Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2022, Az. X ZR 102/20

10. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7401

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Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 6. Senats ([X.]) des [X.] vom 2. September 2020 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Inhaber des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 931 386 (Streitpatents), das am 13. März 1998 unter Inanspruchnahme einer [X.] Priorität vom 14. Juli 1997 angemeldet wurde und ein Verfahren zum Signalisieren einer Rauschsubstitution beim Codieren eines Audiosignals betrifft. Patentanspruch 11, auf den zwei weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet:

Verfahren zum Decodieren eines codierten Audiosignals mit folgenden Schritten:

Empfangen eines Bitstroms;

Redundanz-Decodieren von nichtrauschhaften Gruppen aufgrund einer durch eine Codiertabellennummer angezeigten Codiertabelle und Requantisieren von redundanz-decodierten, quantisierten [X.][n];

Erfassen einer rauschhaften Gruppe von [X.]n aufgrund einer zusätzlichen Codiertabellennummer, die einer solchen Gruppe zugeordnet ist;

Erfassen eines Maßes für die Energie der [X.] in der rauschhaften Gruppe aufgrund von der Gruppe zugeordneten Seiteninformationen;

Erzeugen von Rausch-[X.]n für die rauschhafte Gruppe, wobei das Maß der Energie der Rausch-[X.] in der rauschhaften Gruppe gleich dem Maß für die Energie von [X.]n der rauschhaften Gruppe in dem ursprünglichen Signal ist;

Transformieren der requantisierten [X.] und der Rausch-[X.] in den Zeitbereich, um ein decodiertes Audiosignal zu erhalten.

2

Patentanspruch 1, auf den acht weitere Ansprüche zurückbezogen sind, betrifft ein Verfahren zum Signalisieren einer Rauschsubstitution, Patentanspruch 10 ein Codierverfahren.

3

Die Klägerin, die aus Patentanspruch 11 gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat das Streitpatent zunächst in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Nach Erlöschen des Streitpatents haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Ansprüche 1 bis 10 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Den danach noch angegriffenen Teil des Streitpatents hat der Beklagte wie erteilt und hilfsweise in drei geänderten Fassungen verteidigt.

4

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihre zuletzt gestellten erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Der Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Patent weiterhin wie in erster Instanz.

Entscheidungsgründe

5

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

6

I. [X.] betrifft das Signalisieren einer Rauschsubstitution beim Codieren und Decodieren eines Audiosignals.

7

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind Verfahren zur Codierung und Decodierung von Audiosignalen etwa von der Standardisierungsorganisation [X.]/[X.] [X.]/[X.]/[X.] entwickelt worden, die auch unter dem Namen [X.] ([X.]) bekannt ist.

8

Bei dem bekannten Verfahren werde ein zeitkontinuierliches Audiosignal abgetastet, um ein zeitdiskretes Audiosignal zu erhalten. Dieses werde mit einer Funktion bearbeitet, um aufeinanderfolgende Blöcke oder Frames mit einer bestimmten Anzahl gefensterter zeitdiskreter Abtastwerte zu erhalten. Jeder dieser Blöcke werde in den Frequenzbereich transformiert, etwa mittels einer modifizierten diskreten Kosinustransformation (Abs. 5).

9

Die erhaltenen [X.] würden so quantisiert, dass das Quantisierungsrauschen durch die quantisierten Signale überlagert (maskiert) und damit unhörbar werde. Dazu werde ein [X.] Modell herangezogen, das die [X.]igenschaften des menschlichen Gehörs berücksichtige. Zur Quantisierung würden [X.] zu [X.]n gruppiert, die mit bestimmten Faktoren skaliert werden könnten. Die Information hierüber müsse als Seiteninformation an den Decodierer übertragen werden (Abs. 6).

Nach der Quantisierung würden die [X.] redundanzcodiert. Dazu würden sie in Abschnitte (sections) eingeteilt, um Bereiche mit gleicher Signalstatistik zu erhalten. Dabei könnten Abschnittsgrenzen nur an Skalenfaktorbandgrenzen vorhanden sein. Dies ermögliche es, einen Abschnitt mithilfe einer einzigen Codiertabelle, etwa einer Huffman-Codiertabelle, zu codieren. Aus den zur Verfügung stehenden [X.] werde diejenige gewählt, die den größten Codiergewinn erbringe. Die Länge des Abschnitts in [X.]n und die Nummer der eingesetzten Codiertabelle würden als Seiteninformation an den Decodierer übertragen (Abs. 7).

