Bundessozialgericht, Urteil vom 14.10.2020, Az. B 11 AL 2/20 R

11. Senat | REWIS RS 2020, 2301

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben - Ausbildungsgeld - Anrechnung von Elterneinkommen - Anwendbarkeit der Härtefallregelung des § 25 Abs 6 BAföG - außergewöhnliche Belastungen - Erhöhung des Einkommensfreibetrags - Ermessensausübung)


Leitsatz

Die Härtefallklausel des Bundesausbildungsförderungsrechts bzgl der Berücksichtigung von Elterneinkommen ist auch bei der Entscheidung über die Gewährung von Ausbildungsgeld anwendbar.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des [X.] im Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Ausbildungsgeld nach dem [X.] III.

2

Bei dem 1998 geborenen Kläger ist eine Schwerbehinderung anerkannt. Er lebt mit seiner Mutter und seinem [X.] zusammen sowie mit dem Ehemann der Mutter, der nicht der Vater des [X.] ist. Der 1990 geborene [X.] des [X.] und seine Mutter sind ebenfalls als Schwerbehinderte anerkannt. Am 3.8.2015 begann der Kläger eine Ausbildung zum "Fachinformatiker Systemintegration", die nach dem Berufsausbildungsvertrag vom [X.] enden sollte. Der Kläger und die Ausbildungsstätte hoben den Ausbildungsvertrag in beiderseitigem Einvernehmen mit Wirkung zum 21.7.2017 auf.

3

Für diese Ausbildung beantragte der Kläger bei der Beklagten die Bewilligung von Ausbildungsgeld, was die Beklagte ablehnte (Bescheid vom 1.9.2015). Während des Vorverfahrens machte der Kläger insbesondere die Berücksichtigung von [X.] geltend und verlangte einen Härtefreibetrag bzw die Anrechnung außergewöhnlicher Belastungen nach § 25 Abs 6 [X.]. Die Beklagte lehnte die Gewährung von Ausbildungsgeld nach erneuten Prüfungen wiederholt ab (Bescheide vom 20.10.2015, vom [X.] und vom 14.4.2016). Sodann wies die Beklagte den Widerspruch des [X.] gegen den Bescheid vom 20.10.2015 zurück (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das zu berücksichtigende Einkommen der Mutter übersteige den Bedarf des [X.]. Die Freibeträge seien in § 126 Abs 2 Nr 2 [X.] III abschließend geregelt und schlössen die Härtefallregelung des § 25 Abs 6 [X.] aus. Die Beklagte wies auch den Widerspruch des [X.] gegen den Bescheid vom [X.] zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.8.2016).

4

Im Klageverfahren hat der Kläger zunächst beantragt, ihm für die [X.] bis 31.1.2017 Ausbildungsgeld zu zahlen; zuletzt hat er nur eine Verurteilung zur Neubescheidung beantragt. Das [X.] hat die Beklagte unter Abänderung der angegriffenen Bescheide verurteilt, über den Antrag des [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom [X.]). Nach § 122 Abs 2 [X.] III iVm § 67 Abs 2 Satz 1 [X.] III iVm § 25 Abs 6 [X.] könne zur Vermeidung unbilliger Härten auf besonderen Antrag, der vor dem Ende des Bewilligungszeitraums zu stellen sei, ein weiterer Teil des Einkommens der Eltern und des Ehegatten anrechnungsfrei bleiben. Einen entsprechenden Antrag habe der Kläger gestellt, so dass die Bewilligung eines weiteren anrechnungsfreien Betrages im Ermessen der Beklagten stehe.

5

Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 11.12.2019). Die Beklagte habe zu Unrecht keine Ermessensentscheidung über die Erbringung von Leistungen im Hinblick auf einen Härtefall iS des § 25 Abs 6 [X.] getroffen.

