Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2022, Az. 2 StR 395/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2022, 8994

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Wirtschaftsstrafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] – hat die Angeklagten jeweils wegen „gewerbsmäßiger“ Geldwäsche in 44 Fällen schuldig gesprochen. Den Angeklagten [X.]hat es zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt, gegen die heranwachsende Angeklagte [X.]    hat es eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat das [X.] gegen beide Angeklagte gesamtschuldnerisch haftend die Einziehung in Höhe von 212.850,35 Euro „als Wertersatz“ und gegen die Angeklagte [X.]    in Höhe von weiteren 11.202,65 Euro „als Wertersatz“ angeordnet. Hiergegen richten sich die nicht näher ausgeführten Sachrügen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

[X.]

2

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

1. Der Angeklagte [X.]stand in Kontakt zu einer unbekannt gebliebenen Tätergruppe, die gewerbsmäßig Betrugsdelikte nach dem modus operandi „love scam“ verübte. Dabei treten die Täter unter einem Pseudonym über Dating-Portale mit arglosen Personen in Kontakt und verwickeln diese in eine Scheinliebesbeziehung, um sie schließlich unter Vorspiegelung erfundener Sachverhalte zu Geldzahlungen zu veranlassen. Bereits mit Urteil des [X.] vom 17. August 2018 war [X.]deshalb wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

4

Im Zeitraum von Oktober 2019 bis August 2020 eröffnete die Angeklagte [X.]     in Absprache mit [X.]mehrere Konten bei verschiedenen Banken, um darüber Zahlungen entgegenzunehmen und weiterzuleiten. Die Bankverbindungen stellte sie [X.]zur Verfügung, der sie wiederum an seine Hintermänner weitergab. Diese veranlassten sodann in 44 Fällen die jeweiligen Geschädigten durch Vorspiegelung medizinischer bzw. wirtschaftlicher Notfälle und anderweitiger falscher Tatsachenbehauptungen dazu, vier- bis fünfstellige Geldbeträge – insgesamt rund 224.000 Euro – auf die verschiedenen Konten der [X.]    zu überweisen.

5

Der Angeklagte [X.]koordinierte die Geldeingänge gegen eine Provision von 5 % nicht nur hinsichtlich der Konten der [X.]    sondern auch hinsichtlich weiterer Überweisungen auf Konten unbekannt gebliebener Dritter. [X.]wurde von den Hintermännern informiert, wann Gelder auf welche Konten eingehen würden und an [X.] sie jeweils – durch Überweisungen oder Barabhebungen – weiterzuleiten waren.

6

Entsprechend instruierte er die Angeklagte [X.]   , die bei ihr eingegangenen Gelder abzüglich einer vereinbarten Provision von 5 % an ihn zwecks Abführung an die Hintermänner weiterzuleiten. Beide Angeklagte rechneten damit, dass die von ihnen in Empfang genommenen und weitergeleiteten Gelder aus gewerbsmäßig begangenen Betrugstaten nach dem Muster „love scam“ stammten. Durch die Taten wollten sie sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang verschaffen.

7

2. Das [X.] hat den so festgestellten Sachverhalt als „gewerbsmäßige“ Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4a, Abs. 4 StGB in der vom 3. Januar 2018 bis zum 18. März 2021 geltenden Fassung gewertet. § 261 Abs. 5 StGB nF eröffnet den gleichen Strafrahmen und ist damit kein milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Seine Einziehungsentscheidung hat es auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt.

I[X.]

8

Der Schuldspruch wegen mittäterschaftlich begangener Geldwäsche in 44 Fällen hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat sich nicht mit den Regelungen in § 261 Abs. 9 Satz 2 und 3 StGB aF auseinandergesetzt, obschon die Feststellungen hierzu drängen.

