Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.09.2015, Az. B 1 KR 19/15 B

1. Senat | REWIS RS 2015, 5770

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Gegenstand

(sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - rechtsfehlerhafte Auslegung von Prozesserklärung - Zulässigkeit der Revision - Krankenversicherung - teilnehmender Versicherter an hausarztzentrierten Versorgung - keine Ansprüche auf Leistungen aus einem HzV-Vertrag für Zeiträume nach Beendigung des HzV-Vertrages - gilt auch für Prämienzahlungen und Zuzahlungsermäßigungen nach § 53 Abs 3 S 2 SGB 5)


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 13. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin nahm an der zwischen der Beklagten und dem [X.] ([X.]) vereinbarten hausarztzentrierten Versorgung ([X.]) teil ([X.]). Die Beklagte sah als Leistungen für an der [X.] teilnehmende Versicherte ua diverse Vorsorgeuntersuchungen und die Beschränkung der Praxisgebühr auf 10 Euro im Jahr vor. Die Beklagte kündigte den [X.]-Vertrag außerordentlich zum 31.12.2010. Der [X.] ist im einstweiligen Rechtsschutz erfolglos geblieben ([X.] vom 22.2.2011 - L 12 [X.] 2/11 B [X.] - [X.] 2011, 401). Die Beklagte stellte gegenüber der Klägerin fest, dass ihre Teilnahme an der [X.] ab 2011 beendet und sie nicht länger von der Praxisgebühr befreit sei (Bescheid vom 21.1.2011; Widerspruchsbescheid vom 19.5.2011). Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, weiterhin die von der Beklagten für die Teilnahme an der [X.] vorgesehenen Leistungen und Zuzahlungsermäßigungen zu erhalten, beim [X.] erfolglos geblieben. Im Hinblick auf einen mit Wirkung vom [X.] neu abgeschlossenen [X.]-Vertrag, an dem die Klägerin teilnimmt, hat sie im Berufungsverfahren nur noch beantragt, die Rechtswidrigkeit der erledigten Feststellung der Beklagten festzustellen. Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen: Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil es am besonderen Interesse, die Rechtswidrigkeit festzustellen, fehle. Insbesondere liege keine Wiederholungsgefahr vor. Die [X.] habe in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie in vergleichbaren Fällen zukünftig keine Aufhebungsbescheide mehr erlassen werde. Auch die abstrakte Möglichkeit der Kündigung eines [X.]-Vertrags genüge nicht. Zudem hätten sich die Rahmenbedingungen geändert, weil eine Praxisgebühr nicht mehr zu entrichten sei, und die Beklagte könne auch mit anderen als dem [X.] einen [X.]-Vertrag schließen (Urteil vom 13.1.2015).

2

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im L[X.]-Urteil.

3

II. Soweit die Beschwerde zulässig einen Revisionszulassungsgrund geltend macht, ist sie nicht begründet. Zwar liegt der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) vor (dazu 1.). Nach dem Rechtsgedanken des § 170 Abs 1 S 2 [X.]G kann aber eine Revision keinen Erfolg haben. In einem solchen Falle ist für die Zulassung der Revision oder eine Zurückverweisung nach § 160a Abs 5 [X.]G kein Raum (dazu 2.). Im Übrigen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht die für die Zulässigkeit der Beschwerde maßgeblichen Darlegungsvoraussetzungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G. Soweit die Klägerin die Beschwerde auch auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) stützt, legt sie die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar (dazu 3.).

4

1. Das L[X.]-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G), den die Klägerin entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.]G bezeichnet. Zu Recht rügt die Klägerin, das L[X.] hätte in der Sache entscheiden müssen und ihre Berufung nicht wegen Unzulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage zurückweisen dürfen.

