Bundessozialgericht, Urteil vom 25.09.2014, Az. B 8 SO 8/13 R

8. Senat | REWIS RS 2014, 2621

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Gegenstand

Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft - Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten - Kostenübernahme für eine Nachtwache - Fehlen einer Zahlungsverpflichtung des Leistungsberechtigten gegenüber dem Einrichtungsträger - kein Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag


Leitsatz

1. Dass erforderliche Nachtwachen in Einrichtungen auch dem Schutz anderer Bewohner dienen, schließt die Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger als Leistung der Eingliederungshilfe nicht aus.

2. Zu den Voraussetzungen der Kostenübernahme im Einzelnen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 20. Dezember 2012 aufgehoben. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 10. September 2010 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

[X.] ist die Übernahme der Kosten für nächtliche Sitzwachen (Nachtwachen) als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem [X.] - ([X.]) für die [X.] vom [X.] bis 7.12.2010 (Kläger zu 1) und vom [X.] bis 16.10.2010 (Kläger zu 2).

2

Die Kläger sind Zwillingsbrüder und erheblich behindert; beide sind nahezu gehörlos und minderbegabt; es bestehen ein Aufmerksamkeitsdefizit, ein Hyperaktivitätssyndrom sowie eine emotional instabile Persönlichkeit. Sie befanden sich zunächst stationär im [X.], wo sie vor dem Umzug der sie betreuenden [X.]utter nach [X.] ihren ständigen Aufenthalt hatten, in einer Heimsonderschule und ab September 2002 im westfälischen Schülerinternat [X.] ; im Juli 2005 wurden sie gemeinsam in ein Wohnheim der Beigeladenen aufgenommen. Dort vergewaltigten die Kläger im April 2006 gemeinschaftlich eine [X.]itbewohnerin. Nach Bekanntwerden der Tat waren sie mehrere Wochen in der [X.] für Psychiatrie untergebracht, ab Juni 2006 wohnten sie wieder in nunmehr verschiedenen Wohnheimen der Beigeladenen (Kläger zu 1: Wohnstätte [X.] Kinderhaus; Kläger zu 2: Wohnstätte Haus [X.]r ). Dort wurden Nachtwachen vor den Zimmern der Kläger aufgestellt (22 Uhr bis 6:30 Uhr), um das unbeaufsichtigte Verlassen [X.] zu unterbinden und die [X.]itbewohner zu schützen. Die in den [X.] mit den Klägern vereinbarten Kosten übernahm der Beklagte. "Zur Abgeltung zusätzlicher Personalkosten" zahlte er zudem an die Beigeladene aufgrund mehrerer zeitlich befristeter [X.]n einen täglichen Zuschlag für die [X.] bis 31.3.2009 (Schreiben vom 16.1., 26.5. und 10.12.2008).

3

Für die [X.] vom [X.] bis 31.3.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern nach Ablauf eines [X.] erneut die bisherigen Leistungen, verwies jedoch hinsichtlich der "beantragten Verlängerung der [X.]" jeweils auf ein als Anlage beigefügtes Schreiben an die Beigeladene, in dem die Übernahme weiterer Kosten für Nachtwachen abgelehnt wurde (Bescheide vom [X.]; Widerspruchsbescheide vom [X.]). Während die Klagen erstinstanzlich ohne Erfolg blieben (Urteil des Sozialgerichts [X.]ünster vom [X.]), hat das [X.] (LS[X.]) [X.] den Beklagten verurteilt, die Kosten der nächtlichen Sitzwachen für den Kläger zu 1 in der [X.] vom [X.] bis 7.12.2010 und für den Kläger zu 2 in der [X.] vom [X.] bis 16.10.2010 "dem [X.]runde nach" zu übernehmen (Urteil vom 20.12.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LS[X.] ausgeführt, die Nachtwachen könnten nicht isoliert vom therapeutischen [X.]esamtzusammenhang gesehen werden, in dem sie stünden; ohne sie wären die Eingliederungsmaßnahmen nicht durchführbar gewesen. Daher sei ohne Bedeutung, ob die Nachtwachen selbst einem pädagogischen Zweck dienten. Sie seien zur Erreichung des Eingliederungsziels geeignet und erforderlich. Die Beigeladene sei auch berechtigt, die dadurch bedingten Kosten gegenüber den Klägern geltend zu machen, sodass diese sie beim Beklagten einfordern könnten; das Erhöhungsverlangen finde seine Rechtsgrundlage in der [X.] geltenden Rahmenvertrag.

