Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 35/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 18014

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Gegenstand

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltsschaft: Vereinbarkeit der Tätigkeit eines Immobilienhändlers und -entwicklers mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts


Tenor

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 25. März 2015 ([X.] 11/13) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen unvereinbarer Tätigkeit (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]).

2

Der Kläger ist seit 1992 als Rechtsanwalt in B.    zugelassen. Er war Geschäftsführer dreier Immobiliengesellschaften, der     M.         Immobiliengesellschaft mbH (Geschäftsgegenstand: Erwerb, Bewirtschaftung und Veräußerung sowie Vermittlung von Immobilien), der b.       Immobilien GmbH (Geschäftsgegenstand: Vermittlung von Immobilien) und der [X.] (Geschäftsgegenstand: Erwerb, Bewirtschaftung und Veräußerung von Immobilien). Ob und wann er seine Tätigkeit als Geschäftsführer dieser Gesellschaften aufgegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. Im Juni 2013 war der Kläger noch als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen; die Eintragung der Abberufung des [X.] als Geschäftsführer der [X.] erfolgte am 9. Dezember 2013. Der Kläger beruft sich darauf, dass die Gesellschaften nicht mehr am Markt aktiv gewesen seien und keine Maklertätigkeit erbracht hätten. Die b.       habe in den Jahren 2011/2012 die letzte Immobilie verkauft. Das [X.]      hat über das Vermögen der     M.         Immobiliengesellschaft mbH durch Beschluss vom 3. Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

3

Die Beklagte hat die Zulassung des [X.] mit Bescheid vom 5. Juni 2013, zugestellt am 13. Juni 2013, wegen Unvereinbarkeit seiner Tätigkeit für die Immobiliengesellschaften mit dem Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] widerrufen. Die hiergegen gerichtete Klage hat keinen Erfolg gehabt, jedoch hat der [X.] die Berufung zugelassen. Der Kläger beanstandet das Verfahren des [X.]s, bestreitet, zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] eine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt zu haben, und meint, es liege eine unzumutbare Härte gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 2. Halbsatz [X.] vor, weil er den Unterhalt seiner vierköpfigen Familie ausschließlich aus den Einkünften seiner Anwaltspraxis bestreite. Er beantragt,

unter Abänderung des Urteils des [X.]es [X.] zu dem Aktenzeichen II AGH 11/13 vom 25. März 2015 den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 5. Juni 2013, mit dem die Zulassung des Berufungsklägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] widerrufen wird, aufzuheben,

hilfsweise, die Sache an den [X.] zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

4

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5

Sie verteidigt ihren Bescheid.

Entscheidungsgründe

6

Die [X.]erufung des [X.] ist zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

I.

7

Das dem Kläger am 18. April 2015 zugestellte Urteil vom 25. März 2015 ist nicht mangels fehlerhafter Verkündung unwirksam. Der Kläger behauptet, dass ein beisitzender [X.] nach der [X.]eratungspause des Gerichts, aber noch vor Verkündung des Urteils "verschwand" und damit nicht mehr bei der Verkündung anwesend gewesen sei.

8

1. Die Rüge ist bereits unzulässig. Nach § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 3 VwGO ist die [X.]erufung zu begründen. Nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO muss die [X.]egründung einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung ([X.]erufungsgründe). Zur Auslegung der insoweit zu stellenden Anforderungen kann auf § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO zurückgegriffen werden [X.]/[X.], VwGO, 21. Aufl., § 124a Rn. 33). § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO erfordert, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen anzugeben, die den Mangel ergeben. Die [X.]ezeichnung der Tatsachen muss so genau und schlüssig sein, dass dem [X.]erufungsgericht eine [X.]eurteilung ohne zusätzliche Ermittlungen möglich ist. Hier fehlt die Angabe, welcher [X.]eisitzer bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend war und welche [X.] demgegenüber der Verkündung beigewohnt haben.

