Bundessozialgericht, Urteil vom 24.11.2011, Az. B 14 AS 15/11 R

14. Senat | REWIS RS 2011, 1084

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Ablehnung der Übernahme der Auszugsrenovierungskosten - Notwendigkeit der Einleitung eines Kostensenkungsverfahren - weitere Pflichten des Grundsicherungsträgers - keine Rechtskraftwirkung des sozialgerichtlichen Urteils gegenüber dem Vermieter - Nebenintervention oder Streitverkündung im Zivilprozess zwischen Mieter und Vermieter


Leitsatz

Ist das Jobcenter nicht bereit, die Kosten einer Auszugsrenovierung zu übernehmen, muss es den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. Mai 2010 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem [X.] ([X.]), insbesondere die Kosten einer Auszugsrenovierung.

2

Die im Jahr 1975 geborene Klägerin zu 1 erhält mit ihren in den Jahren 1998 und 2003 geborenen Kindern, den Klägern zu 2 und 3, für die sie allein sorgeberechtigt ist, seit dem 1.1.2005 Leistungen nach dem [X.] und wohnte mit ihnen seit dem [X.] in einer Wohnung der [X.]. Die Rechtsvorgängerin des beklagten [X.] - im Folgenden auch Beklagter - händigte der Klägerin zu 1 am 28.8.2006 ein Merkblatt aus, forderte sie zur Senkung der Kosten der Unterkunft auf und gewährte ab dem 1.12.2006 nur noch die als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft. In einem Gespräch am 3.2.2007, in dem der Beklagte dem Mietvertrag für die neue Wohnung zustimmte, wies er die Klägerin zu 1 darauf hin, dass der (alte) Mietvertrag mit der Beigeladenen starre Renovierungsregelungen beinhalte, die nichtig seien, und er - der Beklagte - keine Renovierungskosten übernehme. Im Laufe des Februars 2007 zogen die Kläger in ihre jetzige Wohnung um. Durch Schreiben vom 15.2.2007 teilte die Beigeladene der Klägerin zu 1 mit, sie habe die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses am [X.] in vertragsgerechtem Zustand zu übergeben und es sei erforderlich, diese neu zu tapezieren und zu malern. Der mietvertragliche [X.] sei abgelaufen. In einem beigefügten Voranschlag wurden die Kosten auf 2636,80 Euro geschätzt. Die Kläger nahmen keine Arbeiten an der Wohnung vor. Die Beigeladene beauftragte eine Firma H., die der Beigeladenen am 5.4.2007 für die durchgeführten Maßnahmen 2955,10 Euro in Rechnung stellte. Den schon zuvor gestellten Antrag der Kläger auf Übernahme dieser Kosten lehnte der Beklagte ab, weil die Regelung über die Schönheitsreparaturen in dem Mietvertrag nichtig sei und keine Selbsthilfemöglichkeiten seitens der Kläger zu erkennen seien (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 26.6.2007).

3

Das angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das [X.] ([X.]) hat die Wohnungsbaugesellschaft beigeladen, auf die Berufung der Kläger den Beklagten verurteilt, die Kosten für die Auszugsrenovierung in Höhe von 2541,87 Euro zu übernehmen, und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Zur Begründung hat das [X.] im Wesentlichen ausgeführt: Die in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 2955,10 Euro seien nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung tatsächlich angefallen und angemessen, wie sich aus dem Zustand der Wohnung nach dem Auszug der Kläger ergebe. Es seien aber nur die [X.] und [X.] der in der Rechnung enthaltenen Positionen teilweise von dem Beklagten als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, sodass sich geschätzt unter Einbeziehung der Mehrwertsteuer der zugesprochene Betrag ergebe. Nach der Rechtsprechung des [X.] (, Urteil vom [X.] - B 4 AS 8/09 R - [X.], 179 = [X.]-4200 § 22 [X.] ), der sich das [X.] anschließe, seien Mietzinsen als tatsächliche Aufwendungen berücksichtigungsfähig, soweit sie auf der Grundlage einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und vom Hilfeempfänger tatsächlich gezahlt werden. Gleiches gelte für die Kosten einer mietvertraglich vereinbarten Auszugsrenovierung. Ausreichend sei, dass der Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Prüfungsmaßstab sei nicht zuförderst das tatsächliche Bestehen der Forderung, sondern dass sie "[X.] Wirksamkeit" besitze. Lediglich wenn bekannt sei oder es hätte bekannt sein müssen, dass die Forderung nicht bestehe, dh offenkundig nicht vorliege, könne eventuell etwas Anderes gelten. Im Hinblick auf die "nicht unproblematische, diffizile und differenzierende Rechtsprechung der Zivilgerichte" könne vorliegend nicht sicher prognostiziert werden, ob die Kläger in einem [X.] um die Kosten der Auszugsrenovierung unterliegen würden. An eine entsprechende "Einschätzung" des [X.] wären die Zivilgerichte nicht gebunden. Daher sei es gerechtfertigt, lediglich auf die [X.] Wirksamkeit der Forderung abzustellen und von einer ins Einzelne gehende mietrechtlichen Prüfung Abstand zu nehmen. Der Beigeladene habe angekündigt, ggf Klage zu erheben, und den Klägern könne nicht zugemutet werden, sich erst verklagen zu lassen. Für die Übernahme der weiteren Beträge mangele es an einer Rechtsgrundlage.

