Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 21/10 R

8. Senat | REWIS RS 2011, 1514

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - Übernahme angemessener Beiträge für eine private Kranken- und Pflegeversicherung - keine Begrenzung durch § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG bzw § 110 Abs S 4 Halbs 2 SGB 11)


Leitsatz

Bei der Prüfung der Angemessenheit der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung sind die vom Sozialhilfeträger im Rahmen der Leistungen für den Lebensunterhalt zu übernehmenden Beiträge nicht auf die Beträge beschränkt, die auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Kranken- bzw sozialen Pflegeversicherung zu zahlen wären.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des [X.] vom 27. Januar 2010 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

[X.] bzw höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem [X.] - ([X.]) ab 1.1.2009.

2

Die 1939 geborene Klägerin zu 1, die mit dem 1936 geborenen Kläger zu 2 verheiratet ist, bezieht vom Beklagten Grundsicherungsleistungen. Bei der Leistungsbewilligung (nach Ablauf des letzten Bewilligungszeitraums) ab 1.1.2009 hat der Beklagte die Kosten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung für beide Kläger bei der Leistungsberechnung nur in der Höhe berücksichtigt, in der sie auch für Bezieher von [X.] ([X.]) in der gesetzlichen Krankenversicherung (129,54 Euro) bzw [X.] Pflegeversicherung (17,79 Euro) zu zahlen wären; gegenüber dem Kläger zu 2 wurden wegen eines seinen Bedarf übersteigenden Einkommens Grundsicherungsleistungen weiterhin abgelehnt (Bescheid vom 23.12.2008; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

3

Das Sozialgericht ([X.]) [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom [X.]), weil die Angemessenheit der Beiträge iS des § 32 Abs 5 Satz 1 und 4 [X.] in gleicher Weise zu beurteilen sei wie die der Beiträge nach § 26 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ([X.]) bei Empfängern von [X.]. Danach sei die Übernahme von [X.] in Verbindung mit § 12 Abs 1c Satz 6 Halbsatz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz ([X.]) in der Höhe beschränkt auf die Beträge, die auch für Bezieher von [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen seien; Gleiches gelte für die Übernahme von Beiträgen zur [X.] Pflegeversicherung in Verbindung mit § 110 Abs 2 Satz 4 [X.] - ([X.]B XI).

4

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger, dass die Angemessenheit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in § 32 Abs 5 Satz 1 und 4 [X.] nicht durch § 12 Abs 1c Satz 6 Halbsatz 2 [X.] bzw § 110 Abs 2 Satz 4 [X.]B XI begrenzt werde. Angemessen seien mindestens die halbierten Beiträge des Basistarifs, für die Klägerin zu 1 314,05 Euro und den Kläger zu 2 289,12 Euro.

5

Die Kläger haben schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
das Urteil des [X.] aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 23.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben, soweit er den Kläger zu 2 betrifft, bzw abzuändern, soweit er die Klägerin zu 1 betrifft, und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger zu 2 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw der Klägerin zu 1 höhere Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ab 1.1.2009 zu zahlen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

8

Die Beigeladene hat sich weder geäußert noch einen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevisionen der [X.]läger sind zulässig. [X.] ist insbesondere, dass der [X.] in seiner Erklärung vom [X.] nicht ausdrücklich der Einlegung einer Sprungrevision, sondern nur pauschal einer Sprungrevision zugestimmt hat. Denn eine derartige Erklärung ist jedenfalls dann als Zustimmung zur Einlegung selbst zu verstehen, wenn - wie vorliegend - im Zeitpunkt ihrer Abgabe Tenor und schriftliche Entscheidungsgründe des [X.] dem Erklärenden bekannt waren ([X.]-1500 § 161 [X.] mwN).

Die Revisionen sind auch im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 iVm Abs 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>). Aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen (§ 163 [X.]G) des [X.] ist der [X.] nicht in der Lage, über die von den [X.]lägern geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden. Allerdings haben das [X.] und der [X.] zu Unrecht bei der Leistungsberechnung die privaten [X.]rankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge nur in der Höhe berücksichtigt, in der sie für Bezieher von [X.] in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung und [X.] Pflegeversicherung zu zahlen wären.