4

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Revision und rügt die Verletzung der §§ 19 Abs 3, 53, 54 Abs 1 Satz 1 [X.], § 55 Abs 2 [X.] behinderter [X.]enschen - (S[X.]B IX). Die Teilhabe der Kläger werde durch die Nachtwachen allenfalls in sehr geringem Umfang und nur indirekt positiv beeinflusst. Im Vordergrund stehe vielmehr die Vermeidung von [X.]efahren und Belästigungen der [X.]itbewohner. Das LS[X.] verkenne, dass nicht jede Leistung, die dem Aufenthalt eines behinderten [X.]enschen in einer Einrichtung förderlich sei, als Teilhabeleistung durch den Sozialhilfeträger finanziert werden müsse. Die Nachtwachen seien ohnedies nicht erforderlich gewesen, wie der Umstand belege, dass nach dem Auszug der Kläger aus den Einrichtungen keine mehr eingerichtet worden seien.

5

Er beantragt,
das Urteil des LS[X.] aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des S[X.] zurückzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Beide erachten die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Die [X.]läger haben keinen Anspruch auf Leistungen wegen der Nachtwachen. Zwar handelt es sich bei diesen um Leistungen der Eingliederungshilfe; die [X.]läger sind aber insoweit keinen Zahlungsansprüchen des Beigeladenen ausgesetzt, was Voraussetzung für die von den [X.]lägern begehrte [X.]ostenübernahme wäre.

Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.] (§ 95 SGG), vor deren Erlass sozial erfahrene Dritte nicht zu beteiligen waren (§ 116 Abs 2 [X.] iVm § 9 Gesetz zur Ausführung des [X.] vom 1.7.2004 - Gesetzblatt 534), soweit der Beklagte darin die Gewährung eines Zuschlags ([X.]osten der Nachtwachen) abgelehnt hat. Insoweit handelt es sich um eigenständige Verfügungen (§ 31 [X.] - ) und um einen von den übrigen Leistungen der Eingliederungshilfe abtrennbaren Streitgegenstand. Davon ist der Beklagte selbst bei den früheren Vereinbarungen von "[X.]n" mit der Beigeladenen ausgegangen. Auch wenn der Beklagte zur Ablehnung dieser Leistungen lediglich auf die den Bescheiden als Anlagen beigefügten Schreiben an die Beigeladene verwiesen hat, mussten die [X.]läger dies nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts (vgl zu dieser Voraussetzung nur [X.], 90, 100 = [X.]-2500 § 82 [X.]) nicht anders verstehen, als dass es sich hierbei (auch) um eine Ablehnung ihnen gegenüber handelt. Dagegen wenden sich die [X.]läger mit kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklagen nach §§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4, 56 SGG. Einer Verpflichtungsklage bedarf es deshalb, weil die [X.]läger die Übernahme der [X.]osten der Nachtwachen durch Verwaltungsakt begehren, mit dem die Mitschuld des Beklagten gegenüber der Beigeladenen begründet werden soll (vgl: [X.], 1 ff = [X.] 4-1500 § 75 [X.] 9; BSG [X.] 4-3500 § 53 [X.] 1 und § 75 [X.] 1).

