Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2004, Az. V ZR 308/03

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 701

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 308/03 Verkündet am: 12. November 2004 W i l m s , Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. November 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 20. Oktober 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand: [X.] Mit notariellem Vertrag vom 24. Oktober 2000 erwarb die Klägerin von der Beklagten ein mit einem Mehrfamilienhaus bebautes Grundstück in [X.]für 2 Mio. DM. Der Vertrag enthält einen Gewährleistungsausschluß sowie als Anlage eine Liste mit sämtlichen Mietverhältnissen und Angaben über Miethöhe, Nebenkosten und Wohnflächen. Diese Liste, so heißt es in dem Vertrag, sei zwischen den [X.] verbindlich und damit Vertrags-inhalt. Bestandteil der Liste sind zwei [X.] mit Wohnflä-chen von 48 bzw. 38 qm, die nach Behauptung der Klägerin ohne baurechtli-- 3 - che Genehmigung und entgegen den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausgebaut worden sind. Die Klägerin verlangt Ersatz der zur Herstellung eines genehmigungsfä-higen Zustands der [X.] erforderlichen Kosten sowie die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, den darüber hinausgehenden und noch nicht bezifferbaren Schaden zu ersetzen, der auf der Baurechtswid-rigkeit beruht. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Eine Zusicherung dahin, daß sämtliche Mietwohnungen baurechtlich genehmigt seien, hat es im Wege der Auslegung des Vertrages verneint. Das [X.] hat den Vertrag anders ausgelegt, eine Zusicherung bejaht und der Zahlungsklage dem [X.] nach wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft stattgegeben. [X.] hat es die begehrte Feststellung ausgesprochen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Auslegung des Vertrages nicht mit der davon abweichenden Auslegung des [X.]s näher auseinander-gesetzt, insbesondere nicht geprüft, ob diese Auslegung auf Umständen be-- 4 - ruht, an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet sind. I[X.] 1. Der Senat hat die Revision zur Klärung der Grundsatzfrage zugelas-sen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), ob das Berufungsgericht bei der Ausle-gung einer Individualvereinbarung wie ein Revisionsgericht an eine vertretbare, wenn auch von ihm für nicht überzeugend erachtete Auslegung des erstin-stanzlichen Gerichts gebunden ist. Diese Frage hat der VII[X.] Zivilsenat des [X.] inzwischen mit umfassender Begründung verneint (Urt. v. 14. Juli 2004, [X.] ZR 164/03, NJW 2004, 2751, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die Entscheidung fügt sich ohne Brüche in die eigene Rechtsprechung zu dem Prüfungsumfang des Berufungsgerichts ein. Einer Beschränkung unterliegt das Berufungsge-richt nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur hinsichtlich der im ersten Rechtszug festgestellten Tatsachen, nicht hinsichtlich der darauf beruhenden rechtlichen Wertung (vgl. Senat, Urt. v. 12. März 2004, [X.], NJW 2004, 1876, vorgesehen für [X.]). Folglich ist eine in erster Instanz vorgenommene Be-weiswürdigung nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich wenn konkrete [X.] Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der als Ergebnis der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen begründen (Senat, aaO), nicht hingegen, wenn es um die nach §§ 133, 157 BGB, also nach Kriterien des ma-teriellen Rechts zu beurteilende Auslegung von Individualvereinbarungen geht. Daß die revisionsrechtliche Überprüfbarkeit einer solchen Auslegung auch in der rechtlichen Bewertung, nämlich auf Verstöße gegen gesetzliche [X.], Denkgesetze und Erfahrungssätze, beschränkt ist, beruht auf den spezifischen Aufgaben des [X.] und ist auf das Berufungsgericht - 5 - nicht übertragbar, dem auch nach der Reform des Zivilprozesses durch das Gesetz vom 27. Juli 2001 ([X.] I S. 1887) die Aufgabe übertragen ist, das Interesse der Parteien an einer in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht überzeugenden Entscheidung ihres Einzelfalls zu befriedigen ([X.], Urt. v. 14. Juli 2004, [X.] ZR 164/03, NJW 2004, 2751, 2753, vorgesehen für [X.]). 2. Die Auslegung des Berufungsurteils selbst hält den Angriffen der Re-vision stand. Diese möchte lediglich ihr eigenes - in der Sache fernliegendes - Verständnis an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts setzen, zeigt aber keine Rechtsfehler auf, die dem Berufungsgericht unterlaufen wären. [X.] Entscheidung liegt auf der Linie der Senatsrechtsprechung (vgl. Urt. v. 22. Juni 1990, [X.], NJW-RR 1990, 1161; Urt. v. 2. Dezember 1988, [X.], NJW 1989, 1795). Soweit die Revision geltend macht, das Berufungsgericht habe in rechts-fehlerhafter Anwendung des § 531 Abs. 2 ZPO Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt, verkennt sie, daß das Berufungsgericht gerade offengelassen hat, ob das Vorbringen der Beklagten in einem erst am Tage der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz zuzulassen war. Es hat auch bei [X.] dieses Vorbringens keine Umstände gesehen, die der Annahme, die Beklagte habe die baurechtliche Zulässigkeit der Vermietung zugesichert, [X.]