9

2. Die Rüge ist darüber hinaus aber auch unbegründet.

a) Dem behaupteten Verfahrensfehler steht bereits der Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 25. März 2015 entgegen. Ausweislich des [X.] ist das Urteil hier am Schluss der Sitzung in Anwesenheit sämtlicher [X.] verkündet worden. Umstände, die eine Fälschung des Protokolls belegen könnten (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 105 VwGO, § 165 Satz 2 ZPO), trägt der Kläger nicht vor; einen Antrag auf Protokollberichtigung hat er nicht gestellt.

b) Ein Verstoß, der zur Nichtigkeit des angefochtenen Urteils führen würde, läge im Falle der Richtigkeit der [X.]erufungsbegründung nicht vor. Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. [X.]is dahin liegt nur ein Entscheidungsentwurf vor, der allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugen kann ([X.], [X.]eschluss vom 14. Juni 1954 - [X.], [X.]Z 14, 39, 44; Urteil vom 12. März 2004 - [X.], [X.], 2019, 2020; vom 24. September 2013 - I ZR 133/12, NJW 2014, 1304 Rn. 11). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im [X.] an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 116 Abs. 1 VwGO) durch den Vorsitzenden vor dem ordnungsgemäß besetzten Gericht, dessen Mitglieder jedoch nicht notwendig dieselben [X.] sein müssen, die das Urteil gefällt haben [X.]/[X.], VwGO, 21. Aufl., § 116 Rn. 4). Dem Fehlen der Verlautbarung stehen Verstöße gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse gleich, sodass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Zu den zu wahrenden Mindestanforderungen an eine Verlautbarung gehört, dass sie vom Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und dass die Parteien vom Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Diese Mindestanforderungen an die Verlautbarung bleiben gewahrt, wenn bei ihr ein beisitzender [X.] abwesend und das Gericht somit nicht vollständig besetzt ist. Dies zeigt schon die [X.]estimmung des § 311 Abs. 4 ZPO, wonach im [X.] in einem gesondert anberaumten Verkündungstermin der Vorsitzende das Urteil allein verkünden kann.

c) Der Verfahrensfehler würde auch nicht zur Aufhebung des Urteils führen. Eine Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers erfolgt nur dann, wenn die Entscheidung darauf beruht oder beruhen kann. [X.]ei rein formalen Verkündungsmängeln ist dies regelmäßig nicht der Fall.

d) Der Mangel der Verkündung wäre im Übrigen auch durch die Zustellung der Ausfertigung des vollständigen und unterschriebenen Urteils geheilt worden. Wird ein Urteil statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung durch Zustellung verkündet, liegt hierin zwar ein auf die Wahl der Verlautbarung beschränkter Verfahrensfehler ([X.], Urteil vom 12. März 2004 - [X.], [X.], 2019, 2020; vom 24. September 2013 - I ZR 133/12, NJW 2014, 1304 Rn. 20), der aber nicht derartig elementar ist, dass er zur Unwirksamkeit des [X.] führt ([X.], Urteil vom 12. März 2004, aaO; [X.]eschluss vom 13. Juni 2012 - [X.] 592/11, NJW-RR 2012, 1025 Rn. 17; vom 21. Juni 2012 - [X.], NJW-RR 2012, 1359 Rn. 14). Zwar liegt hier keine Zustellungsverfügung des Vorsitzenden vor (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2015 - [X.] ([X.]) 51/13, Rn. 7). Dies ist jedoch rechtlich unerheblich. Der Vorsitzende hat das vollständig abgefasste und von allen mitwirkenden [X.]n unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt. Die Zustellung ist von Amts wegen durch die Geschäftsstelle erfolgt (§ 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 56 Abs. 2 VwGO).

II.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem [X.]eruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; dies gilt nur dann nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

1. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] greift in die Freiheit der [X.]erufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. nur [X.] 21, 173, 179; 87, 287, 316; [X.], [X.] 1993, 463; NJW 2009, 3710 Rn. 13; NJW 2013, 3357 Rn. 21). Gegen die gesetzliche [X.]eschränkung der [X.]erufswahl durch die Widerrufsschranke in § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.] (vormals § 14 Abs. 2 Nr. 9 [X.]) bestehen von [X.] wegen keine [X.]edenken. Sie dient - ebenso wie die entsprechende Vorschrift über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in § 7 Nr. 8 [X.] - der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege; das Ziel beider Regelungen besteht darin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern und die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen (vgl. nur [X.] 87, 287, 321; [X.], [X.] 1993, 463). Dabei kommt es für die Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen Tätigkeiten nicht nur auf die Integrität des einzelnen [X.]ewerbers und die [X.]esonderheiten seiner beruflichen Situation an. Selbst wenn diese im Einzelfall günstig beurteilt werden können, muss darüber hinaus berücksichtigt werden, ob die Ausübung des zweiten [X.]erufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines Rechtsanwalts wecken muss und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. nur [X.], aaO S. 320 f.). Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten können bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein. Allerdings ist bei der Auslegung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Er gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Wahl der [X.]erufsfreiheit Zurückhaltung bei der Annahme von Unvereinbarkeiten; eine [X.]erufswahlbeschränkung ist allenfalls dort erforderlich und zumutbar, wo sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und auch nicht mit Hilfe von [X.]erufsausübungsregelungen zu bannen ist (vgl. [X.], aaO S. 322, 330; [X.], [X.] 1993, 463, 464; NJW 2013, 3357 Rn. 25 f.). Dies ist jeweils im Einzelfall unter [X.]erücksichtigung der konkreten Tätigkeit des betroffenen Rechtsanwalts zu prüfen (vgl. auch [X.], NJW 2002, 503; NJW 2009, 3710 Rn. 23; NJW 2013, 3357 Rn. 26). Unter [X.]eachtung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist deshalb darauf abzustellen, ob die zweitberufliche Tätigkeit die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts in seiner [X.]erufsausübung als Rechtsanwalt beeinträchtigt bzw. ob bei objektiv vernünftiger [X.]etrachtungsweise die Wahrscheinlichkeit von Pflichtenkollisionen nahe liegt (vgl. nur [X.]T-Drucks. 12/4993, [X.] zur - nach [X.] 87, 287 - erfolgten Neufassung der §§ 7 Nr. 8, 14 Abs. 2 Nr. 9 (jetzt Nr. 8) [X.]; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 21. November 1994 - [X.] ([X.]) 44/94, NJW 1995, 1031; vom 11. Dezember 1995 - [X.] ([X.]) 32/95, NJW 1996, 2378; vom 13. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 79/02, [X.], 212; vom 15. Mai 2006 - [X.] ([X.]) 53/05, [X.], 3717 Rn. 5 und vom 26. November 2007 - [X.] ([X.]) 111/06, [X.], 1318 Rn. 12).

2. Interessenkollisionen liegen vor allem dann nahe, wenn ein kaufmännischer [X.]eruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (vgl. [X.] 87, 287, 329 unter Hinweis auf [X.] 21, 173, 182, dort für Inkompatibilitäten beim Steuerbevollmächtigten).

a) So bringt es der [X.]eruf des Rechtsanwalts häufig mit sich, dass er von internen Geschäftsvorgängen der [X.]etriebe seiner Mandanten Kenntnis erlangt. Übt er gleichzeitig einen gewerblichen [X.]eruf aus, besteht die Möglichkeit, dass er die bei der rechtsberatenden Tätigkeit erworbenen Kenntnisse in seinem eigenen [X.]etrieb verwerten und dem Gewerbetreibenden, den er berät, Konkurrenz machen kann. Hierdurch kann die vom Gesetzgeber geforderte Unabhängigkeit beeinträchtigt werden.

b) Der Senat hat darüber hinaus eine durch die Tätigkeitsverbote nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 [X.] nicht ausreichend zu bannende Gefahr von Interessenkollisionen dann angenommen, wenn der Rechtsanwalt zweitberuflich als Versicherungsmakler tätig ist (vgl. [X.]eschluss vom 14. Juni 1993 - [X.] ([X.]) 15/93, [X.]RAK-Mitt. 1994, 43; siehe entsprechend auch für den Handlungsbevollmächtigten eines Versicherungsmaklers: [X.]eschluss vom 13. Februar 1995 - [X.] ([X.]) 71/94, [X.]RAK-Mitt. 1995, 123; den angestellten Niederlassungsleiter oder den Geschäftsführer eines Versicherungsmaklerunternehmens: [X.]eschlüsse vom 21. Juli 1997 - [X.] ([X.]) 15/97, [X.]RAK-Mitt. 1997, 253 und vom 18. Oktober 1999 - [X.] ([X.]) 97/98, [X.]RAK-Mitt. 2000, 43; vgl. auch zur Anstellung im Vertriebsteam einer Rechtsschutzversicherung: [X.]eschluss vom 15. Mai 2006 - [X.] ([X.]) 53/05, [X.], 3717). Zur [X.]egründung hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Maklerberuf in besonderer Weise die Möglichkeit biete, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammten. Gerade diese [X.]erufsgruppe sei darauf angewiesen, Informationen zu erhalten, welche die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen aussichtsreich erscheinen ließen. Die anwaltliche Tätigkeit bringe es aber typischerweise mit sich, dass dem Rechtsanwalt Sachverhalte bekannt würden, bei denen sich der Abschluss eines oder mehrerer Versicherungsverträge geradezu aufdränge. Sei der Makler mit der Abwicklung von Schadensfällen außerhalb von Versicherungsverträgen befasst, die seine Maklerfirma vermittelt habe, liege die Gefahr nahe, dass er im eigenen Courtageinteresse seinem Mandanten empfehle - vor allem, wenn die Schadensabwicklung nicht zufriedenstellend verlaufe - den Versicherungsvertrag zu kündigen und einen "besseren" Versicherungsvertrag, nämlich einen von seiner Maklerfirma vermittelten, abzuschließen. Letztlich könne sich der Versicherungsmakler in vielen [X.]ereichen die anwaltliche Tätigkeit für sein Versicherungsvermittlungsgeschäft zunutze machen; dass er dieser Versuchung unterliegen könne, sei schon angesichts des harten [X.] im Versicherungsmarkt naheliegend.

