Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2003, Az. IX ZB 134/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3953

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[X.] ZB 134/02vom13. März 2003in der [X.]:[X.]:ja ZPO § 568 Satz 2 Nr. 2, Satz 3; § 574 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 3 Satz 2; GG Art. 101 Abs. 1Satz 2Entscheidet der Einzelric[X.]er in einer Sache, der er rec[X.]sgrundsätzliche Bedeutungbeimißt, über die Beschwerde und läßt die Rec[X.]sbeschwerde zu, so ist die Zulas-sung wirksam, die Entscheidung unterliegt jedoch auf Rec[X.]sbeschwerde wegenfehlerhafter Besetzung des [X.] der Aufhebung von Amts wegen.[X.], [X.]uß vom 13. März 2003 - [X.] 134/02 - [X.]AG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch den Vorsitzenden [X.]9am 13. März 2003beschlossen:Auf die Rec[X.]sbeschwerde der Gläubiger wird der [X.]uß [X.] (Einzelric[X.]er) des [X.] vom21. März 2002 aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die [X.] Rec[X.]sbeschwerdeverfahrens - an das [X.].Geric[X.]skosten für das Rec[X.]sbeschwerdeverfahren werden nic[X.]erhoben.Gründe:[X.] Gläubiger sind die minderjährigen Kinder des Schuldners aus ersterEhe. Sie leben derzeit von Sozialhilfe. Am 1. Februar 2002 haben sie wegendes [X.] und wegen des laufenden Unterhaltes ab [X.] die Pfändung und Überweisung von Ansprüchen des Schuldners gegendie [X.] auf Zahlung von Arbeitslosengeld, [X.] 3 -hilfe, Unterhaltsgeld, Überbrückungsgeld und Übergangsgeld erwirkt. [X.] hat den [X.] für den notwendigen Unterhalt [X.] statt auf die im Pfändungs- und Überweisungsantraggenannten 574 #uf 730 ::<;;weiteres Kind festgesetzt. Hiergegen haben die Gläubiger Beschwerde [X.] mit dem Antrag, den [X.] nach dem [X.] zubemessen und auf 586,49 ::[X.] hat das Rec[X.]smit-tel mit [X.]uß des Einzelric[X.]ers vom 21. März 2002 zurückgewiesen und dieRec[X.]sbeschwerde zugelassen. Mit dieser beantragen die Gläubiger erneutFestsetzung des im Pfändungs- und Überweisungsantrag genannten [X.].[X.] Beschwerdegeric[X.] (Einzelric[X.]er) hat ausgeführt, das Landgeric[X.]habe den Freibetrag gemäß § 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO bisher nach dem dop-pelten Sozialhilferegelsatz bemessen. Nunmehr sei der pfändungsfreie not-wendige Unterhalt des Vollstreckungsschuldners unter Aufgabe der bisherigenRec[X.]sprechung der Kammer mit dem Amtsgeric[X.] in Anlehnung an den mate-riellen [X.] der [X.] Tabelle zu bestimmen. Denn dieAnpassung der Sozialhilfesätze habe mit dem Anstieg der [X.] nic[X.] Schritt gehalten.[X.] 4 -Die Rec[X.]sbeschwerde führt zur Aufhebung der angefoc[X.]enen Ent-scheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegeric[X.].1. Die Rec[X.]sbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft.Die Zulassung ist nic[X.] deshalb unwirksam, weil der Einzelric[X.]er entgegen§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden und damit gegendas Verfassungsgebot des gesetzlichen [X.]s (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)verstoßen hat (vgl. unten zu 2.). Eine Bestimmung des Gesetzes, nach welcherder Einzelric[X.]er die Rec[X.]sbeschwerde nic[X.] zulassen kann, fehlt, obwohl einesolche Sperre der Logik von § 568 Satz 2 Nr. 2, § 574 Abs. 2 ZPO entsprächeund nach den Erfahrungen des Senats zweckmäßig gewesen wäre. Gleichwohlsie[X.] der Senat davon ab, das Gesetz durch eine entsprechende Rec[X.]sregelfortzubilden.Nach ständiger Rec[X.]sprechung des [X.] sind Rec[X.]s-mittel zwar trotz Zulassung unstatthaft, wenn die Entscheidung von [X.] einer Anfec[X.]ung entzogen ist ([X.], [X.]. v. 28. März 1984 - [X.], NJW 1984, 2364 zu § 53g Abs. 2 [X.]; v. 12. September 2002 - [X.]/02, NJW 2002, 3554 zu § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ZPO; v. 1. [X.] - [X.] 271/02, NJW 2003, 70 zu § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG; v. 8. [X.] - [X.], NJW 2003, 211 f zu § 238 Abs. 3 ZPO; vgl. auch [X.], 75; [X.] NVwZ 1999, 696; BVerwGE 48, 372, 374). Dies gilt auch dann,wenn gegen die Entscheidung das zugelassene Rec[X.]smittel vom Gesetz nic[X.]vorgesehen (vgl. [X.], Urt. v. 24. Juni 1987 - [X.], [X.], 49, 50 f- unwirksame Revisionszulassung bei allein statthafter, jedoch nach § 567Abs. 3 Satz 1 ZPO a.F. unzulässiger weiterer Beschwerde), eine Zulassungnic[X.] mehr möglich ([X.]Z 44, 395 ff - Ergänzungsurteil) oder die [X.] -bzw. Annahme des Rec[X.]smittels dem Rec[X.]smittelgeric[X.] vorbehalten ist([X.], [X.]