Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2015, Az. I R 83/11

1. Senat | REWIS RS 2015, 5347

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Gegenstand

Sog. Vorbezug für Wohneigentum einer Schweizer öffentlich-rechtlichen Versicherungskasse für einen sog. Grenzgänger - Die Entscheidung wurde nachträglich zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt; sie war seit dem 24.02.2016 als NV-Entscheidung abrufbar.


Leitsatz

1. Der sog. Vorbezug für Wohneigentum einer öffentlich-rechtlichen Versicherungskasse eines Schweizer Kantons, der an einen sog. Grenzgänger ausbezahlt wird, ist weder nach § 3 Nr. 3 EStG 2002 (i.d.F. vor dessen Änderung durch das JStG 2007) noch nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2002 (i.d.F. des AltEinkG) steuerbefreit (Anschluss an BFH-Urteile vom 23. Oktober 2013 X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, sowie vom 26. November 2014 VIII R 39/10, BFHE 249, 39).

2. Obligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer öffentlich-rechtlichen Versicherungskasse eines Schweizer Kantons sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 steuerfrei. Überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer solchen Kasse sind als Beiträge i.S. des § 3 Nr. 62 Satz 4 Halbsatz 1 EStG 2002 innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG 2002 steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen sind die nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers anzurechnen (Anschluss an die BFH-Urteile vom 24. September 2013 VI R 6/11, BFHE 243, 210; vom 23. Oktober 2013 X R 33/10, BFHE 243, 332, BStBl II 2014, 103, und vom 26. November 2014 VIII R 39/10, BFHE 249, 39).

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.], [X.], vom 7. Juli 2011  3 K 1285/09 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid 2015 wird abgeändert. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen.

2. [X.] wird als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu 88 v.H. und der Beklagte zu 12 v.H. zu tragen.

Tatbestand

1

A. Die Kläger, Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2005 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide Kläger wohnten im Streitjahr im Inland und beide Kläger arbeiteten in [X.] als öffentlich-rechtliche Angestellte. [X.] wurden sie mit ihren Einkünften aus unselbständiger Arbeit als sog. Grenzgänger [X.] des Art. 15a des Abkommens zwischen der [X.] und der [X.]ischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 ([X.] 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.[X.] vom 21. Dezember 1992 ([X.] 1993, 1888, [X.], 928) --[X.] 1971/1992-- behandelt und unterlagen damit der Besteuerung im Inland.

2

Mit Beginn seiner Tätigkeit wurde der Kläger Mitglied der [X.] für das [X.] des Kantons S. Die [X.] dient der Sicherung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters, der Invalidität, des Todes und der unverschuldeten Nichtwiederwahl. Sie ist eine unselbständige öffentlich-rechtliche Anstalt des Staates und eine registrierte Vorsorgeeinrichtung. Die Versicherung umfasst die nach dem ([X.]) [X.] über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge ([X.] --BVG--) vom 25. Juni 1982 obligatorisch zu versichernden Arbeitnehmer des Staates. Das [X.] enthält Mindestvorschriften, u.a. ergibt sich daraus, welche Personen Versicherungsleistungen erhalten und wie hoch diese Leistungen im Alter, im Todesfall oder im Invaliditätsfall mindestens sein müssen. Diese Leistungen werden als BVG-Mindestleistungen und das entsprechende Versicherungssystem als [X.] bezeichnet. In welcher Höhe Vorsorgeleistungen im Alter, im Todesfall oder im Invaliditätsfall tatsächlich bezahlt werden, ergibt sich aus den Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung. Diese Leistungen werden als reglementarische Vorsorgeleistungen bezeichnet. Sind diese Leistungen --wie üblich-- höher als die BVG-Mindestleistungen, spricht man vom [X.]. Die BVG-Mindestleistungen werden von der [X.] in jedem Fall gewährleistet. Aus diesem Grund führt die [X.] für jede versicherte Person zwei [X.], nämlich ein Versicherungsverhältnis gemäß der ([X.]) Verordnung über die [X.] für das [X.] vom 5. September 1989 und ein Versicherungsverhältnis gemäß [X.].