4

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 22 [X.]. Er macht geltend, für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Auszugsrenovierung genüge nicht die "[X.] Wirksamkeit" der Forderung des Vermieters, vielmehr sei auf deren zivilrechtliche Wirksamkeit abzustellen.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Mai 2010 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juli 2008 zurückzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Es sei maßgeblich auf die Sicht der Hilfebedürftigen abzustellen, ob sie sich zur Renovierung verpflichtet ansahen. Die Auffassung des [X.] sei nicht relevant.

8

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Auf die Revision des [X.]n ist das Urteil des [X.] aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Die zulässige Revision des [X.]n ist begründet, weil aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht beurteilt werden kann, ob die Kläger gegen den [X.]n einen Anspruch auf Übernahme von Kosten für die Auszugsrenovierung in Höhe von 2541,87 Euro haben (§ 170 Abs 1, 2 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>).

Zwar können die Kosten einer Auszugsrenovierung als Leistung für die Unterkunft zu übernehmen sein (dazu 3.). Voraussetzung dafür ist jedoch nicht deren "[X.] Wirksamkeit", sondern ob sie tatsächliche, angemessene Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] sind (dazu 4.). Die Ablehnung der Übernahme solcher Kosten als unangemessen wegen der Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag stellt besondere Anforderungen an das vom beklagten Jobcenter durchzuführende Kostensenkungsverfahren; insofern fehlen entsprechende Feststellungen des [X.] (dazu 5.).

1. Streitgegenstand des Verfahrens ist die durch Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.6.2007 ausgesprochene Weigerung des [X.]n, die von den Klägern geforderte höhere Leistung für Unterkunft und Heizung aufgrund der von der Beigeladenen ihnen gegenüber geltend gemachten Kosten für die Auszugsrenovierung zu gewähren. An der Zulässigkeit eines auf die Leistung für Unterkunft und Heizung beschränkten Rechtsmittels (vgl nur B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 217 = [X.]-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8; zuletzt: B[X.] vom 6.10.2011 - [X.] [X.]/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 [X.] aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom [X.] ([X.]), das insofern zum 1.1.2011 in [X.] getreten ist, zumindest für laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.

2. Rechtsgrundlage für den von den Klägern geltend gemachten und vom [X.] zugesprochenen Anspruch auf die Kosten der Auszugsrenovierung sind § 7 Abs 1 Satz 1, § 19 Satz 1, § 22 Abs 1 Satz 1, § 28 [X.] in der Anfang des Jahres 2007 geltenden Fassung des [X.] vom [X.] ([X.] 1706), die auf den von den Klägern geltenden gemachten Anspruch Anfang des Jahres 2007 weiterhin anzuwenden ist. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nach § 7 [X.] erfüllte die im Leistungsbezug nach dem [X.] stehende Klägerin zu 1 sowie ihre mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder, die Kläger zu 2 und 3. Zu den als [X.] bzw Sozialgeld zu erbringenden Leistungen gehören auch solche für die Unterkunft und Heizung, die in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 [X.]).

