Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 35/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 18020

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:110116UANWZBRFG35.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.])
35/15
Verkündet am:

11. Januar 2016

Boppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

-
2
-
Der Bundesgerichtshof, [X.], hat auf die mündliche [X.] vom 11.
Januar 2016 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr.
Kayser, die [X.]innen Roggenbuck und [X.] sowie die [X.] und Dr. Kau
für Recht erkannt:
Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des II.
Senats des [X.]s [X.] vom 25. März 2015 (II
AGH 11/13) wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000

Tatbestand:
Die Parteien streiten um den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft wegen unvereinbarer Tätigkeit (§
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.]).
Der Kläger ist seit 1992 als Rechtsanwalt in B.

zugelassen. Er war
Geschäftsführer dreier Immobiliengesellschaften, der

M.

Im-
mobiliengesellschaft mbH (Geschäftsgegenstand: Erwerb, Bewirtschaftung und Veräußerung sowie Vermittlung von Immobilien), der b.

Immobilien
GmbH (Geschäftsgegenstand: Vermittlung von Immobilien) und der P.

GmbH (Geschäftsgegenstand: Erwerb, Bewirtschaftung und Ver-
äußerung von Immobilien). Ob und wann er seine Tätigkeit als Geschäftsführer 1
2
-
3
-
dieser Gesellschaften aufgegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. Im Juni 2013 war der Kläger noch als Geschäftsführer im [X.]; die Eintragung der Abberufung des [X.] als Geschäftsführer der
b.

Immobilien GmbH erfolgte am 9.
Dezember 2013.
Der Kläger beruft
sich darauf, dass die Gesellschaften nicht mehr am Markt aktiv gewesen seien und keine Maklertätigkeit erbracht hätten. Die b.

habe in den Jahren
2011/2012 die letzte Immobilie verkauft. Das Amtsgericht C.

hat
über das Vermögen der

M.