6

Hiergegen richtet sich die vom L[X.] zugelassene Revision der Beklagten. § 126 Abs 2 Nr 2 [X.] III sei eine abschließende Regelung, die den behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung trage, und stehe der Anwendung der Härtefallklausel des § 25 Abs 6 [X.] entgegen. Das Ausbildungsgeld sei keine Entgeltersatzleistung. Es diene nicht der Abgeltung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs, sondern ausschließlich der (ausbildungsbedingten) Bedarfsdeckung. Dies habe den Gesetzgeber dazu bewogen, auf das Ausbildungsgeld das eigene Einkommen und das der Eltern und Ehegatten oberhalb fester Freibeträge anzurechnen.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 11. Dezember 2019 und das Urteil des [X.] vom 19. Februar 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Der Kläger verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Das [X.] hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen, nachdem das [X.] die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zur Neubescheidung verpflichtet hatte.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid vom 1.9.2015 in der Fassung der gemäß § 86 Halbsatz 1 [X.]G in das Vorverfahren einbezogenen Bescheide vom 20.10.2015, vom [X.] und vom 14.4.2016, mit denen jeweils die Gewährung von Ausbildungsgeld (erneut) abgelehnt worden ist, diese wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] [X.] vom 25.8.2016 hätte nicht erlassen werden dürfen, da der Bescheid vom [X.] bereits Gegenstand des Vorverfahrens gegen den Bescheid vom 1.9.2015 geworden war. Eine zusätzliche Beschwer des [X.] ist damit aber nicht verbunden.

In zeitlicher Hinsicht streitgegenständlich ist die [X.] bis zum 31.1.2017, da sich die Klage nur auf diesen Zeitraum erstreckt hat. Ob neue Anträge auf Gewährung von Ausbildungsgeld während eines noch laufenden Verwaltungs- oder Vorverfahrens ebenso wie im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl insofern nur B[X.] vom 28.10.2009 - [X.] [X.]/08 R - juris Rd[X.]7) eine Zäsur bilden und den Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht begrenzen, kann hier dahinstehen. Denn die vom Kläger während des Vorverfahrens übermittelten Schreiben zielten ersichtlich nicht auf eine neue Antragstellung, sondern auf die Änderung der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung von Anfang an, die die Beklagte nach jeweils erneuter Sachprüfung abgelehnt hat.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nicht, ob der Kläger einen Anspruch auf Ausbildungsgeld hat, sondern nur, ob er einen Anspruch gegen die Beklagte auf Neubescheidung seines Antrags hat. Nur dies war Gegenstand des Antrags des [X.] vor dem [X.] in der mündlichen Verhandlung; das [X.] hat auch nur hierüber entschieden.

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags.

a) Gemäß § 122 Abs 1 [X.] [X.]B III haben behinderte Menschen Anspruch auf Ausbildungsgeld unter anderem während einer Berufsausbildung. Das Ausbildungsgeld dient der Sicherung des Lebensunterhaltes während der Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen (Jenak in [X.]/Voelzke, jurisPK-[X.]B III, 2. Aufl 2019, § 122 Rd[X.]3 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 122 Rd[X.], Stand Dezember 2019; vgl auch B[X.] vom [X.] [X.] 17/09 R - B[X.]E 106, 62 = [X.]-3500 § 82 [X.], Rd[X.]4 ff). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] war der Kläger dem Grunde nach leistungsberechtigt. Insbesondere absolvierte er in der [X.] bis 21.7.2017 eine Berufsausbildung; auch war bei ihm ein GdB von 70 anerkannt.

b) Im Ergebnis zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass auch bei der Gewährung von Ausbildungsgeld die Härtefallklausel des § 25 Abs 6 Satz 1 [X.] Anwendung finden kann. Nach dieser Norm kann zur Vermeidung unbilliger Härten auf besonderen Antrag, der vor dem Ende des Bewilligungszeitraums zu stellen ist, abweichend von den vorstehenden Vorschriften ein weiterer Teil des Einkommens anrechnungsfrei bleiben.