c) Diese Grundsätze hat der Senat auch auf den Vermittler von Finanzdienstleistungen und den Grundstücksmakler angewandt (vgl. nur [X.]eschlüsse vom 13. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 79/02, [X.], 212 und vom 8. Oktober 2007 - [X.] ([X.]) 92/06, Anw[X.]l. 2008, 65, 66 mwN). Deren Tätigkeit sei mit dem Anwaltsberuf ebenfalls unvereinbar, weil sich hier die Gefahr von Interessenkollisionen genauso deutlich abzeichne. Denn Rechtsanwälte erhielten bei der Ausübung ihres [X.]erufs vielfach Kenntnisse von Geld- und Immobilienvermögen des Mandanten. Es sei anwaltliches Alltagsgeschäft, individuelle Vermögenspositionen zu erstreiten oder zu verteidigen, wobei häufig - zum [X.]eispiel im Zusammenhang mit einer steuerlichen [X.]eratung - Dispositionen über Geld- und Immobilienvermögen zu prüfen und durchzuführen seien. Zwar lägen Interessenkollisionen, die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdeten, nicht schon dann vor, wenn das Wissen aus der einen Tätigkeit für die jeweils andere von Vorteil sei. In seinem Zweitberuf als Makler könne ein Rechtsanwalt aber an der Umschichtung des Vermögens verdienen. Deshalb bestehe die Gefahr, dass er im eigenen Courtageinteresse dem Mandanten eine derartige Umschichtung empfehle, was er als unabhängiger Rechtsanwalt nicht dürfe. Könnte der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf zum [X.]eispiel als Finanzmakler an der Vermittlung einer Geldanlage verdienen, wäre zu befürchten, dass er seine anwaltliche [X.]eratung nicht streng an den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seines Mandanten ausrichte, sondern das Provisionsinteresse Einfluss gewinne. Ähnliche Gefahren drohten, wenn der Rechtsanwalt prüfen solle, ob es für einen Mandanten ratsam sei, eine Immobilie zu veräußern oder ein Mietverhältnis mit einem Mieter zu beendigen. Könne er als Immobilienmakler an der Vermittlung eines Käufers oder eines neuen Mieters eine Provision verdienen, bestünde die Gefahr, dass er sich bei seiner anwaltlichen [X.]eratung davon nicht ganz freimache. Da beim Makler die Gefahr der Interessenkollision typischerweise gegeben sei, weil - anders als bei anderen Zweitberufen - üblicherweise die anwaltliche Tätigkeit [X.]erührungspunkte mit der Maklertätigkeit aufweise, sei der Maklerberuf mit dem Rechtsanwaltsberuf unvereinbar. Zudem könne sich eine Gefährdung der Unabhängigkeit auch daraus ergeben, dass ein Makler, der zugleich Rechtsanwalt sei, vom Kunden, dem er die Gelegenheit zum Abschluss eines Vertrags nachgewiesen habe, gebeten werde, ihn anwaltlich über die Vor- und Nachteile des abzuschließenden Vertrags zu beraten oder diesen gleich selbst zu entwerfen. Dabei entstünde die Gefahr, dass die [X.]eratung und/oder Formulierung des Vertrags nicht unter ausschließlicher Orientierung an den Interessen des Mandanten erfolge. Vielmehr könne sich der Rechtsanwalt von seinem Provisionsinteresse leiten lassen und seine anwaltlichen Leistungen so erbringen, dass der Mandant den [X.] (Senat, [X.]eschluss vom 13. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 79/02, [X.], 212, 213).

