Bundessozialgericht, Urteil vom 06.12.2018, Az. B 8 SO 11/18 R

8. Senat | REWIS RS 2018, 799

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Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 4. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme weiterer Kosten der teilstationären Unterbringung des [X.] in einer Einrichtung des [X.]eigeladenen als Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem [X.] - ([X.]) für die Zeit vom [X.] bis 31.12.2010.

2

Der 1990 geborene Kläger ist aufgrund frühkindlichen Autismus schwerbehindert (Gd[X.] 100, Merkzeichen G, [X.], [X.], [X.]) und kann nicht sprechen, zeigt zwanghafte Auffälligkeiten, hat eine Tendenz zum Weglaufen und verfügt über kein Gefahrenbewusstsein. Von September 1997 bis Juli 2008 besuchte er eine staatliche Schule für Kinder und Jugendliche mit geistiger [X.]ehinderung. Ab dem 5.11.2008 wurde er zur stufenweisen Eingliederung in den Förder- und [X.]etreuungsbereich (Fu[X.]-[X.]ereich) der in der Trägerschaft des [X.]eigeladenen stehenden Werksiedlung [X.] in M. aufgenommen. Der [X.]eklagte bewilligte dem Kläger bis 30.4.2009 Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 55 Sozialgesetzbuch Neuntes [X.]uch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SG[X.] IX) "in [X.]öhe von 50 % der wöchentlichen Vergütungssätze" bei zunächst nur jeweils zwei Tagen Anwesenheit pro Woche sowie "in [X.]öhe von 100 % der Vergütungssätze" bei Anwesenheit von jeweils mindestens drei Tagen pro Woche ([X.]escheid vom 10.12.2008). Die Leistungsbewilligung wurde zunächst bis zum 31.8.2009 verlängert ([X.]escheid vom [X.]). Auf den Antrag des [X.] auf erneute Verlängerung der Leistungsbewilligung holte der [X.]eklagte eine Einschätzung des [X.] ([X.]) ein, der mitteilte, dass der Kläger weiterhin "dem Personenkreis zugehöre, der dem [X.] I.4.5a [des [X.]] zuzuordnen" sei. Der [X.]eklagte bewilligte daraufhin ab [X.] bis zunächst 31.8.2011, längstens jedoch für die Dauer der tatsächlichen Durchführung, tagesstrukturierende Maßnahmen in der Fu[X.]-Gruppe an fünf Tagen in der Woche in [X.]öhe der für den [X.] I.4.5a vereinbarten Vergütung von damals täglich 53,91 Euro ([X.]escheid vom 8.12.2009; Widerspruchsbescheid vom 30.3.2010).

3

Seine dagegen mit der [X.]egründung eingelegte Klage, eine [X.]egrenzung auf täglich 53,91 Euro entspreche nicht seinem tatsächlichen [X.]edarf, er benötige vielmehr eine deutlich teurere 1:1-[X.]etreuung, ist erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.12.2010; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> [X.]aden-Württemberg vom 4.12.2014). Das [X.] hat zur [X.]egründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrten Eingliederungshilfeleistungen, weil es - im hier vorliegenden sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis - an einer vertraglichen Schuld des [X.] fehle. Es existiere nämlich keine privatrechtliche "Entgeltvereinbarung" zwischen Kläger und [X.]eigeladenem. Ein Anspruch des [X.] auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe ergebe sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der §§ 116 ff, 145 ff, 612 [X.]ürgerliches Gesetzbuch ([X.]G[X.]), sowie der §§ 75 ff [X.]. Zwischen ihm und dem [X.]eigeladenen habe sehr wohl eine Dienstleistungsvereinbarung gegen Entgelt bestanden. Die [X.]öhe der Vergütung sei nicht bestimmt, aber bestimmbar gewesen. Als Maßstab komme insoweit aber nicht eine Leistungs-, Entgelt- und Prüfungssicherungsvereinbarung nach § 75 Abs 3 [X.] iVm § 76 [X.] in [X.]etracht, weil der vom [X.]eklagten in [X.]ezug genommenen Vereinbarung über Leistungen des [X.]s I.4.5a des Rahmenvertrages die zwingenden Mindestbestandteile nach § 76 Abs 1 Satz 1 [X.] fehlten. Überdies gehöre er (der Kläger) nicht zum Personenkreis dieses [X.]s, der als Zielgruppe ausdrücklich Menschen mit geistiger und/oder körperlicher [X.]ehinderung benenne, denn er sei allein seelisch behindert. Für die richtige Vergütung gelte daher § 612 Abs 2 [X.]G[X.]. Die danach maßgebliche ortsübliche Vergütung errechne sich anhand des tatsächlich benötigten [X.]etreuungsschlüssels von 1:1.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]aden-Württemberg vom 4. Dezember 2014 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 22. Dezember 2010 aufzuheben, den [X.]escheid vom 8. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2010 abzuändern und den [X.]eklagten zu verurteilen, seiner über einen täglichen Leistungssatz nach dem [X.] I.4.5a der Vergütungsvereinbarung vom 24. September 2002 hinausgehenden Schuld gegenüber dem [X.]eigeladenen beizutreten und diesen [X.]etrag an ihn zu zahlen.