Die Anwendbarkeit des § 25 Abs 6 [X.] folgt allerdings nicht schon daraus, dass diese Norm einen "allgemeinen Rechtsgrundsatz" enthielte. Grundsatznormen sind Normen, die - etwa als Einweisungsvorschriften - insbesondere den Gesetzeszweck beschreiben und denen interpretationsleitende Bedeutung für die Auslegung anderer Normen zukommen kann (so etwa §§ 1 bis 11 [X.]B III; vgl etwa für § 2 Abs 2 [X.]B II B[X.] vom 19.3.2020 - [X.] [X.]/20 R - juris Rd[X.]8; vgl zu dieser Kategorie auch [X.], Die Bedeutung von Zweckbestimmungen in der Gesetzgebung der [X.], 1976; [X.], Gesetzgebung, 3. Aufl 2002, § 11 RdNr 327 f) oder die für Ausübung behördlichen Ermessens relevant sein können (so etwa § 7 [X.]B III), die aber selbst keine unmittelbare Rechtsfolge herbeiführen. Um eine solche Grundsatznorm handelt es sich bei § 25 Abs 6 [X.] nicht, sondern vielmehr um eine Regelungsnorm, also eine an Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfende Rechtsfolgenanordnung. Einer Verallgemeinerung solcher bereichsspezifischen Regelungen steht der Vorbehalt des Gesetzes entgegen, der verfassungsrechtlich in Art 20 Abs 3 GG (vgl insoweit [X.] vom [X.] - 1 BvL 1/09 ua - [X.]E 125, 175, 223 f = [X.]-4200 § 20 [X.] Rd[X.]36; [X.] vom 24.3.2010 - 1 BvR 395/09 - [X.]K 17, 186, 189 = [X.]-4200 § 20 [X.] RdNr 7) und einfachrechtlich in § 31 [X.]B I verankert ist.

Die Anwendbarkeit des § 25 Abs 6 [X.] folgt allerdings aus § 122 Abs 2 [X.]B III iVm § 67 Abs 2 [X.]B III. Gemäß § 122 Abs 2 [X.]B III gelten für das Ausbildungsgeld die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe entsprechend, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist. Gemäß dem im Abschnitt über die Berufsausbildungsbeihilfe verorteten § 67 Abs 2 Satz 1 [X.]B III gelten wiederum für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen § 11 Abs 4 [X.]B III sowie die Vorschriften des Vierten Abschnitts des [X.] (also die §§ 21 bis 25 [X.]) mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend.

Eine abweichende Bestimmung iS von § 122 Abs 2 [X.]B III enthält § 126 [X.]B III für die Fragen der Anrechnung von Einkommen und Freibeträgen. Diese Norm ist insofern lex specialis. In diesem Sinne hat das B[X.] bereits zu § 108 Abs 2 [X.] [X.]B III aF, der nahezu textgleichen Vorgängervorschrift des § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III, entschieden, dass § 108 Abs 2 [X.] [X.]B III aF eine gegenüber den [X.] vorrangige und abschließende Sonderregelung ist, die den behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung trägt, die mit der Integration eines behinderten Menschen in den Arbeitsmarkt verbunden sind (B[X.] vom [X.] [X.] 36/08 R - B[X.]E 106, 141 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]5). § 108 Abs 2 [X.] [X.]B III aF sollte - wie nun § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III - eine übermäßige Belastung des behinderten Menschen sowie der ihm gegenüber zum Unterhalt verpflichteten Personen und eine unzumutbare Beeinträchtigung in ihrem Lebensstandard verhindern (B[X.] vom [X.] [X.] 36/08 R - B[X.]E 106, 141 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]6).

Allerdings errichtet § 126 [X.]B III kein geschlossenes System der Anrechnung von Elterneinkommen. Hiervon geht auch die Beklagte in ihren "Fachlichen Weisungen" aus, nach denen § 25 Abs 3 [X.] anwendbar ist (Fachliche Weisungen zu § 126 [X.]B III vom 1.8.2019, Ziffer 2.2 Abs 3). Soweit sich die Formulierung des [X.]s in seinen Urteilen vom 14.5.2014, wonach § 108 Abs 2 [X.] [X.]B III aF etwas Abweichendes iS des § 104 Abs 2 [X.]B III aF (der Vorgängernorm des § 122 Abs 2 [X.] [X.]B III) und damit [X.] regelt und ein Rückgriff auf die Regeln zur Berücksichtigung elterlichen Einkommens im Bereich der Berufsausbildungsbeihilfe (§ 71 Abs 2 [X.]B III aF iVm § 25 [X.]) ausscheide (B[X.] vom 14.5.2014 - B 11 [X.] 3/13 R - B[X.]E 116, 25 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]4; B[X.] vom 14.5.2014 - B 11 [X.] 20/13 R - juris Rd[X.]0), anders verstehen ließ, hält er daran nicht fest.