[X.]benfalls vorbekannt sei die von [X.] ([X.], [X.]. [X.]. Bd. 44 [1996], Nr. 7/8, S. 593-598, [X.]) beschriebene Rauschsubstitution. Dieser liege zugrunde, dass das menschliche Gehör bei rauschhaften Signalen nicht in der Lage sei, den exakten Zeitverlauf zu erfassen. [X.]in Codieren der Wellenform erfordere hohe Bitraten für Informationen, die nicht hörbar seien. Gelinge es, rauschhaltige Komponenten von Signalen zu erfassen, könne man sich damit begnügen, Informationen über den Rauschpegel, den Frequenzbereich oder den zeitlichen Ausdehnungsbereich zu codieren (Abs. 10 f.).

Rauschhafte [X.] seien dadurch definiert, dass sie ohne hörbare Unterschiede für das menschliche Gehör durch ein Rauschersetzungsverfahren rekonstruiert werden könnten. Sie könnten auf unterschiedliche Weise erfasst werden. [X.]ine als rauschhaft klassifizierte Gruppe von [X.]n werde nicht wie sonst üblich quantisiert und redundanzcodiert an den [X.]mpfänger übertragen. Stattdessen werde nur eine Kennung zur Anzeige der Rauschsubstitution und ein Maß für die [X.]nergie der rauschhaften Gruppe von [X.]n als Seiteninformation an den Decoder übertragen. Dort würden dann für die substituierten Werte [X.] mit der übertragenen [X.]nergie eingesetzt. Weil nur die Übertragung einer einzigen [X.] anstelle einer Gruppe von Codes erfolge, seien erhebliche Dateneinsparungen möglich. Der derzeit in der [X.]ntwicklung befindliche Standard [X.]-2 [X.], der auch als [X.]-2 [X.] bezeichnet werde, unterstütze eine solche Rauschsubstitution nicht.

2. Vor diesem Hintergrund hat das Patentgericht das technische Problem zutreffend dahin beschrieben, die Rauschsubstitution in einen Audio-Codec mit Transformationscodierung zu integrieren.

a) [X.]ntgegen der Auffassung der Klägerin ist das technische Problem nicht dahin zu fassen, dass der Standard [X.]-2 [X.] um die Möglichkeit der Rauschsubstitution derart erweitert werde, dass weder die grundsätzliche Codierstruktur noch die Struktur der vorhandenen [X.] angetastet werde.

[X.]lemente, die zur technischen Lösung gehören, sind nicht bereits bei der Bestimmung des der [X.]rfindung zugrundeliegenden Problems zu berücksichtigen. Das technische Problem ist vielmehr so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik erhielt, ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt ([X.], Urteil vom 21. Januar 2020 - [X.], [X.], 603 Rn. 12 - Tadalafil).

b) Die Bestimmung der Aufgabe dahin, dass die Integration von Rauschsubstitution in einen Audio-Codec mit Transformationscodierung erfolgen soll, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zwar gibt es auch andere [X.]. [X.] befasst sich jedoch nur mit solchen, bei denen eine Transformationscodierung erfolgt.

3. Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 11 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

11. Verfahren zum Decodieren eines codierten Audiosignals mit folgenden Schritten:

11.1 [X.]mpfangen eines Bitstroms,

11.2 Redundanz-Decodieren von [X.] Gruppen aufgrund einer durch eine [X.]nummer angezeigte Codiertabelle und Requantisieren von [X.], quantisierten [X.]n,

11.3 [X.]rfassen einer rauschhaften Gruppe von [X.]n aufgrund einer zusätzlichen [X.]nummer, die einer solchen Gruppe zugeordnet ist,

11.3a [X.]rfassen eines Maßes für die [X.]nergie der [X.] in der rauschhaften Gruppe aufgrund von der Gruppe zugeordneten Seiteninformationen,

11.3b [X.]rzeugen von Rausch-[X.]n für die rauschhafte Gruppe, wobei das Maß der [X.]nergie der Rausch-[X.] in der rauschhaften Gruppe gleich dem Maß für die [X.]nergie von [X.]n der rauschhaften Gruppe in dem ursprünglichen Signal ist.