6

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das Urteil des [X.] für zutreffend. [X.]ilfsweise erhebt er die Einrede der Verjährung.

8

Der [X.]eigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Er hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe für seine Betreuung in der Einrichtung des Beigeladenen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2010(§ 95 SGG), mit dem der Beklagte Leistungen der Eingliederungshilfe durch Beitritt zu einer (möglichen) Schuld des [X.] gegenüber dem Beigeladenen in Höhe einer Vergütung nach Maßgabe des [X.]s I.4.5a von täglich 53,91 Euro bewilligt hat, es jedoch abgelehnt hat, einer darüber hinausgehenden Schuld des [X.] beizutreten. Gegen diese Ablehnung wendet sich der Kläger, der den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrags mit dem [X.] und folglich Leistungen innerhalb eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses geltend macht, zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, § 56 SGG (stRspr zur Leistungserbringung im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis; vgl nur [X.], 1 ff = [X.] 4-1500 § 75 [X.], Rd[X.]0), beschränkt auf den Zeitraum vom [X.] bis zum 31.12.2010.

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensfehler liegen nicht vor. Insbesondere fehlt es nicht an der notwendigen Beiladung des Jugendhilfeträgers (vgl § 75 Abs 2 1. Alt SGG - echte notwendige Beiladung des nach § 14 [X.] IX im Innenverhältnis zuständigen Leistungsträgers). Leistungen der Jugendhilfe sind nach § 10 Abs 4 Satz 2 [X.] - [X.] gegenüber Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem [X.] für junge Menschen (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, § 7 Abs 1 [X.] [X.]), die (auch) geistig oder körperlich behindert sind, nachrangig (vgl dazu [X.], 53 = [X.] 4-3500 § 54 [X.], Rd[X.] 26; [X.]E 142, 18, Rd[X.]1 mwN). So liegt der Fall hier. Der Kläger war nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) im streitigen Zeitraum nicht nur seelisch, sondern jedenfalls auch körperlich behindert; denn er war nicht in der Lage zu sprechen (§ 1 [X.] Verordnung nach § 60 [X.] <[X.]> dazu auch unten).

Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist der Beklagte für die Leistungen der Eingliederungshilfe, die dem Kläger in den Einrichtungen des Beigeladenen erbracht wurden, sachlich (§ 97 Abs 1 und Abs 2 [X.] iVm § 3 Abs 2 Satz 1 [X.] und iVm § 1 Abs 1, § 2 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] Sozialgesetzbuch vom 1.7.2004 - GBl 469, 534) und örtlich (§ 98 Abs 1 Satz 1 [X.]; vgl zur Nichtanwendbarkeit von § 98 Abs 2 auf teilstationäre Leistungen BSG [X.] 4-3500 § 98 [X.]) zuständig. Dabei kann offen bleiben, ob es für die Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit auf den Aufenthalt am Maßnahmeort oder am Wohnort ankommt, weil beide Orte im Landkreis des Beklagten liegen.

In der Sache macht der Kläger einen Anspruch auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe geltend. Bei der wegen eines erhöhten Betreuungsaufwands (1:1-Betreuung) geltend gemachten Übernahme einer höheren Vergütung für die in der Einrichtung des Beigeladenen erbrachten Leistungen handelt es sich nicht um einen vom (unbedingten) Schuldbeitritt hinsichtlich des tagesstrukturierenden Angebots nach [X.] I.4.5a abtrennbaren Streitgegenstand. Geltend gemacht wird nicht eine Vergütung für eine zusätzliche Leistung (zu einer solchen Konstellation BSG [X.] 4-3500 § 53 [X.] Rd[X.]0), sondern eine höhere Vergütung für eine vertraglich geschuldete Leistung wegen des vom Durchschnitt nach oben abweichenden Betreuungsaufwands.

