Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2015, Az. VI ZR 37/15

6. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 1091

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Gegenstand

Verjährung von Regressansprüchen des Sozialversicherungsträgers: Anforderungen an die bindende Feststellung der Leistungspflicht als Voraussetzung des Verjährungsbeginns


Leitsatz

Zur Frage der Verjährung im Sinne des § 113 Satz 1 SGB VII von (Regress-) Ansprüchen der Sozialversicherungsträger nach den §§ 110 und 111 SGB VII.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 9. Dezember 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, nimmt die [X.] gemäß § 110 Abs. 1, § 111 Satz 1 SGB VII auf Ersatz von Aufwendungen für einen Arbeitsunfall ihrer Versicherten [X.] und [X.] in Anspruch, die bei der [X.] beschäftigt waren.

2

Die [X.] war damit beauftragt, an einem Einkaufszentrum Zimmermannsarbeiten auszuführen, wozu auch die Montage von [X.] gehörte, die von der Auftraggeberin der [X.] vorgefertigt worden waren. Am 30. August 2005 kippten auf der Baustelle mehrere der bereits aufgestellten, aber noch nicht befestigten [X.] um. Hierbei stürzten die beiden Versicherten [X.] und [X.] etwa fünf Meter in die Tiefe. Der Versicherte [X.] wurde vom 30. August bis zum 1. September 2005 stationär behandelt. Im September 2005 informierte die Klägerin die Geschädigten schriftlich darüber, dass ein Arbeitsunfall vorliege und sie daher Leistungen zu erbringen habe. Die Behandlungskosten für [X.] wurden von der Klägerin noch im [X.] gezahlt. Im Oktober 2005 wurde an den Versicherten [X.], der wesentlich schwerer verletzt war, aufgrund eines entsprechenden Bescheids Verletztengeld gezahlt. Mit Bescheid vom 28. August 2007 bewilligte ihm die Klägerin schließlich eine Rente auf unbestimmte Zeit.

3

Bereits am 18. Januar 2006 war in der Rechtsabteilung der Klägerin ein Bericht über eine von ihr durchgeführte Untersuchung des Unfalls eingegangen. Nachdem der Haftpflichtversicherer der Auftraggeberin der [X.] wegen des Einsturzes der [X.] eine Schadensersatzklage gegen die [X.] erhoben hatte, wandte sich mit Schreiben vom 19. November 2007 auch die Klägerin an die [X.]. Sie teilte ihr mit, sie habe zu prüfen, ob Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden können, und bat um Mitteilung des [X.] der [X.]. In einem am folgenden Tag geführten Telefonat äußerte der Geschäftsführer der [X.] gegenüber einem Mitarbeiter der Klägerin, das (gerichtliche) Verfahren solle abgewartet werden; die Versicherung werde eventuell später mitgeteilt. Mit Schreiben vom 2. Februar 2010 erklärte der Haftpflichtversicherer der [X.] gegenüber der [X.], bezüglich des Schadens vom 30. August 2005 würden keine Einwendungen zum Haftungsgrund erhoben. Mit Schreiben vom 8. März 2010 verzichtete der Haftpflichtversicherer gegenüber dem [X.] bis zum 31. Dezember 2012 auf die Einrede der Verjährung.