Das [X.] hat bereits nicht geprüft, ob bzw ggf welche Bescheide über den vom 23.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] hinaus Gegenstand des [X.]lageverfahrens gemäß §§ 86, 96 [X.]G - ggf auch § 99 [X.]G - geworden sind und welcher Leistungszeitraum infolgedessen von den [X.]lagen erfasst wird. Insoweit ist eine eigene Entscheidung des [X.] im Hinblick darauf, dass sich das [X.] ausschließlich mit der bezeichneten Rechtsfrage auseinandergesetzt hat und mit Ausnahme des Alters der [X.]läger alle für die Beurteilung der geltend gemachten Ansprüche auf Grundsicherungsleistungen erforderlichen Feststellungen fehlen, untunlich (§ 170 Abs 2 Satz 1 [X.]G). Da das [X.] ohnedies erneut entscheiden muss, ist es unerheblich, ob bzw inwieweit dem [X.] im Rahmen einer Sprungrevision entgegen § 161 Abs 4 [X.]G eine entsprechende Prüfung ohne Verfahrensrüge überhaupt möglich wäre (vgl dazu nur [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 9. Aufl 2008, § 161 Rd[X.] 10b). Ausgangspunkt für die Beurteilung des [X.] muss die Wirkungsdauer des Bescheids vom 23.12.2008 und ggf konkludenter Bewilligungen aufgrund monatlicher Zahlungen (zur konkludenten Entscheidung [X.] , Urteil vom 14.4.2011 - [X.] [X.] 12/09 R - Rd[X.] 12) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] sein (umfassend zur Dauerleistungsproblematik von [X.] und zur Problematik der Einbeziehung von Folgebescheiden über §§ 86, 96, 99 [X.]G [X.] in juris [X.] [X.]B XII, § 17 [X.]B XII Rd[X.] 49.1 ff mwN).

In der Sache geht es entgegen der Entscheidung des [X.] nicht lediglich um die Übernahme höherer Beiträge zur privaten [X.]ranken- und Pflegeversicherung. Zwar wäre eine streitgegenständliche Beschränkung nach der Rechtsprechung des [X.] möglich (vgl nur: B[X.]E 101, 217 ff Rd[X.] 14 = [X.]-3500 § 133a [X.] 1; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 19 [X.]B XII, Rd[X.] 76.2 mwN); jedoch haben die [X.]läger nicht die im Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren erforderlichen eindeutigen Erklärungen abgegeben, sodass nach dem [X.] bzw Gesamtfallprinzip (dazu B[X.]E 107, 169 ff Rd[X.] 10 mwN = [X.]-3500 § 28 [X.] 6; vgl auch B[X.], Urteil vom 27.9.2011 - B 4 [X.]/10 R - Rd[X.] 14) die gesamten Leistungsansprüche einer Prüfung unterliegen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der [X.], ohne dass dies vom [X.] erkannt worden ist, im Ergebnis keine Leistungen an beide [X.]läger, sondern lediglich an die [X.]lägerin zu 1 bewilligt hat, während er Leistungsansprüche des [X.] zu 2 wegen eines den Bedarf überschreitenden Einkommens abgelehnt hat; insoweit wäre der [X.] nicht berechtigt gewesen, einen Gesamtleistungsbetrag für beide [X.]läger auszuwerfen (vgl [X.], aaO, Rd[X.] 75 mwN). Aus dem formalen Gesamtbescheid ist jedoch ersichtlich, dass für die [X.]läger keine einheitliche Leistung bewilligt wurde. Dies bedeutet, dass entgegen der Ansicht des [X.] nicht höhere Leistungen für beide [X.]läger im Streit sind, sondern ausschließlich für die [X.]lägerin zu 1, während der [X.]läger zu 2 überhaupt Leistungen der Grundsicherung beansprucht.

