Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2004, Az. III ZR 283/03

III. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1602

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL III ZR 283/03
Verkündet am: 16. September 2004 Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 -

[X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2004 durch [X.] und [X.] [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 12. September 2003 auf-gehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger betreibt unter der Bezeichnung "[X.]Immobilien" ein Mak-lerunternehmen. Er nimmt als Rechtsnachfolger der "T.

Immobilien GbR" die Beklagte auf Zahlung von 163.903,02 • an Maklerprovisionen nebst Zinsen in Anspruch. Der Kläger hat behauptet, die ursprünglich anspruchsberechtigte Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei am 31. Mai 2001 aufgelöst worden. [X.] 3 -

bei sei zwischen den Gesellschaftern vereinbart worden, daß sämtliche Forde-rungen auf ihn übergingen.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung seine Anspruchsberechtigung nicht unter Beweis gestellt habe, das [X.] hat die Berufung des [X.] zu-rückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen [X.] weiter. Für die Beklagte ist in der mündlichen Verhand-lung über die Revision niemand erschienen. Der Kläger hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.

Entscheidungsgründe

Über die Revision des [X.] ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung jedoch nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands (vgl. [X.], 79, 81).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.]

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Feststellung, daß der Kläger hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen seiner Aktivlegitimation beweis-- 4 -

los geblieben sei, sei im Rahmen der eingeschränkten Überprüfungsmöglich-keiten im Berufungsverfahren nicht zu beanstanden.

Der Kläger habe zwar bereits in der Klagebegründung seinen ehemali-gen Mitgesellschafter [X.]als Zeugen dafür benannt, daß eine Abtretung der eingeklagten Ansprüche an ihn tatsächlich vereinbart worden sei. Einen etwai-gen Verfahrensfehler des [X.]s (unterlassene Vernehmung des [X.]) könne das Berufungsgericht aber gemäß § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht prüfen, da der Kläger diesen Mangel in seiner Berufungsbegründung nicht ge-rügt habe.

Den ferner vom Kläger verspätet - nach Ablauf der vom [X.] für das schriftliche Verfahren bestimmten Frist - zusammen mit der Kopie einer Gesellschaftervereinbarung eingereichten Schriftsatz vom 9. August 2002 habe das [X.] wegen § 296a ZPO nicht mehr berücksichtigen dürfen. Auch die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung hätten nicht vorgelegen. Daß der Einzelrichter dem Prozeßbevollmächtigten des [X.] eine Verwertung des Schriftsat[X.] zugesichert habe, wie von [X.] vorgetragen, sei nicht bewiesen. Die Darlegungen und Beweismittel in jenem Schriftsatz seien daher neu im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO und man-gels Vorliegens eines der dort genannten Ausnahmetatbestände vom [X.] nicht mehr zu berücksichtigen.

I[X.] - 5 -

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision in einem [X.] Punkt nicht stand. Es mag dahinstehen, ob das [X.] wegen des nachgereichten Schriftsat[X.] vom 9. August 2002 zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet war, wie die Revision geltend macht. Das Berufungsgericht durfte jedenfalls den nach seinen unangegriffenen [X.] erstinstanzlich vom Kläger für die Abtretung der Klageforderung an ihn angebotenen Zeugenbeweis nicht deshalb ablehnen, weil der Kläger das Übergehen seines Beweisantrags in der Berufungsbegründung nicht gerügt hatte. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts ergibt sich insofern nicht aus § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO, sondern allein aus § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Das hat der [X.] inzwischen - nach Erlaß des Berufungsurteils - ent-schieden (Urteil vom 12. März 2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 1876, 1877 ff., für [X.] bestimmt). Der erkennende Senat schließt sich dem an.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht [X.] Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der ent-scheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Festgestellt in diesem Sinne sind auch Tatsachen, die das erstinstanzliche Gericht seiner Entscheidung ohne Prüfung ihrer Wahrheit in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt hat, etwa, weil sie nicht bestritten seien oder - wie hier - die beweisbelastete Partei für das von ihr behauptete Gegenteil keinen hinreichenden Beweis angeboten habe (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2004 - [X.]/03 - NJW 2004, 2152, 2153, für [X.] vorgesehen). Anhaltspunkte, die die Bindung des Berufungsgerichts entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern bei der Ermittlung des Sachverhalts ergeben (Begründung zum Regierungsentwurf eines Zivilprozeßreformgeset-- 6 -

[X.], BT-Drucks. 14/4722 S. 100; [X.], Urteil vom 12. März 2004 aaO S. 1876; Urteil vom 19. März 2004 aaO; Urteil vom 8. Juni 2004 - [X.]/03 - Um-druck S. 6 f.; Urteil vom 8. Juni 2004 - [X.]/03 - Umdruck S. 8 f.; jeweils m.w.[X.]), hier das Übersehen des vom Kläger ordnungsgemäß angetretenen Zeugenbeweises.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist dafür eine formale Berufungsrüge in der Begründung der Berufung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO nicht erforderlich. Die Vorschrift regelt lediglich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels, beschränkt aber nicht die inhaltliche Überprüfung des angefochtenen Urteils. Das ergibt sich auch nicht aus § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Nach den Geset[X.]materialien hat das Berufungsgericht Zweifeln an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststel-lungen selbst dann nachzugehen, wenn es sie unabhängig vom [X.] aufgrund lediglich bei ihm [X.] Tatsachen gewonnen hat (BT-Drucks. 14/4722 aaO). Dann kann und muß das Berufungsgericht jedoch erst recht konkrete Anhaltspunkte berücksichtigen, die ihre Grundlage im erstin-stanzlichen Vorbringen der Parteien haben, ohne Rücksicht darauf, ob der [X.] diesen Mangel zum Gegenstand einer Berufungsrüge gemacht hat. Für die Kontrolle der tatsächlichen Entscheidungsgrundlage des erstin-stanzlichen Urteils ist darum ausschließlich § 529 Abs. 1 ZPO und nicht § 529 Abs. 2 Satz 1 ZPO maßgebend; eine Vermischung mit der in § 529 Abs. 2 ZPO geregelten Rechtsfehlerkontrolle darf selbst dann nicht stattfinden, wenn die zu Zweifeln Anlaß gebenden Tatsachenfeststellungen im erstinstanzlichen Urteil zugleich auf einem Verfahrensmangel beruhen ([X.], Urteil vom 12. März 2004 aaO S. 1878 m.w.[X.], auch zu der Gegenmeinung; abweichend auch [X.], 139 f.). - 7 -

- 8 -

II[X.]

Hiernach kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die [X.] an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] [X.]

[X.]

[X.]

[X.]

Meta

III ZR 283/03

16.09.2004

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2004, Az. III ZR 283/03 (REWIS RS 2004, 1602)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1602

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