Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2022, Az. V ZR 23/21

5. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 5282

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VERFASSUNG BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) WOHNEIGENTUM

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Gegenstand

Anhörungsrüge zur Revisionsentscheidung in einer Nachbarrechtlichen Streitigkeit in Berlin: Verfassungsmäßigkeit des Anspruchs auf Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung


Tenor

Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 1. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Anhörungsrüge ist unbegründet. Der [X.] hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör nicht verletzt (vgl. § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

2

1. Der [X.] hat die Rechtsausführungen der Beklagten zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) von § 16a [X.] Bln weder übergangen noch im [X.] verkannt. Vielmehr ist Ausgangspunkt seiner verfassungsrechtlichen Prüfung, dass die [X.] der benachbarten Grundstückseigentümer durch den Gesetzgeber in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Der [X.] ist aber unter Berücksichtigung des erkennbaren gesetzgeberischen Ziels, den [X.] klar und einfach zu regeln, um auf das Ganze gesehen die Durchführung möglichst vieler und rascher Dämmmaßnahmen zu erreichen und damit den mit Verfassungsrang ausgestatteten Gemeinwohlbelang des Klimaschutzes zu fördern, zu dem Ergebnis gelangt, dass die Regelung möglicherweise noch zulässig ist, auch wenn mit der Dämmung für den jeweiligen Nachbarn im Einzelfall gewisse - unter Umständen auch erhebliche - Härten verbunden sein mögen. Die hiergegen gerichteten Ausführungen der Anhörungsrüge beschränken sich auf die Darstellung einer abweichenden Rechtsauffassung der Beklagten. Hiermit ist ein Verstoß des [X.]s gegen den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dargelegt.

3

2. Soweit die Anhörungsrüge beanstandet, der [X.] habe verkannt, dass die gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts erhobenen Verfahrensrügen sich nicht nur auf das Hammerschlagsrecht aus § 17 Abs. 1 [X.] Bln, sondern auch auf den (vorgelagerten) [X.] aus § 16a [X.] Bln bezogen hätten, trifft dies nicht zu. Der [X.] hat sämtliche von der Beklagten erhobene Verfahrensrügen geprüft, für nicht durchgreifend erachtet und auf Ausführungen hierzu verzichtet. Der Umstand, dass die dies ermöglichende Norm des § 564 Satz 1 ZPO in dem Urteil nur im Zusammenhang mit den auf das Hammerschlagsrecht bezogenen Verfahrensrügen ausdrücklich erwähnt wird, lässt nicht den Schluss zu, der [X.] habe die weiteren Verfahrensrügen nicht geprüft.

4

Auf den Vortrag der Beklagten zur Unmöglichkeit eines Rückbaus der Wärmedämmung kam es nicht an, weil die Möglichkeit des Rückbaus nicht Voraussetzung des mit der Klage geltend gemachten [X.]s aus § 16a Abs. 1 [X.] Bln ist. Die Beklagte könnte den Rückbau nach § 16a Abs. 2 [X.] Bln erst und nur dann verlangen, wenn sie selbst zulässigerweise anbauen will.

5

Entsprechendes gilt für die Behauptung, die beabsichtigte Wärmedämmung führe aufgrund der Art des Anschlusses und der verwendeten Materialien zu einer Beeinträchtigung des Brandschutzes für das Gebäude der Beklagten und lasse den Bestandsschutz des [X.] entfallen. Denn auch dieser Umstand schlösse - als wahr unterstellt - den [X.] der Klägerin nicht aus. Wie der [X.] ausführlich begründet hat, verfolgt der [X.] Gesetzgeber mit dem in § 16a [X.] Bln zum Ausdruck kommenden generalisierenden Ansatz gerade das Ziel, die Durchsetzung des Anspruchs auf Duldung der grenzüberschreitenden Wärmedämmung zu erleichtern. Der duldungspflichtige Nachbar soll dem Anspruch gerade keine Einwände entgegenhalten können, die eine unter Umständen aufwändige Beweisaufnahme - hier zur Frage des Brandschutzes und des Bestandsschutzes - erforderlich machen. Ob die Ausblendung solcher auf die Zumutbarkeit der Maßnahme für den Nachbarn bezogener Einwände die Norm verfassungswidrig macht oder vor dem Hintergrund des Klimaschutzes als Gemeinwohlbelang noch gerechtfertigt erscheint, ist eine materiell-verfassungsrechtliche Frage und keine der Gewährung rechtlichen Gehörs.

6

Schließlich war der Vortrag der Beklagten zur regelmäßigen Instandhaltung des Überbaus schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil nach § 16a Abs. 3 [X.] Bln der Begünstigte des [X.] - hier also die Klägerin - die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen und funktionsgerechten Zustand erhalten muss und zur baulichen Unterhaltung der wärmegedämmten Grenzwand verpflichtet ist. Inwieweit die Beklagte insoweit die spätere Inanspruchnahme ihres Grundstücks dulden muss, richtet sich nach § 17 [X.]; der Anspruch auf Duldung der nachträglichen Wärmedämmung wird hierdurch nicht berührt.

Brückner     

      

Haberkamp     

      

Hamdorf

      

Malik     

      

Laube     

      

Meta

V ZR 23/21

18.08.2022

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 1. Juli 2022, Az: V ZR 23/21, Urteil

§ 16a Abs 1 NachbG BE, § 16a Abs 2 NachbG BE, Art 14 Abs 1 GG, Art 14 Abs 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 321a Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18.08.2022, Az. V ZR 23/21 (REWIS RS 2022, 5282)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5282 WM 2023, 399 REWIS RS 2022, 5282

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