d) Ähnlich hat der Senat für die Unvereinbarkeit des Anwaltsberufs mit einer Tätigkeit als angestellter Vermögensberater einer [X.]ank entschieden (vgl. [X.]eschlüsse vom 15. Mai 2006 - [X.] ([X.]) 41/05, [X.], 2488 Rn. 6 ff. und vom 21. März 2011 - [X.] ([X.]) 36/10, NJW-RR 2011, 856 Rn. 7 ff.). Die dem Vermögensberater arbeitsvertraglich insoweit obliegende Rechtsberatung der [X.]ankkunden lasse sich vom [X.] der [X.]ank, Kunden für ihre Produkte zu gewinnen, nicht trennen. Auch bestehe die Gefahr, dass der Rechtsanwalt sein aus anwaltlichen Mandaten erworbenes Wissen dazu nutze, seinen Mandanten eine Vermögensanlage bei seiner [X.]ank zu empfehlen und sie insoweit nicht rein objektiv zu beraten.

e) Ferner hat der Senat die Tätigkeit als "[X.]erater und Akquisiteur" bei einer Unternehmensberatungsgesellschaft für Personalmanagement als mit dem Anwaltsberuf unvereinbar erklärt (vgl. [X.]eschluss vom 26. November 2007 - [X.] ([X.]) 111/06, [X.], 1318 Rn. 6 ff.). Zu den Aufgaben des dort betroffenen Rechtsanwalts gehörte es unter anderem auch, im Rahmen von Fragestellungen der Personalentwicklung dem Kunden zum [X.]eispiel Möglichkeiten, Wege und Kosten einer Trennung von Mitarbeitern aufzuzeigen. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Gefahr nahe liege, dass der Rechtsanwalt zu einer unabhängigen [X.]eratung nicht imstande sei, wenn er bei der Akquisition von Kunden und der damit verbundenen [X.]eratung der zu gewinnenden Kunden das wirtschaftliche Interesse der Unternehmensberatungsgesellschaft verfolge. Die von ihm im Rahmen seiner Akquisitionstätigkeit vorzunehmende [X.]eratung in Personalangelegenheiten, die unmittelbar und zielgerichtet den [X.] der Unternehmensberatungsgesellschaft diene, habe zwangsläufig auch rechtliche Aspekte zum Gegenstand; insbesondere seien im Zusammenhang mit Fragestellungen der Personalentwicklung arbeits- und sozialrechtliche Fragen einzubeziehen. Eine rechtliche [X.]eratung potentieller Kunden des Unternehmens, die nicht ausschließlich im Interesse des neu zu gewinnenden Kunden, sondern im Vertriebsinteresse des Unternehmens erfolge, stelle jedoch keine unabhängige [X.]eratung dar und sei mit dem [X.]erufsbild des Rechtsanwalts und seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar. Insoweit gelte für die akquisitorische Tätigkeit im Dienste einer Unternehmensberatungsgesellschaft nichts anderes als für eine Vermögensberatung gegenüber [X.]ankkunden (Senat, aaO Rn. 10). Zum anderen bestehe die Gefahr, dass der Rechtsanwalt das Wissen, welches er aus der [X.]eratung seiner Mandanten auch über deren berufliche Situation oder - im Falle von Unternehmen - über deren Personalangelegenheiten erlange, dazu nutzen könne, seine Mandanten als Kunden für die [X.]eratungsleistungen seines Arbeitgebers zu gewinnen, und dies Einfluss auf seine anwaltliche [X.]eratung habe.

3. Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Maklertätigkeit, die durch die b.       Immobilien GmbH ausgeübt wird, mit der Tätigkeit eines Rechtsanwalts nicht vereinbar. Dass der Geschäftszweck der [X.] fehlerhaft wiedergegeben worden ist, weil der Notar eine "Standardformel" verwendet habe - so der Kläger in der mündlichen Verhandlung -, liegt angesichts der unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten der Gesellschaften des [X.] nicht nahe und ist von ihm auch nicht belegt worden. Der Senat ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Unvereinbarkeit auch für den Erwerb und die Vermarktung von Immobilien durch Immobilienhändler und -entwickler gilt. Die Erwägungen des Senats zur Tätigkeit von Immobilienmaklern - siehe oben unter [X.]) - treffen auf den Immobilienhändler und -entwickler genauso zu wie auf den Immobilienmakler. [X.]eide haben ein erhebliches Interesse daran, dass der Mandant mit ihnen ein Immobiliengeschäft tätigt. Im Falle des [X.] ist das wirtschaftliche Interesse am Vertragsschluss angesichts des angestrebten Gewinns noch weit höher als das Provisionsinteresse des Maklers.