Das zwischen § 126 [X.]B III und § 25 [X.] bestehende [X.] sperrt insbesondere nicht die Anwendung des § 25 Abs 6 [X.] (ebenso [X.] in [X.]/[X.]-De Caluwe/Coseriu, [X.]B III, 6. Aufl 2017, § 126 Rd[X.]; [X.] in Gagel, [X.]B II/[X.]B III, § 126 [X.]B III Rd[X.], Stand März 2017; [X.], [X.]b 2002, 667, 668 f; aA [X.] in [X.]/[X.], [X.]B III, § 126 Rd[X.]1, Stand 27.12.2019). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Einkommensberücksichtigung nach § 126 [X.]B III dem Grunde nach für den Betroffenen günstiger ist als diejenige nach § 25 [X.], und dass überdies auch die Einkommensberücksichtigung nach § 126 [X.]B III der Höhe nach grundsätzlich - insbesondere bei niedrigerem Einkommen - günstiger ist als diejenige nach §§ 21, 25 [X.]. Nach § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III ist auf das Ausbildungsgeld eines behinderten Menschen Einkommen seiner Eltern nur anzurechnen, soweit der behinderte Auszubildende mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt (B[X.] vom [X.] [X.] 36/08 R - B[X.]E 106, 141 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]5; B[X.] vom 14.5.2014 - B 11 [X.] 3/13 R - B[X.]E 116, 25 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]3; B[X.] vom 14.5.2014 - B 11 [X.] 20/13 R - juris Rd[X.]9). Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, greifen die Freibeträge ein. § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III in der vom 1.4.2012 bis [X.] geltenden Fassung stellte das Einkommen der Eltern bis zu 2909 Euro monatlich bzw bei einem Elternteil bis 1813 Euro monatlich anrechnungsfrei. Diese Beträge betrugen nach § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III in der vom [X.] bis 31.12.2017 geltenden Fassung 3113 Euro bzw 1940 Euro monatlich. Das Einkommen der Eltern wird nach § 25 [X.] demgegenüber auch dann berücksichtigt, wenn der Leistungsbezieher nicht bei zumindest einem Elternteil lebt. Der anrechnungsfreie Betrag je Elternteil nach § 25 Abs 1 [X.] [X.] betrug 1070 Euro monatlich (1.4.2012 bis [X.]) bzw 1145 Euro monatlich ([X.] bis 15.7.2019). Diese Freibeträge erhöhten sich gemäß § 25 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.] für den nicht in [X.] zum Ausbildenden stehenden Ehegatten oder Lebenspartner des Einkommensbeziehers um 535 Euro (1.4.2012 bis [X.]) bzw 570 Euro ([X.] bis 15.7.2019). Das diese (ggf addierten) Freibeträge übersteigende Einkommen der Eltern blieb dann zu 50 vom Hundert anrechnungsfrei (§ 25 Abs 4 [X.] [X.]). Auch das Einkommen des behinderten Menschen selbst ist im Rahmen des Ausbildungsgeldes gegenüber den Regelungen des [X.] privilegiert. So blieb das Einkommen des behinderten Menschen, der Ausbildungsgeld beansprucht, aus Waisenrente und Waisengeld bis zum [X.] zu 242 Euro (vom [X.] bis 31.12.2017: 259 Euro) monatlich anrechnungsfrei (§ 126 Abs 2 [X.] [X.]B III), während solche Zahlungen nach § 21 Abs 3 Satz 1 [X.] [X.] in voller Höhe berücksichtigt werden.

Mit diesen Sonderregelungen konnte aber nur dem Umstand Rechnung getragen werden, dass derjenige, der Ausbildungsgeld begehrt, und die ihm Unterhalt leistenden Elternteile aufgrund der Behinderung des jeweiligen Antragstellers besonderen finanziellen Belastungen ausgesetzt sind. In diesem Sinne ist die Formulierung, dass § 126 Abs 2 [X.] [X.]B III den behinderungsbedingten Besonderheiten Rechnung trägt (zu § 108 Abs 2 [X.] [X.]B III aF B[X.] vom [X.] [X.] 36/08 R - B[X.]E 106, 141 = [X.]-4300 § 108 [X.], Rd[X.]5), zu verstehen. Andere, nicht an die Behinderung des [X.] anknüpfende Umstände, konnten durch § 126 Abs 2 [X.]B III nicht antizipiert werden. Da zugleich kein sachlicher Grund ersichtlich ist, Personen, die Ausbildungsgeld begehren, insoweit anders und schlechter zu behandeln, als Personen, die Leistungen nach dem [X.] beziehen, rechtfertigt dies die Annahme, dass der Verweis in § 122 Abs 2 iVm § 67 Abs 2 [X.]B III auf die Regelungen des Vierten Abschnitts des [X.] auch die Härtefallregelung des § 25 Abs 6 [X.] erfasst.