Immobiliengesellschaft mbH durch
Beschluss vom 3.
Juni 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Beklagte hat die Zulassung des [X.] mit Bescheid vom 5.
Juni 2013, zugestellt am 13.
Juni 2013, wegen Unvereinbarkeit seiner Tätigkeit für die Immobiliengesellschaften mit dem Beruf des Rechtsanwalts gemäß §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] widerrufen. Die hiergegen gerichtete Klage hat keinen Erfolg gehabt, jedoch hat der [X.] die Berufung zugelassen. Der Kläger beanstandet das Verfahren des [X.]s, bestreitet, zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] eine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt zu haben, und meint, es liege eine unzumutbare Härte gemäß §
14 Abs.
2 Nr.
8 2.
Halbsatz [X.] vor,
weil er den Unterhalt seiner vierköpfigen Familie aus-schließlich aus den Einkünften seiner Anwaltspraxis bestreite. Er beantragt,
unter Abänderung des Urteils des [X.]es [X.] zu dem Aktenzeichen II
AGH
11/13 vom 25.
März 2015 den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 5.
Juni 2013, mit dem die Zulassung des Berufungsklägers zur Rechtsanwaltschaft gemäß §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] wider-rufen wird, aufzuheben,
3
-
4
-
hilfsweise, die Sache an den [X.] zur er-neuten Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihren Bescheid.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des [X.] ist zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
I.
Das dem Kläger am 18.
April 2015 zugestellte Urteil vom 25.
März 2015 ist nicht mangels fehlerhafter Verkündung unwirksam. Der Kläger behauptet, dass ein beisitzender [X.] nach der Beratungspause des Gerichts, aber noch vor Verkündung des Urteils "verschwand"
und damit nicht mehr bei der Verkündung anwesend gewesen sei.
1.
Die Rüge
ist bereits unzulässig. Nach §
112e Satz
2 [X.], §
124a Abs.
3 VwGO ist die Berufung zu begründen. Nach §
124a Abs.
3 Satz 4 VwGO muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im [X.] anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Zur Auslegung der insoweit zu stellenden Anforderungen kann auf §
139 Abs.
3 Satz
4 VwGO zurückgegriffen werden [X.]/[X.], VwGO, 21.
Aufl.,
§
124a Rn.
33). 4
5
6
7
8
-
5
-
§
139 Abs.
3 Satz
4 VwGO erfordert, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen anzugeben, die den Mangel ergeben. Die Bezeichnung der [X.] muss so genau und schlüssig sein, dass dem Berufungsgericht eine Beurteilung ohne zusätzliche Ermittlungen möglich ist. Hier fehlt die Angabe, welcher Beisitzer bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend war und [X.] [X.] demgegenüber der Verkündung beigewohnt haben.
2.
Die Rüge ist darüber hinaus aber auch unbegründet.
a)
Dem behaupteten Verfahrensfehler steht bereits der Inhalt des [X.] vom 25.
März 2015 entgegen. Ausweislich des [X.] ist das Urteil hier am Schluss der Sitzung in Anwesenheit sämtlicher [X.] verkündet worden. Umstände, die eine Fälschung des Protokolls bele-gen könnten (§
112c
Abs.
1 Satz
1 [X.], §
105 VwGO, §
165 Satz 2 ZPO), trägt der Kläger nicht vor; einen Antrag auf Protokollberichtigung hat er nicht gestellt.
b)
Ein Verstoß, der zur Nichtigkeit des angefochtenen Urteils führen wür-de, läge im Falle der Richtigkeit der Berufungsbegründung nicht vor. Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und mate-riell-rechtlichen Wirkungen existent. Bis dahin liegt nur ein Entscheidungsent-wurf vor, der allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugen kann ([X.], Beschluss vom 14.
Juni 1954 -
GSZ
3/54, [X.]Z 14, 39, 44; Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR
37/03, [X.], 2019, 2020; vom 24.
September 2013 -
I
ZR 133/12, NJW 2014, 1304 Rn.
11). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im [X.] an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
116 Abs.
1 VwGO) durch den Vorsitzenden vor 9
10
11
-
6
-
dem ordnungsgemäß besetzten Gericht, dessen Mitglieder jedoch nicht [X.] dieselben [X.] sein müssen, die das Urteil gefällt haben [X.]/
[X.], VwGO, 21.
Aufl., §
116 Rn.
4). Dem Fehlen der Verlautbarung stehen Verstöße gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende [X.] gleich, sodass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Zu den zu wahrenden Mindestanforderungen an eine Verlautbarung gehört, dass sie vom Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und dass die Parteien vom Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Diese [X.] an die Verlautbarung bleiben gewahrt, wenn bei ihr ein beisitzender [X.] abwesend und das Gericht somit nicht vollständig besetzt ist. Dies zeigt schon die Bestimmung des §
311 Abs.
4 ZPO, wonach im [X.] in einem gesondert anberaumten Verkündungstermin der Vorsitzende das Urteil allein verkünden kann.
c)
Der Verfahrensfehler würde auch nicht zur Aufhebung des Urteils füh-ren. Eine Aufhebung einer Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers erfolgt nur dann, wenn die Entscheidung darauf beruht oder beruhen kann. Bei rein formalen Verkündungsmängeln ist dies regelmäßig nicht der Fall.
d)
Der Mangel der Verkündung wäre im Übrigen auch durch die Zustel-lung der Ausfertigung des
vollständigen und unterschriebenen Urteils geheilt worden. Wird ein Urteil statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung durch Zu-stellung verkündet, liegt hierin zwar ein auf die Wahl der Verlautbarung be-schränkter Verfahrensfehler ([X.], Urteil vom 12.
März 2004 -
V
ZR
37/03, [X.], 2019, 2020; vom 24.
September 2013 -
I
ZR
133/12, NJW 2014, 1304 Rn.
20), der aber nicht derartig elementar ist, dass er zur Unwirksamkeit des [X.] führt ([X.], Urteil vom 12.
März 2004, aaO; Beschluss vom 12
13
-
7
-
13.
Juni 2012 -
XII
ZB
592/11, NJW-RR 2012, 1025 Rn.
17; vom 21.
Juni 2012
-
V
ZB 56/12, NJW-RR 2012, 1359 Rn.
14). Zwar liegt hier keine Zustel-lungsverfügung des Vorsitzenden vor (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2015
-
AnwZ ([X.]) 51/13, Rn.
7). Dies ist jedoch rechtlich unerheblich. Der [X.] hat das vollständig abgefasste und von allen mitwirkenden [X.]n un-terschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt. Die Zustellung ist von Amts wegen durch die Geschäftsstelle erfolgt