4

Mit ihrer am 7. Oktober 2010 beim [X.] eingegangenen Klage verlangt die Klägerin von der [X.] Ersatz der für den Versicherten [X.] gezahlten Behandlungskosten in Höhe von zuletzt 1.162,32 €, Ersatz von Aufwendungen für den Versicherten [X.] in Höhe von 132.009,54 € und die Feststellung, dass die [X.] zum Ersatz sämtlicher weiterer Aufwendungen aus dem Schadensereignis verpflichtet ist. Die [X.] hat die Einrede der Verjährung erhoben. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in juris veröffentlicht ist ([X.], Urteil vom 9. Dezember 2014 - 3 U 48/13), hat nach § 113 Satz 1 [X.] einen etwaigen Anspruch als verjährt angesehen. Die bindende Feststellung der Leistungspflicht als Voraussetzung für den Verjährungsbeginn könne durch einen konkludenten Verwaltungsakt getroffen werden, der bereits in der Gewährung unfallversicherungsrechtlicher Einzelleistungen liegen könne. Auch die bewusst in der Annahme eines Versicherungsfalls vorgenommene Leistungsgewährung durch schlichtes Verwaltungshandeln sei ausreichend. Danach sei die Leistungspflicht der [X.]lägerin hinsichtlich beider Geschädigten noch im [X.] bindend festgestellt worden, indem die [X.]lägerin Verletztengeld an den Geschädigten [X.] ausgezahlt und dem Geschädigten D. durch die Übernahme der Behandlungskosten Leistungen gewährt habe. Die [X.]enntnis der [X.]lägerin von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners, die weitere Voraussetzung für den Verjährungsbeginn sei, habe mit Eingang des Unfallberichts in der Regressabteilung am 18. Januar 2006 vorgelegen. In dem Bericht werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass organisatorische Ursachen im Verantwortungsbereich der [X.] als unfallursächlich in Betracht kämen, so etwa die fehlende Unterweisung der Beschäftigten, die mangelnde Standsicherheit der [X.] durch fehlende Verankerung oder der Umstand, dass kein Aufsichtsführer bestellt worden sei, der die Arbeiten während der Abwesenheit des Geschäftsführers der [X.] überwacht habe. Damit seien in dem Bericht bereits alle wesentlichen Umstände aufgeführt, auf die die [X.]lägerin selbst ihre Regressansprüche stütze. Dass nach dem Bericht auch technische Fehler der [X.] als Verursachungsbeitrag in Betracht gekommen seien, ändere hieran nichts. Denn es reiche aus, wenn die Verantwortlichkeit so weit geklärt sei, dass der Gläubiger eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose [X.]lage, erheben könne. Da die [X.]lägerin die [X.]enntnis zeitlich nach der bindenden Feststellung der Leistungspflicht erlangt habe, habe die Verjährung nicht taggenau mit der Feststellung, sondern gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres 2006 zu laufen begonnen. Demnach habe die Frist mit Ablauf des 31. Dezember 2009 geendet, weshalb der Anspruch bei [X.]lageerhebung bereits verjährt gewesen sei. Die Verjährung sei nicht durch das Schreiben der [X.]lägerin vom 19. November 2007 und die Antwort der [X.] vom 20. November 2007 nach § 203 BGB gehemmt worden. Die [X.]lägerin habe in ihrem Schreiben nicht hinreichend deutlich gemacht, dass und welche Ansprüche sie geltend machen wolle, so dass auch in der Reaktion der [X.] noch kein Meinungsaustausch über den Anspruch zu sehen sei. Aus der Äußerung des Geschäftsführers habe die [X.]lägerin nicht schließen können, die Beklagte wolle sich auf Erörterungen über die Berechtigung der Ansprüche einlassen. Das Anerkenntnis des [X.] der [X.] vom 2. Februar 2010 habe nicht zu einem Neubeginn der Verjährung geführt, da der Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen sei und es im Übrigen an einem Anerkenntnis gegenüber dem Gläubiger fehle.

II.

6

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

7

Etwaige Ansprüche der [X.]lägerin aus § 110 Abs. 1 [X.] sind gemäß § 113 Satz 1 [X.] verjährt. Nach dieser Vorschrift gelten für die Verjährung der Ansprüche nach den §§ 110 und 111 [X.] die §§ 195, 199 Abs. 1 und 2 und § 203 BGB entsprechend mit der Maßgabe, dass die Frist von dem Tag an gerechnet wird, an dem die Leistungspflicht für den Unfallversicherungsträger bindend festgestellt oder ein entsprechendes Urteil rechtskräftig geworden ist. Im Streitfall hat die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) spätestens mit dem Schluss des Jahres 2006 begonnen, da die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB seit dem 18. Januar 2006 vorliegen und jedenfalls im September 2006 mit Eintritt der Bestandskraft der im September 2005 ergangenen [X.] die Leistungspflicht für die [X.]lägerin bindend festgestellt worden ist. In der Folgezeit ist die Verjährung nicht gehemmt worden, weshalb die Frist Ende des Jahres 2009 und somit vor [X.]lageeinreichung abgelaufen ist. Die Beklagte hat der [X.]lägerin gegenüber auch nicht auf die Einrede verzichtet.

8

1. Spätestens im September 2006 ist gegenüber beiden Versicherten die Leistungspflicht für die [X.]lägerin bindend festgestellt worden.

