Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2020, Az. IX ZB 33/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2020, 667

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Gegenstand

Verbraucherinsolvenzverfahren: Angemessene Vergütung bei geringer Anzahl von Gläubigern und geringer Höhe der Verbindlichkeiten


Leitsatz

Im Verbraucherinsolvenzverfahren kann die Mindestvergütung des § 13 InsVV ausnahmsweise um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gekürzt werden, wenn wegen der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse und der geringen Anzahl der Gläubiger oder der geringen Höhe der Verbindlichkeiten der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens beträchtlich unterschritten wird, die Arbeitserleichterung nicht bereits darauf zurückzuführen ist, dass die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden sind, und sich ohne die zusätzliche Kürzung eine unangemessene hohe Vergütung ergäbe.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 4. April 2018 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 238,01 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Verwalter) war Verwalter in dem am 6. April 2016 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner hatte über seinen Verfahrensbevollmächtigten die Eröffnung des Verfahrens und Restschuldbefreiung beantragt und dem Antrag die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] genannten Verzeichnisse beigefügt, die von dem Verfahrensbevollmächtigten erstellt worden waren. Dem Schuldner wurden die Verfahrenskosten gestundet. In dem schriftlich durchgeführten Verfahren meldeten drei Gläubiger Forderungen im Gesamtbetrag von 34.571,29 € zur Insolvenztabelle an. Da lediglich unpfändbare Vermögenswerte vorhanden waren und der Schuldner Einkommen nur in unpfändbarer Höhe erzielte, konnte der Verwalter keine Vermögenswerte zur Masse ziehen. Mit Beschluss vom 17. November 2017 wurde das Insolvenzverfahren ohne Verteilung nach § 200 [X.] aufgehoben.

2

Mit Schreiben vom 12. September 2017 hat der Verwalter beantragt, seine Vergütung unter Zugrundelegung der nach § 13 [X.] auf 800 € gekürzten Mindestvergütung einschließlich Auslagen, Zustellungskosten und Umsatzsteuer auf 1.219,99 € festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] in Höhe von 200 € vorgenommen und die Vergütung auf insgesamt 981,98 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verwalters hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Verwalter den abgewiesenen Teil seines [X.] weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 4, 6 Abs. 1, § 64 Abs. 3 Satz 1 [X.]) und auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Ansicht des Schuldners war nicht schon die sofortige Beschwerde des Verwalters nach § 64 Abs. 3 Satz 2 [X.], § 567 Abs. 2 ZPO unzulässig. Der Wert des [X.], der nach diesen Bestimmungen 200 € übersteigen muss, bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag ([X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.] 162/10, Z[X.] 2012, 972 Rn. 10). Dieser Unterschied beträgt hier 238,01 €. Der darin enthaltene, der abzuführenden Umsatzsteuer entsprechende und vom Verwalter nach § 7 [X.] zur Festsetzung beantragte Betrag ist nicht herauszurechnen.

4

In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] komme auch dann in Betracht, wenn die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 [X.] bereits nach § 13 [X.] gekürzt worden sei. Die Tätigkeit des Verwalters habe derjenigen eines früheren Treuhän[X.] entsprochen. Bei Betrachtung der gesamten Umstände sei ein Absenken der Vergütung auf 600 € und damit auf das [X.] eines Treuhän[X.] nach altem Recht angezeigt.

6

2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Maßgeblich für die Bemessung der Vergütung sind die Regelungen der [X.] in der ab dem 1. Juli 2014 geltenden Fassung, weil das Insolvenzverfahren nach dem 30. Juni 2014 beantragt worden ist (§ 19 Abs. 4 [X.]).

7

a) Die Bemessung von Zu- und Abschlägen zum Regelsatz der Vergütung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der [X.] nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt ([X.], Beschluss vom 6. April 2017 - [X.] 48/16, [X.], 825 Rn. 8 mwN; [X.] Rspr.).

8

aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass die in massearmen Verfahren zu gewährende Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 [X.] auch in Verbraucherinsolvenzverfahren um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] gekürzt werden kann, wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens erheblich unterschritten wird. Voraussetzung ist, dass der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens so weit hinter den Kriterien eines durchschnittlichen massearmen Verfahrens, das schon seiner Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden ist, zurückbleibt, dass der Regelsatz der Mindestvergütung zu einer unangemessen hohen Vergütung führen würde ([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2017 - [X.] 101/15, [X.], 242 Rn. 13 ff).