Ein Anspruch auf diese Leistungen besteht jedoch nicht. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch käme insoweit allenfalls § 19 Abs 3 (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.] 554 - erhalten hat) iVm § 53 Abs 1 Satz 1 [X.], § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] und § 55 Abs 2 [X.] 6 [X.] (Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) in Betracht. Die [X.]läger erfüllen die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs 1 Satz 1 [X.], wonach Leistungen der Eingliederungshilfe - als gebundene Leistung (BSG [X.] 4-5910 § 39 [X.] 1 Rd[X.] 25) - (nur) an Personen erbracht werden, die durch eine Behinderung iS des § 2 Abs 1 Satz 1 [X.] wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Sie sind durch ihre Gehörlosigkeit in ihrer körperlichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 1 [X.] 5 Eingliederungshilfe-Verordnung), aber auch in ihrer geistigen Funktion wesentlich (zur Wesentlichkeit vgl nur [X.], 196 ff Rd[X.] 14 mwN = [X.] 4-3500 § 54 [X.] 10) behindert (§ 2 Abs 1 [X.], § 2 Eingliederungshilfe-Verordnung).

Die nächtlichen Sitzwachen vor den Zimmern der [X.]läger zählen auch als Hilfen zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten zu den Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs 1 Satz 1 [X.] iVm § 55 Abs 2 [X.] 6 [X.]. Nur mithilfe der Nachtwachen kann nämlich das Ziel der Eingliederungshilfe erreicht werden, die [X.]läger in die Gesellschaft einzugliedern, ihnen insbesondere die Teilhabe am Leben in der [X.] erst zu ermöglichen (§ 53 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 2 [X.]). Dadurch, dass sie die [X.]läger am unkontrollierten Verlassen ihres Zimmers hinderten, wurde vermieden, dass sie [X.] anderer Bewohner ohne deren Einwilligung aufsuchen; erst dadurch waren die [X.]läger (neben anderen Hilfen, die während des [X.] erbracht wurden) in der Lage, in der [X.], der jeweiligen Einrichtung, zu leben und deren Regeln einzuhalten.

Dass die Unterstützung nachts gewährleistet wurde, ändert an dem Ziel der Maßnahme nichts. Sie wird nicht dadurch zur reinen Schutzmaßnahme zugunsten Dritter, weil diese sich nachts möglichen (Grenz-)Verletzungen durch die [X.]läger hätten schlechter erwehren können. Dass die Nachtwachen der Wahrung der räumlichen und persönlichen Integrität Dritter dienten, macht diese Maßnahmen also noch nicht zu einer solchen der ausschließlichen Gefahrenabwehr; vielmehr kann ein und dieselbe Maßnahme mehrere Ziele verfolgen. Dies bestätigt in besonderer Weise die Beschreibung des für die [X.]läger maßgeblichen [X.]s 10 der Leistungsvereinbarung, nach der sich die Pflichten der Beigeladenen gegenüber den [X.]lägern bestimmen (dazu später). Dort werden als Leistungsangebot bei Bedarf ausdrücklich Nachtwachen aufgeführt. Nach den nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) - der Beklagte hat insoweit nicht dargelegt, zu welchen Ermittlungen sich seiner Auffassung nach das [X.] hätte gedrängt fühlen müssen (vgl hierzu [X.], 133 Rd[X.] 16 = [X.] 4-3200 § 81 [X.] 2), sondern allein Zweifel an dem vom [X.] zur Beurteilung der Erforderlichkeit festgestellten Sachverhalt geäußert - waren die Nachtwachen auch erforderlich (§ 4 [X.]). Allerdings haben die [X.]läger keinen Anspruch auf Übernahme zusätzlicher [X.]osten der Eingliederungshilfe durch den Beklagten, weil sie selbst der Beigeladenen weder aus einer gültigen Zusatzvereinbarung ("[X.]") noch aus den [X.] zur Zahlung dieser [X.]osten verpflichtet sind.

