Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. VIII ZR 162/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 724

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[X.]:[X.]:BGH:2015:151215BVIIIZR162.11.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR
162/11

vom

15. Dezember 2015

in dem Rechtsstreit

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Der VIII. Zivilsenat des [X.] hat am 15. Dezember 2015 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Bünger und
Kosziol beschlossen:

Der [X.] beabsichtigt, die Revision des Beklagten durch ein-stimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe:
I.
Die Klägerin, die als regionales Gasversorgungsunternehmen in ihrem Netzgebiet die Grundversorgung von Haushaltskunden mit Erdgas durchführt,
beliefert den Beklagten seit 1979 leitungsgebunden mit Erdgas.
Die Klägerin erhöhte den Arbeitspreis einseitig jeweils zum 1. Januar der Jahre 2003, 2005, 2006 und 2007.
Der Beklagte beanstandete erstmals mit Schreiben vom 8. Juli 2005 die Preiserhöhung zum 1. Januar 2005
und [X.] an, den erhöhten Preis nicht zu zahlen. Der Preiserhöhung zum 1. Januar 2006 sowie künftigen Preiserhöhungen widersprach der Beklagte mit Schreiben vom 28. Juli 2006.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung rückständiger Entgeltforde-rungen begehrt. Der Beklagte hat im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass die von der Klägerin in der [X.] vom 24. Mai 2002 bis zum 1. Januar 2007 vorgenommenen
Preisbestimmungen un-billig und unwirksam sowie die auf den Erdgasverbrauch in dem vorgenannten 1
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[X.]raum bezogenen Jahresendabrechnungen der Klägerin vom 24. Juni 2003, vom 2. Juni 2004, vom 2. Juni 2005, vom 30. Juni 2006 und vom 5. Juni 2007 unbillig und nicht fällig seien. Das [X.] hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seine
Widerklage und sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Der [X.] hat das vorliegende Verfahren mit Beschluss vom 27. Juni 2012 gemäß § 148 ZPO analog im Hinblick auf das beim Gerichtshof der Euro-päischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) damals aufgrund des Vorlagebe-schlusses des [X.]s gemäß Art. 267 AEUV im Verfahren [X.] [X.] Verfahren [X.]/11 ausgesetzt. In diesem Verfahren ist am 23. Okto-ber 2014 die Entscheidung des [X.] ergangen ([X.]/11 und
[X.]/11, [X.], 849 -
Schulz und Egbringhoff).

II.
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht mehr.
a) Das Berufungsgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeu-tung der Rechtssache zugelassen (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO), da klä-rungsbedürftig sei, ob § 4 Abs. 1, 2 [X.] und § 5 Abs. 2 [X.] (in der ab dem 8. November 2006 geltenden Fassung vom 26. Oktober 2006, [X.] I S. 2391; im Folgenden: [X.] aF) unionsrechtskonform seien und ob im Rahmen der Prüfung der Billigkeit der Preiserhöhungen (§ 315 Abs. 3 BGB) auf die einzelne Preiserhöhung, auf das Gaswirtschaftsjahr oder auf den gesamten [X.]raum
der verfahrensgegenständlichen Preiserhöhungen, abzustellen sei. 4
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Diese Fragen sind mittlerweile geklärt, so dass die Rechtssache keine grund-sätzliche Bedeutung mehr hat. Es liegt auch keiner der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO genannten Gründe für die Zulassung der Revision vor.
b) Der [X.] hat -
nach Erlass des Berufungsurteils -
die grundsätzlichen Rechtsfragen, die sich im
[X.] an das oben genannte Urteil des Gerichts-hofs für das [X.]verhältnis (jetzt: [X.]) in der Gasversorgung stellten, mit den am 28. Oktober 2015 verkündeten Urteilen
([X.], [X.], 2226, zur Veröffentlichung
in BGHZ vorgesehen, und [X.], juris) entschieden.
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat richtig entschieden, dass der Klägerin aus §
433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Gaslieferungsvertrag der Parteien der mit der Klage geltend gemachte Betrag nebst Zinsen als restliche Vergütung für die Erdgaslieferungen im Lieferzeitraum vom 21. Mai 2005 bis zum 31. Mai 2007 zusteht.
aa) Das Berufungsgericht hat das Vertragsverhältnis der Parteien als Ta-rifkundenvertrag eingeordnet; einen Rechtsfehler dieser Auslegung zeigt die Revision nicht auf. Entgegen der Auffassung der Revision steht es dem [X.] auch im Rahmen der Grundversorgung frei, verschiedene, von der [X.] abhängige Tarife anzubieten, und zwar auch solche, bei denen -
wie hier -
die Tarifeinstufung automatisch nach dem Prinzip der [X.] erfolgt (st. Rspr.; [X.]surteile vom 14. Juli 2010 -
VIII ZR 246/08, [X.], 180 Rn. 27; vom 11. Mai 2011 -
VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 Rn. 32 mwN, insoweit in [X.], 356 nicht abgedruckt;
vom 31. Juli 2013 -
VIII ZR 162/09, [X.], 111 Rn. 34; vom 28. Oktober 2015 -
[X.], aaO Rn. 18, und [X.], aaO Rn. 21).
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bb) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht die von der Klägerin für den streitigen Lieferzeitraum begehrten Preise zugrunde gelegt.
(1) Allerdings steht der Klägerin -
entgegen der Auffassung des [X.] -
kein einseitiges Preisänderungsrecht aus § 4 Abs. 1, 2