3

Der Kläger leistete im Streitjahr insgesamt Beiträge an die [X.] in Höhe von 7.370 [X.] (= 6.172,80 [X.] [regelmäßige Beiträge] + 1.197,60 [X.] Nachzahlungen). Die (regelmäßigen) Beiträge seines Arbeitgebers beliefen sich im Streitjahr auf 6.294 [X.] und für Nachzahlungen auf 1.197,60 [X.] (insgesamt: 7.491,60 [X.]).

4

Auch die Klägerin war Mitglied der [X.]. Zuvor gehörte sie zunächst vom 1. März 2001 bis zum 24. August 2004 dem [X.] an und seit diesem Zeitpunkt der Sparversicherung, deren Beiträge und Leistungen sich nach dem Beitragsprimat errechnen. Ihre Beiträge an die [X.] betrugen im Streitjahr 3.409 [X.].

5

Die [X.] gewährte den Klägern auf entsprechende Anträge einen Kapitalbezug zur Wohneigentumsförderung (sog. Vorbezug für Wohneigentum), und zwar dem Kläger in Höhe von 80.000 [X.] und der Klägerin in Höhe von 21.000 [X.], davon zugunsten des [X.] in Höhe von 34.234,25 [X.] und zugunsten der Klägerin in Höhe von 7.064 [X.] aus dem Obligatorium.

6

Die von den Klägern an die [X.] Steuerbehörden gerichteten Anträge auf Rückerstattung der einbehaltenen und abgeführten Quellensteuern von 5.110 [X.] (Kläger) sowie 1.260 [X.] (Klägerin) wurden unter Hinweis auf das sog. Kassenstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] 1971/1992 abgelehnt.

7

Der Beklagte, Revisionskläger und [X.] (das Finanzamt --[X.]--) setzte bei der Einkommensteuerveranlagung (zuletzt im Steuerbescheid vom 17. April 2009) den sog. Vorbezug von insgesamt 101.000 [X.] als Einnahmen aus sonstigen Bezügen [X.] von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung des [X.] der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz --AltEinkG--) vom 5. Juli 2004 ([X.], 1427, BStBl I 2004, 554) --EStG 2002 n.[X.]-- an. Deren Höhe berechnete er mit 65.145 € (= 101.000 [X.] [nach dem im Streitjahr maßgeblichen durchschnittlichen Umrechnungskurs von 100 [X.] = 64,50 €] ./. 32.573 € [nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 und 4 EStG 2002 n.[X.] "steuerfreier Teil der Rente"]). Unter Berücksichtigung des [X.] von jeweils 102 € ergaben sich danach sonstige Einkünfte des [X.] von 25.698 € und solche der Klägerin von 6.670 €. Die vom [X.] der Höhe nach auf 7.370 [X.] ermittelten Arbeitgeberbeiträge zur [X.] (den Kläger betreffend) und von 3.409 [X.] (die Klägerin betreffend) beurteilte das [X.] insgesamt als nach "§ 3 Nr. 62 EStG" steuerfrei. Diese Beiträge rechnete das [X.] im Rahmen der Ermittlung der Sonderausgaben den abziehbaren Vorsorgeaufwendungen hinzu (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 n.[X.]). Zur Ermittlung des letztlich als Sonderausgaben abziehbaren Betrages zog das [X.] von den --um den [X.] von 60 v.H. gekürzten-- Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Satz 4 EStG 2002 n.[X.]) den steuerfreien Arbeitgeberanteil zur [X.] wieder ab (§ 10 Abs. 3 Satz 5 EStG 2002 n.[X.]). Die eigenen Beiträge des [X.] an die [X.] in Höhe von 7.370 [X.] und diejenigen der Klägerin in Höhe von 3.409 [X.] berücksichtigte das [X.] bei der Ermittlung des abziehbaren Teils der Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 n.[X.] in vollem Umfang als Beiträge zu einer gesetzlichen Rentenversicherung.