9

a) Eine Feststellung der Leistungspflicht ist für den Unfallversicherungsträger jedenfalls dann bindend, wenn sie durch Verwaltungsakt getroffen wird (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/ders./[X.]ruschinsky/[X.], [X.], § 113 Rn. 8 [Stand: Februar 2014]; [X.]/[X.], § 113 [X.] Rn. 5 [Stand: September 2015]; [X.]/Waltermann, [X.], § 113 Rn. 2; jurisP[X.]-[X.]/Hillmann, 2. Aufl., § 113 Rn. 9; [X.]/Ricke, § 113 [X.] Rn. 6 [Stand: Mai 2014]; [X.]/von [X.], 4. Aufl., § 113 [X.] Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], § 113 Rn. 4 [Stand: Juni 2013]; [X.], [X.], 4. Aufl., § 113 Rn. 4; [X.], BG 2010, 458, 460 f.; [X.], Urteil vom 29. Mai 2012 - 9 U 871/11, n.v.). Denn ein Verwaltungsakt (§ 31 [X.]) entfaltet mit seiner Bekanntgabe eine Bindungswirkung für die erlassende Behörde. Wenn nichts anderes bestimmt ist, darf sie ihn nur in den Fällen der §§ 44 bis 49 [X.] und nur unter den dort genannten Voraussetzungen zurücknehmen oder widerrufen (vgl. [X.], 162, 165; 53, 284, 287 f.; BSG, [X.] 1500 § 77 Nr. 18; [X.], 222, 223; [X.] 4-4200 § 22 Nr. 13 Rn. 18; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 39 Rn. 5 f. [Stand: April 2007]; [X.]/[X.], § 39 [X.] Rn. 8 f. [Stand: April 2011]; vgl. auch [X.], Urteil vom 19. Juni 1998 - [X.], NJW 1998, 3055, 3056 zum VwVfG).

Für § 113 Satz 1 [X.] reicht es aus, wenn die Leistungspflicht nur dem Grunde nach festgestellt wird. Eine Bewilligung konkreter Leistungen wird nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht verlangt. Auch nach ihrem Sinn und Zweck kommt es nur darauf an, dass die für den Anspruch aus § 110 Abs. 1 [X.] bedeutsame Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt, endgültig geklärt ist (vgl. Senatsurteile vom 21. September 1971 - [X.], [X.], 1057, 1058 und vom 21. Dezember 1971 - [X.], [X.], 271, 272 zu § 642 RVO), nicht aber darauf, dass die vom Unfallversicherungsträger zu gewährenden Leistungen auch der Höhe nach endgültig feststehen (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai 1955 - [X.], [X.]Z 17, 296 zu § 907 RVO). Gegen die Annahme eines so weiten Schutzzweckes (vgl. [X.]/Ricke, § 113 [X.] Rn. 6 [Stand: Mai 2014]) spricht, dass die für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nicht nur Voraussetzung für die Verjährung seiner eigenen Ansprüche ist, sondern auch für die Verjährung der Ansprüche anderer Sozialversicherungsträger (vgl. Senatsurteile vom 24. Februar 1970 - [X.], [X.], 365 f. und vom 21. September 1971 - [X.], aaO zu § 642 RVO; [X.] in [X.]/[X.]/ders./[X.]ruschinsky/[X.], [X.], § 113 Rn. 6 [Stand: Februar 2014]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 113 Rn. 4 f. [Stand: August 2012]). Für diese Ansprüche ist der Umfang der aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewährenden Leistungen unerheblich.

b) Im Streitfall hat das Berufungsgericht eine für die [X.]lägerin bindende Feststellung der Leistungspflicht bereits darin gesehen, dass sie Verletztengeld an den Versicherten [X.] ausgezahlt und dem Versicherten D. durch die Übernahme von Behandlungskosten Leistungen gewährt hat. Ob dem zu folgen ist, kann offen bleiben. Denn die [X.]lägerin hat ihre Leistungspflicht jedenfalls dadurch bindend festgestellt, dass sie nach den tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil im September 2005 beide Versicherte schriftlich darüber informiert hat, dass ein Arbeitsunfall vorliege und sie daher Leistungen zu erbringen habe. Diese Feststellungen sind gemäß § 559 ZPO Grundlage der revisionsrechtlichen Nachprüfung, da das Berufungsgericht sie gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommen hat und die Feststellungen seiner eigenen Sachverhaltsdarstellung nicht widersprechen (vgl. [X.], Urteile vom 7. November 2003 - [X.], [X.], 894, 895 und vom 11. Januar 2011 - [X.], [X.], 309 Rn. 13). In den beiden Schreiben liegen Verwaltungsakte, mit denen die [X.]lägerin jeweils das Vorliegen eines Versicherungsfalles anerkannt und ihre Leistungspflicht dem Grunde nach festgestellt hat (vgl. [X.], 162, 164 f.; BSG, [X.] 1500 § 77 Nr. 18 S. 9 f.). Denn ein verständiger Versicherter wird eine solche Erklärung des zuständigen [X.] in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte jedenfalls dann als verbindliche Regelung und nicht als bloße Auskunft auffassen, wenn der Unfallversicherungsträger - wie im Streitfall die [X.]lägerin - in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schreiben tatsächlich Leistungen erbringt.