Bei seiner neuen Entscheidung wird das [X.] das [X.]onkurrenzverhältnis zwischen § 82 Abs 2 [X.] 3 [X.]B XII und § 32 Abs 5 [X.]B XII zu beachten haben. Entgegen der Berechnung des [X.]n ist beim [X.]läger zu 2 nicht von vornherein ein Bedarf nach § 32 [X.]B XII seinem Einkommen gegenüberzustellen, sondern es wird zunächst zu prüfen sein, ob der Bedarf des [X.] zu 2 ohne Berücksichtigung des § 32 Abs 5 [X.]B XII durch sein Einkommen, von dem nach § 82 Abs 2 [X.] 3 [X.]B XII dann aber angemessene Beiträge zu privaten Versicherungen abzuziehen sind, gedeckt ist. Nur wenn und soweit danach Bedürftigkeit besteht, käme für ihn § 32 Abs 5 [X.]B XII zur Anwendung (vgl dazu [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 82 [X.]B XII Rd[X.] 54.1). Sollte mithin der [X.]läger zu 2 auch unter Abzug der von ihm tatsächlich gezahlten Beiträge von seinem Einkommen - selbst hierzu fehlen tatsächliche Feststellungen des [X.] - nicht bedürftig werden, würde sich die Frage der Angemessenheit der Beiträge lediglich bei der [X.]lägerin zu 1 auswirken, weil dieser ggf bei Unangemessenheit der Beitragshöhe ein höheres Einkommen des [X.] zu 2 im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung anzurechnen wäre. Der [X.] sieht im Hinblick auf die gänzlich fehlenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] von einer Entscheidung darüber ab, ob die Angemessenheitsprüfung im Rahmen des § 82 Abs 2 [X.]B XII zwingend und in jedem Fall den gleichen [X.]riterien unterliegt wie die im Rahmen des § 32 Abs 5 [X.]B XII. Es ist nicht Aufgabe der Revisionsinstanz, abstrakte Rechtsfragen unabhängig von den tatsächlichen Umständen des zu entscheidenden Rechtsstreits im Stil einer [X.]ommentierung für alle denkbaren nicht festgestellten Sachverhaltsvarianten aufzuarbeiten.

Der Anspruch der [X.]läger auf Grundsicherungsleistungen beurteilt sich nach § 19 Abs 2 [X.]B XII (in der Fassung, die die Norm ab 1.1.2008 durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.] 554 - erhalten hat) in Verbindung mit §§ 41 ff [X.]B XII. Danach erhalten auf Antrag Personen, die die Altersgrenze (für die Regelaltersrente) erreicht und ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen gemäß §§ 82 bis 84 und 90 [X.]B XII beschaffen können. Zu den Leistungen im Einzelnen gehört die Übernahme von Beiträgen zur privaten [X.]ranken- und Pflegeversicherung nach § 42 Satz 1 [X.] 4 [X.]B XII (hier in der Fassung, die die Norm durch das [X.] zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 21.12.2008 - [X.] 2933 - erhalten hat) in Verbindung mit § 32 Abs 5 Satz 1 und 4 [X.]B XII (hier in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens vom 20.7.2007 - [X.] 1595 - erhalten hat). Nach § 32 Abs 5 Satz 1 [X.]B XII werden die Aufwendungen für eine (private) [X.]rankenversicherung übernommen, soweit sie angemessen sind, wenn eine (private) [X.]rankenversicherung bei einem Versicherungsunternehmen besteht. Soweit Aufwendungen für die [X.]rankenversicherung übernommen werden, werden auch die Aufwendungen für eine Pflegeversicherung nach § 32 Abs 5 Satz 4 [X.]B XII übernommen. Zwar enthält die gesetzliche Regelung über die privaten Pflegeversicherungsbeiträge keine ausdrückliche Beschränkung auf die angemessenen Beiträge; jedoch dürfte diese Begrenzung aus der Formulierung "soweit" zu entnehmen sein.

Von einer endgültigen Entscheidung über die [X.]riterien der Angemessenheit sieht der [X.] im Hinblick auf die völlig fehlenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] ab. Hier dürften zwar grundsätzlich die Beitragsbemessungsregelungen des § 12 Abs 1c Satz 4 und 5 [X.] sowie des § 110 Abs 2 Satz 3 und 4 [X.]B XI zu beachten sein (vgl dazu im Rahmen des [X.]B II B[X.]E 107, 217 ff Rd[X.] 19 ff; B[X.], Urteil vom 27.9.2011 - B 4 [X.]/10 R - Rd[X.] 29); jedoch ist ohne weitere tatsächliche Feststellungen eine Entscheidung des [X.] darüber untunlich, ob die in diesen Vorschriften enthaltenen Beschränkungen zwingend oder nicht in bestimmten [X.]onstellationen höhere Beiträge zu übernehmen sind (ebenso offen gelassen in B[X.]E 107, 217 ff Rd[X.] 20).