112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
56 Abs.
2 VwGO).
II.
Nach §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt eine Tätigkeit ausübt, die mit seinem Beruf, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht
vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann; dies gilt nur dann nicht, wenn der Widerruf für ihn eine unzumutbare Härte be-deuten würde.
1.
Die Regelung des §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] greift in die Freiheit der
Berufswahl (Art.
12 Abs.
1 Satz
1 GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrere Berufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (vgl. nur [X.] 21, 173, 179; 87, 287, 316; [X.], [X.] 1993, 463; NJW 2009, 3710 Rn.
13; NJW 2013, 3357 Rn.
21). Gegen die gesetzliche Beschränkung der [X.] durch die Widerrufsschranke in §
14 Abs.
2 Nr.
8 [X.] (vormals §
14 Abs.
2 Nr.
9 [X.]) bestehen von [X.] wegen keine Bedenken. Sie dient -
ebenso wie die entsprechende Vorschrift über die Zulassung zur [X.] in §
7 Nr.
8 [X.]
-
der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege; das Ziel beider Regelungen besteht darin, die fachliche Kompetenz und Integrität 14
15
-
8
-
sowie ausreichenden Handlungsspielraum der Rechtsanwälte zu sichern und die notwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zu schützen (vgl. nur [X.] 87, 287, 321; [X.], [X.] 1993, 463). Dabei kommt es für die Frage der Vereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen Tätigkeiten nicht nur auf die Integrität des einzelnen Bewerbers und die Besonderheiten seiner beruf-lichen Situation an. Selbst wenn diese im Einzelfall günstig beurteilt werden können, muss darüber hinaus berücksichtigt werden, ob die Ausübung des zweiten Berufs beim rechtsuchenden Publikum begründete Zweifel an der [X.] und Kompetenz
eines Rechtsanwalts wecken muss und dadurch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen wird (vgl. nur [X.], aaO
S.
320
f.). Unabhängigkeit und Integrität eines Rechtsanwalts sowie dessen maßgebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seiner Mandanten können bei einer erwerbswirtschaftlichen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein. Allerdings ist bei der Auslegung und Anwen-dung der gesetzlichen Regelungen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu be-achten. Er gebietet im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Wahl der Berufsfreiheit Zurückhaltung bei der Annahme von Unvereinbarkeiten; eine [X.]beschränkung ist allenfalls dort erforderlich und zumutbar, wo sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich [X.]t und auch nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen zu bannen ist (vgl. [X.], aaO S.
322, 330; [X.], [X.] 1993, 463, 464; NJW 2013, 3357 Rn.
25
f.). Dies ist jeweils im Ein-zelfall unter Berücksichtigung der konkreten Tätigkeit des betroffenen [X.] zu prüfen (vgl. auch [X.], NJW 2002, 503; NJW 2009, 3710 Rn.
23; NJW 2013, 3357 Rn.
26). Unter Beachtung dieser verfassungsrechtlichen Vor-gaben ist deshalb darauf abzustellen, ob die zweitberufliche Tätigkeit die Unab-hängigkeit des Rechtsanwalts in seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt be-einträchtigt bzw. ob bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise die Wahr-scheinlichkeit von Pflichtenkollisionen nahe liegt (vgl. nur BT-Drucks. 12/4993, -
9
-
S.
24
zur -
nach [X.] 87, 287
-
erfolgten Neufassung der §§
7 Nr.
8, 14 Abs.
2 Nr.
9 (jetzt Nr.
8) [X.]; siehe auch Senatsbeschlüsse vom 21.
No-vember 1994 -
AnwZ
(B)
44/94, NJW 1995, 1031; vom 11.
Dezember 1995
-
AnwZ
(B)
32/95, NJW 1996, 2378; vom 13.
Oktober 2003 -
AnwZ
(B)
79/02, [X.], 212; vom 15.
Mai 2006 -
AnwZ
(B)
53/05, [X.], 3717 Rn.
5
und vom 26.
November 2007 -
AnwZ
(B)
111/06, [X.], 1318 Rn.
12).
2.
Interessenkollisionen liegen vor allem dann nahe, wenn ein kaufmän-nischer Beruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (vgl. [X.] 87, 287, 329 unter Hinweis auf [X.] 21, 173, 182, dort für Inkompatibilitäten beim Steuerbevollmächtig-ten).
a)
So bringt es der Beruf des Rechtsanwalts häufig mit sich, dass er von internen