c) Ob eine für den Unfallversicherungsträger bindende Feststellung der Leistungspflicht nur die Bekanntgabe eines entsprechenden Verwaltungsaktes (so [X.], [X.], 623, 624; Urteil vom 29. Mai 2012 - 9 U 871/11, n.v.; [X.]/[X.], [X.], § 113 Rn. 4 [Stand: [X.]. 2/14]; [X.] in [X.]/[X.]/ders./[X.]ruschinsky/[X.], [X.], § 113 Rn. 8 [Stand: Februar 2014]; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 113 Rn. 5 [Stand: August 2012]; [X.], [X.], 4. Aufl., § 113 Rn. 4; [X.], BG 2010, 458, 461; vgl. auch [X.], [X.], 544, 547 f.) oder auch dessen Unanfechtbarkeit voraussetzt (so [X.]/[X.], [X.], [X.]ap. 32 Rn. 44; [X.]/Ricke, § 113 [X.] Rn. 6a [Stand: Mai 2014]; LP[X.]-[X.]/Grüner, 4. Aufl., § 113 Rn. 3; Lang, SVR 2015, 139, 142; [X.] in [X.]ater/ders., [X.], § 113 Rn. 2), kann dahinstehen, weil die Ansprüche auch dann verjährt sind, wenn man auf die Unanfechtbarkeit abstellt. Der [X.] gegenüber waren die im September 2005 ergangenen [X.] von Anfang an unanfechtbar, weil sie durch die Anerkennung der Versicherungsfälle nicht nachteilig in ihrer Rechtsstellung betroffen wurde (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2008 - [X.], [X.]Z 177, 97 Rn. 9). Den Versicherten gegenüber sind die [X.] - eine Anfechtungsbefugnis unterstellt (vgl. dazu [X.]/Ricke, § 108 [X.] Rn. 2f [Stand: Oktober 2014]) - jedenfalls mit Ablauf der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG im September 2006 unanfechtbar geworden.

2. Umstritten ist, ob die bindende Feststellung der Leistungspflicht bzw. die Rechtskraft eines entsprechenden Urteils gemäß § 113 Satz 1 [X.] für den Verjährungsbeginn ausreichen (so [X.], [X.], 544, 545 ff.; [X.], [X.], 624 f.; jurisP[X.]-[X.]/Hillmann, 2. Aufl., § 113 Rn. 8; [X.], [X.], 4. Aufl., § 113 Rn. 4) oder ob wegen des Verweises auf § 199 Abs. 1 BGB zusätzlich die dort normierten Voraussetzungen vorliegen müssen (so [X.], [X.], 623; Urteil vom 29. Mai 2012 - 9 U 871/11, n.v.; [X.]/[X.], § 113 [X.] Rn. 3 f. [Stand: September 2015]; [X.] in [X.]/[X.]/ders./[X.]ruschinsky/[X.], [X.], § 113 Rn. 8 [Stand: Februar 2014]; [X.]/[X.], [X.], § 113 Rn. 3 [Stand: [X.]. 2/14]; [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., [X.]ap. 32 Rn. 43; [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 113 Rn. 5 [Stand: August 2012]; [X.]/Ricke, § 113 [X.] Rn. 3, 6 [Stand: Mai 2014]; LP[X.]-[X.]/Grüner, 4. Aufl., § 113 Rn. 3). Auch diese Frage bedarf keiner Entscheidung. Denn ein etwaiger Anspruch ist bereits im [X.] entstanden (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zudem wendet sich die Revision ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die [X.]lägerin habe am 18. Januar 2006 [X.]enntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

a) Eine solche [X.]enntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. [X.], Urteile vom 27. Mai 2008 - [X.], [X.], 685 Rn. 32 und vom 9. November 2007 - [X.], [X.], 506 Rn. 15; zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - [X.], [X.], 123 mwN).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, dass die [X.]lägerin die nach seiner Ansicht für den Verjährungsbeginn erforderliche [X.]enntnis mit Eingang des Unfallberichts in der für den Regress zuständigen Rechtsabteilung (vgl. Senatsurteil vom 17. April 2012 - [X.], [X.]Z 193, 67 Rn. 10 ff.) am 18. Januar 2006 erlangt hat.

