Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2015, Az. III ZR 196/14

3. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 7652

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Gegenstand

Verjährung eines Anspruchs aus Amtshaftung wegen unrichtiger Auskunftserteilung: Zumutbarkeit der Erhebung einer Amtshaftungsklage vor Abschluss des auf der Grundlage der erhaltenen Auskunft betriebenen verwaltungsrechtlichen Verfahrens


Leitsatz

Zur Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs, der aus der Erteilung einer unrichtigen Auskunft (hier: der Einzugsstelle über den Fortbestand der Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht) hergeleitet wird, wenn ein sozialgerichtliches Verfahren mit dem Ziel geführt worden ist, einen im Widerspruch zu jener Auskunft ergangenen belastenden Verwaltungsakt (hier: Zurückweisung eines Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld) zu beseitigen (Fortführung von BGH, Urteile vom 6. Mai 1993, III ZR 2/92, BGHZ 122, 317 und vom 12. Oktober 2000, III ZR 121/99, WM 2001, 145).

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird der Beschluss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 21. Mai 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die beklagte Krankenkasse aus Amtshaftung auf Schadensersatz in Anspruch. Er war seit dem 1. September 1998 als geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH tätig und bei der [X.] krankenversichert. Die Beklagte war Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge des [X.].

2

Mit Schreiben vom 6. November 2001 teilte die Beklagte dem Kläger auf sein Schreiben vom 1. November 2001 mit, nach Überprüfung seiner geänderten Arbeitsbedingungen - unter anderem wurde seine Einlage zum Stammkapital auf 25.500 DM (von 50.000 DM GmbH-Gesamtstammkapital) erhöht - ergäben sich keine Änderungen bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung. Er sei nach wie vor versicherungspflichtig in der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Dementsprechend wurden auch nach November 2001 für den Kläger die Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung entrichtet.

3

Der Kläger kündigte das Dienstverhältnis mit der GmbH zum 1. Oktober 2004 und beantragte für die [X.] vom 2. Oktober 2004 bis zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit am 1. Januar 2005 die Zahlung von Arbeitslosengeld. Nachdem die [X.] dem Antrag mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 zunächst stattgegeben hatte, erließ sie einen Rückforderungsbescheid. Diesen hob sie mit Bescheid vom 7. September 2005 auf und bewilligte das beantragte Arbeitslosengeld.

4

Am 30. Juli 2007 beantragte der Kläger erneut Arbeitslosengeld. Der Antrag wurde von der [X.] mit Bescheid vom 9. August 2007 zurückgewiesen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des [X.] wies die [X.] mit Bescheid vom 10. Oktober 2007 zurück. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage wies das [X.] mit Urteil vom 29. Oktober 2009 ab. Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] blieben ohne Erfolg.

5

Der Kläger bezieht seit dem 1. Dezember 2008 Altersrente.

6

Er hat behauptet, er habe der [X.] im Jahr 2001 seine geänderten Arbeitsbedingungen angezeigt, um eine Klärung zu erhalten, ob er gleichwohl weiterhin als Arbeitnehmer einzustufen sei. Hätte ihm die Beklagte mitgeteilt, dass er als Selbständiger einzustufen sei, hätte er - mit Einverständnis der Mitgesellschafter - seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag angepasst und seinen Gesellschaftsanteil auf 23 % des Stammkapitals begrenzt, um den Arbeitnehmerstatus zu erhalten. Infolge der fehlerhaften Auskunft der [X.] sei ihm Arbeitslosengeld in Höhe von 24.351,88 € entgangen und wegen der nicht geleisteten Pflichtbeiträge für die [X.] der Arbeitslosigkeit ein erheblicher Rentenschaden entstanden. Zudem sei er angesichts der ausbleibenden Zahlungen von Arbeitslosengeld zur Sicherung seines Lebensunterhalts gezwungen gewesen, seine Lebensversicherung vorzeitig zu kündigen. Hierdurch habe er einen Verlust von 3.466,91 € erlitten.

7

Der Kläger begehrt den Ersatz des ihm entgangenen Arbeitslosengelds, des Verlusts aus der vorzeitigen Kündigung der Lebensversicherung und eines ihm bereits entstandenen Rentenschadens von 3.587,76 €, insgesamt einen Betrag von 31.406,55 €. Er begehrt des Weiteren die Feststellung, dass die Beklagte ihm ab 1. Dezember 2012 einen Betrag von 149,49 € monatlich zu zahlen hat, solange seine Berechtigung zum Bezug der Altersrente fortdauert.