11.4 Transformieren der requantisierten [X.] und der Rausch-[X.] in den Zeitbereich, um ein decodiertes Audiosignal zu erhalten.

4. Der Anspruch bedarf näherer [X.]rörterung.

a) [X.] befasst sich zwar in erster Linie mit dem zum maßgeblichen Zeitpunkt in der [X.]ntwicklung befindlichen Standard [X.]-2 [X.], ist aber auf diesen nicht beschränkt.

[X.]rfasst sind auch andere Verfahren zum Codieren und Decodieren von Audiosignalen mit Transformationscodierung, die im Hinblick auf die hier interessierenden Punkte ähnlich strukturiert sind, insbesondere die Möglichkeit zur Codierung mittels [X.] bieten und [X.]nummern vorsehen, die darauf verweisen, welche Codiertabelle einer Gruppe von [X.]n zugewiesen ist.

b) Der empfangene Bitstrom (Merkmal 11.1) enthält die Daten des codierten Ausgangssignals, die vom Codierer an den Decodierer übermittelt werden. Diese Daten (Bits) repräsentieren die quantisierten und codierten Signalwerte [X.]r [X.] sowie Seiteninformationen.

Soweit für rauschhafte Gruppen von [X.]n eine Rauschsubstitution erfolgt, sind keine Signalwerte codiert. Sie werden vielmehr anhand der Seiteninformationen rekonstruiert.

c) [X.]ntscheidende Bedeutung kommt Merkmal 11.3 zu. Danach wird eine rauschhafte Gruppe von [X.]n aufgrund einer dieser Gruppe zugeordneten zusätzlichen [X.]nummer erfasst.

aa) Merkmal 11.3 legt damit lediglich fest, dass es nicht um die [X.]rfassung einzelner rauschhafter [X.] geht, sondern um die [X.]rfassung einer Gruppe solcher Werte. Die Größe einer solchen Gruppe legt Anspruch 11 nur insoweit fest, als es um eine Gruppe gehen muss, der nach der üblichen Vorgehensweise eine einheitliche [X.]nummer zugewiesen wird.

Dies wird bestätigt durch die Fassung der Ansprüche, die sich auf ein Verfahren zur Signalisierung beim Codieren eines Audiosignals beziehen. Dort ist erst in den Ansprüchen 2 und 3 bestimmt, dass die Gruppen von rauschhaften [X.]n Abschnitte sind und ein Abschnitt eines oder mehrere [X.] aufweist, wobei jedem Skalenfaktorband ein Skalenfaktor zugeordnet ist.

bb) Der rauschhaften Gruppe von [X.]n ist eine zusätzliche [X.]nummer zugeordnet.

Wie sich aus der Beschreibung des Streitpatents und aus dem Zusammenhang mit Patentanspruch 1 ergibt, ist damit eine [X.]nummer gemeint, die mithilfe der hierfür vorgesehenen Bits dargestellt werden kann, jedoch nicht auf eine der [X.] verweist. So sind beispielsweise im Standard [X.]-2 [X.] vier Bits vorgesehen, die die Darstellung von 16 [X.]nummern ermöglichen. Da jedoch nur zwölf [X.] vorgesehen sind, stehen vier [X.]nummern für andere Zwecke zur Verfügung. [X.]ine dieser Nummern soll erfindungsgemäß verwendet werden, um eine Gruppe von rauschhaften [X.]n zu kennzeichnen.

II. Das Patentgericht hat seine [X.]ntscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 11 sei durch den Stand der Technik, insbesondere die [X.] und den zum Prioritätszeitpunkt aktuellen [X.]ntwurf des Standards [X.]-2 [X.] ([X.]/[X.] 13818-7 First edition 1996 ([X.]) [X.]-2 Audio [X.] Committee Draft, [X.]/[X.] [X.]/[X.]/[X.] N1307, [X.]2) nicht nahegelegt.

Dem Fachmann stelle sich die Frage, ob mithilfe der in [X.] vorgestellten Rauschsubstitution eine weitere Verbesserung des [X.]s, wie es in [X.]2 beschrieben ist, möglich sei.

[X.] spreche die Möglichkeit einer Kombination von Rauschsubstitution und adaptiver Transformationscodierung an und sehe die Gruppierung von benachbarten rauschhaften [X.]n vor, schweige jedoch dazu, wie die Gruppierung solcher Werte mit der Aufteilung des [X.] ([X.]) [X.] bei einem Verfahren mit Transformationscodierung zusammenwirke.

