Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.07.2013, Az. B 11 AL 59/13 B

11. Senat | REWIS RS 2013, 4295

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Gegenstand

sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Darlegungserfordernis - Klärungsbedürftigkeit - inhaltliche Auseinandersetzung mit höchstrichterlicher Rechtsprechung - Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben - Ausbildungsgeld - Einkommensanrechnung - verheiratete zusammenlebende Eltern - getrennt lebende Eltern


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. März 2013 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch deren außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Die [X.]eschwerde ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] <[X.]>) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 [X.] [X.] gebotenen Weise dargelegt.

2

Grundsätzliche [X.]edeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein [X.]eschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter [X.]erücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ggf des Schrifttums aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfragen erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die [X.]eschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung der angestrebten Entscheidung (so genannte [X.]reitenwirkung) darlegen (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.] mwN). Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung vom 26.6.2013 nicht.

3

Die [X.]eklagte wirft folgende Rechtsfrage auf: "Ist auf das Ausbildungsgeld eines behinderten Menschen, der in einem eigenen Haushalt lebt, gem. § 108 Abs. 2 [X.]. 2 SG[X.] III (i.d.[X.].[X.]. 24.10.2010 - [X.] 1422) das Einkommen der verheirateten zusammenlebenden Eltern anzurechnen?"

4

Der Senat lässt offen, ob die [X.]eklagte damit eine verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung formuliert hat. Jedenfalls hat sie nicht hinreichend dargetan, dass die vorliegende Rechtsfrage im vorliegenden Verfahren klärungsbedürftig ist.

5

Die [X.]eklagte behauptet zum einen, die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergebe sich nicht aus dem Urteil des [X.]undessozialgerichts ([X.]SG) vom [X.] ([X.] 7 [X.] 36/08 R - [X.], 141 = [X.]-4300 § 108 [X.] 1); denn diesem Urteil lasse sich "nach Auffassung der [X.]eklagten eindeutig entnehmen, dass das [X.]SG seine [gemeint: des § 108 Abs 2 [X.] 2 Sozialgesetzbuch Drittes [X.]uch ] Anwendung ausschließlich auf die Fallgestaltung getrenntlebender bzw geschiedener Eltern beschränkt wissen wollte, wenn der behinderte Auszubildende bei keinem Elternteil lebt". Zum anderen verweist sie darauf, dass beim erkennenden Senat das Revisionsverfahren [X.] [X.] 3/13 R zu einem vergleichbaren Sachverhalt anhängig sei, für den das [X.] ([X.]) [X.] - ihrer Ansicht nach verfehlt - die Auffassung vertreten habe, die Anrechnung von Elterneinkommen verheirateter zusammenlebender, nicht mit dem behinderten Auszubildenden in einem gemeinsamen Haushalt lebender Eltern begründe einen Verstoß gegen Vorschriften des Grundgesetzes.

6

[X.]eide [X.]egründungen genügen dem [X.] nicht. [X.] ein [X.]eschwerdeführer aufzeigen, dass die aufgeworfene Rechtsfrage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt ist, muss er sich mit dieser Rechtsprechung und ggf auch mit dem vom [X.] zitierten Schrifttum "auseinandersetzen" (vgl Senatsbeschlüsse vom 19.12.2012 - [X.] [X.] 92/12 [X.] - und vom [X.] - [X.] [X.] 137/12 [X.]; [X.]SG [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 9 V 67/12 [X.] - alle veröffentlicht bei Juris; stRspr). Denn eine Rechtsfrage ist auch dann nicht (mehr) klärungsbedürftig, wenn diese zwar noch nicht höchstrichterlich entschieden, die Antwort auf die Frage aber praktisch von vornherein außer Zweifel steht ([X.]SG [X.] 1500 § 160a [X.] 59; [X.]-1500 § 160a [X.] 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 160a Rd[X.] 14d). Die allein an der Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen (hier: nicht getrennt lebende Eltern) ausgerichtete Darstellung, wie die [X.]eklagte das Urteil des [X.]SG vom [X.] ([X.] 7 [X.] 36/08 R - [X.], 141 = [X.]-4300 § 108 [X.] 1) verstanden wissen will, ersetzt das erforderliche Eingehen auf diese Rechtsprechung - also deren inhaltliche Diskussion und Analyse - nicht.