8

Die von der [X.] vom sog. Vorbezug einbehaltene [X.]ische Quellensteuer in Höhe von insgesamt 6.370 [X.] (= 4.108,65 € unter Berücksichtigung des für das Streitjahr festgelegten jährlichen [X.]) zog das [X.] nach § 34c Abs. 1 (Satz 2) EStG 2002 n.[X.] in Höhe von 2.932 € von der tariflichen Einkommensteuer ab. Das geschah auf Antrag der Kläger aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 der Abgabenordnung --AO--) unter Hinweis auf die Anweisungen im von der [X.] Finanzverwaltung herausgegebenen sog. "Grenzgängerhandbuch" zu Fach A Teil 2 Nr. 2. Bei der Berechnung der anzurechnenden Steuer ging das [X.] davon aus, dass die anzurechnende Quellensteuer nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 5 i.V.m. Art. 15a Abs. 3 Buchst. a [X.] 1971/1992 auf 4,5 v.[X.] zu begrenzen sei.

9

Die Kläger vertraten die Auffassung, der Vorbezug unterliege nicht der Einkommensteuer. Ihre deswegen erhobene Klage war überwiegend erfolgreich (Finanzgericht --FG-- Baden-Württemberg, [X.], Urteil vom 7. Juli 2011  3 K 1285/09, abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1557). Zu Recht habe das [X.] zwar den Vorbezug in Höhe von insgesamt 101.000 [X.] zur Wohnungsförderung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 1 EStG 2002 n.[X.] als andere Leistung aus einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung und damit als steuerbare Einnahme aus sonstigen Einkünften beurteilt, für die [X.] auch das Besteuerungsrecht zustehe. Doch stelle der Vorbezug entgegen dem [X.] eine gemäß § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.[X.] steuerfreie Abfindung aufgrund einer (ausländischen) gesetzlichen Rentenversicherung dar. Ebenfalls zu Unrecht habe das [X.] --insoweit allerdings in Einklang mit den [X.] die gesamten Beiträge des Arbeitgebers zur beruflichen Vorsorge an die [X.] als nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.[X.] steuerfreie Lohnzuwendung behandelt. Steuerfrei seien hiernach lediglich die in das Obligatorium, nicht aber die in das [X.] der Kasse geleisteten Beiträge. Die Arbeitgeberbeiträge seien insoweit auch nicht nach § 3 Nr. 63 EStG 2002 n.[X.] steuerfrei. Jedoch seien die an die [X.]n geleisteten Beiträge zutreffend nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 n.[X.] als Sonderausgaben abgezogen worden, und zwar sowohl betreffend die Eigenbeiträge der Kläger als auch die von den Klägern unter Berücksichtigung des § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.[X.] von ihnen als Arbeitslohn zu versteuernden Arbeitgeberbeiträge an die Kassen; ausgespart blieben vom Abzug im Ergebnis --und ihrem Umfang nach begrenzt durch § 10 Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG 2002 n.[X.]-- die nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.[X.] steuerfreien Arbeitgeberbeiträge.

Das [X.] stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das [X.] aufzuheben und die Klage vollen Umfangs abzuweisen.

Die Kläger beantragen (sinngemäß), die Revision zurückzuweisen,

"zudem ([X.])" ...

"für den Fall, dass die Austrittsleistung, was den obligatorischen und den überobligatorischen Teil bzw. nur den obligatorischen Teil angeht, (...) als nicht nach § 3 Nr. 3 EStG 2002 steuerfrei eingestuft wird";

"dass die auf die überobligatorischen Beiträge entfallende Freizügigkeitsleistung (Vorbezug) als eine Leistung eingestuft wird, die auf nicht gesetzlich vorgeschriebenen Beiträgen beruht und somit mit der Auszahlung aus einer privaten Kapital/Renten-Versicherung vergleichbar ist. Mit der Konsequenz, dass als einzige Vorschrift für die Beurteilung der Steuerpflicht der § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (2002) in Betracht kommt. Somit könnten lediglich die im Auszahlungsbetrag enthaltenen Zinsen, die auf die überobligatorischen Beiträge entfallen, von steuerlicher Relevanz [X.]d. § 2 Abs. 1 EStG (2002) sein";