Allerdings findet § 12 Abs 1c Satz 6 Halbsatz 2 [X.] mit der Beschränkung auf die Höhe der Beiträge, die auch für Bezieher von [X.] in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung zu zahlen wären, keine Anwendung; insoweit liegt anders als im Rahmen des § 26 [X.]B II (vgl dazu B[X.]E 107, 217 ff) keine durch Analogie zu schließende Gesetzeslücke vor ([X.] in [X.]/ [X.], [X.]B XII, 3. Aufl 2010, § 32 [X.]B XII Rd[X.] 14; [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 32 [X.]B XII Rd[X.] 49 ff; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]B XII, 18. Aufl 2010, § 32 [X.]B XII Rd[X.] 50; Wolf, [X.]b 2011, 720, 723). Dies folgt insbesondere unter Berücksichtigung der vom [X.]B II abweichenden Systematik der Vorschrift des § 32 Abs 5 [X.]B XII aus dessen Wortlaut, der historischen Entwicklung und teleologischen Erwägungen.

Bezieher von Sozialhilfeleistungen (waren und) sind anders als Leistungsbezieher nach dem [X.]B II (vgl für diese § 5 Abs 1 [X.] 2a iVm Abs 5a [X.] <[X.]B V>) nicht wegen des Leistungsbezugs gesetzlich pflichtversichert. Vielmehr ist seit 1.1.2004 grundsätzlich (bei Leistungen für voraussichtlich mehr als einen Monat) gemäß § 264 Abs 2 [X.]B V nur eine unechte [X.]rankenversicherung ohne Beitragsleistung (vgl dazu: B[X.]E 101, 42 ff = [X.]-3500 § 264 [X.] 1; B[X.]E 102, 10 ff Rd[X.] 22 f = [X.]-2500 § 264 [X.] 2; B[X.] [X.]-3500 § 82 [X.] 5 Rd[X.] 23) mit einer [X.]ostenerstattung des Sozialhilfeträgers gegenüber der [X.]rankenkasse vorgesehen, wenn die Sozialhilfeempfänger nicht (anderweitig) versichert sind. Die Berechtigten sind nicht Mitglieder der [X.]rankenkasse im körperschaftsrechtlichen Sinne, sondern nur verfahrens- und leistungsrechtlich Versicherten gleichgestellt (BT-Drucks 15/1525, [X.] zu [X.] 152; vgl auch [X.] in jurisP[X.]-[X.]B XII, § 48 Rd[X.] 18 ff, und [X.], Die Absicherung gegen [X.]rankheitskosten durch Sozialhilfe und Gesetzliche [X.]rankenversicherung als Mittel zur Lebensstandardsicherung, 2010, [X.] f). Der [X.] als solcher zieht mithin - anders als der [X.]-II-Bezug - nicht die Versicherungspflicht nach sich. Liegen die Voraussetzungen des § 264 Abs 2 [X.]B V nicht vor und ist der Hilfeempfänger nicht aus anderen Gründen pflicht-, freiwillig oder privatversichert, sodass Beiträge nach § 32 [X.]B XII übernommen werden, erhält er - soweit keine Familienversicherung vorliegt - Hilfen zur Gesundheit nach §§ 47 ff [X.]B XII, die ebenso wenig mit einer Mitgliedschaft bzw Beiträgen in der gesetzlichen [X.]rankenversicherung verbunden sind, sondern Sachleistungen durch die Einschaltung Dritter darstellen, deren [X.]osten dann wieder vom Sozialhilfeträger übernommen werden ([X.], aaO, § 52 [X.]B XII Rd[X.] 12; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, [X.] § 52 Rd[X.] 22, Stand April 2010). Eine Beitragszahlung wegen eines [X.]s nach Maßgabe der gesetzlichen [X.]rankenversicherung ist der Sozialhilfe mithin systemfremd.