Geschäftsvorgängen der Betriebe seiner Mandanten Kenntnis erlangt. Übt er gleichzeitig einen gewerblichen Beruf aus, besteht die Möglichkeit, dass er die bei der rechtsberatenden Tätigkeit erworbenen Kenntnisse in seinem
eigenen Betrieb verwerten und dem
Gewerbetreibenden, den er berät, Konkur-renz machen kann. Hierdurch kann die vom Gesetzgeber geforderte [X.] beeinträchtigt werden.
b)
Der Senat hat darüber hinaus eine durch die Tätigkeitsverbote nach §
45 Abs.
1 Nr.
4 und Abs.
2 Nr.
2 [X.] nicht ausreichend zu bannende Ge-fahr von Interessenkollisionen dann angenommen, wenn der Rechtsanwalt zweitberuflich als Versicherungsmakler tätig ist (vgl. Beschluss vom 14.
Juni 1993 -
AnwZ
(B)
15/93, [X.]. 1994, 43; siehe entsprechend auch für
den Handlungsbevollmächtigten eines Versicherungsmaklers: Beschluss vom 13.
Februar 1995 -
AnwZ
(B)
71/94, [X.]. 1995, 123;
den angestellten 16
17
18
-
10
-
Niederlassungsleiter oder den Geschäftsführer eines Versicherungsmakler-unternehmens: Beschlüsse vom 21.
Juli 1997
-
AnwZ
(B)
15/97, [X.]. 1997, 253 und vom 18.
Oktober 1999 -
AnwZ
(B)
97/98, [X.]. 2000, 43; vgl. auch zur Anstellung im Vertriebsteam einer Rechtsschutzversicherung: [X.] vom 15.
Mai 2006 -
AnwZ
(B)
53/05, [X.], 3717). Zur [X.] hat der Senat darauf hingewiesen, dass der Maklerberuf in besonderer Weise die Möglichkeit biete, Informationen zu nutzen, die aus der [X.] Tätigkeit stammten. Gerade diese Berufsgruppe sei darauf angewiesen, Informationen zu erhalten, welche die Vermittlung von Geschäftsabschlüssen aussichtsreich erscheinen ließen. Die anwaltliche Tätigkeit bringe es aber typi-scherweise mit sich, dass dem Rechtsanwalt Sachverhalte bekannt würden, bei denen sich der Abschluss eines oder mehrerer Versicherungsverträge [X.]. Sei der Makler mit der Abwicklung von Schadensfällen außerhalb von Versicherungsverträgen befasst, die seine Maklerfirma vermittelt habe, lie-ge die Gefahr nahe, dass er im eigenen Courtageinteresse seinem Mandanten empfehle -
vor allem, wenn die Schadensabwicklung nicht zufriedenstellend verlaufe
-
den Versicherungsvertrag zu kündigen und einen "besseren" [X.], nämlich einen von seiner Maklerfirma vermittelten, [X.]. Letztlich könne sich der Versicherungsmakler in vielen Bereichen die anwaltliche Tätigkeit für sein Versicherungsvermittlungsgeschäft zunutze ma-chen; dass er dieser Versuchung unterliegen könne, sei schon angesichts des harten [X.] im Versicherungsmarkt naheliegend.
c)
Diese Grundsätze hat der Senat auch auf den Vermittler von [X.] und den Grundstücksmakler angewandt (vgl. nur Beschlüsse
vom 13.
Oktober 2003 -
AnwZ
(B)
79/02, [X.], 212 und vom 8.
Oktober 2007 -
AnwZ
(B)
92/06, [X.]. 2008, 65, 66 mwN). Deren Tätigkeit sei mit dem Anwaltsberuf ebenfalls unvereinbar, weil sich hier die Gefahr von Interessenkol-19
-
11
-
lisionen genauso deutlich [X.]. Denn Rechtsanwälte erhielten bei der Ausübung ihres Berufs vielfach Kenntnisse von Geld-
und Immobilienvermögen des Mandanten. Es sei anwaltliches Alltagsgeschäft, individuelle Vermögens-positionen zu erstreiten oder zu verteidigen, wobei häufig -
zum Beispiel im Zu-sammenhang mit einer steuerlichen Beratung
-
Dispositionen über Geld-
und Immobilienvermögen zu prüfen und durchzuführen seien. Zwar lägen [X.], die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährde-ten, nicht schon dann vor, wenn das Wissen aus der einen Tätigkeit für die [X.] andere von Vorteil sei. In seinem Zweitberuf als Makler könne ein Rechts-anwalt aber an der Umschichtung des Vermögens verdienen. Deshalb bestehe die Gefahr, dass er im eigenen Courtageinteresse dem Mandanten eine derar-tige Umschichtung empfehle, was er als unabhängiger Rechtsanwalt nicht [X.]. Könnte der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf zum Beispiel als Finanzmak-ler an der Vermittlung einer Geldanlage verdienen, wäre zu befürchten, dass er seine anwaltliche Beratung nicht streng an den rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen seines Mandanten ausrichte, sondern das