. v. 30. November 1979 - [X.], NJW 1980, 786 - Beschweroberhalb der Revisionssumme des § 546 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Keinem dergenannten Fälle ste[X.] aber die Zulassung der Rec[X.]sbeschwerde durch denEinzelric[X.]er gleich.2. Die angefoc[X.]ene Einzelric[X.]erentscheidung unterliegt jedoch derAufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen[X.]s (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelric[X.]er durfte nic[X.]selbst entscheiden, sondern hätte das Verfahren wegen der von ihm beja[X.]engrundsätzlichen Bedeutung der Rec[X.]ssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 [X.] mit drei [X.]n besetzten Kammer übertragen müssen. Der Einzelric[X.][X.] die Zulassung nic[X.] näher begründet, so daß nic[X.] erkennbar ist, auf [X.] Alternative des § 574 Abs. 2 ZPO er sie gestützt hat. Diese Frage kannjedoch auf sich beruhen. Denn der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung in§ 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO umfaßt ebenso wie zum Beispiel § 348 Abs. 3 Nr. 2und § 526 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO neben der grundsätzlichen Bedeu-tung im engeren Sinn die in § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 522 Satz 1 Nr. 3;§ 543 Satz 1 Nr. 2 und § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genannten Fälle der Rec[X.]s-fortbildung und Sicherung einer einheitlichen Rec[X.]sprechung (vgl. [X.]/4722 S. 99 zu § 526 Abs. 2). Der Einzelric[X.]er verfügt bei Rec[X.]ssachen,denen er grundsätzliche Bedeutung beimißt, über kein Handlungsermessen.Zwar könnte die Begründung des [X.] zu § 568 Satz 2 ZPO aufein solches Ermessen hindeuten (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 111). Sie decktsich insoweit aber nic[X.] mit dem unmißverständlichen Wortlaut und dem [X.]. Danach ist dem Einzelric[X.]er die Entscheidung von Rec[X.]ssa-chen mit grundsätzlicher Bedeutung schlec[X.]hin versagt. Darin unterscheidet- 6 -er sich von dem nic[X.] originären Einzelric[X.]er, der ihm zugewiesene Rec[X.]ssa-chen von grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 348a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 526Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nic[X.] ohne weiteres an das Kollegium zurückübertra-gen kann.Mit der Entscheidung durch den Einzelric[X.]er ist die Sache dem Kollegi-um als dem gesetzlich zuständigen [X.] entzogen worden. Dies beru[X.] nic[X.]etwa auf einer nur irrtümlichen Überschreitung der dem Einzelric[X.]er vom [X.] gezogenen Grenzen. [X.] und beja[X.] der Einzelric[X.]er die gleicheVorfrage in ein- und derselben Entscheidung, so ist diese offene Unvereinbar-keit stets als objektiv willkürlich anzusehen. Dies folgt aus der Einheit der Ent-scheidung. Weder die Antwort des Einzelric[X.]ers auf die Zuständigkeitsfragenoch seine Antwort auf die [X.] muß für sich genommen willkürlichsein. Darauf kommt es aber auch nic[X.] an. Das Beschwerdegeric[X.] war mit demEinzelric[X.]er falsch besetzt, weil es die Rec[X.]sbeschwerde zugelassen hat.Bringt der Einzelric[X.]er durch Zulassung der Rec[X.]sbeschwerde zum Ausdruck,daß die Rec[X.]ssache von grundsätzlicher Bedeutung ist, so hat er sich seineEntscheidungszuständigkeit objektiv willkürlich angemaßt.Der Einzelric[X.]er hat mithin § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO nic[X.] in seinen Vor-aussetzungen falsch ausgelegt und deshalb falsch angewendet, sondern er [X.] gesetzlichen Grenzen seiner Entscheidungszuständigkeit insgesamt nic[X.]beac[X.]et. Entweder hat er die Frage seiner Zuständigkeit übergangen oder [X.] ein Übertragungsermessen für sich in Anspruch genommen, welches nachdem klaren Wortlaut des Gesetzes nic[X.] beste[X.] (vgl. in diesem [X.], 263, 288). Damit hat der Einzelric[X.]er das Gebot desgesetzlichen [X.]s grundlegend verkannt. Die Nic[X.]