5

Indem das L[X.] die Fortsetzungsfeststellungsklage als unzulässig angesehen hat, hat es der Klägerin insoweit rechtsfehlerhaft eine Sachentscheidung verwehrt. Darin liegt ein Verfahrensmangel, der im Rahmen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G zu berücksichtigen ist (vgl zum Verfahrensfehler infolge einer zu Unrecht erfolgten oder unterlassenen Sachentscheidung B[X.]E 3, 293, 297 f; B[X.]E 4, 200, 201; B[X.]E 39, 200, 201 = [X.] 1500 § 144 [X.]; B[X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 AL 23/02 R - Juris Rd[X.]0; B[X.] Beschluss vom 18.9.2003 - B 9 V 82/02 B - Juris RdNr 5; B[X.] [X.] 4-1500 § 158 [X.] RdNr 6; B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] RdNr 6; B[X.] Beschluss vom 24.2.2011 - B 14 [X.]/10 B - Juris RdNr 5; B[X.] Beschluss vom 13.6.2013 - B 13 R 437/12 B - Juris RdNr 9; B[X.] Beschluss vom 4.3.2014 - B 1 KR 43/13 B - Juris RdNr 6 mwN; B[X.] Beschluss vom [X.] KR 18/15 B - Juris RdNr 6).

6

Das L[X.] hat zu Unrecht die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage wegen fehlenden Feststellungsinteresses verneint, indem es auf die Behauptung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgestellt hat, dass sie zukünftig in vergleichbaren Fällen keinen Aufhebungsbescheid mehr erlassen werde. Bei [X.] hat das Revisionsgericht - anders als bei materiell-rechtlichen Erklärungen (vgl zu Letzteren zB B[X.]E 75, 92, 96 = [X.] 3-4100 § 141b [X.] mwN) - die Auslegung der Erklärung in vollem Umfang zu überprüfen, also das wirklich Gewollte, das in der Äußerung erkennbar ist, zu ermitteln (B[X.] [X.] 4-1500 § 158 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 AL 23/02 R - Juris Rd[X.]1; B[X.] Urteil vom 29.5.1980 - 9 RV 8/80 - Juris; B[X.]E 21, 13, 14 = [X.] Nr 5 zu § 156 [X.]G; [X.], [X.], 2. Aufl 2010, [X.]). Dabei ist nach dem in § 133 BGB zum Ausdruck gekommenen allgemeinen Rechtsgedanken, der auch im öffentlichen Recht und im Prozessrecht gilt, bei der Auslegung von Erklärungen nicht am Wortlaut zu haften, sondern der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen (B[X.] [X.] 4-1500 § 158 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 11 AL 23/02 R - Juris Rd[X.]1). Bei der Auslegung sind zudem das Willkürverbot gemäß Art 3 Abs 1 GG, das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art 19 Abs 4 GG und das Rechtsstaatsprinzip zu beachten. Das Rechtsstaatsprinzip verbietet es dem [X.], das Verfahrensrecht so auszulegen und anzuwenden, dass den Beteiligten der Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten [X.] und Rechtsmittelinstanzen in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl [X.] 77, 275, 284 mwN). Eine angemessene Auslegung dient zugleich der Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes (vgl dazu [X.] 107, 395, 401 ff = [X.] 4-1100 Art 103 [X.] RdNr 5 ff; [X.] 110, 77, 85; zur Auswirkung des verfassungsrechtlichen Auftrags der Gerichte zur Gewährung effektiven und möglichst lückenlosen Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt auf die Auslegung von [X.] vgl auch B[X.] [X.] 4-1500 § 92 [X.] RdNr 9; zur Auslegung vgl auch Senat [X.] 4-1500 § 158 [X.] Rd[X.]4 mwN).

7

Danach hätte das L[X.] den Fortsetzungsfeststellungsantrag nur dahin verstehen können, dass die Klägerin umfassend die Feststellung begehrte, aus dem bisher geltenden [X.]-Vertrag und den sich hierauf beziehenden satzungsrechtlichen Regelungen der Beklagten auch zukünftig Leistungsansprüche bzw Zuzahlungsermäßigungen für sich ableiten zu können. Dies geht schon aus der in der Sitzungsniederschrift festgehaltenen Erklärung der Klägerin hervor, dass Klarheit bestehen müsse, wie vorzugehen sein werde, wenn künftig eine [X.] eine [X.], an der sie teilnehme, beende und welche Möglichkeiten der Klägerin dann zu Gebote stünden.