[X.]2 sehe die Möglichkeit vor, zusätzliche [X.]nummern einzusetzen, um besondere Gruppen von [X.]n zu erfassen. Die Möglichkeit, gerade eine rauschhafte Gruppe von [X.]n auf diese Weise zu erfassen, sei in [X.]2 jedoch nicht offenbart. [X.]s sei nicht ersichtlich, was den Fachmann veranlassen sollte, die Zuordnung einer zusätzlichen [X.]nummer zu einer solchen Gruppe vorzusehen. Denn eine solche Zuordnung betreffe jeweils vollständige, aus einem oder mehreren [X.]n bestehende Abschnitte. Dagegen sehe [X.] eine Rauschsubstitution für kleine Gruppen von zumindest drei benachbarten rauschhaften [X.]n vor. Die [X.]inteilung der Frequenzbereiche in Abschnitte nach [X.]2 widerspreche der Gruppierung rauschhafter Signalwerte nach [X.], die ausschließlich signalabhängig und damit von den Grenzen der [X.] unabhängig sei.

Die übrigen in das Verfahren eingeführten Druckschriften lägen weiter ab.

III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass eine Kombination von [X.] und [X.]2 den Gegenstand von Patentanspruch 11 nicht nahelegt.

a) [X.]2 nimmt die Merkmale von Patentanspruch 11 nicht vollständig vorweg.

aa) Der für die Prüfung der Patentfähigkeit maßgebliche [X.]ntwicklungsstand der Arbeiten an dem Standard [X.]-2 [X.] ergibt sich aus dem als [X.]2 vorgelegten [X.]ntwurf, der vor dem [X.] des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich war. Dagegen haben die als Anlagen [X.]1, [X.]3, [X.]4 und [X.]5 vorgelegten Dokumente außer Betracht zu bleiben, weil sie erst danach veröffentlicht worden sind.

Nach der übereinstimmenden und zutreffenden Beurteilung der Parteien, die mit der Darstellung im Streitpatent (Abs. 3 bis 9) übereinstimmt, beschreibt [X.]2 ein Audiocodier-Verfahren, bei dem ein zeitkontinuierliches Audiosignal abgetastet wird, um ein zeitdiskretes Audiosignal zu erhalten. Dieses wird gefenstert und die Fenster werden zu aufeinanderfolgenden Blöcken oder Frames mit einer bestimmten Anzahl gefensterter zeitdiskreter Abtastwerte zusammengefügt. Nacheinander wird jeder dieser Blöcke in den Frequenzbereich transformiert, etwa mittels einer modifizierten diskreten Kosinustransformation.

Die sich daraus ergebenden [X.] werden derart quantisiert, dass das Quantisierungsrauschen durch die quantisierten Signale maskiert und damit unhörbar wird (Abschnitt 6.1). Zur Quantisierung werden [X.] zu [X.]n gruppiert, die mit bestimmten [X.] verstärkt werden können (Abschnitt 6.3.1). Die Information über die Verstärkung wird als Seiteninformation an den Decodierer übertragen (Abschnitt 6.3.2).

Nach der Quantisierung werden die [X.] redundanzcodiert (Abschnitt 4.1). Dazu werden sie in Abschnitte (sections) eingeteilt, um Bereiche mit gleicher Signalstatistik zu erhalten. Dabei können Abschnittsgrenzen nur an Skalenfaktorbandgrenzen vorhanden sein. Dies ermöglicht es, einen Abschnitt mithilfe einer einzigen Codiertabelle, etwa einer Huffman-Codiertabelle, zu codieren. Welche Codiertabelle gewählt wird, wird durch eine binär codierte [X.]nummer gekennzeichnet. Die Länge des Abschnitts in [X.]n und die [X.]nummer müssen wiederum als Seiteninformation an den Decodierer übertragen werden. Die Decodierung erfolgt entsprechend.

[X.]2 sieht insgesamt 16 [X.]nummern - von 0 bis 15 - vor. Die [X.]nummern 1 bis 11 bezeichnen elf Huffman-[X.] und beziehen sich jeweils auf Abschnitte (sections) (Abschnitte 4.1 und 4.4, [X.] 4.2). Die [X.]nummer 0 signalisiert, dass für den zugehörigen Abschnitt keine [X.] codiert und übertragen werden müssen, die Nummern 14 und 15 zeigen an, dass für den zugehörigen Abschnitt in einem der beiden [X.] anstelle codierter [X.] Steuerdaten für das Intensity Stereo Coding übertragen werden.