8

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.

9

Die am 27. Dezember 2011 beim [X.] eingegangene Klage ist der [X.] am 22. März 2012 zugestellt worden. Das [X.] hat die Klage wegen Verjährung des Schadensersatzanspruchs abgewiesen. Der Kläger hat das landgerichtliche Urteil mit der Berufung angegriffen und geltend gemacht: Seine Ansprüche seien nicht verjährt. Er habe erst durch das Urteil des [X.] Kenntnis von den Ansprüchen gegen die Beklagte erlangt. Neben der Geltendmachung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld gegenüber der [X.] sei ihm eine Klageerhebung gegen die Beklagte zur Verfolgung des Amtshaftungsanspruchs unzumutbar gewesen, weil er in beiden Prozessen widersprüchlich hätte vortragen müssen. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Durchsetzung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruchs an der Verjährungseinrede der [X.]n. Der Kläger habe bereits Ende des Jahres 2007 Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB gehabt. [X.] Kenntnis habe der Verletzte, wenn er aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage erheben könne, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht habe, dass sie ihm zumutbar sei. Für die Kenntnis sei auf die Fälligkeit des ersten einklagbaren Teils des Schadens abzustellen. Der Kläger habe Ende des Jahres 2007 gewusst, dass ihm wegen der nach seiner Auffassung falschen Auskunft der [X.]n bereits ein Schaden in Gestalt der vorzeitigen Auflösung der Lebensversicherung entstanden sei und ein weiterer Schaden drohe.

Die Zumutbarkeit der Klageerhebung lasse sich nicht mit der Begründung verneinen, der Kläger habe gegen die [X.] den Anspruch auf Arbeitslosengeld und gegen die [X.] den Amtshaftungsanspruch geltend machen und hierbei in beiden Prozessen widersprüchlich vortragen müssen. [X.] sei die Erhebung der Amtshaftungsklage nur, wenn sich die verwaltungsgerichtliche Klage und der parallel zu führende [X.] gegen dieselbe öffentlich-rechtliche Körperschaft richteten. Die unterschiedlichen Träger der Sozialversicherung könnten insoweit nicht als dieselbe Person betrachtet werden.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Ein - revisionsrechtlich zu unterstellender - Schadensersatzanspruch des [X.] aus Amtshaftung ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verjährt. Die auf den Anspruch des [X.] anwendbare regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann nach § 199 Abs. 1 BGB keinesfalls vor dem Schluss des Jahres 2009, nachdem die gegen den Widerspruchsbescheid der [X.] gerichtete Klage des [X.] durch Urteil des [X.] vom 29. Oktober 2009 abgewiesen worden war. Sie wurde durch die Erhebung der Klage im Jahr 2012 in vorliegendem Rechtsstreit gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig gehemmt.

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die erforderliche Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässige Unkenntnis als Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist ist vorhanden, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung so viel Erfolgsaussicht hat, dass sie ihm zumutbar ist (Senat, Urteile vom 11. Januar 2007 - [X.], [X.], 260 Rn. 28; vom 21. April 2005 - [X.], [X.], 245, 248; vom 22. Januar 2004 - [X.], [X.], 2026, 2027; vom 12. Oktober 2000 - [X.], [X.], 145, 146 und vom 6. Mai 1993 - [X.], [X.], 317, 325).