3. Zu den als Leistungen für die Unterkunft zu erbringenden Aufwendungen können auch, wovon das [X.] zu Recht ausgegangen ist, die Kosten einer Auszugsrenovierung gehören, soweit sie auf einem Mietvertrag des Hilfebedürftigen mit dem Vermieter beruhen. Solche Kosten sind - wie mietvertraglich vereinbarte Zuschläge für Schönheitsreparaturen im laufenden Mietverhältnis und Renovierungskosten bei Einzug in eine Wohnung - nicht mit der Regelleistung abgedeckt, sondern unterfallen nach dem Wortlaut des § 22 [X.] und aus systematischen Gründen den Kosten der Unterkunft (vgl zur Einzugsrenovierung: B[X.] vom 16.12.2008 - [X.] AS 49/07 R, [X.], 194 = [X.]-4200 § 22 [X.]6; zur Auszugsrenovierung: B[X.] vom 6.10.2011 - [X.] [X.]/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).

4. Dem [X.] kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es zur näheren Konkretisierung der von dem [X.]n zu übernehmenden Kosten der Auszugsrenovierung als Maßstab auf die "[X.] Wirksamkeit" der Forderung der Beigeladenen gegenüber den Klägern abstellt. Maßgeblich für Leistungen für die Unterkunft sind nach § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] die Höhe der tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen, soweit sie angemessen sind. Auszugehen ist damit von den vom Hilfebedürftigen zu leistenden Zahlungen. Da jedoch Hilfebedürftige aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse oftmals nicht in der Lage sind, einen größeren Betrag zu zahlen, vorliegend fast 3000 Euro, ist der tatsächlichen Zahlung gleichzusetzen, dass sie einer entsprechenden Forderung "ernsthaft" ausgesetzt sind (B[X.] vom 22.09.2009 - [X.] AS 8/09 R - [X.], 179 = [X.]-4200 § 22 [X.] 24, Rd[X.]6 f mwN ).

In diesem vom [X.] angeführten Urteil hat der 4. Senat des B[X.] keine weitere Voraussetzung "[X.] Wirksamkeit" aufgestellt, auch wird der Begriff in dem angeführten Urteil nicht verwendet. Eine Ausnahme von der Übernahme der tatsächlichen Aufwendungen hat der 4. Senat lediglich dann als erwägenswert angesehen, wenn die Unwirksamkeit der getroffenen Vereinbarung bekannt ist oder bekannt sein müsste, weil Aufwendungen für die Unterkunft, die auf einer zivilrechtlich unwirksamen Grundlage beruhen, nicht dauerhaft aus öffentlichen Mitteln bestritten werden können und dürfen (B[X.] vom [X.], aaO, Rd[X.]6, 21). Dieser Rechtsauffassung schließt sich der erkennende Senat an.

5. Das Jobcenter kann sich hier nicht ohne Weiteres auf die Unwirksamkeit bestimmter Regelungen im Mietvertrag berufen und darauf gestützte Abzüge von den tatsächlich zu leistenden Zahlungen des Hilfebedürftigen vornehmen, weil für ein solches Vorgehen keine Rechtsgrundlage dem [X.] zu entnehmen ist (B[X.] vom [X.], aaO, Rd[X.]7). Das Jobcenter muss vielmehr, wenn es eine Vereinbarung über die Unterkunftskosten für unwirksam hält, ein Kostensenkungsverfahren nach § 22 Abs 1 Satz 3 [X.] einleiten, weil eine auf einer unwirksamen Vereinbarung beruhende Aufwendung nicht angemessen ist (B[X.] vom [X.], aaO, Rd[X.] 23).

Bei einer einmaligen Forderung des Vermieters, wie vorliegend den Kosten der Auszugsrenovierung, kann die Kostensenkungsaufforderung sich nicht darin erschöpfen, die für angemessen gehaltenen Leistungen für die Unterkunft mitzuteilen, weil dies an der Forderung, der der Hilfebedürftige ausgesetzt ist, zumeist nichts ändern wird. Dies gilt ua für die Kosten einer Auszugsrenovierung und den damit zusammenhängenden schwierigen Rechtsfragen (vgl nur: [X.], [X.], 70. Aufl 2011, § 535 Rd[X.] 41 ff). Das Jobcenter muss in einer solchen Situation vielmehr dem Hilfebedürftigen das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter aufzeigen und den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen. Bis zu diesen Hilfen seitens des [X.] sind Maßnahmen der Kostensenkung für den Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich, es sei denn aufgrund seines Kenntnisstandes ist eine derartige Information entbehrlich (B[X.] vom [X.], aaO, Rd[X.] 23; zu Anforderungen an ein Kostensenkungsverfahren, wenn nur die abstrakt angemessene Höhe der Leistung für die Unterkunft umstritten ist: B[X.] vom 27.2.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 8, Rd[X.]3).