"dass sich nur für die Kapitalabfindung aus dem Obligatorium aus Art. 21 [X.] (1971/1992) ein [X.] Besteuerungsrecht (als Ansässigkeitsstaat) ergibt; für den Teil der Kapitalabfindung, der auf das Überobligatorium entfällt, ergibt sich ([X.]) aus dem Art. 19 Abs. 1 [X.] (1971/1992) ein Besteuerungsrecht des Kassenstaates '[X.]'";

"für den Fall, dass die Auszahlung des Überobligatoriums nachgelagert in [X.] (oder [X.]) der Besteuerung unterliegt, (...) hilfsweise ([X.]) die Freistellung der Arbeitgeberbeiträge in das Überobligatorium nach § 3 Nr. 62 S. 4 i.V.m. S. 2 + 3 EStG (2002)";

"für den Fall, dass die Auszahlung als Einkünfte nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (2002) eingestuft wird, (...) die Zuweisung des alleinigen Besteuerungsrechtes des gesamten [X.] (Obligatorium und Überobligatorium) an den Kassenstaat '[X.]' (Art. 19 Abs. 1 [X.] [1971/1992])".

Entscheidungsgründe

B.

...

C.

Die Revision des [X.] ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur geänderten Steuerfestsetzung. Das [X.] hat zwar zu Recht die Auszahlung der an die Kläger geleisteten sog. Vorbezüge als steuerbar angesehen, diese jedoch zu Unrecht als nach § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. steuerfrei behandelt. Die steuerpflichtigen Leistungen können allerdings gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG 2002 n.F. ermäßigt besteuert werden. Dieser Teilerfolg der Klage wird nicht dadurch geschmälert, dass den Klägern --entgegen der Annahme der Vorinstanz, nunmehr aber wohl auch des [X.]-- die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.F. der in das sog. Obligatorium geleisteten Arbeitgeberbeiträge genommen würde. Eine darüber hinausgehende Steuerbefreiung auch der Arbeitgeberbeiträge, welche in das sog. [X.] geleistet worden sind, scheidet indessen aus, die diesbezügliche Anschlussrevision der Kläger ist unbegründet. Im Übrigen werden die in "Anschlussrevisionen" gekleideten Revisionsanträge vom [X.] als bloßes Einwenden in der Sache behandelt. Als solche sind die Einwendungen aber gleichermaßen nicht tragfähig.

1. Dass es sich bei dem sog. Vorbezug zur Wohneigentumsförderung um eine gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG 2002 n.F. steuerbare Leistung handelt, welche dem [X.] Besteuerungsrecht unterfällt, ergibt sich bereits abschließend aus dem zitierten Zwischenurteil des [X.]s in [X.]/NV 2015, 20. Gleiches betrifft die Möglichkeit einer über die durch den vom [X.] gewährten [X.] hinausgehenden Anrechnung in [X.] erhobener Ertragsteuern. Es ist insoweit auf das Zwischenurteil zu verweisen. Denn durch dieses Urteil ist in verbindlicher Weise rechtskräftig über die abgeschichteten (Teil-)Fragen, die die Kläger aufwerfen, entschieden worden. Eine erneute und gegebenenfalls abweichende Entscheidung über diese Fragen scheidet aus.

2. In der Sache muss nach der damit abgeschichteten Klärung der erwähnten Streitfragen durch das Zwischenurteil noch über die weiterhin streitgegenständlichen und ihrerseits ebenfalls entscheidungserheblichen Rechtsfragen entschieden werden, ob --erstens-- der sog. Vorbezug nach § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. steuerbefreit ist, und ob er, verneint man das, gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG 2002 n.F. ermäßigt besteuert werden kann, und/oder, ob --zweitens-- die geleisteten Arbeitgeberbeiträge nach § 3 Nr. 62 EStG 2002 n.F. steuerfrei sind.

a) Entgegen der Auffassung des [X.] ist der Vorbezug, soweit er auf das Obligatorium entfällt, nicht gemäß § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. steuerfrei. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des [X.]-Urteils.

