Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.02.2016, Az. B 8 SO 88/15 B

8. Senat | REWIS RS 2016, 15690

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe bei Entscheidung mit Mehrfachbegründung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit sind höhere Leistungen für die Unterkunft nach dem 4. Kapitel des [X.] - ([X.]) für die [X.] vom 1.1. bis 31.3.2009.

2

Der 1928 geborene Kläger, der Leistungen nach dem 4. Kapitel des [X.] (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) bezieht, bewohnt eine 65 qm große Wohnung in einem Haus, das im Eigentum seines [X.] steht. Nach dem zwischen ihm und seinem [X.] bestehenden Mietvertrag hat er dafür monatlich 273 Euro Grundmiete, 65 Euro [X.]etriebskostenvorauszahlung und 66,30 Euro für Heizkosten und Warmwasser zu leisten. Ab Januar 2009 berücksichtigte die [X.]eklagte als [X.]edarf für die Unterkunft nur noch die Grundmiete, weil der Kläger eine den Vorgaben des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs ([X.]) entsprechende Nebenkostenabrechnung nicht vorgelegt habe ([X.]escheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Klage, gerichtet auf die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft (auch der Nebenkosten), blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg (Urteil des [X.] vom [X.]; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Sachsen-Anhalt ohne mündliche Verhandlung vom 23.7.2015). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, der Kläger habe tatsächlich keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erbracht. Sein Vorbringen sei insoweit widersprüchlich. Ob er zivilrechtlich überhaupt zur Zahlung verpflichtet sei, sei zweifelhaft. Er sei aber ohnedies keinem durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von Nebenkosten ausgesetzt, denn der Vermieter habe für 2007 bzw 2009 keine wirksame Nebenkostenabrechnung erteilt, die den Vorgaben des [X.] entspräche. Insbesondere sei eine Abrechnung für das [X.] nicht bis zum 31.12.2008 vorgelegt worden. Weil zivilrechtlich deshalb ohnedies keine Pflicht zur Vorauszahlung der Nebenkosten bestehe, könne er sich gegenüber dem Vermieter auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen, so dass auch kein Anspruch gegenüber der [X.]eklagten bestehe.

3

Mit seiner [X.]eschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] macht der Kläger eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache, eine Divergenz sowie Verfahrensfehler geltend. Zur grundsätzlichen [X.]edeutung führt er aus, das [X.] habe eine eigenständige Rechtsprechung zur Übernahme von Nebenkosten entwickelt, die der Überprüfung bedürfe. Dem Sozialhilfeträger werde letztlich zugebilligt, sich auf das Zurückbehaltungsrecht des Mieters zu berufen, wenn er der Auffassung sei, die Nebenkostenabrechnung sei fehlerhaft. Damit bürde er dem Leistungsberechtigten das Risiko eines Zivilrechtsstreits auf. Es sei vielmehr in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.]undessozialgerichts ([X.]) zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende davon auszugehen, dass auch bei Mietverträgen unter Verwandten Nebenkosten jedenfalls bis zur Grenze der Angemessenheit zu tragen seien, wenn eine wirksame zivilrechtliche Verpflichtung bestehe, unabhängig davon, ob sie einem Fremdvergleich standhalte. Es bestehe auch eine Divergenz der Entscheidung des [X.] zu Entscheidungen des [X.] (Urteil vom 24.11.2011 - [X.] AS 15/11 R unter Hinweis auf [X.] vom [X.] - [X.] 4 AS 8/09 R). Das [X.], das sich ausdrücklich auf eine Entscheidung des [X.] ([X.] 4 AS 37/08 R) stütze, in der eine Übernahmepflicht bei Angemessenheit unter Verwandten bejaht worden sei, stelle sich mit seinem entscheidungserheblichen Rechtssatz gegen die Rechtsprechung des [X.]. Zudem liege als Verfahrensfehler eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 Sozialgerichtsgesetz ) vor. Das [X.] habe seine Entscheidung auf Aspekte gestützt, zu denen er, der Kläger, keine Gelegenheit gehabt habe, Stellung zu nehmen (Schreiben an den Oberbürgermeister; Nichtwirksamkeit des Mietvertrags; [X.]punkt der Übermittlung der Nebenkostenabrechnung). Nur aufgrund irreleitender Hinweise des Gerichts, wonach die Sachlage geklärt sei, habe er auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung "verzichtet". Es sei auf diese Weise zudem gegen das Gebot des fairen Verfahrens verstoßen worden.