Ob das von dem [X.]n durchgeführte Verwaltungsverfahren diesen Voraussetzungen entspricht, kann den Feststellungen des [X.] nicht entnommen werden. Es hat nur festgestellt, dass der [X.] die Klägerin zu 1 in einem Gespräch am 3.2.2007 wegen des bevorstehenden Umzugs darauf hingewiesen hat, der Mietvertrag mit der Beigeladenen beinhalte starre Renovierungsregelungen, die nichtig seien, und er - der [X.] - werde keine Renovierungskosten übernehmen. Zu weiteren Gesprächen und Hinweisen des [X.]n gegenüber den Klägern (vgl B[X.] vom 27.2.2008 - [X.]/7b [X.]/06 R - [X.]-4200 § 22 [X.] 8, Rd[X.]5: Kostensenkungsaufforderung als Angebot zu einem Dialog) enthält das Urteil des [X.] keine Feststellungen. Andererseits kann ihm auch nicht entnommen werden, dass es solche nicht gab und der [X.] nicht die aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt hat, zumal die Beigeladene bisher gegenüber den Klägern keine weiteren Schritte zur Durchsetzung der Forderung eingeleitet hat.

6. Für das weitere Verfahren wird zu beachten sein:

a) Zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits wird zunächst zu prüfen sein, ob der [X.] ein den obigen Anforderungen entsprechendes Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der umstrittenen Kosten der Auszugsrenovierung eingeleitet hat. Für ein vorprozessuales Verfahren zwischen Mieter und Vermieter mag eine entsprechende Beratung, ggf Hilfe bei der Anfertigung von Schreiben seitens des [X.] genügen. Sollte keine Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden und der Vermieter den Mieter/Hilfebedürftigen wegen der Kosten der Auszugsrenovierung vor dem Zivilgericht verklagen, so wird das Jobcenter seine Pflichten im Rahmen des [X.] nur durch eine Beteiligung an dem Rechtsstreit, sei es als Nebenintervenient oder Streithelfer, nachkommen können, zumal des Kostenrisiko dieses Zivilverfahrens als Annex zu den umstrittenen Leistungen gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] von ihm zu tragen ist (vgl B[X.] vom 17.6.2010 - [X.] [X.]/09 R - [X.], 190 = [X.]-4200 § 22 [X.] 41 Rd[X.] 35).

Eine für alle drei Beteiligten - Jobcenter und Hilfebedürftiger/Mieter sowie Vermieter - rechtsverbindliche Entscheidung des Rechtsstreits um die Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag über die Kosten einer Auszugsrenovierung kann es - wie das [X.] zu Recht erkannt hat - in einem sozialgerichtlichen Verfahren wie dem vorliegenden nicht geben. Selbst wenn der Vermieter zu dem Rechtsstreit zwischen [X.] und Jobcenter über die Kosten der Auszugsrenovierung beigeladen wird, entfaltet das Urteil des [X.] gegenüber dem Vermieter keine Rechtskraft hinsichtlich der zivilrechtlichen Vorfragen zur Rechtmäßigkeit der Regelungen im Mietvertrag. Der Vermieter kann vielmehr die Kosten der Auszugsrenovierung gegenüber dem Mieter/Hilfebedürftigen ggf mit Erfolg vor den Zivilgerichten einklagen. Denn rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten nur, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist (§ 141 Abs 1 [X.]G; im Ergebnis ebenso: § 322 Abs 1 Zivilprozessordnung ). Die Rechtskraft eines Urteils ist "auf den in der Urteilsformel enthaltenen Gedanken beschränkt" (vgl nur B[X.] [X.] 3-1500 § 75 [X.] 31 S 40 mwN). Ausführungen über materiell-rechtliche Vorfragen oder präjudizielle Rechtsverhältnisse nehmen an der [X.] des Urteils nicht teil ([X.] in ders/Fichte, [X.]G, 2009, § 141 [X.] 6; [X.] in Handkommentar [X.]G , 3. Aufl 2009, § 141 Rd[X.] 9 f mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 141 Rd[X.] 7a f; vgl zur ZPO: Vollkommer in [X.], ZPO, 27. Aufl 2009, Vor § 322 Rd[X.] 31 ff).