Insofern ist aus historischer Perspektive von Bedeutung, dass § 108 [X.]B III aF seinerzeit den auf der Grundlage der Ermächtigung des § 58 Abs 2 Satz 1 iVm § 191 Abs 3 [X.] erlassenen § 27 der Anordnung des Verwaltungsrates der [X.] über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter ([X.]) ersetzt hat, der in Abs 6 eine Härtefallklausel enthalten hatte, wonach von dem an sich zu berücksichtigenden Einkommen bis zur Höhe von 500 DM monatlich abgewichen werden konnte, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt war. Da auch insofern nicht ersichtlich ist, dass mit der Überführung der Regelungen in das [X.]B III eine Schlechterstellung derjenigen, die Ausbildungsgeld begehren, verbunden sein sollte, streitet dies ebenfalls für die Anwendbarkeit des § 25 Abs 6 [X.], auch wenn die Gesetzesmaterialien selbst insofern unergiebig sind. In der Begründung des Gesetzentwurfes zu § 108 [X.]B III wird lediglich ausgeführt, dass die Vorschrift "die Anrechnung von Einkommen auf die [X.] in Übernahme des geltenden Rechts (§ 27 A Reha) unter Berücksichtigung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung für ein 18. [X.]-Änderungsgesetz" regele (Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung - [X.] - vom 18.6.1996, BT-Drucks 13/4941, [X.]). Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass die Härtefallklausel des (bereits seit dem [X.] geltenden) § 25 Abs 6 [X.] nun auch im Anwendungsbereich des Ausbildungsgeldes gelten solle, lässt sich dem nicht entnehmen. Andererseits lässt sich aber auch kein eindeutiger Wille des Gesetzgebers (zu dessen Bedeutung für die Gesetzesauslegung zuletzt B[X.] vom 24.6.2020 - [X.] AS 7/20 R - RdNr 42 mwN - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) feststellen, der dem Auslegungsergebnis des [X.]s entgegenstehen würde.

c) Das [X.] ist im Ergebnis auch zu Recht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall Umstände vorliegen, die zur Anwendung der Härtefallklausel des § 25 Abs 6 [X.] führen können.

§ 25 Abs 6 [X.] dient der Berücksichtigung atypischer Umstände ([X.] vom 23.6.1983 - 5 [X.]/81 - [X.]E 67, 280, 285 - [X.] 436.36 § 25 [X.] [X.] - juris Rd[X.]4; [X.] vom 11.10.1984 - 5 C 17/82 - [X.]E 70, 189, 191 - [X.] 436.36 § 25 [X.] Nr 7 - juris Rd[X.]7; [X.] vom [X.] - 5 C 66/84 - [X.]E 77, 222, 227 - [X.] 436.36 § 25 [X.] Nr 8 - juris Rd[X.]4), wobei an das Merkmal der unbilligen Härte grundsätzlich erhebliche Anforderungen zu stellen sind ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2020, § 25 RdNr 39). Diese Anforderungen sind hier aber erfüllt, weil bei der Mutter des [X.] ein Grad der Behinderung anerkannt ist, so dass zu ihren Gunsten als außergewöhnliche Belastungen jedenfalls die [X.] nach Maßgabe des § 33b EStG zu berücksichtigen sind; dies ergibt sich aus § 25 Abs 6 Satz 2 [X.]. Außergewöhnliche Belastungen können eine unbillige Härte darstellen, deren Vermeidung die Anwendung des § 25 Abs 6 [X.] rechtfertigt (vgl [X.] vom 17.7.1998 - 5 C 14/97 - [X.]E 107, 164, 166 - [X.] 436.36 § 25 [X.] [X.]3 - juris Rd[X.] mwN). Dass der Kläger selbst behindert ist, kann allerdings keinen Härtefall begründen, da die Behinderung bereits Voraussetzung für einen Anspruch auf Ausbildungsgeld ist. Die Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung kann nicht zugleich einen Härtefall begründen. Ob die Behinderung des volljährigen Bruders des [X.] zu einem Härtefall führt, kann der [X.] nicht beurteilen, da die Feststellungen des [X.] nicht ausreichen, um entscheiden zu können, ob die Mutter des [X.] gegenüber dessen Bruder nach dem bürgerlichen Recht unterhaltspflichtig ist (vgl § 25 Abs 6 Satz 2 [X.]). Die Frage der Berücksichtigung der Behinderung des Bruders ist aber für das Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich, da bereits die Behinderung der Mutter einen Härtefall begründet. Die Beklagte wird diesen Aspekt im Rahmen des neu eröffneten Verwaltungsverfahrens indes zu ermitteln und zu würdigen haben.