[X.]) Steuerfrei sind im Streitjahr nach dieser Vorschrift [X.] aufgrund der gesetzlichen Rentenversicherung und aufgrund der [X.]. Der [X.] schließt sich der Rechtsprechung des [X.] des [X.] an, wonach die Anwendung des § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. auf eine Kapitalleistung einer ausländischen Rentenversicherung nur gerechtfertigt ist, wenn sich die Leistungen im Wesentlichen entsprechen und demselben Zweck dienen. Kapitalabfindungsansprüche der [X.] Versorgungssysteme sind dadurch gekennzeichnet, dass sie den Wegfall bestehender Renten- oder Versorgungsansprüche kompensieren (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 243, 332, [X.], 103). Auf dieser Grundlage hat der [X.] sog. Austrittsleistungen zur Abfindung des Altersguthabens von einer [X.] Pensionskasse an einen Steuerpflichtigen, der mangels Erreichens der Altersgrenze noch keinen Rentenanspruch gegen die Pensionskasse geltend machen konnte, nicht als eine steuerbefreite Kapitalabfindung beurteilt, die für den Verlust eines bestehenden Anspruchs auf Versorgungsleistungen gewährt worden ist, sondern als einen besonderen "Auszahlungsmodus von erworbenen Ansprüchen bis zum Ausscheidenszeitpunkt" aus der Pensionskasse. Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. scheide dafür aber aus. Auch für einen Vorbezug, der zur Wohnraumförderung von einer privaten [X.] Pensionskasse gezahlt wurde, hat der [X.]. [X.] des [X.] zwischenzeitlich die Steuerbefreiung verneint, weil dadurch nicht ein schon bestehender Rentenanspruch des Empfängers abgefunden worden ist ([X.]-Urteil vom 26. November 2014 [X.] R 39/10, [X.]E 249, 39; s.a. [X.]-Beschluss vom 25. März 2010 X B 142/09, [X.]/NV 2010, 1275, für den von einer [X.] Freizügigkeitsstiftung geleisteten Vorbezug). Die Entscheidungen in [X.]E 243, 332, [X.], 103 und in [X.]E 249, 39 betrafen übereinstimmend mit dem Streitfall die für das Streitjahr 2005 maßgebende Regelungsfassung des § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. vor dessen Änderung durch das Jahressteuergesetz ([X.]) 2007 vom 13. Dezember 2006 ([X.], 2878, [X.], 28).

Dem schließt sich der [X.] auch für die hier in Rede stehenden Vorbezüge, die seitens der öffentlich-rechtlich strukturierten [X.]n des [X.] an die Kläger ausbezahlt worden sind, an. Insbesondere veranlasst die seinerzeitige Regelungsfassung von § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F. es nicht, abweichend von den beiden Entscheidungen die abfindungsbedingte Kürzung erst zukünftiger Rentenleistungen genügen zu lassen. Der dagegen gerichtete Einwand der Kläger, das Erfordernis eines bereits bestehenden Rentenanspruchs lasse sich dem [X.] als der nachfolgenden Regelungsfassung des § 3 Nr. 3 EStG 2002 n.F.-- nicht entnehmen (so deren Prozessbevollmächtigter, vgl. [X.], Internationales Steuerrecht 2015, 683, 685), wird nur unspezifisch behauptet, nicht aber begründet. Er wird durch die verschiedenen Gesetzesfassungen auch nicht getragen. Infolgedessen kann dahinstehen, ob sich --wie die Kläger meinen-- aus den tatrichterlichen Feststellungen eine Kürzung zukünftiger Versorgungsansprüche infolge der Inanspruchnahme der gezahlten Vorbezüge herleiten lässt oder nicht. Aussagekräftige Belege dazu hat der [X.] davon abgesehen aber ohnehin auch nicht vorfinden können.