Eine über die [X.] eines Urteils hinausgehende Bindung der Beteiligten kann nur im Zivilprozess mittels einer Nebenintervention (§§ 66 ff ZPO) oder einer Streitverkündung (§§ 72 ff ZPO) erreicht werden, die es beide im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gibt (vgl [X.] in ders/Fichte, [X.]G, § 69 Rd[X.] 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, § 74 Rd[X.]; [X.] in HK-[X.]G, § 74 Rd[X.] 2). Die über die [X.] hinausgehende höhere Bindung auch hinsichtlich der tragenden Entscheidungsgründe (vgl Vollkommer, in [X.], ZPO, § 68 Rd[X.] 9 mwN; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], ZPO, 69. Aufl 2011, § 68 Rd[X.], 6) wird erreicht, weil der Nebenintervenient und derjenige, dem der Streit verkündet wurde, "im Verhältnis zur der [X.] mit der Behauptung nicht gehört (wird), dass der Rechtsstreit, wie er dem [X.] vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei" (§ 68, § 74 ZPO).

b) Solange der [X.] ein solches Kostensenkungsverfahren nicht eingeleitet hat, ist ebenso wie bei laufenden Mietzinsforderungen von der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für die Auszugsrenovierung auszugehen.

Leitet der [X.] ein solches Verfahren ein, so müssen die oben aufgezeigten Voraussetzungen erfüllt sein, damit es zu einer Kostensenkung führen kann. Ist der Hilfebedürftige entgegen der Auffassung des [X.]n im Kostensenkungsverfahren der Auffassung, die Kosten der Auszugsrenovierung würden vom Vermieter zu Recht geltend gemacht, so muss er sich nicht von diesem vor dem Zivilgericht verklagen lassen, sondern kann den zivilrechtlichen Anspruch anerkennen und von dem Jobcenter eine Entscheidung über die Kosten der Auszugsrenovierung verlangen. Der Hilfebedürftige setzt sich damit jedoch, wie aufgezeigt, der Gefahr einer für ihn negativen Entscheidung des [X.] aus.

c) Hat der [X.] ein Kostensenkungsverfahren eingeleitet und der Hilfebedürftige gegen den die Übernahme der Kosten der Auszugsrenovierung ablehnenden Verwaltungsakt vor dem [X.] Klage erhoben, muss das angerufene [X.] den Rechtsstreit unter allen erdenklichen Gesichtspunkten einschließlich der Rechtmäßigkeit der entsprechenden Regelungen im Mietvertrag prüfen (§ 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz), was vorliegend noch nicht geschehen ist.

Ob ein solches sozialgerichtliches Verfahren zur Vermeidung divergierender Entscheidung und zur Durchführung eines mietrechtlichen Zivilrechtsstreits auszusetzen ist, kann nicht abschließend beurteilt werden (vgl zur Anwendung des § 114 Abs 2 [X.]G bei Aufrechnung mit einer zivilgerichtlichen Forderung: B[X.] vom 11.12.1968 - 10 RV 606/65 - B[X.]E 29, 44, 46 f = [X.] [X.] 2 zu § 114 [X.]G einerseits und B[X.] vom [X.] - 1 RA 21/60 - B[X.]E 19, 207, 209 ff = [X.] [X.] 6 zu § 1299 RVO andererseits), zumal eine vergleichsweise Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens denkbar erscheint, wie sie das [X.] vorliegend angestrebt hat.

7. Einer Entscheidung über die Verfahrensrügen des [X.]n bedarf es nicht (§ 170 Abs 3 [X.]G). Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu entscheiden haben.

Meta

B 14 AS 15/11 R

24.11.2011

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Stralsund, 25. Juli 2008, Az: S 8 AS 560/07, Urteil

§ 22 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 vom 20.07.2006, § 535 BGB, § 114 SGG, § 141 SGG, § 66 ZPO, § 72 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.11.2011, Az. B 14 AS 15/11 R (REWIS RS 2011, 1084)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1084

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