Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2013, Az. 1 StR 206/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3085

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1
StR 206/13
vom
3. September 2013
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat am
3. September 2013 be-schlossen:
Auf
die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11.
Dezember 2012 mit den [X.] aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Die [X.] hat den Angeklagten wegen 20 tatmehrheitlicher Fälle der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung zweier Geldstrafen aus früheren Urteilen zu einer Gesamtfrei-heitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts ge-stützte Revision des Angeklagten hat bereits mit der Sachrüge Erfolg, so dass es eines [X.] auf die Verfahrensrüge nicht mehr bedarf.

1
2
-
3
-
[X.]

1. Nach den Feststellungen der [X.] fuhr der Angeklagte, ohne im Besitz einer entsprechenden Erlaubnis zu sein, bei jeweils zehn Gelegenhei-ten im Oktober und November 2010 mit dem PKW von [X.] nach
[X.] und erwarb dort jeweils mindestens zehn Gramm Metamphetamin, die er nach [X.] einführte. Das Metamphetamin war, wie der Angeklagte wusste, jeweils von zumindest durchschnittlicher Qualität im oberen Bereich mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 50 % Metamphetaminbase.
In einem Fall brachte der Angeklagte im November 2010 zusätzlich [X.] zehn Gramm Heroin nach [X.] mit. Das Heroin war, womit der Angeklagte auch rechnete, von zumindest durchschnittlicher Qualität mit einem
Wirkstoffgehalt von mindestens 10 % Heroinhydrochlorid.

2. Die [X.] stützt ihre Feststellungen zum Tatgeschehen maß-geblich auf die Angaben des Zeugen [X.]

.
a) Der Zeuge [X.]

ist im Verlauf des Verfahrens insgesamt dreimal vernommen worden.
In der ersten, polizeilichen Vernehmung hat er angegeben, der [X.] habe nach seinem Einzug in die auch von ihm

[X.]

bewohnte Wohnung in [X.] im Zeitraum von November 2010 bis Februar 2011 alle zwei Tage [X.] nach [X.] unternommen. Pro Fahrt habe der Angeklagte jeweils

wie die Kammer aus den Angaben des seinerzeitigen Vernehmungsbeamten referiert

wie es im späteren 3
4
5
6
7
-
4
-
Urteilsverlauf heißt

verbracht. Die Gesamtmenge habe ca. ein Kilogramm betragen.
In der Hauptverhandlung hat der Zeuge [X.]

den Beginn der [X.] durch den Angeklagten bereits auf Oktober 2010 datiert. In den ersten zwei bis drei Wochen habe der Angeklagte täglich, danach alle zwei Ta-ge Rauschgift aus [X.] geholt. Die eingeführten [X.] hätten jeweils zwei bis zehn Gramm Metamphetamin betragen, die Menge habe [X.] der
Angeklagte ca. ein Kilogramm Metamphetamin eingeführt; allerdings umfasse diese Gesamtmenge auch Einfuhren nach dem 1. März 2011.
Im Verlauf der Hauptverhandlung erneut einvernommen, hat der Zeuge schließlich angegeben, er habe das eingeführte Rauschgigesehen. Er habe den Angeklagten dreimal beim Wiegen beobachtet; das Er-gebnis sei nie im dreistelligen Bereich gewesen. Einmal habe er 23 Gramm von r-
o-
Händen eine gehäufte Menge geformt hat. Jedenfalls habe die Gesamtmenge ein Kilogramm betragen, jedoch resultiere diese Menge aus [X.] bis Juli 2011.
b) Die [X.] hat die Angaben des Zeugen als überwiegend glaubhaft erachtet und hierzu im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:
Widersprüchliche Angaben des Zeugen in den einzelnen Vernehmun-gen, vor allem zur Häufigkeit der Fahrten und zur Menge des eingeführten Rauschgifts, seien nicht gravierend.
8
9
10
11
-
5
-
Die Begehung der festgestellten Taten

wegen der übrigen der ur-sprünglich angeklagten sechzig Taten zwischen November 2010 und Februar 2011 ist eine Verfahrensbeschränkung erfolgt und durch die Erhebung einer Nachtragsanklage sind zehn Taten im Monat Oktober 2010 zum [X.] gemacht worden

sei dem Angeklagten ungeachtet seiner damali-gen, durch die Angaben der Arbeitgeber und einen Dienstplan belegten Berufs-tätigkeit in [X.] möglich gewesen.
Zur Mengenberechnung: Das von [X.]

während der Hauptverhand-
i-ner monatlichen Einfuhrmenge von ca. 200 Gramm, bei einem Sicherheitsab-schlag von 50 % ca. 100 Gramm. Auch die angegebene Gesamtmenge von einem Kilogramm, die sich nach seiner

während der Hauptverhandlung korri-gierten

Aussage auf die Monate Oktober 2010 bis längstens Juli 2011 [X.], spreche für eine monatliche Einfuhrmenge von 100 Gramm. Durch deren [X.] von jeweils zehn Gramm. Diese Verteilung stelle die für den An-