8

Soweit das L[X.] ergänzend darauf abgestellt hat, dass eine abstrakte Gefahr der Kündigung des [X.]-Vertrags kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne der Vorbeugung einer Wiederholungsgefahr zu begründen vermöge, hat es sich nicht damit auseinandergesetzt, dass zwischen der Beklagten und dem [X.] erhebliche Konflikte (fort-)bestehen, die einen vertragslosen Zustand keineswegs als eine bloß abstrakte Frage erscheinen lassen. Diese Problematik ist [X.]. Das L[X.] verweist insoweit selbst darauf, dass der ab [X.] geltende [X.]-Vertrag aufgrund eines nicht abgeschlossenen Schiedsverfahrens weiter Anwendung finde (vgl dazu den Sachverhalt im Urteil des [X.] München vom [X.] [X.] 696/12 - Juris; s ferner [X.] München Urteil vom 24.6.2015 - [X.] [X.] 620/15 [X.] - www.sozialgerichtsbarkeit.de; vgl hierzu ergänzend auch http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/54983/AOK-Bayern-kuendigt-Hausarztvertrag; [X.]; s ferner http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/62965/Hausarztvertrag-Huml-zwingt-AOK-zur-Umsetzung; alle abgerufen am [X.]). Im Ergebnis nichts anderes gilt für das Argument des L[X.], dass eine Wiederholungsgefahr auch deswegen entfalle, weil die Beklagte auch mit anderen Vertragspartnern als dem [X.] einen [X.]-Vertrag abschließen könne. Unter Berücksichtigung des hohen Organisationsgrades der Hausärzte im [X.] (nach dessen Angaben 75 %, vgl [X.]; abgerufen am [X.]) ist gerade dies vor dem Hintergrund der [X.] nach § 73b Abs 4 S 1 [X.]B V nur eine theoretische Möglichkeit. Auf die Frage, ob das Feststellungsinteresse entfallen sein könnte, weil die Praxisgebühr durch Streichung des § 28 Abs 4 [X.]B V mit Wirkung vom 1.1.2013 (durch Art 1 [X.] Gesetz zur Regelung des [X.] in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, [X.]) nicht mehr zu entrichten ist, kommt es schon deswegen nicht an, weil nach § 53 Abs 3 S 2 [X.]B V neben Prämienzahlungen auch andere Formen der Zuzahlungsermäßigungen in Betracht kommen und der Klägerin es auch um die Weitergewährung sonstiger im [X.]-Vertrag vereinbarter erweiterter Leistungen geht.

9

2. Für die Zulassung der Revision oder eine Zurückverweisung nach § 160a Abs 5 [X.]G ist indes kein Raum, wenn feststeht, dass das angefochtene L[X.]-Urteil unabhängig vom Vorliegen der geltend gemachten Zulassungsgründe aus anderen als den vom Berufungsgericht angestellten Erwägungen Bestand haben wird (Rechtsgedanke des § 170 Abs 1 S 2 [X.]G im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde; vgl B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]3 RdNr 8 f mwN). Eine sich formgerecht auf einen Verfahrensfehler stützende Nichtzulassungsbeschwerde ist in solchen Fällen unbegründet. So verhält es sich hier.

Nach Wortlaut (dazu a) und Regelungszweck (dazu b) des § 73b [X.]B V - jeweils in Einklang mit dessen Entstehungsgeschichte - sowie nach dem Regelungssystem der Anspruchsberechtigung der Versicherten (dazu c) können einem an der [X.] teilnehmenden Versicherten keine Ansprüche auf Leistungen aus einem [X.]-Vertrag für Zeiträume nach Beendigung des [X.]-Vertrages zustehen. Nichts anderes ergibt sich für Prämienzahlungen und Zuzahlungsermäßigungen nach § 53 Abs 3 S 2 [X.]B V (dazu d).