4

II. [X.] ist jedenfalls unbegründet.

5

[X.]eruht eine Entscheidung des [X.]erufungsgerichts auf mehreren selbständig tragenden [X.]egründungen, die jede für sich den Urteilsspruch - hier: Abweisung der Klage - tragen, so kann die Nichtzulassungsbeschwerde nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn für jede dieser [X.]egründungen ein Zulassungsgrund erfolgreich geltend gemacht wird (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]; [X.], [X.]eschluss vom 22.4.2010 - [X.] 1 KR 145/09 [X.]; [X.]eschluss vom 5.12.2007 - [X.] 11a [X.] 112/07 [X.]; [X.]eschluss vom [X.] - [X.] KR 28/06 [X.]; [X.]eschluss vom [X.] - [X.] 7a [X.] 52/06 [X.]). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

6

Das [X.] hat die Zurückweisung der [X.]erufung nicht allein darauf gestützt, dass dem Kläger keine wirksame Nebenkostenabrechnung für 2007 und 2009 erteilt worden sei, so dass er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen könne; vielmehr hat es auch den Schluss gezogen, dass er, der Kläger, tatsächlich keinem durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von [X.]etriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ausgesetzt sei. Insoweit hat der Kläger zwar gerügt, diese Schlussfolgerung habe das [X.] unter Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens gezogen. Ob der gerügte Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 [X.] SGG) tatsächlich vorliegt - wofür nach Aktenlage einiges spricht -, kann aber dahinstehen. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 160 Abs 2 [X.]) der Rechtsfrage, ob sich der Hilfeempfänger uneingeschränkt entgegenhalten lassen muss, es bestehe ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Vermieter, liegt nämlich nicht vor, so dass es jedenfalls an einer erfolgreichen Rüge zu dieser [X.]egründung des [X.] fehlt.

7

Grundsätzliche [X.]edeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die vom Kläger aufge-worfene Rechtsfrage ist aber nicht mehr klärungsbedürftig. Der für Fragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Zweites [X.]uch Sozialgesetzbuch - SG[X.] II) zuständige 4. Senat des [X.] hat im Zusammenhang mit einer [X.] bereits entschieden, dass ein Grundsicherungsträger, der eine Vereinbarung über Unterkunftskosten für unwirksam hält, ein Kostensenkungsverfahren zu betreiben hat, will er sich auf die Unwirksamkeit bestimmter Klauseln des [X.] berufen und deshalb gegenüber tatsächlich geleisteten Zahlungen Abzüge vornehmen. Weiter hat der Senat ausgeführt, dass sich in diesen Fällen die Kostensenkungsaufforderung ausnahmsweise nicht darauf beschränken dürfe, dem Hilfebedürftigen lediglich den nach Auffassung des [X.] angemessenen Mietzins und die Folgen mangelnder Kostensenkung vor Augen zu führen. Vielmehr müsse dem Hilfebedürftigen der Rechtsstandpunkt des [X.] und das von diesem befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter in einer Weise verdeutlicht werden, die ihn zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber dem Vermieter in die Lage versetzt. [X.]is zu den erforderlichen Erläuterungen durch ein derartiges Informationsschreiben seien Maßnahmen der Kostensenkung für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen regelmäßig subjektiv unmöglich, es sei denn, nach den Umständen des konkreten Einzelfalls ist aufgrund des Kenntnisstandes des Hilfebedürftigen eine derartige Information entbehrlich (vgl [X.]E 104, 179 ff = [X.] 4-4200 § 22 [X.]). Dem hat sich der ebenfalls für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständige 14. Senat hinsichtlich der Kosten einer Auszugsrenovierung angeschlossen ([X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.]). Insoweit gilt im Rahmen des § 35 [X.] (bzw § 29 [X.] in der bis 31.12.2010 maßgeblichen Gesetzesfassung) nichts anderes; der rechtlichen [X.]eurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des [X.] hat sich der erkennende Senat wegen der gleichen Rechtslage im [X.] bereits angeschlossen (vgl ausführlich [X.] [X.] 4-3500 § 29 [X.] 1; [X.] 4-3500 § 29 [X.] 2).

8

Soweit der Kläger insoweit auch rügt, das [X.] habe sich zwar auf die genannten Entscheidungen berufen, daraus aber andere rechtliche Schlüsse gezogen, genügt sein Vorbringen nicht den Anforderungen an eine zulässige [X.] (§ 160 Abs 2 [X.] 2 SGG), denn er formuliert schon keinen tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.] in Abweichung von einem tragenden abstrakten Rechtssatz des [X.], sondern macht lediglich die Unrichtigkeit der Entscheidung des [X.] in der Sache geltend, die die Zulassung der Revision jedoch ebenfalls nicht zu begründen vermag.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 88/15 B

24.02.2016

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Magdeburg, 18. September 2012, Az: S 16 SO 38/09, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.02.2016, Az. B 8 SO 88/15 B (REWIS RS 2016, 15690)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15690

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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