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Übernahme höherer Kosten für die Leistungen im FuB-Bereich in der Einrichtung des Beigeladenen kommt § 19 Abs 3 (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, [X.]) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 [X.], § 54 Abs 1 Satz 1, § 55 Satz 1 [X.] und § 55 Abs 1 und [X.] (alle Normen idF des [X.] in das [X.] vom 27.12.2003, [X.] 3022 - Leistungen zur Teilhabe am Leben in der [X.] bzw Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) in Betracht. Bei der Betreuung des [X.] im FuB-Bereich handelt es sich nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 53 Abs 1 Satz 1 [X.], § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 33 [X.] IX, vgl auch [X.], Beschluss vom 7.7.2006 - 5 [X.]/06), auch wenn der Förderbereich räumlich an die [X.] angegliedert ist. Ein Förderbereich, der nach § 136 Abs 3 [X.] IX einer [X.] unter ihrem sog "verlängerten Dach" räumlich und/oder organisatorisch angegliedert ist, ist nicht Teil der [X.] selbst (dazu [X.], 197 = [X.] 4-2700 § 2 [X.], Rd[X.] 21 ff).

Der Kläger erfüllt zwar nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.]. Er ist wesentlich behindert, denn bei ihm besteht eine tiefgreifende Entwicklungsstörung in Form eines frühkindlichen Autismus mit zwanghaften Verhaltensauffälligkeiten, Sprachlosigkeit, einer Tendenz zum Weglaufen und fehlendem Gefahrenbewusstsein, die ihn in erheblichem Umfang in seiner Fähigkeit zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft einschränken (§ 2 [X.] bei geistiger Behinderung bzw § 3 [X.] bei seelischer Behinderung).

Er hat aber keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Eingliederungshilfe für seine teilstationäre Unterbringung im FuB-Bereich der Einrichtung des Beigeladenen, da er selbst dem Beigeladenen allenfalls die vom Beklagten erbrachte Vergütung nach dem [X.] I.4.5a des [X.] (teilstationäre Leistungen für Behinderte mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung) schuldet. Nur diese gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im [X.] - durch Vergütungsübernahme - decken muss ([X.], 1 = [X.] 4-1500 § 75 [X.], Rd[X.] 25; BSG vom [X.] - [X.] [X.] 20/08 R - juris Rd[X.]2; [X.], 260 juris Rd[X.] 22). Der Anspruch des Leistungsberechtigten ist auf den Beitritt zu dieser privatrechtlichen Schuld gerichtet. Ein Anspruch auf Beitritt (grundlegend zum sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis [X.], 1, 4 = [X.] 4-1500 § 75 [X.], Rd[X.]5 ff) zu einer höheren Schuld besteht nach der ständigen Rspr des [X.] nur für solche Kosten, die der Hilfebedürftige selbst der Einrichtung schuldet (grundlegend [X.], 1 = [X.] 4-1500 § 75 [X.], Rd[X.] 25; BSG Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 20/08 R - juris Rd[X.]2, dem folgend [X.], 260, juris Rd[X.] 24; [X.], 316, juris Rd[X.]6 = [X.]/[X.] 2016, 424). Ob und wenn ja, welche Entgeltvereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen geschlossen wurden, bedarf keiner Entscheidung. Die noch nach § 93 Abs 2 [X.] abgeschlossene Vergütungsvereinbarung vom 24.9.2002 zwischen dem Beigeladenen und dem [X.], dessen Funktionsnachfolger der Beklagte ist (vgl [X.]urteil vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 9/18 R - Rd[X.] 24), sieht eine beim [X.] I.4.5a höhere Vergütung als die geleistete bzw eine Zusatzvergütung zB wegen einer erforderlichen 1:1-Betreuung nicht vor und enthält auch sonst keine Regelungen, die für besonders personalintensive Leistungen neben den vom Beklagten erbrachten Vergütungen weitere zusätzliche Vergütungen (Zuschläge) vorsehen. Es kann offen bleiben, ob zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen eine ausdrückliche oder stillschweigend abgeschlossene Vereinbarung eine über den [X.] I.4.5a hinausgehende Vergütung vorsah, insbesondere, ob der Kläger auch bezüglich einer danach zu zahlenden Vergütung einen Rechtsbindungswillen hatte. Denn selbst wenn eine solche Vereinbarung geschlossen worden sein sollte, wäre sie unwirksam, weil Art, Inhalt und Umfang der Leistungen sowie die jeweiligen Entgelte den nach § 75 ff [X.] getroffenen Vereinbarungen entsprechen müssen. Im Heimbereich sind Vereinbarungen, die zum Nachteil des Heimbewohners von den [X.] nach § 75 ff [X.] abweichen, unwirksam (vgl § 9 [X.] bzw § 15 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz <[X.]>, das das [X.] abgelöst hat, dazu im Einzelnen [X.]urteil vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 9/18 R - Rd[X.]4). Für den FuB-Bereich des Beigeladenen, für den das [X.] bzw das [X.] nicht gilt, ergibt sich dies aus § 32 [X.] I, der wegen des Charakters der nach § 75 Abs 3 Satz 1 [X.] zu schließenden Vereinbarungen als [X.] unmittelbar gilt ([X.]/[X.] in jurisPK-[X.], 2. Aufl 2014, § 75 [X.], Rd[X.] 53). Danach sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von den Vorschriften des [X.] abweichen, nämlich wie hier außerhalb des Vertragssystems der §§ 75 ff [X.] tatsächlich oder vermeintlich vereinbarte Zahlungspflichten des Hilfebedürftigen begründen, nichtig. Hierdurch wird sichergestellt, dass die nach den [X.] Begünstigten die gesetzlich vorgesehenen Sozialleistungen zu den jeweils gesetzlich geregelten Voraussetzungen erhalten. Diese Regelung geht auch einem Vergütungsanspruch in Anwendung des § 612 Abs 2 BGB vor.