bb) Eine Steuerfreiheit der gezahlten Vorbezüge, soweit sie sich aus dem sog. [X.] speisen, lässt sich entgegen dem [X.] Vorbringen der Kläger auch nicht aus § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 (i.V.m. § 52 Abs. 36 Satz 5) EStG 2002 n.F. herleiten. Das käme nur in Betracht, sofern es sich um die Auszahlung aus einer privaten Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht handeln würde (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 249, 39, s. dazu [X.], [X.] --HFR-- 2015, 747), was aber ersichtlich nicht der Fall ist.

cc) Der nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. [X.] EStG 2002 n.F. steuerpflichtige obligatorische Vorbezug von 32.368 € ist allerdings, wovon zwischenzeitlich auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, nach § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG 2002 n.F. ermäßigt zu besteuern. Der [X.] verweist auch insofern auf das [X.]-Urteil in [X.]E 243, 332, [X.], 103. Das [X.] hat dazu zwar eine "Probeberechnung" vorgelegt, diese jedoch noch nicht in einen geänderten Steuerbescheid eingehen lassen. Die Änderung ist hiernach im Rahmen der Entscheidung über die Revision vorzunehmen; die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem [X.] übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 [X.]O).

b) Es bleibt unbeanstandet, dass das [X.] --insoweit abweichend vom [X.] und zuungunsten der Kläger: [X.] die in das sog. Obligatorium geleisteten Arbeitgeberbeiträge, nicht aber die in das sog. [X.] geleisteten Arbeitgeberbeiträge als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt hat: Obligatorische Arbeitgeberbeiträge zu der öffentlich-rechtlichen [X.] sind nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.F. steuerfrei; überobligatorische Arbeitgeberbeiträge zu einer solchen Kasse sind als Beiträge i.S. des § 3 Nr. 62 Satz 4 Halbsatz 1 EStG 2002 n.F. innerhalb der Grenzen des § 3 Nr. 62 Satz 3 EStG 2002 n.F. steuerfrei; auf die danach steuerfreien Arbeitgeberleistungen sind die nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.F. steuerfreien Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers anzurechnen. Auch insoweit kann, um Wiederholungen zu vermeiden, uneingeschränkt auf die [X.]-Urteile in [X.]E 243, 332, [X.], 103 und in [X.]E 249, 39, sowie zusätzlich auch auf das [X.]-Urteil vom 24. September 2013 VI R 6/11, [X.]E 243, 210 Bezug genommen werden. Der [X.] macht sich die dort gegebenen Begründungen zu eigen.

Infolgedessen ist die Revision des [X.] in diesem Punkt ebenso unbegründet wie die von den Klägern insoweit nach § 155 [X.]O i.V.m. § 554 der Zivilprozessordnung --zulässigerweise (vgl. z.B. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 120 Rz 83, m.w.N. zur Rechtsprechung) bedingt-- eingelegte Anschlussrevision (wobei, was das [X.] anbelangt, hinzukommt, dass dieses sich jetzt gegen die eigene Steuerfestsetzung wehrt und ein diesbezügliches Begehren ohnehin nur im Rahmen einer streitwertbetraglichen Saldierung berücksichtigt werden könnte): Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 62 Satz 1 und Satz 4 EStG 2002 n.F. sind bezogen auf das [X.] nicht erfüllt. Unterschiede zwischen einer öffentlich-rechtlichen und einer privaten Pensions- oder [X.] sind --mit allerdings voneinander abweichenden Rechtsfolgen sowohl entgegen der Annahme der Kläger als auch jener des [X.]-- in diesem Punkt nicht veranlasst. Namentlich ist nicht ersichtlich, weshalb nicht zwischen den Beiträgen in das Obligatorium einerseits und das [X.] andererseits differenziert werden können sollte. Die vom [X.] eingeforderte, aber nicht näher begründete einheitliche Behandlung beider Bereiche der [X.] Versorgungsstrukturen ist bei dem Vergleich, der im Rahmen des § 3 Nr. 62 EStG 2002 n.F. mit der [X.] gesetzlichen Sozialversicherung anzustellen ist, keineswegs geboten, auch nicht --wie aber das [X.] meint-- aus Gründen der "Konsequenz". Dass dadurch gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot und den dadurch geschützten Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen oder auch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde, ist nicht erkennbar; der diesbezügliche Vortrag der Kläger ist in der Sache nicht nachvollziehbar. Ob und inwieweit sich das im Zuge der Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden durch das [X.] zuungunsten der Kläger auswirkt und nach Maßgabe von § 176 Abs. [X.] in Anbetracht einer insoweit gegenläufigen Verwaltungspraxis (s.a. [X.], [X.], 747, 748) auswirken darf, ist nicht Gegenstand dieser Entscheidung.