aa) Auf Grund dieses Berichts mussten die Mitarbeiter der Rechtsabteilung davon ausgehen, dass die von der [X.]lägerin im vorliegenden Rechtsstreit behaupteten Versäumnisse aus dem Verantwortungsbereich der [X.] den Arbeitsunfall jedenfalls mitverursacht hatten. Denn die behaupteten Versäumnisse werden darin unter der Überschrift "Organisatorische Ursachen" im Einzelnen aufgeführt (Belastung der noch nicht standsicher aufgestellten [X.] mit schweren [X.]; fehlende Unterweisung der Beschäftigten bezüglich der sicherheitstechnischen Angaben über den Einbau und die Aussteifung der [X.]; keine Überwachung der Arbeiten während der Abwesenheit des Geschäftsführers der [X.]; keine Ermittlung erforderlicher Schutzmaßnahmen) und als "Unfallursächliche Verstöße" gegen verschiedene Unfallverhütungsvorschriften gewertet. Demgegenüber verweist die Revision ohne Erfolg darauf, dass es an anderer Stelle heißt, die technische Ursachenklärung sei noch nicht abgeschlossen; der Geschäftsführer der [X.] zweifele die Statik der [X.] an. Diesen Gesichtspunkt hat das Berufungsgericht gesehen und rechtsfehlerfrei für unerheblich gehalten. Aus dem Bericht ergibt sich nicht, dass die Bewertung der organisatorischen Ursachen wegen der nicht abgeschlossenen technischen Ursachenklärung nur vorläufigen Charakter hatte.

bb) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, ob dem Unfallbericht ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln einer der in § 111 [X.] genannten Personen zu entnehmen sei (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. November 2014 - [X.], [X.], 193 Rn. 21 mwN). Einer solchen Feststellung bedurfte es nicht. Denn das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass in dem Unfallbericht bereits alle wesentlichen Umstände aufgeführt sind, auf die die [X.]lägerin selbst ihre Ansprüche im vorliegenden Verfahren stützt. Dieser Annahme tritt die Revision nicht in erheblicher Weise entgegen. Sie zeigt nicht auf, dass die [X.]lägerin im vorliegenden Rechtsstreit die von ihr angenommene Verantwortlichkeit des Geschäftsführers der [X.] mit Tatsachen begründet hat, die ihr auf Grund des Unfallberichts noch nicht bekannt waren. Dann aber kann offen bleiben, ob die von der [X.]lägerin vorgetragenen und ihr im Wesentlichen bereits seit Eingang des Unfallberichts bekannten Tatsachen den Schluss auf ein grob fahrlässiges Handeln des Geschäftsführers zulassen. Denn wenn dies nicht der Fall sein sollte, wäre die [X.]lage schon deshalb unbegründet, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht dargetan sind. Rechtfertigen die Tatsachen hingegen den Vorwurf, konnte die [X.]lägerin bereits seit Eingang des Unfallberichts eine Erfolg versprechende, wenn auch nicht risikolose, [X.]lage erheben.

3. Liegen nach alledem die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB seit Januar 2006 vor und ist die Leistungspflicht jedenfalls im September 2006 für die [X.]lägerin bindend festgestellt worden, so hat die Verjährung entweder taggenau mit der Feststellung (vgl. [X.]/[X.], [X.], § 113 Rn. 3 [Stand: [X.]. 2/14]; [X.], [X.], 544, 547; [X.], BG 2010, 458, 460), spätestens aber mit dem Schluss des Jahres 2006 begonnen (vgl. [X.], [X.], 623, 624; [X.]/[X.], § 113 [X.] Rn. 4 f. [Stand: September 2015]; [X.]/Ricke, § 113 [X.] Rn. 6c [Stand: Mai 2014]; [X.]/von [X.], 4. Aufl., § 113 [X.] Rn. 3).

4. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Frist Ende des Jahres 2009 abgelaufen ist. Gegen seine Annahme, die Verjährung sei durch das Schreiben der [X.]lägerin vom 19. November 2007 und die Antwort der [X.] vom folgenden Tag nicht gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt worden, wendet sich die Revision ohne Erfolg.