[X.]V und § 5
Abs. 2 [X.] aF zu. Wie der [X.] im [X.] an die oben genannte Entscheidung des [X.] entschieden hat, kann die [X.] bisherige Auslegung der genannten Vorschriften der nationalen [X.] für die [X.] ab 1. Juli 2004 -
dem Ablauf der [X.] 2003/55/[X.] -
nicht mehr aufrecht erhalten wer-den, weil eine solche Auslegung nicht
mit den Transparenzanforderungen der genannten Richtlinie vereinbar wäre
([X.]surteile
vom 28. Oktober 2015
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[X.], aaO Rn. 33 ff., und [X.], aaO Rn. 35 ff.).
(2) Wie der [X.] weiter entschieden hat, ist die durch das von den [X.] vorausgesetzte,
aber nicht bestehende Preisänderungsrecht in dem [X.] ihnen bestehenden [X.]vertrag (Grundversorgungsvertrag)
ent-standenen Lücke im Wege der gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung da-hin zu schließen, dass der Grundversorger ihm entstandene (Bezugs-)Kosten-steigerungen, soweit diese nicht durch Kostensenkungen in anderen Bereichen ausgeglichen werden, an den [X.] weitergeben kann und er verpflichtet ist, bei einer Tarifanpassung Kostensenkungen ebenso zu berücksichtigen wie Kostenerhöhungen, und die
wirksame Ausübung dieses Preisänderungsrechts an keine weiteren als an die in den [X.] genannten Voraussetzungen geknüpft ist ([X.]surteile
vom 28. Oktober 2015 -
[X.], aaO Rn. 66 ff., 83, und [X.], aaO Rn. 68 ff., 85).
(3) Nach den [X.] Feststellungen des Berufungsgerichts beruhen die ab 1. Januar 2005 erfolgten streitgegenständlichen Preiserhöhun-11
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gen der Klägerin allein auf entsprechenden Steigerungen der eigenen [X.]. Entgegen der Auffassung der Revision ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei seiner ausführlichen Würdi-gung -
wenn auch unter dem im Rahmen der vorbezeichneten ergänzenden Vertragsauslegung nicht maßgeblichen Blickwinkel der Billigkeit nach § 315 BGB -
nicht jede einzelne Preiserhöhung isoliert betrachtet, sondern auf das Gaswirtschaftsjahr abgestellt hat
(vgl. [X.]surteile vom 28. Oktober 2015
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[X.], aaO Rn. 99 ff., und [X.], aaO Rn. 101 ff.).
(4) Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon [X.], dass die vor dem 1. Januar 2005 erfolgten Preiserhöhungen als wirk-sam anzusehen sind. Für die der Preiserhöhung vom 1. Januar 2005 unmittel-bar vorausgehende Preiserhöhung vom 1. Januar 2003 sowie für noch frühere Preiserhöhungen gilt insoweit folgendes: Diese Preiserhöhungen wurden vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist für die [X.] 2003/55/[X.] (1. Juli 2004) vorgenommen. Für diesen [X.]raum verbleibt es
bei
der bisherigen Rechtspre-chung des [X.]s,
wonach aus § 4 Abs. 1, 2 [X.] ein Preisänderungs-recht des Versorgers gemäß § 315 BGB im [X.]verhältnis folgt
(siehe nur [X.]surteile vom 13. Juni 2007 -
VIII ZR 36/06, [X.], 315 Rn.
14 ff.; vom 19. November 2008 -
VIII ZR 138/07, [X.], 362 Rn.
26). Ebenso bleibt es insoweit bei der Rechtsprechung des [X.]s, dass
der erhöhte Preis zum vereinbarten Preis wird, wenn der Kunde eine auf der Grundlage einer Preiserhöhung vorgenommene Jahresabrechnung akzeptiert hat, indem er [X.] Gas bezogen hat, ohne die Preiserhöhung in angemessener [X.] gemäß §
315 BGB zu beanstanden
([X.]surteil vom 9. Februar 2011 -
VIII ZR 295/09, [X.], 1860 Rn. 41 mwN).
Nach diesen Maßstäben sind die Preiserhöhungen in
dem
genannten früheren [X.]raum zum vereinbarten Preis geworden. Denn der Beklagte hat 15
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diesen
Preiserhöhungen
nicht in angemessener [X.] widersprochen, sondern sich erst mit Schreiben vom 8. Juli 2005 gegen die Preiserhöhung vom 1. Janu-ar 2005 gewendet.
b) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Revision auch bezüglich der Widerklage keine Aussicht auf Erfolg
hat,
weil die von der Klägerin beanspruchten Preise und die darauf beruhenden Jahresab-rechnungen
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind.
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Dr.
Milger
Dr.
[X.]
Dr.
Fetzer

Dr.
Bünger
Kosziol
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 26.
April 2016 erledigt worden.

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.06.2008 -
34 O ([X.]) 170/06 -

O[X.], Entscheidung vom 13.04.2011 -
VI-2 U ([X.]) 13/08 -

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Meta

VIII ZR 162/11

15.12.2015

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.12.2015, Az. VIII ZR 162/11 (REWIS RS 2015, 724)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 724

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