Die [X.]nummern 12 und 13 stehen als Reserve für Werte zur Verfügung, die möglicherweise für zukünftige [X.]rweiterungen des Standards benötigt werden ([X.] 1.1.124; 4.4 - [X.] 4.2).

bb) Wie das Patentgericht zutreffend und unangegriffen festgestellt hat, nimmt [X.]2 damit die Merkmale 11, 11.1 und 11.2 vorweg.

cc) Da [X.]2 keine Rauschsubstitution vorsieht, fehlt es dagegen an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 11.3 und des Merkmals 11.4.

b) Auch [X.] nimmt nicht sämtliche Merkmale von Patentanspruch 11 vorweg.

aa) [X.] beschreibt, dass die Verringerung der erforderlichen Daten bei der [X.] bislang vor allem durch Maskierungseffekte erzielt worden sei, etwa dadurch, dass Komponenten, die durch andere Komponenten überdeckt werden, nicht codiert werden. Die meisten Audiosignale enthielten aber auch Frequenzbereiche, die das menschliche Gehör nicht wahrnehme. Zur korrekten Codierung dieser Bereiche würden bislang hohe Bitraten benötigt. Würden die erkannten rauschhaften Komponenten des Signals demgegenüber nur als Information über den Rauschpegel, den Frequenz- und den Zeitbereich codiert, könne eine korrekte Beschreibung der rauschhaften Signale mit erheblichen [X.]insparungen erreicht werden (S. 593 linke Spalte, Abschnitt 0).

[X.]ine Signalkomponente sei rauschhaft, wenn sie durch den Pegel, den Frequenzbereich und den Zeitbereich so charakterisiert werden könne, dass eine Rekonstruktion möglich sei, ohne dass der Hörer einen Unterschied bemerke (S. 593 rechte Spalte, Abschnitt 1). [X.]s gebe verschiedene Möglichkeiten, wie rauschhafte Komponenten von [X.] (tonalen) Komponenten unterschieden und erfasst werden könnten.

Nach [X.] ist es vorteilhaft, sich bei der Datenkompression von Audiosignalen nicht auf rauschhafte Signale zu beschränken, sondern diese mit der herkömmlichen Kompression für [X.] Signale zu verbinden. Wie für die Rauschsubstitution sei es auch für die Maskierung erforderlich, das gesamte Frequenzband zu unterteilen. Dies könne durch die Verwendung einer adaptiven Transformationscodierung, etwa der modifizierten diskreten Kosinustransformation ([X.]) vervollständigt werden oder durch Verwendung einer Teilband-Filterbank (subband [X.]). Für beide Methoden seien Algorithmen entwickelt worden. Mit [X.] könne eine hohe Kompression erzielt werden, doch erfordere sie eine höhere Rechenleistung als die Teilbandkodierung (S. 595 rechte Spalte, Abschnitt 2).

Abbildung

Wie die oben wiedergegebene Figur 4 veranschauliche, würden bei einer Kombination der Rauschsubstitution mit adaptiver Transformationscodierung rauschhafte Komponenten durch Prädiktion ermittelt. Zur [X.]rhöhung des [X.] würden benachbarte tonale und rauschhafte Frequenzwerte gruppiert. [X.]in rauschhafter Spektralwert (noisy frequency value), der keine rauschhaften Nachbarn habe, werde als tonal angesehen. Da das Gehör im Frequenzbereich bis 5 kHz Zeitverzögerungen zwischen rechtem und linkem Kanal wahrnehme, sei die Rauschsubstitution auf den Bereich über 5 kHz zu beschränken. Verwende man eine Transformation mit einer Frequenzauflösung von 40 Hz, bedürfe es zudem einer [X.]inhüllenden (envelope) der Zeitstruktur rauschhafter Signalkomponenten. Sodann würden der mittlere [X.]nergielevel der verbliebenen Gruppe, ihr Frequenzbereich und ihre [X.]inhüllenden an den Decoder übertragen. Auf diese Weise könne eine weitere Verringerung der Datenmenge um 15 % erzielt werden. Der Nachteil dieser Kombination liege in der erforderlichen hohen Rechenleistung und im [X.]rfordernis der Übermittlung einer [X.]inhüllenden (S. 595/596, Abschnitt 2.1).