Provisionsinteresse Einfluss gewinne. Ähnliche Gefahren drohten, wenn der Rechtsanwalt prüfen solle, ob es für einen Mandanten ratsam sei, eine Immobilie zu veräußern oder ein Mietverhältnis mit einem Mieter zu beendigen. Könne er als Immobilienmak-ler an der Vermittlung eines Käufers oder eines neuen Mieters eine Provision verdienen, bestünde die Gefahr, dass er sich bei seiner anwaltlichen Beratung davon nicht ganz freimache. Da beim Makler die Gefahr der Interessenkollision typischerweise gegeben sei, weil -
anders als bei anderen Zweitberufen
-
übli-cherweise die anwaltliche Tätigkeit Berührungspunkte mit der Maklertätigkeit aufweise, sei der Maklerberuf mit dem Rechtsanwaltsberuf unvereinbar. Zudem könne sich eine Gefährdung der Unabhängigkeit auch daraus ergeben, dass ein Makler, der zugleich Rechtsanwalt sei, vom Kunden, dem er die Gelegen-heit zum Abschluss eines Vertrags nachgewiesen habe, gebeten werde, ihn -
12
-
anwaltlich über die Vor-
und Nachteile des abzuschließenden Vertrags zu bera-ten oder diesen gleich selbst zu entwerfen. Dabei entstünde die Gefahr, dass die Beratung und/oder Formulierung des Vertrags nicht unter ausschließlicher Orientierung an den Interessen des Mandanten erfolge. Vielmehr könne sich der Rechtsanwalt von seinem Provisionsinteresse
leiten lassen und seine an-waltlichen Leistungen so erbringen, dass der Mandant den [X.] (Senat, Beschluss vom 13.
Oktober 2003 -
AnwZ
(B)
79/02, [X.], 212, 213).
d)
Ähnlich hat der Senat für die Unvereinbarkeit des Anwaltsberufs mit einer Tätigkeit als angestellter Vermögensberater einer Bank entschieden (vgl. Beschlüsse vom 15.
Mai 2006 -
AnwZ
(B)
41/05, [X.], 2488 Rn.
6
ff. und vom 21.
März 2011 -
AnwZ
(B)
36/10, NJW-RR 2011, 856 Rn.
7
ff.). Die dem Vermögensberater arbeitsvertraglich insoweit obliegende Rechtsberatung der Bankkunden lasse sich vom [X.] der Bank, Kunden für ihre [X.] zu gewinnen, nicht trennen. Auch bestehe die Gefahr, dass der Rechts-anwalt sein aus anwaltlichen Mandaten erworbenes
Wissen dazu nutze, seinen Mandanten eine Vermögensanlage bei seiner Bank zu empfehlen und sie inso-weit nicht rein objektiv zu beraten.
e)
Ferner hat der Senat die Tätigkeit als "Berater und Akquisiteur" bei
einer Unternehmensberatungsgesellschaft für Personalmanagement als mit dem Anwaltsberuf unvereinbar erklärt (vgl. Beschluss vom 26.
November 2007 -
AnwZ
(B)
111/06, [X.], 1318 Rn.
6
ff.). Zu den Aufgaben des dort be-troffenen Rechtsanwalts gehörte es unter anderem auch, im Rahmen von [X.] der Personalentwicklung dem Kunden zum Beispiel Möglichkeiten, Wege und Kosten einer Trennung von Mitarbeitern aufzuzeigen. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Gefahr nahe liege, dass der Rechtsanwalt zu
20
21
-
13
-
einer unabhängigen Beratung nicht imstande sei, wenn er bei der Akquisition von Kunden und der damit verbundenen Beratung der zu gewinnenden Kunden das wirtschaftliche Interesse der Unternehmensberatungsgesellschaft verfolge. Die von ihm im Rahmen seiner Akquisitionstätigkeit vorzunehmende Beratung in Personalangelegenheiten, die unmittelbar und zielgerichtet den Vertriebs-interessen der Unternehmensberatungsgesellschaft diene, habe zwangsläufig auch rechtliche Aspekte zum Gegenstand; insbesondere seien im [X.] mit Fragestellungen der Personalentwicklung arbeits-
und sozialrechtliche Fragen einzubeziehen. Eine rechtliche Beratung potentieller Kunden des [X.], die nicht ausschließlich im Interesse des neu zu gewinnenden Kun-den, sondern im Vertriebsinteresse des Unternehmens erfolge,
stelle jedoch keine unabhängige Beratung dar und sei mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts und seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar. Insoweit gelte für die akquisitorische Tätigkeit im Dienste einer Unternehmens-beratungsgesellschaft nichts anderes als für eine Vermögensberatung gegen-über Bankkunden (Senat, aaO Rn.
10). Zum anderen bestehe die Gefahr, dass der Rechtsanwalt das Wissen, welches er aus der Beratung seiner Mandanten auch über deren berufliche Situation oder -
im Falle von Unternehmen
-
über deren Personalangelegenheiten erlange, dazu nutzen könne, seine Mandanten als Kunden für die Beratungsleistungen seines Arbeitgebers zu gewinnen, und dies Einfluss auf seine anwaltliche Beratung habe.
3.
Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Maklertätigkeit, die durch die b.