9

1. a) Die Angeklagte [X.]    leistete bereits durch die Eröffnung der Konten, die Weitergabe der Bankverbindungen über den Mitangeklagten [X.]an dessen Hintermänner und die Zusage, eingehende Geldbeträge nach [X.] weiterzuleiten, wesentliche Beiträge zur Begehung der einzelnen Betrugstaten. Die [X.] hätte, um ihrer Kognitionspflicht aus § 264 StPO zu genügen, erörtern müssen, ob sich die Angeklagte [X.]    wegen mittäterschaftlichen – möglicherweise banden- und gewerbsmäßigen Betrugs oder wegen Beihilfe hierzu strafbar gemacht hat (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 1 StR 431/19, juris, Rn. 7). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Angeklagte [X.]    nicht lediglich Weisungsempfängerin war, sondern sich konstruktiv eingebracht hat durch Vorschläge, wie und auf welche Konten Gelder am besten zu transferieren seien. Zudem hat sie ihre Cousine in [X.] zur Bereitstellung weiterer Konten für die Bande überredet.

Folgerichtig hat das [X.] auch nicht weitergehend in den Blick genommen und erörtert, ob für den Fall, dass eine Beteiligung der Angeklagten an den Betrugstaten gegeben wäre, eine Strafbarkeit wegen einer sogenannten Selbstgeldwäsche nach § 261 Abs. 9 Satz 3 StGB aF überhaupt möglich wäre. Nach dieser Vorschrift könnte sie nur dann bestraft werden, [X.]n sie die auf ihren Konten eingegangenen Geldbeträge in den Verkehr gebracht und deren rechtswidrige Herkunft verschleiert hätte. Eine bloße Verschiebung der [X.] zwischen mehreren Tatbeteiligten würde aber – wie vom [X.] ausführlich dargelegt – für sich genommen noch nicht das Merkmal der Herkunftsverschleierung erfüllen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. November 2018 – 5 [X.], [X.]St 63, 268).

b) Das zur Angeklagten [X.]    Ausgeführte gilt erst recht für den Angeklagten [X.], der noch im [X.] als Mitglied einer auf „love scam“ spezialisierten Bande verurteilt worden war. [X.]hielt vorliegend den Kontakt zu den aktiv handelnden Hintermännern und koordinierte in großem Umfang die Geldflüsse der Bande, wobei er – ebenso wie die Angeklagte [X.]    – unter Ver[X.]dung von Tarnnamen konspirativ auch mit weiteren Kontenverwaltern kommunizierte.

2. Auch die – nicht näher begründete – konkurrenzrechtliche Beurteilung der Taten als 44 tatmehrheitlich begangene Fälle der Geldwäsche bedarf neuer Bewertung. Zwar sind in der Weiterleitung der auf den Konten der Angeklagten [X.]    eingegangenen Gelder an den Mitangeklagten [X.]und in deren Weiterleitung an die Hintermänner grundsätzlich jeweils selbständige Taten der Geldwäsche zu sehen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 [X.], [X.]St 43, 149; Urteil vom 15. August 2018 – 5 StR 100/18, [X.] 2019, 148, 150 f.). Das [X.] hat jedoch nicht bedacht, dass in einigen, vom [X.] im Einzelnen aufgelisteten Fällen, mehrere Überweisungen von Geschädigten an ein- und demselben Tag auf ein Konto der Angeklagten [X.]    eingegangenen und von dieser in einem einheitlichen Vorgang an den Mitangeklagten [X.]in bar oder durch Überweisung transferiert worden waren. Vor diesem Hintergrund hätte das [X.] erwägen müssen, ob angesichts des zeitlichen Zusammentreffens in einigen Fällen Tateinheit statt Tatmehrheit anzunehmen gewesen wäre.