a) Besteht die Amtspflichtverletzung, wie hier, in einer dem Geschädigten günstigen Auskunft, ist es ihm regelmäßig vor Abschluss des von ihm auf der Grundlage der erhaltenen Auskunft betriebenen verwaltungsrechtlichen Verfahrens nicht zuzumuten, eine Amtshaftungsklage zu erheben, da erst der Ausgang des verwaltungs- oder - wie hier - sozialgerichtlichen Prozesses dem Geschädigten die erforderliche Kenntnis verschafft, ob überhaupt eine Amtspflichtverletzung vorgelegen hat und ein Schaden entstanden ist (vgl. Senat, Urteile vom 21. April 2005 aaO und vom 6. Mai 1993 aaO S. 324 f; [X.]/[X.], BGB § 839 [Neubearbeitung 2013] Rn. 382). Würde man dem Geschädigten ansinnen, parallel zu dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, sei es auch nur zur Fristwahrung, eine Amtshaftungsklage wegen der Erteilung der Auskunft zu erheben, würde man ihm zumuten, sich prozessual widersprüchlich zu verhalten. Er müsste sich dann im [X.] auf den Rechtsstandpunkt stellen, dass die Auskunft rechts- und amtspflichtwidrig gewesen sei, während er im Verfahren vor den Fachgerichten von der Rechtmäßigkeit der Auskunft und der Rechtswidrigkeit des zu ihr in Widerspruch stehenden [X.]s ausgehen müsste. In derartigen Fällen wird erst durch das fachgerichtliche Verfahren die Grundlage für die Beurteilung der Frage geschaffen, ob die Versagung des beantragten [X.]s beziehungsweise der beantragten Leistung rechtmäßig gewesen ist. Erst durch die Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Urteils erlangt der Geschädigte diejenigen Kenntnisse, die es ihm zumutbar machen, die Amtshaftungsklage wegen der amtspflichtwidrigen Auskunft zu erheben (vgl. Senat, Urteile vom 6. Mai 1993 und vom 12. Oktober 2000, jeweils aaO).

Diese Erwägungen sind vor dem Hintergrund zu verstehen, dass sich die fachgerichtliche Klage und der parallel zu führende [X.] gegen dieselbe öffentlich-rechtliche Körperschaft richten. Für einen Rückgriff gegen einen Dritten gelten sie nicht. So hat der Senat in einem Fall der [X.], bei dem es nicht um eine verwaltungsgerichtliche Klage, sondern um einen [X.] zur Abwehr des - durch eine vom Notar fehlerhaft entworfene Garantieerklärung entstandenen - Schadens ging, entschieden, die Zumutbarkeit einer vorsorglichen Feststellungsklage gegen den beklagten Notar lasse sich nicht mit Rücksicht auf unzumutbar widersprüchliches Verhalten verneinen (Senat, Urteil vom 22. Januar 2004 aaO). Dem Geschädigten ist nämlich ein unterschiedlicher prozessualer Vortrag im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung eher zumutbar, wenn er gegenüber zwei verschiedenen Prozessgegnern erfolgt, als wenn er gegenüber demselben Prozessgegner erfolgt.

b) Das Berufungsgericht hat die vorgenannte Senatsrechtsprechung gesehen und zutreffend wiedergegeben. Nach seiner Auffassung können die unterschiedlichen Träger der Sozialversicherung nicht als ein und dieselbe Person betrachtet werden.

Dem kann für den vorliegenden Fall nicht gefolgt werden. Zwar handelt es sich bei der [X.]n als Gegner im [X.] und der [X.] als Gegner im sozialgerichtlichen Verfahren - formal betrachtet - um zwei unterschiedliche Prozessgegner und zwei unterschiedliche öffentlich-rechtliche Körperschaften. Dennoch kann, worauf die Revision zu Recht hinweist, aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles die [X.] im Verhältnis zur [X.] nicht als "Dritte" angesehen werden mit der Folge, dass es dem Kläger zumutbar wäre, in dem gegen die [X.] gerichteten [X.] anders vorzutragen als in dem gegen den [X.] der [X.] gerichteten sozialgerichtlichen Verfahren.

Die [X.] wurde, als sie mit Schreiben vom 6. November 2001 die auf die Arbeitslosen- und Rentenversicherungspflicht des [X.] bezogene Auskunft erteilte, nicht als Träger der Sozialversicherung tätig, sondern als Einzugsstelle nach § 28h Abs. 2 Satz 1 [X.]. Als solche und nicht als Träger der Krankenversicherung wird sie vom Kläger in Anspruch genommen. Die Aufgaben der Einzugsstelle werden in § 28h [X.] festgelegt. Nach § 28h Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Krankenkassen (Einzugsstellen) zu zahlen. Die [X.] steht dabei als Einzugsstelle in einem öffentlich-rechtlichen Treuhandverhältnis zur [X.] als Fremdversicherungsträger. Im Rahmen des [X.] tritt sie zwar im Außenverhältnis zum Beitragsschuldner als Anspruchsinhaberin auf. Im Innenverhältnis bleibt jedoch die [X.] Anspruchsinhaberin, in deren Interesse die [X.] als Einzugsstelle zu handeln hat ([X.], 1 Rn. 15 mwN aus der Rechtsprechung des [X.]; [X.] in [X.] Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 28h [X.] [2014] Rn. 2 mwN; jurisPK-[X.]/[X.], 2. Aufl., § 28h Rn. 66).