Diese strikte Bindung der vertraglich geschuldeten Vergütung an die Vergütungsvereinbarung nach § 76 Abs 2 [X.] ist [X.]. Wären von den [X.] nach den §§ 75 ff [X.] abweichende individuelle Zusatzvereinbarungen wirksam, würden sie das System der §§ 75 ff [X.] unterlaufen, dem erkennbar (vgl nur § 77 Abs 1 Satz 2 [X.]) der Gedanke zugrunde liegt, in einem Verhandlungsverfahren gleichberechtigter Vertragspartner vergleichbare Entgelte am Ort der Einrichtung für vergleichbare Leistungen zu gewährleisten. Auch die Rechte und Pflichten des [X.] im Verhältnis zur Einrichtung, insbesondere das von ihm zu leistende Entgelt, werden zwar in den [X.] festgelegt, aber durch die [X.] nach §§ 75 ff [X.] ergänzt und insbesondere im Hinblick auf die Vergütung der zu erbringenden Leistungen begrenzt.

Da die [X.] von Durchschnittswerten ausgeht (vgl insoweit § 76 Abs 2 Satz 3 [X.], wonach die [X.] nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden kann), sind Abweichungen im tatsächlichen Bedarf nach oben und unten zudem systemimmanent, ohne dass darin bereits ein Verstoß gegen die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung (§ 75 Abs 3 Satz 2 [X.]; vgl dazu [X.]/[X.], jurisPK [X.], 2. Aufl 2014, § 76 [X.] Rd[X.]2 mwN) läge. Aus diesem Grund scheidet ein weiterer Leistungsanspruch des [X.] auch unter dem Gedanken des Systemversagens (vgl nur BSG [X.] 4-3500 § 92a [X.] Rd[X.]9) aus. Die §§ 75 ff [X.] gehen insoweit von einem "lernenden System" aus, das durch Verhandlungen und neue Vereinbarungen fortzuentwickeln ist und bei fehlender Einigkeit die Schiedsstelle angerufen werden kann. Es ist deshalb nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob in Vereinbarungen ausgehandelte Entgelte, die [X.] mit den behinderten Menschen zugrunde zu legen sind, im Einzelfall auskömmlich sind.