Die von [X.]

in der Hauptverhandlung zunächst angegebenen gerin-geren [X.] von zwei bis zehn Gramm pro Fahrt schlössen höhere

gesprochen habe. Auch sei es unwirtschaftlich und mit einem unverhältnismäßig hohen Ri-
oder besonders geringer Einfuhrmengen spreche auch, dass der Zeuge [X.]

keinen dreistelligen Wert auf der Feinwaage beobachtet habe; für eine Min-destmenge von zehn Gramm spreche indes der einmalig abgelesene Einzel-12
13
14
-
6
-

n zehn Gramm auszugehen.
Nicht tragfähig, weil sachverständig widerlegt,
seien die Angaben des Zeugen zum Umfang des Eigenkonsums des Angeklagten. Mit dem planvollen Vorgehen des Angeklagten sei der von dem Zeugen geschilderte massive Kon-sum nicht vereinbar. Ebenfalls nicht glaubhaft seien die Angaben des Zeugen zu angeblichen Hintermännern des Angeklagten und dessen [X.].

I[X.]

Die Beweiswürdigung weist durchgreifende Rechtsfehler auf.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteile vom 21. Dezember 2011

1 [X.]/11;
vom 14.
Dezember 2011

1 [X.], [X.], 148 mwN).
An diesen Grundsätzen gemessen, hält die Beweiswürdigung der [X.] sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie ist insgesamt lücken-haft (nachfolgend 1.
a), hinsichtlich der Feststellungen zur Häufigkeit der Be-15
16
17
18
-
7
-
schaffungsfahrten (nachfolgend 1. b) und zu den Einfuhrmengen (nachfolgend 2.) lückenhaft und nicht nachvollziehbar.

1. Da die Beschuldigung des Angeklagten im [X.] allein auf der Aussa-ge des Zeugen [X.]

aufbaute, bedurfte diese einer besonders sorgfältigen Prüfung, und mussten die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die [X.] alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen konnten, erkannt und in ihre Überlegungen einbezogen hatte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. April 1997

4 [X.], [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 13; vom 22. April 1987

3 [X.], [X.]R StPO § 261 Beweiswürdigung 1). [X.] das Gericht in Teilen der Aussage des Belastungszeugen, obwohl es ihr in anderen Teilen nicht folgt, bedarf dies regelmäßig einer besonderen Begründung (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juni 2003

3 [X.], [X.], 332; Urteil vom 29. Juli 1998

1 StR 94/98, [X.]St 44, 153). Daran gemessen, bleibt die Be-weiswürdigung insgesamt lückenhaft.
a) Die [X.] hat zum einen nicht dargelegt, weshalb sie dem Zeugen hinsichtlich des von ihm bezeugten [X.]vorwurfs Glauben geschenkt hat, obwohl andere Inhalte seiner Aussage

namentlich zum Eigenkonsum des
Angeklagten

objektiv widerlegt waren,
und sie die Angaben zu den [X.] des Angeklagten und deren Weiterveräußerungsgeschäften ebenfalls nicht glaubhaft fand.
b) Vor allem aber hat sie nicht in den Blick genommen, dass die Anga-ben des Zeugen [X.]

zur Häufigkeit der [X.] mit den übrigen Feststellungen nicht zu vereinbaren sind.
Der von der [X.] festgestellte Dienstplan des Angeklagten weist für Oktober 2010 zwölf und für November 2010 elf arbeitsfreie Tage aus. Unter 19
20
21
22
-
8
-
ihrer Prämisse, [X.] seien nur an [X.] Tagen möglich gewesen, sind die festgestellten Abwesenheitszeiten des Angeklagten weder mit der Behauptung des Zeugen [X.]

, der Angeklagte habe beginnend be-reits im Oktober 2010 über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen tägliche und anschließend jeden zweiten Tag [X.] von [X.] nach [X.] durchgeführt, noch mit seiner Angabe, der Angeklagte habe begin-nend im November 2010 alle zwei Tage Einfuhrfahrten unternommen, zu ver-einbaren.
Danach hat der Zeuge [X.]

den Angeklagten auf der Grundlage der Feststellungen überschießend belastet, bevor er in der zweiten Vernehmung in der Hauptverhandlung nur noch zehn Fahrten pro Monat behauptet hat. Mit diesem Umstand hätte sich die [X.] auseinandersetzen müssen. [X.] genügt sie durch die Wertung, die Angaben des Zeugen [X.]

nicht. Dies lässt vielmehr besorgen, dass sie die Unvereinbarkeit der früheren belastenden Angaben des Zeugen [X.]

mit den Feststellungen nicht in den Blick genommen und eine sich daraus möglicherweise ergebende Belastungs-tendenz nicht in Erwägung gezogen hat.
Auch im Übrigen bleiben die Widersprüche in den Angaben des Zeugen [X.]

unerörtert. So soll der Angeklagte einerseits im Oktober über einen Zeit-raum von zwei bis drei Wochen zunächst täglich, anschließend alle zwei Tage nach [X.] gefahren sein, andererseits soll er im November bei einem wie im Oktober durchgeführt haben.