Diese "Inkassotätigkeit" ([X.] aaO) der [X.]n für die [X.] bringt die [X.] in eine solche Nähe zur [X.], dass eine allein an die formale Parteirolle anknüpfende Sichtweise in vorliegendem Zusammenhang nicht gerechtfertigt erscheint. Zwar handelte es sich bei der dem Kläger erteilten Auskunft der [X.]n nicht unmittelbar um eine Inkassotätigkeit. Die [X.] erteilte die Auskunft jedoch in ihrer Eigenschaft als "Einzugsstelle" (§ 28h Abs. 2 Satz 1 [X.]) und im Hinblick darauf, dass etwaige Beiträge später auch von ihr - für die [X.] - eingezogen werden würden.

Die treuhänderische Verbundenheit der [X.]n und der [X.] und die Tätigkeit der [X.]n im Aufgabenbereich der [X.] stehen mithin einer Betrachtung der beiden öffentlich-rechtlichen Körperschaften als voneinander verschiedene Prozessgegner des [X.] entgegen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist deshalb die Senatsrechtsprechung zur [X.]keit widersprüchlichen Prozessvortrags gegenüber derselben öffentlich-rechtlichen Körperschaft entsprechend anwendbar. Ein widersprüchlicher Prozessvortrag in gegen den öffentlich-rechtlichen "Treuhänder" und den öffentlich-rechtlichen "Treugeber" geführten [X.] ist dem Kläger nicht zumutbar.

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich - entgegen der Auffassung der [X.] - auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist eine Pflichtverletzung der [X.]n nicht schon deshalb zu verneinen, weil die [X.] dem Kläger keine "verbindliche" Auskunft erteilen wollte. Zwar hat ein förmliches Anfrageverfahren nach § 7a [X.], in dem das Vorliegen einer Beschäftigung verbindlich geklärt wird, nicht stattgefunden; über einen diesbezüglichen Antrag, der erst infolge des [X.] am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 ([X.]) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 für geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH zwingend zu stellen ist (§ 7a Abs. 1 Satz 2 [X.] nF), hätte im Übrigen nicht die [X.], sondern seinerzeit die [X.] (heute: die [X.]) entscheiden müssen. Indes bedeutet eine mangelnde Rechtsverbindlichkeit der Auskunft nicht, dass diese nicht Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen des [X.] sein könnte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats müssen Auskünfte, die ein Beamter erteilt, dem Stand seiner Erkenntnismöglichkeit entsprechend sachgerecht, das heißt vollständig, richtig und unmissverständlich sein, so dass der Empfänger der Auskunft entsprechend disponieren kann (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 2003 - [X.], [X.], 354, 357 [zu "nicht rechtsverbindlich" erteilten Rentenauskünften] und vom 11. Oktober 2007 - [X.], [X.], 252 Rn. 14; [X.]/[X.] aaO Rn. 150 mwN). Die mangelnde Rechtsverbindlichkeit einer Auskunft kann daher nur dahin verstanden werden, dass mit ihr eine verbindliche Regelung des Versicherungsverhältnisses noch nicht verbunden ist. Dies ändert allerdings nichts daran, dass die Versicherungsträger und vorliegend auch die [X.] als sozialversicherungsrechtliche Einzugsstelle nach den vorstehenden Grundsätzen verpflichtet sind, Auskünfte vollständig, eindeutig und vor allem richtig zu erteilen, weil sich der Auskunftsbegehrende grundsätzlich auf die Richtigkeit der Auskunft verlassen darf und er einen Anspruch hat, in seinem Vertrauen hierauf geschützt zu werden (Senat, Urteil vom 10. Juli 2003 aaO; [X.], 114, 121). Auch dort, wo eine Amtspflicht zur Erteilung der Auskunft nicht besteht, muss die Auskunft, wenn sie gleichwohl erteilt wird, diesen Erfordernissen genügen ([X.]/[X.] aaO).

b) Soweit die Revisionsbeklagte in Frage stellt, ob für den Kläger sein sozialversicherungsrechtlicher Status bei der Gestaltung seines Arbeitsvertrags entscheidend gewesen sei, handelt es sich um eine Würdigung, die dem Tatrichter vorbehalten bleibt.

c) Im Hinblick auf den vom Kläger in Gestalt des ihm entgangenen Arbeitslosengelds geltend gemachten Schaden fehlt es - entgegen der Auffassung der [X.] - auch nicht deshalb an einem Kausalzusammenhang, weil dem Kläger unabhängig von der Frage seines sozialversicherungsrechtlichen Status kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2007 zustand.