4. Der Senat hat sich ebenso wenig wie der [X.] davon überzeugen können, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] am 5. Juni 2013 sein Amt als Geschäftsführer der b.      Immobilien GmbH niedergelegt hatte oder als Geschäftsführer abberufen worden war. Zur näheren [X.]egründung nimmt der Senat zunächst auf die Ausführungen im Urteil des [X.]s vom 25. März 2015 Seite 9 bis 11 [X.]ezug. [X.]ei seiner Anhörung durch den Senat hat der Kläger widersprüchliche Angaben dazu gemacht, warum die am 5. September 2012 beurkundete Abberufung als Geschäftsführer nicht ins Handelsregister eingetragen worden ist. Er hat sich sowohl auf ein formales Eintragungshindernis als auch auf ein Verschulden des Registergerichts berufen. Desgleichen hat er keine nachvollziehbare Erklärung dafür vorgetragen, warum die behauptete Niederlegung der Geschäftsführertätigkeit mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 im Handelsregister nicht eingetragen worden ist.

Der Kläger ist auch einen Nachweis, dass die b.      Immobilien GmbH im Jahr 2013 keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt hat, schuldig geblieben. Den Vortrag der [X.]eklagten, wonach die [X.] noch am 4. November 2013 eine Homepage mit Immobilienangeboten im [X.] unterhielt, hat er nicht entkräftet, wobei zudem auffällt, dass auf dieser Homepage die Kanzleianschrift des [X.] und dessen Telefon- und Faxnummer angegeben waren. Seine [X.]ehauptung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die b.      Immobilien GmbH habe die letzte Immobilie 2011/2012 verkauft, hat er durch nichts belegt.

Der Kläger ist mithin seiner Darlegungs- und [X.]eweislast weder hinsichtlich der Aufgabe seiner Stellung als Geschäftsführer der b.      Immobilien GmbH noch hinsichtlich der Inaktivität der [X.] zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] nachgekommen. Dies rechtfertigte den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die [X.]eklagte.

5. Auf eine Tätigkeit des [X.] für die [X.] und die     M.          Immobiliengesellschaft mbH kommt es danach nicht mehr an.

6. Ob der Widerruf der Zulassung für den Rechtsanwalt eine unzumutbare Härte bedeuten würde, die im Einzelfall den Widerruf ausschließt, kann nur an Hand der [X.]esonderheiten des Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist nicht nur auf die wirtschaftlichen Folgen des Widerrufs, sondern auf alle Umstände abzustellen, die damit im Zusammenhang stehen ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 14 Rn. 70 mwN; [X.]Prütting, [X.], 4. Aufl., § 14 Rn. 42 mwN). Eine solche unzumutbare Härte ist im vorliegenden Fall nicht dargetan. Das Vorbringen des [X.] bietet bereits keine ausreichende Grundlage für die Prüfung, ob der Widerruf der Zulassung für ihn in wirtschaftlicher Hinsicht eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Der Kläger hat keinerlei Angaben dazu gemacht, wie hoch sein Einkommen aus der Anwaltstätigkeit ist und in welcher Höhe die Familie über sonstige Einkünfte verfügt. Gegen einen Härtefall spricht hier auch, dass der Kläger über viele Jahre seine Nebentätigkeit nicht angezeigt hat (vgl. [X.], aaO Rn. 70 mwN). Das Verfahren über den Widerruf hat sich zudem geraume Zeit hingezogen. Ernsthafte Schritte zur Lösung der Verquickung beider Tätigkeitsfelder hat der Kläger nicht unternommen.

III.

[X.] beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Kayser                              Roggenbuck                          Lohmann

                   [X.]raeuer                                      Kau

Meta

AnwZ (Brfg) 35/15

11.01.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Berlin, 25. März 2015, Az: II AGH 11/13

§ 14 Abs 2 Nr 8 BRAO, § 45 Abs 1 Nr 4 BRAO, § 45 Abs 2 Nr 2 BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 35/15 (REWIS RS 2016, 18014)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 18014

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I ZR 133/12

XII ZB 592/11

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