a) § 73b Abs 5 [X.]B V (idF durch Art 1 [X.] Gesetz zur Stärkung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung <[X.]-[X.]stärkungsgesetz - [X.]-W[X.]> vom [X.], [X.]) bestimmt: "In den Verträgen nach Absatz 4 sind das Nähere über den Inhalt und die Durchführung der hausarztzentrierten Versorgung, insbesondere die Ausgestaltung der Anforderungen nach Absatz 2, sowie die Vergütung zu regeln. Eine Beteiligung der [X.] bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anforderungen nach Absatz 2 ist möglich. Gegenstand der hausarztzentrierten Versorgung dürfen nur solche Leistungen sein, über deren Eignung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung der Gemeinsame [X.] nach § 91 im Rahmen der Beschlüsse nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Einzelverträge können Abweichendes von den Vorschriften dieses Kapitels sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen regeln. § 106a Abs. 3 gilt hinsichtlich der arzt- und versichertenbezogenen Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit entsprechend." Hiernach eröffnete der Gesetzgeber des [X.]-W[X.] den [X.]n und den anderen sich aus § 73b Abs 4 [X.]B V ergebenden möglichen Vertragspartnern einen erheblichen Spielraum zur Ausgestaltung der Leistungsansprüche der Versicherten, die freiwillig an der [X.] teilnehmen. Insbesondere können danach [X.]-Verträge Leistungen für die teilnehmenden Versicherten vorsehen, die unter Beachtung der sich aus § 73b Abs 5 [X.] [X.]B V ergebenden Grenzen über den [X.]-Leistungskatalog hinausgehen. Dies steht in Einklang mit der Begründung zu Art 1 [X.] des [X.]-W[X.]-Entwurfs der Fraktionen der [X.] und [X.]. Dort heißt es (BT-Drucks 16/3100 [X.]): "Absatz 5 regelt, dass die Ausgestaltung der hausarztzentrierten Versorgung im Einzelnen den Vertragspartnern obliegt, d.h. insbesondere die Mindestanforderungen nach Absatz 2 zu operationalisieren und eine angemessene Vergütung zu vereinbaren. Hinsichtlich des [X.] der Vertragspartner bezüglich Inhalt und Organisation der hausärztlichen Versorgung lehnt sich die Regelung in Absatz 5 an die entsprechende Vorschrift in § 140b Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 an. (…)".

b) Dies entspricht auch dem Regelungszweck des durch Art 1 [X.] Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) vom 14.11.2003 ([X.]-Modernisierungsgesetz - [X.], [X.] 2190) in das [X.]B V eingefügten § 73b [X.]B V. Er verpflichtet die [X.]n, ihren Versicherten eine qualitativ besonders hoch stehende hausärztliche Versorgung bereitzustellen und den [X.]n zur Erfüllung dieser Verpflichtung über das geltende Recht hinaus Gestaltungsspielraum zur einzelvertraglichen Ausgestaltung des Versorgungsgeschehens zu geben. Die [X.]n bekommen die Chance, im Rahmen der gesamtvertraglichen Vorgaben die hausarztzentrierte Versorgung in dem Vertrag mit dem Hausarzt auszugestalten (vgl Begründung des [X.]-Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.]/[X.], BT-Drucks 15/1525 [X.]).

c) Damit ergänzt § 73b [X.]B V das Regelungssystem der [X.] zur Begründung von Leistungsansprüchen Versicherter, indem er mit dem [X.]-Vertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage für mehr oder weniger vom [X.]-Leistungskatalog abweichende Ansprüche der Versicherten schafft. Danach kann der [X.]-Vertrag die Leistungsansprüche der teilnehmenden Versicherten sowohl umfassend und abschließend als auch nur ergänzend regeln. § 73b [X.]B V regelt hingegen nicht selbst die Leistungsansprüche der Versicherten. Fällt der [X.], fehlt es auch an einer Rechtsgrundlage für vom [X.]-Leistungskatalog abweichende Ansprüche der bislang an der [X.] teilnehmenden Versicherten. Die Ansprüche der Versicherten bestimmen sich dann wieder allein nach dem [X.]-Leistungskatalog.

d) Ergänzend sieht § 53 Abs 3 [X.]B V (idF durch Art 1 [X.]3 [X.]-W[X.]) vor, dass die [X.] in ihrer Satzung für Versicherte, die an besonderen Versorgungsformen - ua § 73b [X.]B V - teilnehmen, Tarife anzubieten hat. Für diese Versicherten kann die [X.] eine Prämienzahlung oder Zuzahlungsermäßigungen vorsehen. Auch diese Regelung knüpft an das Vorliegen eines geltenden [X.]-Vertrages an.

3. Die für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache notwendigen Voraussetzungen legt die Klägerin nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwieweit diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]1 [X.]7 f mwN).