Zwar trifft es zu, dass der Kläger innerhalb der vom 1. August 2007 an rückwärts zu berechnenden zweijährigen Rahmenfrist nicht mehr als 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 3, § 123 Satz 1, § 124 Abs. 1 [X.], jeweils in der Fassung des Art. 1 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, [X.] [X.]). Auch ist den Urteilen des [X.] vom 29. Oktober 2009 und des [X.] vom 7. April 2011 zu entnehmen, dass der Kläger einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 1. August 2007 nicht aus dem Restanspruch des ab 2. Oktober 2004 mit [X.] vom 2. Dezember 2004 bewilligten Anspruchs herleiten konnte, obwohl die Frist des § 147 Abs. 2 [X.] (in der Fassung des Art. 1 des [X.] vom 24. März 1997, [X.] I S. 594) noch nicht abgelaufen war. Denn der Bewilligungsbescheid begründete nicht die - im Rahmen des § 147 Abs. 2 [X.] aF maßgebliche - materielle Anspruchsberechtigung (Stammrecht), sondern nur den Leistungsanspruch im engeren Sinne (Zahlungsanspruch; vgl. [X.], [X.] 1995, 418, 419; zur Unterscheidung zwischen Stammrecht und Einzelanspruch auf Auszahlung vgl. auch [X.]E 95, 191 Rn. 21).

Maßgeblich für einen Restanspruch des [X.] nach § 147 Abs. 2 [X.] aF ist allein, ob dem Kläger am 2. Oktober 2004 ein materieller Anspruch auf Arbeitslosengeld (Stammrecht) zustand (zur Maßgeblichkeit des Stammrechts im Rahmen von § 147 Abs. 2 [X.] aF vgl. [X.]/[X.], Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 147 [X.] Rn. 4, 14). Ein solches Stammrecht entstand, wenn zum vorgenannten Zeitpunkt die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt waren, ohne dass es hierfür notwendigerweise eines [X.] bedurfte (vgl. [X.]E 95, 191 aaO). Insofern übersieht die Revisionsbeklagte, dass das [X.] und das [X.] einen solchen Anspruch auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt bestehenden Beteiligung des [X.] an der GmbH verneint haben. Über ein etwaiges Stammrecht des [X.] zu diesem Zeitpunkt, wenn er zuvor - nach Erteilung einer zutreffenden Auskunft der [X.]n - entsprechend seinem Vortrag den Geschäftsführeranstellungsvertrag angepasst und seinen Gesellschaftsanteil auf 23 % des Stammkapitals begrenzt hätte, wird in den vorgenannten Urteilen naturgemäß keine Aussage getroffen. Das Sozialgericht hat ausgeführt, der Kläger habe aufgrund des von ihm innegehabten Anteils am Stammkapital jedenfalls eine Sperrminorität besessen, und aus diesem Grund ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis verneint. Nach seinen Feststellungen war nach dem Gesellschaftsvertrag für [X.] eine Mehrheit von mehr als 76 % der Stimmanteile notwendig. Mit einem Gesellschaftsanteil von 23 % des Stammkapitals hätte der Kläger mithin eine - der Versicherungspflicht nach Auffassung des [X.] entgegen stehende - Sperrminorität nicht erreicht. Dementsprechend hätte ihm am 2. Oktober 2004 ein materieller Anspruch auf Arbeitslosengeld (Stammrecht) zugestanden mit der Folge, dass am 1. August 2007 seit der Entstehung dieses Anspruchs noch nicht vier Jahre verstrichen gewesen wären und der Kläger nach § 147 Abs. 2 [X.] aF einen Restanspruch hätte geltend machen können.

3. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), das die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu dem vom Kläger geltend gemachten - nicht verjährten - Anspruch nachzuholen haben wird.

[X.]                         [X.]                         Tombrink

                Remmert                       Reiter

Meta

III ZR 196/14

23.07.2015

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend KG Berlin, 21. Mai 2014, Az: 9 U 60/13

§ 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1 BGB, § 839 BGB, § 28h Abs 2 S 1 SGB 4

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.07.2015, Az. III ZR 196/14 (REWIS RS 2015, 7652)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7652

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