 (REWIS RS 2011, 8104)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 8104

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Wird zitiert von

10 C 17/14

5 K 1287/16

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1 BvR 178/97

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