übertragung des [X.] auf die voll besetzte Kammer erfüllte die Voraussetzungen der objektivenWillkür. Sie war offensic[X.]lich unvertretbar und lag außerhalb der Gesetzlich-keit, so daß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt ist (vgl. [X.] 3, 359, 364;29, 45, 48 f; 29, 166, 172 f; 76, 93, 96; 87, 282, 285; 96, 68, 77; ferner [X.]Z85, 116, 118 f).3. Den Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen [X.]skann der [X.] wegen berücksic[X.]igen. Zwar hat die Rec[X.]spre-chung in den Fällen des § 551 Nr. 1 ZPO a.F. (nunmehr § 547 Nr. 1 ZPO)durchweg eine Besetzungsrüge verlangt (vgl. [X.]Z 41, 249, 254; [X.],[X.]. v. 26. März 1986 - [X.], NJW 1986, 2115; Urt. v. 20. [X.] - [X.], [X.], 512). Daran wird grundsätzlich festgehalten.Die bislang entschiedenen Fälle sind indes mit der willkürlichen Zuständig-keitsüberschreitung des originären Beschwerdeeinzelric[X.]ers bei Rec[X.]sfragenvon grundsätzlicher Bedeutung nic[X.] vergleichbar. Die dieser Rec[X.]sprechungzugrundeliegenden Besetzungsfehler hatten auf den Rec[X.]smittelzug keinenEinfluß; die Eröffnung eines Rec[X.]smittels hing von ihnen nic[X.] ab. Dies ist [X.] anders. Hier beste[X.] ein öffentliches Interesse an der Wah-rung der Funktionsfähigkeit des für die Klärung von Rec[X.]sfragen mit grund-sätzlicher Bedeutung neu eingeführten Rec[X.]sbeschwerdeverfahrens. [X.] Verfahren die ihm vom Gesetzgeber zugewiesene Aufgabe erfüllen soll,muß das Rec[X.]sbeschwerdegeric[X.] auch von Amts wegen darauf ac[X.]en, daßin der Beschwerdeinstanz nic[X.] unter Verletzung des Verfahrensgrundrec[X.]sauf den gesetzlichen [X.]s die Zuständigkeitsverteilung zwischen Einzel-ric[X.]er und Kollegium verschoben wird (vgl. auch [X.] NJW 1962, 318).- 8 -4. Schließlich ste[X.] § 568 Satz 3 ZPO einer Berücksic[X.]igung der Verlet-zung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nic[X.] entgegen. Nach dem [X.] kann auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung des [X.] Einzelric[X.]er auf das Kollegium ein Rec[X.]smittel nic[X.] gestützt werden.Das [X.] erstreckt sich auf zwei Fälle. Es schützt die Zulas-sung der Rec[X.]sbeschwerde durch das Kollegium, damit nic[X.] trotz Bindung andie Zulassung geltend gemac[X.] werden kann, die Sache sei nic[X.] grundsätzlichund daher vom Beschwerdegeric[X.] in falscher Besetzung entschieden worden(Unanfec[X.]barkeit der Übertragung). Es schützt ferner die sachliche Nachprüf-barkeit von Einzelric[X.]erentscheidungen bei zulassungsfreier Rec[X.]sbeschwer-de (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ohne das [X.] könnte sich nachDarlegung der Zulässigkeit (§ 574 Abs. 2, § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) eine Verlet-zung von § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO ergeben und eine Einzelric[X.]erentscheidungbereits wegen eines solchen Verfahrensfehlers, der keineswegs auf Willkür zuberuhen brauc[X.], nach § 576 Abs. 3, § 547 Nr. 1 ZPO der Aufhebung unterlie-gen (Unanfec[X.]barkeit der Nic[X.]übertragung).Von diesen Fällen unterscheidet sich die Entscheidung eines Einzel-ric[X.]ers, der trotz der von ihm beja[X.]en Grundsätzlichkeit entgegen § 568Satz 2 Nr. 2 ZPO unter Verstoß gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen[X.]s von einer Übertragung des Verfahrens auf die voll besetzte Kammerabsie[X.] und die Rec[X.]sbeschwerde zuläßt, grundlegend. Es kann nic[X.] Sinndes § 568 Satz 3 ZPO sein, bei der Verletzung des Verfahrensgrundrec[X.]s aufden gesetzlichen [X.] eine andernfalls nur im Wege der Verfassungsbe-schwerde mögliche Überprüfung durch das Rec[X.]sbeschwerdegeric[X.] [X.] der durch die Rec[X.]sbeschwerde angefallenen Geric[X.]skostenmac[X.] der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch.Kreft Ganter Raebel

Meta

IX ZB 134/02

13.03.2003

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2003, Az. IX ZB 134/02 (REWIS RS 2003, 3953)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3953

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