c) Und unbeanstandet bleibt schließlich auch --insoweit unter den Beteiligten nicht streitig--, dass das [X.] die von den Klägern geleisteten Beiträge an die [X.]n ebenso wie die Arbeitgeberbeiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 n.F. als Sonderausgaben zum Abzug zugelassen, die nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG 2002 n.F. steuerfreien Arbeitgeberbeiträge danach jedoch wiederum nach Maßgabe von § 10 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG 2002 n.F. hinzugerechnet hat (s.a. dazu [X.]-Urteil in [X.]E 249, 39; [X.], [X.], 747, 748).

3. Schließlich folgt der [X.] dem [X.] des [X.] (in dessen Urteil vom 18. November 2009 [X.], [X.]E 227, 99, [X.], 414) auch darin, dass die nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG 2002 n.F. auf Höchstbeträge beschränkte Abziehbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen in verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist (ebenso z.B. Förster, [X.] Steuerrecht --DStR-- 2010, 137; [X.], [X.], 1545; anders z.B. [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], § 10 EStG Rz 335). Er nimmt deshalb auf das Urteil in [X.]E 227, 99, [X.], 414 Bezug. Die dagegen (beim [X.] --[X.]-- unter dem [X.]. 2 BvR 288/10) eingelegte Verfassungsbeschwerde veranlasst ihn nicht zu einer Verfahrensaussetzung (nach § 74 [X.]O). Dem [X.] bleibt es aber unbenommen, im Rahmen der ausstehenden Änderung des angefochtenen Steuerbescheides diesen zugunsten der Kläger bis zum Ergehen der Entscheidung des [X.] mit einem entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 Abs. 1 [X.] zu versehen (vgl. dazu [X.], Erlass vom 16. Mai 2011, [X.], 464 und die dem beigefügte Anlage 1).

4. [X.] beruht auf § 136 Abs. 1 [X.]O. Sie umfasst die Kosten für das Zwischenurteil ebenso wie für die von den Klägern eingelegte Anschlussrevision betreffend die Steuerfreiheit der Arbeitgeberbeiträge. Die Berechnung der Kostenquote orientiert sich dabei an dem Verhältnis des Streitwerts zu der vom [X.] vorgelegten "Probeberechnung" zur Berücksichtigung von § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 4 EStG 2002 n.F.

Meta

I R 83/11

16.09.2015

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 7. Juli 2011, Az: 3 K 1285/09, Urteil

§ 3 Nr 3 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 3 Nr 62 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 20 Abs 1 Nr 6 S 2 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 22 Nr 1 S 3 Buchst a DBuchst aa EStG 2002 vom 05.07.2004, § 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG 2002 vom 05.07.2004, § 10 Abs 3 S 2 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 10 Abs 3 S 3 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 34 Abs 1 EStG 2002 vom 05.07.2004, § 34 Abs 2 Nr 4 EStG 2002 vom 05.07.2004, EStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.09.2015, Az. I R 83/11 (REWIS RS 2015, 5347)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5347

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