Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 20.05.2021, Az. 1 BvQ 64/21

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2021, 5678

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolgloser Eilantrag gegen inzidenzabhängige Untersagung von Präsenzunterricht in allgemeinbildenden Schulen (§ 28b Abs 3 S 3 IfSG idF vom 22.04.2021) - kein dringender Regelungsbedarf, da Verbot von Präsenzunterricht nicht unmittelbar bevorsteht


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

Die Voraussetzungen zum Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

2

1. Der Antragsteller besucht eine Grundschule in [X.] und begehrt mit einem isolierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die in § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] geregelte Untersagung von Präsenzunterricht vorläufig außer Vollzug zu setzen.

3

§ 28b Abs. 3 enthält folgende für den Gegenstand dieser Verfahren bedeutsame Bestimmungen:

Satz 3: Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die [X.] den Schwellenwert von 165, so ist ab dem übernächsten Tag für allgemeinbildende und berufsbildende Schulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen die Durchführung von Präsenzunterricht untersagt.

Satz 6: Für das Außerkrafttreten der Untersagung nach Satz 3 gilt Absatz 2 Satz 1 und 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der relevante Schwellenwert bei 165 liegt.

4

2. Der Antragsteller macht geltend, durch die Untersagung der Durchführung von Präsenzunterricht nach § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] in seinem Recht auf Bildung (Art. 7 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG, Art. 14 EU-Grundrechtecharta, Art. 11 [X.]) verletzt zu sein. § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] sei unverhältnismäßig, da es keine wissenschaftliche Evidenz gebe, dass eine Untersagung von Präsenzunterricht ab einer [X.] von 165 einen relevanten Einfluss auf das Infektionsgeschehen habe. Die Durchführung von [X.] unter Wahrung von Schutzvorkehrungen käme als milderes Mittel in Betracht. Zudem sei das alleinige Abstellen auf die [X.] sachlich unzureichend und nicht verhältnismäßig. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei erforderlich, da [X.] für Grundschüler vollkommen ungeeignet sei und dem Antragsteller nicht mehr aufzuholende Wissenslücken drohten.

5

Der Antrag ist abzulehnen.

6

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Wegen der meist weittragenden Folgen, die eine einstweilige Anordnung in einem verfassungsrechtlichen Verfahren auslöst, gilt für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.] ein strenger Maßstab, der sich noch erhöht, wenn - wie hier - der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden soll (vgl. [X.] 140, 99 <106 f. Rn. 12>; [X.], Beschluss des [X.] vom 5. Mai 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 20).

7

2. Der Antrag ist abzulehnen. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass ohne Erlass der begehrten vorläufigen Außerkraftsetzung von § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] eine Untersagung der Durchführung von Präsenzunterricht unmittelbar bevorsteht (vgl. [X.] 96, 223 <230>). Das Verbot von Präsenzunterricht in Schulen gemäß § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] gilt ab dem übernächsten Tag, nachdem in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die [X.] den Schwellenwert von 165 überschritten hat. Nach Erhebung des vorliegenden Antrags am 2. Mai 2021 ist die [X.] im Landkreis der von dem Antragsteller besuchten Schule unter den Schwellenwert von 165 gesunken. Ab dem 9. Mai 2021 trat wegen Unterschreitens der [X.] von 165 drei Tage in Folge das Verbot von Präsenzunterricht nach § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] außer [X.]. Die [X.] ist auch seither stetig und stabil gesunken und liegt seit mehreren aufeinanderfolgenden Werktagen unter dem Schwellenwert von 100. Die aktuell bestehende Inzidenz müsste sich verdoppeln, bevor das Verbot von Präsenzunterricht nach § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] erneut greifen könnte.

8

Sollte sich während der Geltungsdauer des § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] ein Anstieg der [X.] auf über 165 abzeichnen, kann erneut ein Antrag auf vorläufige Außerkraftsetzung dieser Vorschrift gestellt werden (vgl. [X.] 91, 83 <91>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 20. Dezember 2017 - 1 BvR 2754/17 -, Rn. 24).

9

Auf eine Folgenabwägung und eine - ohnehin einem Hauptsacheverfahren vorbehaltene - verfassungsrechtliche Beurteilung von § 28b Abs. 3 Satz 3 [X.] kommt es daher nicht an.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvQ 64/21

20.05.2021

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

Art 2 Abs 1 GG, Art 7 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, EpiBevSchG 4, Art 14 EUGrdRCh, § 28b Abs 3 S 3 IfSG vom 22.04.2021, Art 11 Verf BW

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 20.05.2021, Az. 1 BvQ 64/21 (REWIS RS 2021, 5678)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5678

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Wird zitiert von

1 BvR 794/21

Zitiert

1 BvR 2754/17

1 BvR 781/21

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