23
24
-
9
-
2. Schließlich weist auch die Beweiswürdigung zu den Einfuhrmengen durchgreifende Rechtsfehler auf.
a) Zunächst fehlt es an der erforderlichen Auseinandersetzung mit den Unterschieden in den Angaben des Zeugen zu Einfuhrmengen, dazu, in wieviel Fällen er die eingeführten Mengen gesehen hat und zum Zeitraum, indem die Gesamtmenge besc
t-verhandlung vom Zeugen verlässlichere und detailliertere Angaben gefordert worden seien als bei den anderen Vernehmungen, genügt dies der [X.] nicht. Denn inwieweit die Angabe, er habe die eingeführte Menge e-führte Menge in 85 % der Fälle gesehen, erschließt sich nicht und wird von der [X.] auch nicht erhellt. Gleiches gilt für die unterschiedlichen Mengen-
und Zeitraumangaben.
b) Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die [X.] aus der Be-kundung des Zeugen [X.]

, er habe bei keinem der von ihm beobachteten [X.] ein dreistelliges Ergebnis wahrgenommen, ableitet, der [X.] habe nicht nur keine besonders hohen, sondern auch keine besonders denkbar, dass der Angeklagte theoretisch eine Fahrt mit einer Menge von 91
e-ren Gefälles zwischen den jeweiligen Einfuhrmengen erörtert sie jedoch nicht. Diese Möglichkeit lag aber (mit der Folge der Erörterungsbedürftigkeit, vgl. [X.], Urteil vom 30. September 2009

2 [X.], [X.], 70 mwN) schon deshalb nahe, weil sich der Zeuge [X.]

an mindestens ein Wiegeer-gebnis von 23 Gramm erinnerte, und weil die [X.] bei der Würdigung 25
26
27
-
10
-
seiner Angaben selbst davon ausgegangen ist, dass die vom Angeklagten [X.] variierten.
c) Schließlich lassen die Ausführungen zur Feststellung der jeweils [X.] eine fehlerhafte Anwendung des Zweifelsgrundsatzes be-sorgen. Denn die Annahme, eine möglichst gleichmäßige Verteilung der [X.] auf zehn Fahrten stelle die für den Angeklagten günstigste Variante dar, ist schon im Ansatz fehlerhaft.
Durch die Zugrundelegung gleichmäßiger [X.] von zehn Gramm und einer

für sich genommen rechtsfehlerfrei festgestellten

Wirk-stoffmenge von 50 % Metamphetaminbase erreichten alle Taten exakt den Grenzwert zur nicht geringen Menge (vgl. [X.], Urteil vom 3. Dezember 2008

2 [X.], [X.]St 53, 89), wodurch sie als Verbrechen i. S. v.
§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu bewerten waren. Demgegenüber hätte die naheliegende Mög-lichkeit eines

wenn auch nur geringfügigen

Unterschreitens des [X.] bezüglich mehrerer Einzeltaten eine für den Angeklagten wesentlich günstigere Verurteilung wegen Vergehen nach § 29 Abs. 1 BtMG nach sich gezogen.

II[X.]

Die bezeichneten Mängel führen zur Aufhebung des Urteils insgesamt; auf die Strafzumessung kam es nicht mehr an. Insoweit sieht der [X.] jedoch Anlass zu dem Hinweis, dass eine straferschwerende Würdigung besonderer krimineller Energie, die ihren Ausdruck darin findet, dass der Täter das Risiko auf sich genommen hat, durch die Einfuhr der beschafften Betäubungsmittel in das [X.] sich eines erhöhten Risikos der Aufdeckung seiner Taten 28
29
30
-
11
-
anlässlich des Grenzübertritts auszusetzen, gegen das [X.] verstößt (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 1984

3 [X.]/84).
Wahl

Graf Cirener

Radtke [X.]

Meta

1 StR 206/13

03.09.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.09.2013, Az. 1 StR 206/13 (REWIS RS 2013, 3085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3085

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 75/13 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren: Zulässigkeit der Revision des Angeklagten wegen Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


1 StR 75/13 (Bundesgerichtshof)


1 StR 629/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Geltendmachung von sich nicht aus den Urteilsgründen ergebenden Erörterungsmängeln im Revisionsverfahren; Konkurrenzverhältnis …


1 StR 629/15 (Bundesgerichtshof)


1 StR 413/19 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

1 StR 400/11

1 StR 501/11

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.