3. Mit Aufhebung der Schuldsprüche wird auch den Straf- und Einziehungsaussprüchen die Grundlage entzogen. Gleichwohl weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Das [X.] hat es versäumt für den Fall 19 eine Einzelstrafe zu verhängen.

b) Die Summe der festgestellten Überweisungen der Geschädigten auf Konten der Angeklagten [X.]   beläuft sich nicht auf 224.053 Euro sondern auf 224.003 Euro.

c) Die bisherigen Feststellungen dazu, in welcher Weise der [X.] erfolgt ist, sind widersprüchlich. Einerseits geht das [X.] davon aus, der Angeklagte [X.]habe die Gelder vollständig erhalten und hiervon die Provisionen für sich und die Angeklagte [X.]    von jeweils 5 % abgezogen, während es andererseits annimmt, die Angeklagte [X.]    habe ihre Provision selbst einbehalten und nur die Restbeträge an den Mitangeklagten [X.]weitergeleitet.

d) Die angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen aus [X.] kann nicht auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB gestützt werden. Nach der zu den [X.] geltenden und gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 5 StGB an[X.]dbaren Fassung des § 261 Abs. 7 StGB – vor der Neufassung durch das [X.] der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 ([X.] ff.) – kann ein Geldwäscheobjekt grundsätzlich nur nach § 74 Abs. 2 StGB und im Falle einer Vereitelungshandlung der entsprechende Wert nach § 74c StGB eingezogen werden; hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung (vgl. [X.], Urteil vom 22. September 2022 – 3 [X.], NStZ-RR 2023, 8, 9; [X.], Beschlüsse vom 27. November 2018 – 5 [X.], NJW 2019, 533, 535 f.; vom 27. März 2019 – 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182, 2183 f. jeweils mwN; zur Einziehung bei An[X.]dung des gegenüber der alten Gesetzesvorschrift milderen § 261 Abs. 1 StGB nF vgl. [X.], Urteil vom 8. August 2022 – 5 [X.]). Die dafür erforderliche Vereitelung der [X.] durch eine der Tatbestandsverwirklichung nachfolgende, gesonderte Handlung der Angeklagten ist nicht festgestellt (vgl. [X.], Beschluss vom 27. März 2019 – 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182, 2184 mwN); zudem hätte die [X.] das ihr in § 74c Abs. 1 StGB eingeräumte Ermessen ausüben müssen.

II[X.]

Der Senat verweist die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine Wirtschaftsstrafkammer zurück (vgl. Senat, Beschluss vom 10. November 2021 – 2 [X.], [X.], 247, 249). Mit [X.] der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021, gültig ab 18. März 2021 ([X.]), hat der Gesetzgeber die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer auf Straftaten der Geldwäsche erweitert, soweit zur Beurteilung des Falles – wie hier – besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind, § 74c Abs. 1 Satz 1 Nr. 6. a) [X.]. Der Vorrang der Wirtschaftsstrafkammer gegenüber der [X.] ergibt sich aus § 103 Abs. 2 Satz 2, § 112 [X.], [X.]n es sich – wie vorliegend – um ein verbundenes Verfahren gegen eine Heranwachsende und einen Erwachsenen handelt.

[X.]     

      

Appl     

      

Eschelbach

      

Zeng     

      

Schmidt     

      

Meta

2 StR 395/22

08.12.2022

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt, 7. Juni 2022, Az: 5/08 KLs 2/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.12.2022, Az. 2 StR 395/22 (REWIS RS 2022, 8994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8994

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 1/21 (Bundesgerichtshof)

Strafverurteilung wegen Geldwäsche: Konkurrenzverhältnis bei aufeinanderfolgenden Geldwäschehandlungen; Revisionsbeschränkung auf die Einziehungsentscheidung


2 StR 185/20 (Bundesgerichtshof)

Vermögensabschöpfung bei Geldwäsche: Taugliches Tatobjekt; Vermischung legal erworbener und inkriminierter Geldmittel; Ausgleich unangemessener Härten bei …


5 StR 339/20 (Bundesgerichtshof)

Leichtfertige Geldwäsche: Anforderungen an einen bedingten Vorsatz


5 StR 185/14 (Bundesgerichtshof)

Geldwäsche: Gewerbsmäßige Untreue als taugliche Vortat; Beteiligung an der Vortat bei Tatbegehung im Ausland


1 StR 431/19 (Bundesgerichtshof)

Abgrenzung Selbstgeldwäsche von Beteiligung am Betrug in Zusammenhang mit dem Handel von Bitcoins


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.