Nach § 12 Abs 7 des "Rahmenvertrags gemäß § 79 Abs 1 [X.] zu den Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen nach § 75 Abs 3 [X.], Stand 2.7.2001" (Rahmenvertrag) kann zwar, wenn der Bedarf einzelner Leistungsberechtigter Leistungen erfordert, die durch einen [X.] und entsprechende [X.]n nicht abgedeckt werden, zwischen dem Sozialhilfeträger und der Einrichtung ein "zusätzlicher Betrag" vereinbart werden. Allerdings fehlt es bereits an einer Vereinbarung für die [X.] ab [X.], sodass dahinstehen kann, ob derartige Vereinbarungen überhaupt systemgerecht sind und - etwa unter Berücksichtigung des § 17 Abs 2 [X.] - getroffen werden dürfen und ob insbesondere daraus die [X.]läger verpflichtet werden könnten.

Aus den [X.] selbst sind die [X.]läger ebenso wenig zur Zahlung eines zusätzlichen Entgelts verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl [X.], 1 ff, 4 = [X.] 4-1500 § 75 [X.] 9), ist das Leistungserbringungsrecht in der Sozialhilfe im Bereich stationärer Leistungen (und ambulanter Dienste) durch ein sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis geprägt, das gesetzlich in den §§ 75 ff [X.] als Sachleistungsprinzip in der Gestalt der Sachleistungsverschaffung/Gewährleistungsverantwortung ausgestaltet ist. Nach § 75 Abs 3 [X.] ist der Sozialhilfeträger zur Vergütung von Leistungen nur verpflichtet, wenn mit dem Träger einer Einrichtung eine Vergütungsvereinbarung besteht; dies war hier hinsichtlich jeder der Einrichtungen, in denen die [X.]läger untergebracht waren, der Fall (Vergütungs-, Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Einrichtung Wohnstätte [X.], gültig ab 1.1.2005 bzw 15.9.2009, und Vergütungs-, Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die Einrichtung Wohnstätte [X.], gültig ab 1.1.2005 bzw 1.10.2009); als [X.] (vgl BSG [X.] 4-3500 § 62 [X.] 1 Rd[X.] 15) nach § 77 Abs 1 Satz 2 [X.] waren diese für den Beklagten bindend.

Das gesetzliche Regelungskonzept geht aber davon aus, dass der Sozialhilfeträger die ihm obliegende Leistung nicht als Geldleistung an die Leistungsberechtigten erbringt, um diesen die Zahlung des [X.] aus dem Heimvertrag zu ermöglichen, sondern dass die Zahlung direkt an die Einrichtung erfolgt, die für die Maßnahme verantwortlich ist. Der Sozialhilfeträger übernimmt in diesem Zusammenhang nur die Vergütung, die der Hilfeempfänger der Einrichtung schuldet und tritt damit (lediglich) einer bestehenden Schuld (als Gesamtschuldner) bei. Dadurch wird ein unmittelbarer Zahlungsanspruch der Einrichtung gegenüber dem Sozialhilfeträger geschaffen; der [X.] des Leistungsberechtigten gegen den Sozialhilfeträger ist auf Zahlung an den Dritten gerichtet.

Die Beigeladene hat jedoch aus dem jeweiligen Heimvertrag, den auszulegen der Senat wegen seines Charakters als Formularvertrag berechtigt war (vgl BSG [X.]-4220 § 11 [X.] 3 S 6 f), keinen Anspruch auf ein zusätzliches Entgelt gegenüber den [X.]lägern. Nach § 4 Abs 1 der [X.] setzt sich das von den [X.]lägern gegenüber der Beigeladenen geschuldete Entgelt - ausschließlich - aus den [X.] "Pauschale für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale), Pauschale für Betreuungsleistungen gemäß den [X.] und ggf Hilfebedarfsgruppen ([X.])" und dem "Betrag für betriebsnotwendige Anlagen einschließlich ihrer Ausstattung (Investitionsbetrag)" zusammen. § 4 Abs 2 der [X.] führt das kalendertäglich zu zahlende Entgelt nach diesen Pauschalen getrennt im Einzelnen auf; die entsprechenden Leistungen hat der Beklagte auch erbracht.