7

Zu einer solchen inhaltlichen Auseinandersetzung hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als sich die Interpretation des Urteils des [X.]SG vom [X.] ([X.] 7 [X.] 36/08 R - [X.], 141 = [X.]-4300 § 108 [X.] 1) durch die [X.]eklagte schon mit dem Wortlaut des amtlichen Leitsatzes zu der Entscheidung nicht vereinbaren lässt und auch in der Urteilsbegründung keine Stütze findet. Der Leitsatz lautet: "Auf das Ausbildungsgeld eines behinderten Menschen, der bei keinem Elternteil lebt, ist das Einkommen der Eltern nicht anzurechnen." Damit bestätigt der 7. Senat des [X.]SG die vorinstanzliche Entscheidung, die aus § 108 Abs 2 [X.] 2 SG[X.] III aF (ab 1.4.2012 § 126 Abs 2 [X.] 2 SG[X.] III) gefolgert hatte, dass generell in Fällen, in denen der behinderte Mensch nicht bei den Eltern oder - im Falle des [X.] - nicht bei einem Elternteil lebt, keine Einkommensanrechnung stattfindet (Urteil des [X.] [X.]aden-Württemberg vom [X.] [X.] 5272/07 - Juris Rd[X.] 21). [X.]egründet hat der 7. Senat des [X.]SG seine Entscheidung unter Hinweis auf die schon vor dem Inkrafttreten des SG[X.] III in § 27 Abs 2 [X.] 2 [X.]uchst c der Anordnung des Verwaltungsrats der [X.]undesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und [X.]erufsförderung [X.]ehinderter (A Reha) bestehende Rechtslage, insbesondere mit der Logik: "Soll bei getrennt lebenden Eltern das Einkommen des Elternteils, bei dem der [X.]ehinderte nicht lebt, unberücksichtigt bleiben, muss dies erst recht gelten, wenn der [X.]ehinderte bei keinem Elternteil lebt. Jede andere Auslegung würde zu abwegigen, der Logik widersprechenden Ergebnissen führen" ([X.], 141 = [X.]-4300 § 108 [X.] 1, Rd[X.] 19 [X.]). Dass diese Rechtsprechung dennoch iS der Auffassung der [X.]eklagten verstanden werden kann, hätte daher besonderer [X.]egründung bedurft, zumal auch nach dem - teilweise bereits vom [X.] zitierten - Schrifttum die og Entscheidung nicht umstritten ist und so verstanden wird, dass Elterneinkommen auf das Ausbildungsgeld eines behinderten Menschen, der bei keinem Elternteil lebt, nicht anzurechnen ist (vgl [X.] in [X.], SG[X.] III, § 108 Rd[X.] 27, Stand Juni 2011).

8

Auch die bloße [X.]ezugnahme auf ein anhängiges Revisionsverfahren reicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht aus ([X.]FHE 144, 137 = [X.]St[X.]l II 1985, 625; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 10. Aufl 2012, § 160a Rd[X.] 14d). Anderes gilt nicht deshalb, weil die [X.]eklagte im Hinblick auf die [X.]egründung der Entscheidung des [X.] [X.] im Urteil vom 22.11.2012 (L 1 [X.] 39/12 - Juris), einen "möglicherweise" gegebenen verfassungsrechtlichen Klärungsbedarf erörtert.

9

Von einer weiteren [X.]egründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

Die Verwerfung der [X.]eschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] [X.] durch [X.]eschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 11 AL 59/13 B

10.07.2013

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Lüneburg, 6. Juli 2011, Az: S 7 AL 81/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 104 SGB 3, § 108 Abs 2 Nr 2 SGB 3 vom 24.10.2010

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.07.2013, Az. B 11 AL 59/13 B (REWIS RS 2013, 4295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4295

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