Immobilien GmbH ausgeübt wird, mit der Tätigkeit eines Rechts-
anwalts nicht vereinbar. Dass der Geschäftszweck der [X.] fehlerhaft wiedergegeben worden ist, weil der Notar eine "Stan-dardformel"
verwendet habe -
so der Kläger in der mündlichen Verhandlung
-,
liegt angesichts der unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten der Gesellschaften 22
-
14
-
des [X.] nicht nahe und ist von ihm auch nicht belegt worden. Der Senat
ist darüber hinaus der Auffassung, dass die Unvereinbarkeit auch für den Erwerb und die Vermarktung von Immobilien durch Immobilienhändler und -entwickler gilt. Die Erwägungen des Senats zur Tätigkeit von Immobilienmaklern -
siehe oben unter 2.
c)
-
treffen auf den Immobilienhändler und -entwickler genauso zu wie auf den Immobilienmakler. Beide haben ein erhebliches Interesse daran, dass der Mandant mit ihnen ein Immobiliengeschäft tätigt. Im Falle des [X.] und -entwicklers ist das wirtschaftliche Interesse am Vertrags-schluss angesichts des angestrebten Gewinns noch weit höher als das Provisi-onsinteresse des Maklers.
4.
Der Senat hat sich ebenso wenig wie der [X.] davon überzeugen können, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] am 5.
Juni 2013 sein Amt als Geschäftsführer der b.