Aus § 6 der [X.] ergibt sich kein höherer bzw weiterer Anspruch. Darin ist zwar die Möglichkeit der Entgelterhöhung durch einseitige Erklärung der Einrichtung gegenüber dem Bewohner vorgesehen. Dies wäre aber ohnehin nur zulässig, wenn sich die bisherige Bemessungsgrundlage für die vereinbarte Vergütung geändert hätte. Unabhängig davon, ob eine Änderung im individuellen Bedarf eines Hilfeempfängers überhaupt ein derartiges Erhöhungsverlangen auslösen könnte (vgl insoweit § 7 der [X.]), scheidet die Anwendung der Vorschrift indes schon aus, weil Nachtwachen bereits mit der Aufnahme der [X.]läger in die Einrichtungen eingerichtet worden waren, also gerade keine Änderung des Bedarfs eingetreten ist. Gleiches gilt für die Möglichkeit der Leistungsanpassung durch die Einrichtung nach § 7 der [X.] bei - hier im Hinblick auf die Nachtwachen ebenfalls nicht eingetretener - Veränderung des Hilfebedarfs. Die Wirksamkeit dieser Regelungen unter Berücksichtigung des Heimgesetzes bzw des am 1.10.2009 in [X.] getretenen Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- und Betreuungsleistungen, ist damit nicht entscheidungserheblich.

Anders als das [X.] meint, ist es für die Höhe der von den [X.]lägern geschuldeten Vergütung ohne Belang, wenn in § 1 Abs 3 der Vergütungsvereinbarungen ausgeführt ist, dass die (tägliche) Vergütung "mindestens" aus der Grundpauschale, dem Investitionsbetrag und der [X.] besteht; insoweit wird lediglich die Formulierung des § 76 Abs 2 Satz 1 [X.] wiederholt, ohne dass allein dadurch über die konkreten Regelungen der [X.] hinausgehende Vergütungsansprüche der Einrichtung begründet würden.

Ein Anspruch der [X.]läger auf zusätzliche Leistungen der Eingliederungshilfe besteht auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Aufwendungsersatzes aus Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA; §§ 683, 670 Bürgerliches Gesetzbuch). Grundsätzlich denkbar wäre zwar die Anwendung der Regelungen der GoA im Hinblick darauf, dass mit den Nachtwachen neben Leistungen der Eingliederungshilfe gegenüber den [X.]lägern auch solche zum Schutz der übrigen Heimbewohner (= eigenes Geschäft der Einrichtung) im Interesse der [X.]läger erbracht worden sind (sog "Auch-fremdes-Geschäft"). Doch sind die Regelungen der GoA nach der Risikozuordnung der §§ 75 ff [X.] im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis nicht anwendbar (zu diesem Gedanken allgemein im Zivilrecht [X.], Urteil vom 23.9.1999 - [X.] - Rd[X.] 7). Rechte und Pflichten der [X.]läger im Verhältnis zur Einrichtung, insbesondere das Entgelt, sind in den [X.] festgelegt, die durch die [X.] nach §§ 75 ff [X.] ergänzt und gerade im Hinblick auf die Vergütung der zu erbringenden Leistungen gestaltet werden. Dieses austarierte Verhältnis von Rechten und Pflichten würde durch das Recht, neben der Vergütung Aufwendungsersatz über das [X.] zu verlangen, unterlaufen (vgl zu diesem Gedanken in anderem Zusammenhang [X.], [X.] [X.]/01 - und vom 28.6.2011 - VI ZR 184/10).