Anders als der Kläger und der Beigeladene meinen, ist für das gefundene Ergebnis ohne Belang, ob die Leistungsvereinbarungen den Maßstäben des § 76 Abs 1 Satz 1 [X.] entsprechen. Danach sind die wesentlichen Leistungsmerkmale festzulegen, mindestens jedoch die betriebsnotwendigen Anlagen der jeweiligen Einrichtung, der von ihr zu betreuende Personenkreis, Art, Ziel und Qualität der Leistung, [X.] sowie die erforderliche sächliche und personelle Ausstattung. Denn selbst wenn die verfahrensgegenständlichen Vereinbarungen diesen Maßstäben nicht genügten und in diesem Fall von der Unwirksamkeit der Vereinbarungen auszugehen wäre (vgl zur Nichtigkeit bei fehlender Vertragszuständigkeit BSG [X.] 4-3500 § 77 [X.]), könnte sich der Beigeladene, ohne sich dem Vorwurf der Treuwidrigkeit (§ 242 BGB) auszusetzen, gegenüber dem Kläger nicht auf eine fehlende Vereinbarung mit dem Beklagten berufen und die zu zahlende Vergütung dann nach seinem Belieben festsetzen (dazu auch [X.]urteil vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 9/18 R - Rd[X.]4 ff). Der Beigeladene als Vertrags- und Verhandlungspartner ist bislang selbst davon ausgegangen, dass die von ihm vereinbarten Verträge den Wirksamkeitsvoraussetzungen des § 76 [X.] genügen, ansonsten hätte er solche nicht abgeschlossen, seinen [X.] zugrunde gelegt und entsprechend abgerechnet. Selbst wenn man eine Treuwidrigkeit verneinen und von der Unwirksamkeit der Vereinbarungen ausgehen wollte, änderte dies am Ergebnis nichts. Der Beigeladene hätte dann nach § 75 Abs 4 Satz 3 [X.] gegen den Kläger allenfalls einen Vergütungsanspruch in Höhe des Betrages, den der Träger der Sozialhilfe, also der Beklagte, am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Absatz 3 abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen erbringt (dazu auch [X.]urteil vom 6.12.2018 - [X.] [X.] 9/18 R - Rd[X.]5 f). Auch dann bleibt es deshalb bei einer Vergütung nach dem [X.] I.4.5a (dazu gleich).

Der Kläger gehört auch zur Zielgruppe des [X.]s I.4.5a ("erwachsene Menschen mit wesentlichen geistigen und körperlichen Behinderungen iS des § 53 [X.] und der [X.], die wegen Art und/oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder in einer [X.] beschäftigt werden können, mit unterschiedlichem Hilfebedarf und mit oder ohne zusätzlichem stationären Hilfebedarf"). Soweit die geistige Behinderung des [X.] in Frage gestellt wird, kommt es hierauf nicht an. Denn unabhängig davon, dass der Hilfebedarf sich nicht danach unterscheidet, ob ihm eine geistige oder eine seelische Behinderung zugrunde liegt, ist der Kläger jedenfalls auch körperlich und damit mehrfachbehindert. Denn nach den Feststellungen des [X.] kann der Kläger nicht sprechen. Wie die Gehörlosigkeit oder die Blindheit zählt auch die Sprachlosigkeit zu den körperlichen Behinderungen (s schon oben, § 1 [X.] [X.]). Für die Zuordnung zu einem [X.] spielt es vorliegend auch keine Rolle, ob im konkreten Fall des [X.] ein besonders hoher Betreuungsbedarf besteht. Da die [X.] von Durchschnittswerten ausgeht (vgl insoweit § 76 Abs 2 Satz 3 [X.], wonach die [X.] nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden kann), sind wie oben dargelegt Abweichungen im tatsächlichen Bedarf nach oben und unten für die Zuordnung eines Behinderten zum [X.] I.4.5a ohne Bedeutung. Die Leistungen nach [X.] I.4.5a sind nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) von dem Beigeladenen auch tatsächlich erbracht worden.

Folgt man schließlich dem [X.] und vertritt die Auffassung, dass es an einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen in Ermangelung eines Rechtsbindungswillens fehlt, käme allenfalls ein Schuldbeitritt zu einem Anspruch auf Aufwendungs- bzw Wertersatz nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA vgl dazu nur BSG [X.] 4-3500 § 53 [X.] Rd[X.] 20) oder der ungerechtfertigten Bereicherung in Betracht. Ob ein solcher Schuldbeitritt überhaupt mit den §§ 75 ff [X.] in Einklang zu bringen wäre, kann offen bleiben. Denn jedenfalls kann ein solcher die vertragliche Schuld ersetzender Anspruch nicht über das hinausgehen, was gelten würde, wenn die Beteiligten einen wirksamen Vertrag geschlossen hätten, weil sonst das durch die Vertragsregelungen des [X.] im Rahmen des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses austarierte Verhältnis von Rechten und Pflichten unterlaufen würde. Auf die hilfsweise erhobene Verjährungseinrede kommt es nach alledem nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 11/18 R

06.12.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 22. Dezember 2010, Az: S 6 SO 2309/10, Gerichtsbescheid

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 06.12.2018, Az. B 8 SO 11/18 R (REWIS RS 2018, 799)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 799

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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