. Die Rüge, das Berufungsgericht habe gegen seine Verpflich-tung verstoßen, das gesamte in die Berufungsinstanz gelangte tatsächliche Vorbringen der Parteien zu berücksichtigen, entbehrt daher der Grundlage, ebenso die Annahme, Art. 103 Abs. 1 GG sei verletzt worden. Dasselbe gilt für die Rüge, das Berufungsgericht habe Vorbringen zur Bedeutung des Verweises in dem Vertrag auf die I[X.] Berechnungsverordnung übergangen. Das Berufungsgericht hat nichts übergangen, sondern die [X.] 6 - stände nur anders bewertet, als es die Beklagte für richtig erachtet. Im übrigen sind die Ausführungen zur Bedeutung des Hinweises auf die I[X.] Berechnungs-verordnung auch nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht erblickt darin eine ausdrückliche Vereinbarung einer Zusicherung. Selbst wenn dies nicht zuträfe, bliebe es bei der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei durch Auslegung ermittelten Zusicherung. Schließlich kann der Revision auch nicht gefolgt werden, wenn sie meint, das Fehlen einer Baugenehmigung und darauf beruhender Mietausfälle stellten keinen Schaden dar. Der Schaden besteht, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, darin, daß dem Kaufgegenstand die zugesicherte [X.] fehlt. Ein Mietshaus, in dem zwei Wohnungen entgegen der [X.] nicht vermietet werden dürfen, ist, verglichen mit dem angestrebten ver-traglichen Zustand, weniger wert. Auf die späteren [X.] kommt es dabei nicht an. Sie ändern nichts an der bestehenden Wert-differenz. Daß der Schaden häufig nach den Kosten für die Herrichtung des vertragsgerechten Zustands berechnet wird, stellt lediglich eine von der Recht-sprechung des [X.] gebilligte vereinfachte Berechnungsweise dar (siehe nur Senat, [X.] 108, 156, 160 m.w.N.). 3. Unbegründet ist auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht durch Grundurteil entscheiden dürfen. Der Erlaß eines Grundurteils setzt voraus, daß ein Anspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht ([X.] 53, 17, 23; [X.], Urt. v. 2. Oktober 2000, [X.], NJW 2001, 224, 225, st. Rspr.). Daß diese Vor-aussetzung hier gegeben ist, ist offensichtlich und vom Berufungsgericht zu Recht angenommen worden. Es war dabei nicht an die Schadenspositionen gebunden, die die Klägerin zur Begründung vorgetragen hat. Es kommt daher - 7 - nicht darauf an, ob jede dieser Positionen, was die Revision in Abrede stellt, einen ersatzfähigen Schaden darstellt. Diese Fragen sind im Betragsverfahren zu klären. 4. Schließlich leidet das angefochtene Urteil auch hinsichtlich der Fest-stellung einer Ersatzpflicht wegen weitergehender Schäden an keinem Rechts-fehler. Allerdings hat das Berufungsgericht nicht im einzelnen dargelegt, [X.] sich die - für die Begründetheit des Feststellungsantrags erforderliche (vgl. [X.], Urt. v. 15. Oktober 1992, [X.], NJW 1993, 648, 654 m.w.N.) - hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens ergibt, der über das hinaus-geht, was Gegenstand des [X.] ist. Insoweit kann aber auf das Vorbringen in der Klageschrift zurückgegriffen werden. Danach handelt es sich bei den damals noch nicht bezifferbaren Schäden zum einen um Kosten für Architektenleistungen und zum anderen um Mietausfälle. Beide Positionen stel-len ersatzfähige Schäden dar. Die Architektenleistungen dienten der [X.], die zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands erforderlich war. Die Mietausfälle stellen Folgeschäden dar. Daß die Klägerin - wie die Revision anmerkt - ohnehin einen Umbau ge-plant haben mag, für den Architektenleistungen erforderlich gewesen sein [X.], in denen die isolierte Genehmigungsplanung aufgegangen sein kann, ist ohne Belang. Es geht - wie bereits dargelegt - bei der Ermittlung der zur Her-stellung des vertragsgemäßen Zustands erforderlichen Kosten lediglich um eine vereinfachte Ermittlung des Minderwerts des Kaufgegenstands. Dieser Minderwert ist nicht davon abhängig, ob die Herrichtungskosten wirklich ange-fallen sind oder nicht. - 8 - Soweit die Revision gegenüber den geltend gemachten Mietausfällen rügt, es sei nicht ersichtlich, wieso die [X.] nicht bis zum - ohnehin geplanten - Umbau hätten vermietet werden können, übersieht sie, daß es sich um nicht genehmigten und daher auch nicht zulässigerweise nutz-baren Wohnraum gehandelt hat (Senat, Urt. v. 22. Juni 1990, [X.], NJW-RR 1990, 1161). Ob eine Genehmigung hätte herbeigeführt werden [X.], spielt dabei keine Rolle. II[X.] [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
[X.] Tropf [X.]
Lemke Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 308/03

12.11.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.11.2004, Az. V ZR 308/03 (REWIS RS 2004, 701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 701

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