Nach dieser Vorschrift tritt eine Hemmung der Verjährung ein, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. Dafür genügt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Verhandlungen schweben schon dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Geschädigten die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein. Nicht erforderlich ist, dass dabei eine Vergleichsbereitschaft oder eine Bereitschaft zum Entgegenkommen signalisiert wird (vgl. nur Urteile vom 10. Mai 2012 - [X.], [X.]Z 193, 193 Rn. 63 und vom 3. Februar 2011 - [X.], [X.], 756 Rn. 14; zu § 852 Abs. 2 BGB a.F. vgl. Senatsurteile vom 26. September 2006 - [X.], [X.], 76 Rn. 5 und vom 17. Februar 2004 - [X.], [X.], 656, 657).

Ausgehend von diesem Maßstab hat das Berufungsgericht die Aufnahme von Verhandlungen rechtsfehlerfrei verneint. Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass die [X.]lägerin in ihrem Schreiben noch nicht hinreichend deutlich gemacht habe, dass sie der [X.] gegenüber Ansprüche geltend machen wolle, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach den getroffenen Feststellungen hat die [X.]lägerin lediglich erklärt, sie habe dies zu prüfen und bitte um Mitteilung der Haftpflichtversicherung. Das Berufungsgericht hat diese Erklärung ohne Rechtsfehler dahingehend gewürdigt, dass das Schreiben nur der Vorbereitung einer [X.]ontaktaufnahme mit dem Haftpflichtversicherer, nicht aber einem Meinungsaustausch mit der [X.] über den Schadensfall gedient habe. Entsprechendes gilt für die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es zu einem solchen Meinungsaustausch auch in dem am folgenden Tag mit dem Geschäftsführer der [X.] geführten Telefonat nicht gekommen sei. Dass das Berufungsgericht der vagen Äußerung des Geschäftsführers, das Verfahren solle abgewartet und die Versicherung "eventuell" später mitgeteilt werden, nicht entnommen hat, die Beklagte wolle sich auf Erörterungen über die Berechtigung der Ansprüche einlassen, ist ein mögliches und damit rechtlich zulässiges Verständnis dieser Erklärung. Die festgestellte Äußerung ließ nicht erkennen, dass die in den Raum gestellten Ansprüche geprüft würden oder dass die [X.]lägerin jedenfalls verlässlich mit einer weiteren Erklärung rechnen durfte (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2006 - [X.], [X.], 76 Rn. 5 f.; [X.], Urteil vom 20. Dezember 1974 - [X.], [X.], 440, 441).

5. Ohne Erfolg bleibt schließlich die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob der Haftpflichtversicherer der [X.] einen Verjährungsverzicht erklärt habe. Nach den getroffenen Feststellungen bieten die beiden vom Haftpflichtversicherer der [X.] gegenüber der [X.] im Jahr 2010 abgegebenen Erklärungen keinen Anhalt dafür, dass der Haftpflichtversicherer auch im Verhältnis zur [X.]lägerin auf die Verjährung verzichten wollte. Dies gilt - wie bereits das [X.] zutreffend angenommen hat - selbst dann, wenn man zu Gunsten der [X.]lägerin unterstellt, dass sie und der Rentenversicherer als Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 BGB anzusehen sind (vgl. [X.]/Ricke, § 110 [X.] Rn. 8b [Stand: September 2013]; [X.], [X.], 537; [X.], r+s 2007, 221, 228). Denn da die Verjährung nach § 429 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 425 Abs. 2 BGB keine Gesamtwirkung hat (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 1985 - [X.], NJW 1985, 1551, 1552), kann auch ein vom Schuldner gegenüber einem Gesamtgläubiger erklärter Verzicht auf die Verjährung im Zweifel nicht dahin ausgelegt werden, dass er auch das Verhältnis zu anderen [X.] betrifft. Dass im Streitfall konkrete Umstände gegeben sind, die eine abweichende Auslegung gebieten könnten, ist nicht festgestellt und wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.

[X.]                        [X.]                      Stöhr

               [X.]                         [X.]

Meta

VI ZR 37/15

08.12.2015

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 9. Dezember 2014, Az: 3 U 48/13, Urteil

§ 110 Abs 1 SGB 7, § 111 SGB 7, § 113 S 1 SGB 7, § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2015, Az. VI ZR 37/15 (REWIS RS 2015, 1091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1091

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