Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2023, Az. 2 BvR 676/23

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 3816

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde mangels Darlegung eines spezifischen Grundrechtsverstoßes bei Anwendung von Unionsrecht


Tenor

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt (…) wird abgelehnt.

2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

3. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegenstandslos (§ 40 Abs. 3 GOBVerfG).

Entscheidungsgründe

1

[X.] mit [X.] Staatsangehörigkeit, die der Volksgruppe [X.] angehört. Sie wenden sich gegen Feststellungen des Nichtbestehens ihres unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts und deren sofortige Vollziehbarkeit sowie die Versagung hiergegen gerichteten gerichtlichen Eilrechtsschutzes.

2

[X.] gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geltend, der in den angegriffenen Entscheidungen liegende Eingriff in ihre Unionsbürgerrechte auf Freizügigkeit gemäß Art. 20 und 21 AEUV habe die im Unionsrecht normierten und anerkannten Grenzen dieser Freizügigkeitsrechte nicht beachtet. Außerdem [X.] sie eine Verletzung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und eine Verletzung des Rechts auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sowie eine Verletzung des Rechts auf Nichtdiskriminierung gemäß Art. 21 [X.].

3

1. Es kann offen bleiben, ob aus der Rechtsprechung des [X.] zur Prüfung von Grundrechten der Europäischen Grundrechtecharta (vgl. [X.] 152, 152 <169 ff. Rn. 42 ff.>; 152, 216 <233 ff. Rn. 42 ff.>; 156, 182 <197 ff. Rn. 36 ff.>; 158, 1 <23 ff. Rn. 35 ff.>) folgt, dass - wie die Beschwerdeführer meinen - Verstöße gegen Art. 20, 21 AEUV in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG als Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit vor dem [X.] geltend gemacht werden können.

4

2. Denn einen solchen Verstoß legen die Beschwerdeführer nicht den Anforderungen an eine Verfassungsbeschwerde entsprechend dar.

5

a) Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen, bedarf es nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen und ihren jeweiligen Begründungen (vgl. [X.] 140, 229 <232 Rn. 9>; 149, 346 <359 Rn. 24>; [X.]K 14, 402 <417>). Dabei muss ein Beschwerdeführer detailliert darlegen, dass die Entscheidungen auf dem gerügten Grundrechtsverstoß beruhen (vgl. [X.] 89, 48 <60>) und insofern alle die Entscheidungen tragenden Gründe substantiiert in Zweifel ziehen (vgl. [X.] 105, 252 <264>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 14. Mai 2021 - 2 BvR 1336/20 -, Rn. 10).

6

Fachgerichtliche Entscheidungen sind durch das [X.] nur daraufhin zu prüfen, ob sie Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Grundrechte beruhen (vgl. [X.] 25, 28 <35>; 30, 173 <188>; 79, 69 <74>; 99, 145 <160>). Zweifel oder auch Fehler bei der Anwendung des einfachen Rechts begründen für sich genommen noch keinen Verfassungsverstoß (vgl. [X.] 13, 318 <325>; 18, 85 <92 f.>; 70, 93 <97>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Juni 1993 - 1 BvR 1346/89 -, juris, Rn. 4).

7

b) Die Verfassungsbeschwerde macht eine fehlerhafte Anwendung des Unionsrechts durch die [X.] Gerichte geltend, erläutert jedoch nicht, inwieweit darin ein spezifischer Grundrechtsverstoß liegen soll. Die Ausführungen zur Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG und des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügen den Substantiierungsanforderungen nicht. Sie können auch die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten der Grundrechtecharta nicht begründen.

8

Soweit die Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 21 [X.] [X.], bleibt die Verfassungsbeschwerde pauschal, auch wenn die Annahme plausibel ist, dass Sinti und Roma - wie vorgetragen - vielfältigen Diskriminierungserfahrungen ausgesetzt sein können.

9

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt (…) ist abzulehnen, weil die Verfassungsbeschwerde aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 676/23

26.06.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 11. Mai 2023, Az: 7 B 1998/22, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, Art 20 AEUV, Art 21 AEUV, Art 21 EUGrdRCh

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 26.06.2023, Az. 2 BvR 676/23 (REWIS RS 2023, 3816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3816

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2 BvR 1336/20

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