Die Höhe des zu übernehmenden Beitrags kann sich deshalb nicht daran orientieren, was bei Versicherungspflicht zu zahlen wäre; sie bemisst sich vielmehr nach dem individuellen Versicherungsverhältnis (vgl BT-Drucks 16/4247, [X.] zu Art 10). In diesem Sinne hat auch die Bundesregierung durch die Parlamentarische Staatssekretärin [X.] auf eine Anfrage des Abgeordneten [X.] am 10.8.2009 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Regelungslücke bezüglich der Tragung des Beitrags zu einer privaten [X.]rankenversicherung nur in den Fällen bestehe, in denen eine versicherte Person unabhängig von der Höhe des zu entrichtenden Beitrags hilfebedürftig im Sinne des [X.]B II sei. Bei dem Bezug von Leistungen nach dem [X.]B XII bestehe dagegen keine entsprechende Lücke, weil gemäß § 32 Abs 5 [X.]B XII der zuständige Sozialhilfeträger den Beitrag zu tragen habe, der angemessen sei (BT-Drucks 16/13892, [X.]; vgl auch [X.] in [X.]/[X.], [X.]B XII, 3. Aufl 2010, § 32 [X.]B XII Rd[X.] 14; Wolf, [X.]b 2011, 720, 723). Folgerichtig fehlt der in § 26 Abs 2 [X.] 1 [X.]B II enthaltene Verweis auf § 12 Abs 1c Satz 6 [X.]. Das gesetzliche Postulat der Angemessenheit lässt also Raum für eine Auslegung, die eine Gleichbehandlung der Sozialhilfeempfänger mit den [X.]-II-Empfängern (insoweit aufgrund der Rechtsprechung des B[X.] zu § 26 [X.]B II) gewährleistet (angedeutet in B[X.]E 107, 217 ff Rd[X.] 22). Dadurch wird nicht zuletzt eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung [X.] verhindert, die deren verfassungsrechtlich garantiertes Existenzminimum tangieren würde (vgl dazu näher im Rahmen des § 26 [X.]B II B[X.]E 107, 217 ff Rd[X.] 33 ff).

Nichts anderes gilt für die privaten Pflegeversicherungsbeiträge. Auch insoweit ist der Bezug von Sozialhilfe anders als grundsätzlich der Bezug von [X.] (vgl § 1 Abs 2 Satz 1 [X.]B XI iVm § 5 Abs 1 [X.] 2a [X.]B V) nicht mit einer Pflichtversicherung verbunden. Von einer Entscheidung darüber, inwieweit die Beiträge im Einzelnen nach Maßgabe der Regelungen des § 110 Abs 2 [X.]B XI im Rahmen des § 32 Abs 5 [X.]B XII zu übernehmen bzw bei der Einkommensanrechnung nach § 82 Abs 2 [X.] 3 [X.]B XII zu berücksichtigen sind, sieht der [X.] - wiederum im Hinblick auf die fehlenden tatsächlichen Feststellungen - ab. Jedenfalls ist die Übernahme privater Pflegeversicherungsbeiträge aus den gleichen Gründen wie bei den privaten [X.]rankenversicherungsbeiträgen nicht auf die Beiträge beschränkt, die für Bezieher von [X.] in der [X.] Pflegeversicherung zu zahlen wären; § 12 Abs 1c Satz 6 Halbsatz 2 [X.], auf den § 110 Abs 2 Satz 4 [X.]B XI verweist, gilt insoweit ebenso wenig wie für die privaten Pflegeversicherungsbeiträge.

Nach der Zurückverweisung der Sache wird das [X.] die erforderliche umfassende Überprüfung der Höhe der Grundsicherungsleistungen für die [X.]lägerin zu 1 und der Leistungsablehnung gegenüber dem [X.]läger zu 2 nachzuholen und ggf über die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 21/10 R

10.11.2011

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Ulm, 27. Januar 2010, Az: S 2 SO 1156/09, Urteil

§ 19 Abs 2 SGB 12 vom 20.04.2007, § 42 S 1 Nr 4 SGB 12 vom 21.12.2008, § 82 Abs 2 Nr 3 SGB 12, § 32 Abs 5 S 1 SGB 12 vom 20.07.2007, § 32 Abs 5 S 4 SGB 12 vom 20.07.2007, § 264 Abs 2 SGB 5, § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG, § 110 Abs 2 S 4 Halbs 2 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2011, Az. B 8 SO 21/10 R (REWIS RS 2011, 1514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1514

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