Die Klägerin formuliert folgende zwei Fragen:

        

"Hat der Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung, hier die Klägerin, einen selbstständig einklagbaren Anspruch gegenüber ihrer Krankenversicherung, hier der Beklagten, dass ihr eine hausarztzentrierte Versorgung im Sinne des § 73b [X.]B V angeboten wird?"

        

und     

        

"Wenn eine hausarztzentrierte Versorgung seitens einer gesetzlichen Krankenversicherung, hier der Beklagten, gegenüber der Klägerin angeboten wird, diese zudem eine bestimmte Laufzeit hat, hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen selbstständig einklagbaren Anspruch bei Kündigung der hausarztzentrierten Versorgung gegenüber den Leistungserbringern (Hausärzten) durch die Klägerin bzw. Scheitern des zwischen der Klägerin und den Hausärzten bestehenden Vertrages auf eine Weitergewährung der in der hausarztzentrierten Versorgung angebotenen Leistungen bis zum Ende der Geltung des derzeitigen [X.] bzw. auch darüber hinaus bis zum Abschluss eines neuen Vertrages."

Die Klägerin zeigt bereits die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) der ersten Rechtsfrage nicht auf. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren der Klägerin ist nach ihrem eigenen Vorbringen weder darauf gerichtet zu klären, ob die Beklagte ihr überhaupt eine [X.] aufgrund eines bestehenden [X.]-Vertrages anzubieten hat, noch darauf, ob sie einen Anspruch darauf hat, die Beklagte zum Abschluss eines (neuen) [X.]-Vertrages mit dem [X.] oder einem anderen Vertragspartner iS des § 73b Abs 4 [X.]B V zu verpflichten. Das Fortsetzungsfeststellungsbegehren erschöpft sich nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin darin, welche Rechtsfolgen sich aus dem Umstand ergeben, dass die Beklagte ihr die Teilnahme an einer [X.] aufgrund des [X.]-Vertrages vom [X.] zwar ermöglichte, aber diesen Vertrag mit Ablauf des 31.12.2010 außerordentlich kündigte.

Soweit die Klägerin hierzu die zweite Frage formuliert, lässt der Senat offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert hat. Die Beschwerdebegründung zeigt aber den Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, obwohl das B[X.] sie noch nicht ausdrücklich behandelt hat, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sodass eine weitere Klärung oder Fortentwicklung des Rechts nicht mehr zu erwarten ist (vgl zB B[X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.]2 Rd[X.]7; B[X.] Beschluss vom 16.4.2012 - B 1 KR 25/11 B - Juris RdNr 7 = NZS 2012, 557; B[X.] Beschluss vom [X.] - B 1 KR 106/12 B - RdNr 6; [X.], [X.], 2. Aufl 2010, Rd[X.]13). So verhält es sich hier wie zuvor unter 2. dargelegt. Die Klägerin setzt sich weder mit Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Regelungszweck des § 73b [X.]B V noch mit seiner Einordnung in die Regelungssystematik des übrigen Leistungs- und Leistungserbringungsrechts auseinander. Sie verweist lediglich darauf, dass bei den in Rede stehenden Leistungen und Zuzahlungsermäßigungen das Zustandekommen bzw der Wegfall des [X.]-Vertrages insofern keine Relevanz ihr gegenüber habe, weil sie unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Vertrages Anspruch auf die ihr von der Beklagten mit Informationsschreiben mitgeteilten Leistungen habe. [X.]n hätten ihren Versicherten eine Versorgung nach § 73b [X.]B V mit den entsprechenden Leistungserbringern zur Verfügung zu stellen, wie sie sich aus dem Informationsschreiben der Beklagten ergebe. Anderenfalls würden Leistungsansprüche Versicherter zum Spielball der Vertragsparteien.

4. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Meta

B 1 KR 19/15 B

08.09.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Augsburg, 26. Januar 2012, Az: S 10 KR 170/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 170 Abs 1 S 2 SGG, § 133 BGB, § 53 Abs 3 S 2 SGB 5 vom 26.03.2007, § 73b Abs 5 SGB 5 vom 26.03.2007, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 08.09.2015, Az. B 1 KR 19/15 B (REWIS RS 2015, 5770)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5770

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