Das vertraglich geschuldete Entgelt umfasst ohnedies die [X.]osten für die Nachtwachen. Denn § 2 Abs 4 der [X.] sieht jeweils vor, dass die Bewohner die erforderlichen individuellen Maßnahmen gemäß der Leistungsvereinbarung erhalten, wofür die für die Bewohner ermittelten [X.] bzw die der Hilfebedarfsgruppe entsprechenden Leistungen nach Anlage 2 des Rahmenvertrags als maßgebend vereinbart sind. Zur Auslegung dieses Rahmenvertrags ist der Senat ebenfalls befugt, gleichgültig, ob dieser als Normvertrag (so [X.], Sozialrecht aktuell 2012, 105, 107, und Pöld-[X.]rämer/[X.], [X.] 46, 4, 20; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 79 [X.] Rd[X.] 5, [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.], 9. Aufl 2012, § 79 [X.] Rd[X.] 12, und [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 79 Rd[X.] 12, Stand August 2012) oder als formularmäßige Vereinbarung angesehen wird. Die [X.]läger wurden nach § 3 Abs 2 der jeweiligen [X.] dem [X.] ([X.]) 10, [X.] sowie dem [X.] für die [X.]struktur 25 (Werkstatt für behinderte Menschen) zugeordnet. Nach der Beschreibung des [X.] 10 ("Wohnangebote für Erwachsene mit geistiger Behinderung und hohem [X.] Integrationsbedarf") in Anlage 2 des Rahmenvertrags orientieren sich Art und Umfang der Angebote, zB die Sicherstellung einer "Rund-um-die-Uhr-Betreuung" einschließlich der dazugehörigen [X.]dienste, Nachtbereitschaften oder Nachtwachen an den individuellen Bedarfen der Bewohnerinnen und Bewohner. Deren Finanzierung wird folglich mit der [X.] bereits abgedeckt.

Dass einige Betreute, die in [X.] 10 und [X.] eingruppiert sind, einen im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen Bewohner im entsprechenden [X.] höheren Betreuungsbedarf haben und damit ggf auch höhere [X.]osten verursachen, ist der pauschalierten und abstrakten [X.]alkulation der jeweiligen Vergütung geschuldet. Da die [X.] von Durchschnittswerten ausgeht (vgl insoweit § 76 Abs 2 Satz 3 [X.], wonach die [X.] nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf kalkuliert werden kann), sind Abweichungen im tatsächlichen Bedarf nach oben und unten systemimmanent, ohne dass darin ein Verstoß gegen die Leistungsgerechtigkeit der Vergütung (§ 75 Abs 3 Satz 2 [X.]; vgl dazu [X.]/Eicher, juris Praxis[X.]ommentar [X.], 2. Aufl 2014, § 76 [X.] Rd[X.] 62 mwN) liegt. Aus diesem Grund scheidet ein weiterer Leistungsanspruch der [X.]läger unter dem Gedanken des Systemversagens (vgl nur BSG [X.] 4-3500 § 92a [X.] 1 Rd[X.] 39) ohnedies aus.

Besteht mithin kein Anspruch der [X.]läger auf weitere Leistungen ist nicht weiter von Bedeutung, dass bei einer [X.]ostenübernahme durch Schuldbeitritt der Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen ist, weil dies nur bei einer [X.]lage auf Leistung in Geld vorgesehen ist (vgl BSG [X.] 4-1500 § 130 [X.] 4 Rd[X.] 12).

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 8/13 R

25.09.2014

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Münster, 10. September 2010, Az: S 8 (12) SO 46/09, Urteil

§ 53 Abs 1 S 1 SGB 12, § 53 Abs 3 S 2 SGB 12, § 54 Abs 1 S 1 SGB 12, § 55 Abs 2 Nr 6 SGB 9, § 79 Abs 1 SGB 12, § 75 Abs 3 SGB 12, § 76 Abs 2 SGB 12, § 683 BGB, § 670 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 25.09.2014, Az. B 8 SO 8/13 R (REWIS RS 2014, 2621)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2621

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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