Immobilien GmbH niedergelegt hatte oder als Geschäftsführer abberufen [X.] war. Zur näheren Begründung nimmt der Senat zunächst auf die Ausfüh-rungen im Urteil des [X.]s vom 25.
März 2015 Seite
9 bis 11 [X.]. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat der Kläger widersprüchliche An-gaben dazu gemacht, warum die am 5.
September 2012 beurkundete Abberu-fung als Geschäftsführer nicht ins Handelsregister eingetragen worden ist. Er hat sich sowohl auf ein formales Eintragungshindernis als auch auf ein Ver-schulden des Registergerichts berufen. Desgleichen hat er keine nachvollzieh-bare Erklärung dafür vorgetragen, warum die behauptete Niederlegung der Ge-schäftsführertätigkeit mit Schreiben vom 5.
Dezember 2012 im Handelsregister nicht eingetragen worden ist.
Der Kläger ist auch einen Nachweis, dass die b.

Immobilien
GmbH im Jahr 2013 keine Geschäftstätigkeit mehr ausgeübt hat, schuldig ge-23
24
-
15
-
blieben. Den Vortrag der Beklagten, wonach die b.

Immobilien GmbH
noch am 4.
November 2013 eine Homepage mit Immobilienangeboten im [X.] unterhielt, hat er nicht entkräftet, wobei zudem auffällt, dass auf dieser Homepage die Kanzleianschrift des [X.] und dessen Telefon-
und Fax-nummer angegeben waren. Seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, die b.

Immobilien GmbH habe die letzte Immobilie
2011/2012 verkauft, hat er durch nichts belegt.
Der Kläger ist mithin seiner Darlegungs-
und Beweislast weder hinsicht-lich der Aufgabe seiner Stellung als Geschäftsführer der b.

Immobilien
GmbH noch hinsichtlich der Inaktivität der [X.] zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.] nachgekommen. Dies rechtfertigte den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die Beklagte.
5.
Auf eine Tätigkeit des [X.] für die P.

GmbH
und die

M.

Immobiliengesellschaft mbH kommt es danach
nicht mehr an.
6.
Ob der Widerruf der Zulassung für den Rechtsanwalt eine unzumut-bare Härte bedeuten würde, die im Einzelfall den Widerruf ausschließt, kann nur an Hand der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden werden. Dabei ist nicht nur auf die wirtschaftlichen Folgen des Widerrufs, sondern auf alle
Umstände abzustellen, die damit im Zusammenhang stehen ([X.] in
[X.]/[X.], [X.], 9.
Aufl., §
14 Rn.
70 mwN; [X.]
Prütting,
[X.],
4.
Aufl.,
§
14 Rn.
42 mwN). Eine solche unzumutbare Härte ist im vorliegenden Fall nicht dargetan. Das Vorbringen des [X.] bietet bereits keine ausreichende Grundlage für die Prüfung, ob der Widerruf der Zulassung für ihn in wirtschaftlicher Hinsicht eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Der 25
26
27
-
16
-
Kläger hat keinerlei Angaben dazu gemacht, wie hoch sein Einkommen aus der Anwaltstätigkeit ist und in welcher Höhe die Familie über sonstige Einkünfte verfügt. Gegen einen Härtefall spricht hier auch, dass der Kläger über viele [X.] seine Nebentätigkeit nicht angezeigt hat (vgl. [X.],
aaO Rn.
70
mwN). Das Verfahren über den Widerruf hat sich zudem geraume Zeit hingezo-gen. Ernsthafte Schritte zur Lösung der Verquickung beider Tätigkeitsfelder hat der Kläger nicht unternommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
112c Abs.
1 Satz
1 [X.], §
154 Abs.
2
VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §
194 Abs.
2 Satz
1 [X.].
Kayser
Roggenbuck
[X.]

Braeuer
Kau
Vorinstanz:
AGH [X.], Entscheidung vom 25.03.2015 -
II AGH 11/13 -

28

Meta

AnwZ (Brfg) 35/15

11.01.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2016, Az. AnwZ (Brfg) 35/15 (REWIS RS 2016, 18020)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 18020

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