Bei der Kombination von Rauschsubstitution mit adaptiver Subbandcodierung ergebe sich zwar eine etwas geringere Reduzierung der Daten, doch gewinne sie dadurch an Bedeutung, dass sie eine geringere Rechenleistung benötige. Werde Rauschsubstitution mit adaptiver Subbandcodierung kombiniert, habe dies gegenüber einer Kombination mit adaptiver Transformationscodierung viele Vorteile (S. 596, Abschnitt 2.2).

bb) [X.] offenbart danach die Merkmale 11 bis 11.2 und das Merkmal 11.4.

cc) Hingegen fehlt es an einer Offenbarung der Merkmalsgruppe 11.3.

[X.] sieht vor, dass benachbarte rauschhafte Frequenzbereiche zu Gruppen unterschiedlicher Größe zusammengefasst werden. [X.]in einzelner rauschhafter Frequenzwert, also ein solcher, der keine entsprechenden Nachbarn hat, werde als tonal behandelt (S. 596 linke Spalte, 2. Absatz). Daraus ergibt sich, wie das Patentgericht unangegriffen festgestellt hat, dass rauschhafte Gruppen von [X.]n jeweils mindestens drei unmittelbar benachbarte [X.] erfassen. Im Übrigen erwähnt [X.] zwar auch größere Gruppen ([X.], etwa S. 596 rechte Spalte, 3. Absatz), enthält jedoch keine näheren Angaben zur Größe der Gruppen.

Wie auch die Berufung nicht verkennt, ist [X.] nicht zu entnehmen, wie Gruppen von rauschhaften [X.]n signalisiert werden. [X.]ntsprechend verhält sich die [X.]ntgegenhaltung auch nicht dazu, wie die Gruppierung rauschhafter [X.] mit der Aufteilung des Frequenzbereichs für die tonalen [X.] bei einem Standard mit Transformationscodierung zusammenwirkt.

c) Ausgehend von diesen [X.]ntgegenhaltungen war der Gegenstand von Patentanspruch 11 im Prioritätszeitpunkt nicht nahegelegt.

aa) Für den Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt mit der [X.]2 befasste, bestand allerdings Anlass zu prüfen, ob sich die in [X.] vorgeschlagene Rauschsubstitution in den Standard einfügen lässt.

Dem steht nicht entgegen, dass [X.]2 eine Transformationscodierung vorsieht und die Rauschsubstitution bei dieser Form der Audiosignalcodierung nach [X.] weniger Vorteile bietet als bei einer Subbandcodierung. Ungeachtet dessen ergab sich aus der in [X.] beschriebenen Möglichkeit, erhebliche Datenmengen einzusparen, ein Anreiz zu prüfen, wie eine Rauschsubstitution in den Standard eingebaut werden könnte.

bb) [X.] und [X.]2 vermitteln dem Fachmann jedoch keine Anregung, einer Gruppe von rauschhaften [X.]n eine zusätzliche, nicht auf eine Codiertabelle verweisende [X.]nummer zuzuweisen, um sie als rauschhaft zu signalisieren, und entsprechend für die Decodierung vorzusehen, dass eine rauschhafte Gruppe von [X.]n aufgrund einer solchen zusätzlichen [X.]nummer erfasst wird (Merkmal 11.3).

(1) Das gilt auch dann, wenn zugunsten der Klägerin zugrunde gelegt wird, dass dem Fachmann das Vorhandensein von bislang nicht genutzten [X.]nummern in [X.]2 bekannt war.

Wie oben bereits ausgeführt wurde, sieht [X.]2 die Zuordnung von [X.]nummern zur Signalisierung nur für [X.] vor, die zu [X.]n und Abschnitten zusammengefasst sind. Um zum Gegenstand von Patentanspruch 11 zu gelangen, bedurfte es mithin einer Anregung, die in [X.] behandelten rauschhaften [X.] gleichermaßen zu gruppieren.