Die Entscheidung nach § 25 Abs 6 Satz 1 [X.] steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde (vgl [X.] vom [X.] - 5 C 66/84 - [X.]E 77, 222, 231 - [X.] 436.36 § 25 [X.] Nr 8 - juris Rd[X.]2; [X.] vom 17.7.1998 - 5 C 14/97 - [X.]E 107, 164, 166 f - [X.] 436.36 § 25 [X.] [X.]3 - juris Rd[X.]3), wobei das der Behörde eingeräumte Ermessen mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der unbilligen Härte "gekoppelt" ist ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2020, § 25 RdNr 37; vgl [X.] vom 17.7.1998 - 5 C 14/97 - [X.]E 107, 164, 167 - [X.] 436.36 § 25 [X.] [X.]3 - juris Rd[X.]3). Das Ermessen betrifft bei der Gewährung von Ausbildungsgeld das [X.] und das Auswahlermessen, also das Ob und die Höhe der Freistellung weiteren Einkommens von der Anrechnung (vgl [X.] vom [X.] - 5 C 66/84 - [X.]E 77, 222, 231 - [X.] 436.36 § 25 [X.] Nr 8 - juris Rd[X.]2). Für das Bestehen eines Auswahlermessens bei der Anwendung des § 25 Abs 6 [X.], wenn um die Gewährung von Ausbildungsgeld gestritten wird, streitet wiederum die historische, auf die Härtefallklausel des § 27 [X.] gerichtete Perspektive. Die Härtefallklausel des § 27 [X.] unterschied sich von derjenigen in § 25 Abs 6 [X.] dadurch, dass erstere auch im Härtefall eine Freistellung höchstens in Höhe von 500 DM (dies entspricht ca 255 Euro) vorsah, während § 25 Abs 6 [X.] keinerlei höhenmäßige Begrenzung vorsieht. Damit ist allerdings keine - ohnehin entsprechend der allgemeinen Preisentwicklung anzupassende - absolute Obergrenze umschrieben; entscheidend sind - wie bei jeder Ermessensentscheidung - die Umstände des konkreten Einzelfalles (vgl [X.] vom 15.11.1990 - 5 C 78/88 - [X.]E 87, 103, 111 - [X.] 436.36 § 25 [X.] Nr 9 - juris Rd[X.]9). Zudem spricht die Hervorhebung außergewöhnlicher Belastungen nach §§ 33 bis 33b EStG und von Aufwendungen für behinderte Personen, denen der Einkommensbezieher nach dem bürgerlichen Recht unterhaltspflichtig ist, in § 25 Abs 6 Satz 2 [X.] dafür, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen ein besonders erheblicher Ermessensgesichtspunkt ist (vgl [X.] vom 17.7.1998 - 5 C 14/97 - [X.]E 107, 164, 166 f - [X.] 436.36 § 25 [X.] [X.]3 - juris Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2020, § 25 RdNr 41). Dies gilt umso mehr, soweit aufgrund der Behinderungen und der Unterhaltspflicht außergewöhnliche Belastungen tatsächlich vorliegen und nicht nur im Rahmen der [X.] nach § 33b EStG vermutet werden.

3. [X.] beruht auf § 193 Abs 1 Satz 1 [X.]G.

Meta

B 11 AL 2/20 R

14.10.2020

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 19. Februar 2019, Az: S 13 AL 357/16, Urteil

§ 25 Abs 6 S 1 BAföG, § 25 Abs 6 S 2 BAföG, § 67 Abs 2 S 1 SGB 3, § 122 Abs 1 Nr 1 SGB 3, § 122 Abs 2 SGB 3, § 126 Abs 2 Nr 2 SGB 3

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 14.10.2020, Az. B 11 AL 2/20 R (REWIS RS 2020, 2301)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2301

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1 BvL 1/09

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