9

bb) Ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] kann auch von der nach § 13 [X.] gekürzten Mindestvergütung vorgenommen werden. Nach dieser durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 ([X.] I, S. 2379) mit Wirkung vom 1. Juli 2014 neu gefassten Norm ermäßigt sich die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] auf 800 €, wenn in einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 [X.] von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt werden. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 [X.] in Fällen verminderten Aufwands für unterschreitbar hielt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass § 13 [X.] solche Fälle abschließend regeln will ([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2017, aaO Rn. 15). Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht ([X.]/[X.], [X.] 2017, 171, 177; [X.], [X.], 339, 341; Nerlich/[X.]/[X.], [X.], 2017, § 13 [X.] Rn. 17; HK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 13 [X.] Rn. 19; [X.] in [X.], [X.], 2016, § 13 [X.] Rn. 9; HmbKomm-[X.]/[X.], 7. Aufl., § 13 [X.] Rn. 14 ff; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 3 Rn. 316; [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 3 Rn. 119; BeckOK-[X.]/Budnik, 2020, § 13 [X.] Rn. 9; [X.]. [X.], 128) trifft es auch nicht zu, dass der ebenfalls durch das Gesetz vom 15. Juli 2013 neu geschaffene [X.] des § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] bereits in die Regelung des § 13 [X.] "integriert" sei und nicht beide Kürzungsvorschriften kumulativ angewandt werden könnten (offen gelassen von [X.], [X.], 126). Die beiden Regelungen betreffen unterschiedliche Tatbestände (so auch [X.]/[X.], aaO; [X.], aaO S. 339). Während es bei § 13 [X.] um den im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren geringeren Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters infolge der von einer geeigneten Stelle erstellten und deshalb verlässlicheren Verzeichnisse des Vermögens und Einkommens des Schuldners, seiner Gläubiger und ihrer Forderungen geht (vgl. BT-Drucks. 17/11268, [X.]), betrifft § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] die Arbeitserleichterung, die sich für den Verwalter ergibt, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering i[X.] Die jeweiligen Tatbestände können, müssen aber nicht zusammentreffen. Es kann Fälle geben, in denen die Voraussetzungen des § 13 [X.], nicht aber diejenigen des § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] gegeben sind; die Mindestvergütung beträgt dann 800 €. Liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] vor, kann dies wegen des - nochmals - geringeren Arbeitsaufwands eine Herabsetzung der Mindestvergütung des § 13 [X.] rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den [X.] des § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] in die Regelung des § 13 [X.] habe einbeziehen wollen, sind nicht erkennbar. Der Sache nach gleicht § 13 [X.] einem weiteren Regelbeispiel zu § 3 Abs. 2 [X.] (Zimmer, [X.], § 13 Rn. 2). Auch dies spricht dafür, dass auf der Grundlage der geltenden Regelung ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] von der Mindestvergütung des § 13 [X.] möglich i[X.] Eine abweichende Regelung wäre vom Verordnungsgeber zu treffen.

cc) Bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Mindestvergütung des § 13 [X.] nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] herabgesetzt werden kann, ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 12 Abs. 1 GG) in einem seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessenen Umfang vergütet werden muss. Wegen des Grundsatzes der Querfinanzierung muss die Vergütung zwar nicht in jedem Einzelfall kostendeckend sein. Der Insolvenzverwalter muss aber auch dann, wenn er überwiegend in massearmen Verfahren beauftragt wird, im Durchschnitt dieser Verfahren eine auskömmliche Vergütung erzielen können (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2004 - [X.] 96/03, [X.]Z 157, 282, 286, 288 ff).

Eine Kürzung der Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 [X.] in Verbraucherinsolvenzverfahren sowohl nach § 13 [X.] als auch nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] darf deshalb nicht die Regel sein, sondern ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Massearme Verfahren, in denen die Mindestvergütung zum Tragen kommt, sind schon ihrer Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden. Nur wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens nochmals beträchtlich unterschritten wird, kommt ein Abschlag von der Mindestvergütung in Betracht (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2017, aaO Rn. 14). Zu beachten ist ferner, dass Umstände, auf denen die Ermäßigung der Mindestvergütung nach § 13 [X.] beruht, nicht erneut bei der Prüfung eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] berücksichtigt werden dürfen. Die Vergütung eines Insolvenzverwalters in einem Verbraucherinsolvenzverfahren kann sich im Ergebnis am Vergütungssatz eines Treuhän[X.] nach früherem Recht (§§ 313, 314 [X.] aF) orientieren, wenn seine Tätigkeit tatsächlich nicht über dessen Aufgabenbereich hinausgeht ([X.], Beschluss vom 6. April 2017 - [X.] 48/16, [X.], 825 Rn. 13); die Mindestvergütung von 600 €, die nach § 13 Abs. 1 Satz 3 [X.] aF einem Treuhänder zu gewähren war, darf jedoch nicht unterschritten werden ([X.], Beschluss vom 14. Dezember 2017, aaO Rn. 16).

b) Die Entscheidung des [X.] stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Seine Annahme, die Voraussetzungen eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buch[X.] e [X.] seien gegeben, lässt nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Bemessung von Zu- und Abschlägen geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstab keinen Rechtsfehler erkennen.

Die Zahl von drei am Verfahren teilnehmenden Gläubigern war gering und die Vermögensverhältnisse des Schuldners waren überschaubar. Hierfür wird zwar nicht stets die Feststellung genügen, dass keine Insolvenzmasse vorhanden i[X.] Es kann auch Fälle geben, in denen der Verwalter erst aufgrund umfangreicher Tätigkeit ermitteln kann, dass Vermögensgegenstände vorhanden, diese aber nicht pfändbar sind und auch Einkünfte des Schuldners die Pfändungsfreigrenze nicht übersteigen. Schwierigkeiten dieser Art hat der Verwalter hier aber nicht dargelegt. Soweit er sich auf umfangreiche Korrespondenz mit dem Schuldner und dem Finanzamt hinsichtlich der Steuererklärungen berufen hat, hat er hierzu nichts Näheres vorgetragen, auch nachdem das Insolvenzgericht darauf hingewiesen hatte, dass sich hiervon im Schlussbericht und im [X.] nichts finde. Tätigkeiten, die über den Aufgabenbereich eines Treuhän[X.] nach altem Recht hinausgingen, hat der Verwalter nicht behauptet.

Kayser     

      

Gehrlein     

      

Grupp 

      

Schoppmeyer     

      

Röhl     

      

Meta

IX ZB 33/18

12.03.2020

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Krefeld, 4. April 2018, Az: 7 T 54/18

§ 3 Abs 2 Buchst e InsVV, § 13 InsVV, § 305 Abs 1 Nr 3 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.03.2020, Az. IX ZB 33/18 (REWIS RS 2020, 667)

Papier­fundstellen: WM2020,980 REWIS RS 2020, 667

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Referenzen
Wird zitiert von

IX ZB 4/21

Zitiert

IX ZB 162/10

IX ZB 48/16

IX ZB 101/15

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