[X.]ine solche Anregung ergab sich aus [X.]2 nicht, da diese [X.]ntgegenhaltung sich nicht mit der Rauschsubstitution befasst. Daran ändert auch der allgemeine Hinweis in Nr. 3.3.4 der [X.]2 nichts, wonach viele Module des Decoders Operationen auf Gruppen von [X.]n ausführen, die als [X.] bezeichnet werden.

Ohne eine solche Anregung gab es keinen Anlass, für die Signalisierung einer rauschhaften Gruppe von [X.]n auf eine der bislang nicht genutzten Huffman-[X.]nummern zurückzugreifen.

(2) Der Hinweis der Berufung auf das [X.] und das Intensity-Stereo-Coding rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Beide knüpfen an eine Zusammenfassung der [X.] zu [X.]n und Abschnitten an.

Bei der Null-Codierung werden die [X.] entsprechend der üblichen Vorgehensweise zu Abschnitten gruppiert und abschnittsweise codiert. Die Besonderheit besteht lediglich darin, dass die so codierte spektrale Information nicht übertragen wird, weil alle [X.] des Abschnitts den Wert Null aufweisen ([X.]2 S. 40 Abschnitt 4.3, erster Absatz).

Bei der [X.] werden die [X.] ebenfalls zunächst zu [X.]n gruppiert. Unter bestimmten Voraussetzungen wird dann für einen Kanal anstelle von [X.] ein Stereo-Positionswert (intensity stereo position value) übermittelt ([X.]2 S. 50 Abschnitt 7.3).

Daraus ergab sich nicht die Anregung, [X.]nummern auch für Gruppen einzusetzen, die keiner Codierung unterzogen werden.

(3) [X.]ine Anregung ergab sich auch nicht aus der [X.].

Nach [X.] umfassen Gruppen von rauschhaften [X.]n mindestens drei Werte, können aber auch größer sein. [X.]ine Zusammenfassung nach [X.]n oder Abschnitten ist in [X.] nicht angesprochen. [X.]ntgegen der Auffassung der Klägerin versteht es sich nicht von selbst, rauschhafte [X.] zu [X.]n und Abschnitten zu gruppieren. Denn diese Schritte dienen nach [X.]2 dazu, die Maskierung von Rauschanteilen durch Quantisierung (Abschnitt 6.1) und die Verringerung von Redundanzen durch Codierung (Abschnitt 4.1) vorzubereiten und damit Maßnahmen zu ermöglichen, die bei der in [X.] erörterten Rauschsubstitution gerade nicht durchgeführt werden sollen.

Ob eine abweichende Gruppierung von rauschhaften [X.]n und deren Signalisierung zum Prioritätszeitpunkt in Betracht kam, bedarf keiner [X.]ntscheidung. Selbst wenn diese Frage zu verneinen wäre, ergäbe sich auch daraus keine Anregung in Richtung auf die vom Streitpatent geschützte Vorgehensweise.

Gegen die Annahme, es fehle an erfinderischer Tätigkeit, spricht ferner, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, dass nach der Lehre der [X.], die eine [X.]rfassung rauschhafter [X.] nur oberhalb von 5 kHz vorschlägt, mindestens 32 rauschhafte [X.] zusammengefasst werden müssten, um als Abschnitt signalisiert zu werden. Da [X.] die Rauschsubstitution zwar nicht für einzelne als rauschhaft erfasste [X.], aber schon für drei benachbarte rauschhafte [X.] vorsieht, ließ eine Vorgehensweise, bei der die Rauschsubstitution nur für deutlich größere Gruppen rauschhafter [X.] erfolgt, keine erhebliche Datenreduzierung erwarten.

2. Ob der Bewertung, der Gegenstand von Patentspruch 11 beruhe auf erfinderischer Tätigkeit, darüber hinaus der Umstand entgegensteht, dass [X.] die Signalisierung einer [X.]inhüllenden vorsieht, kann mithin offenbleiben.

IV. [X.] beruht auf § 121 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

  

Hoffmann     

  

Deichfuß

  

Kober-Dehm     

  

Marx     

  

Meta

X ZR 102/20

15.11.2022

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 2. September 2020, Az: 6 Ni 29/17 (EP), Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2022, Az. X ZR 102/20 (REWIS RS 2022, 7401)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7401


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 6 Ni 29/17 (EP)

Bundespatentgericht, 6 Ni 29/17 (EP), 02.09.2020.


Az. X ZR 102/20

Bundesgerichtshof, X ZR 102/20, 15.11.2022.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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