Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2018, Az. 3 StR 355/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2018, 9816

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Gegenstand

Politische Tötungsmotive sind in aller Regel „niedrige Beweggründe“


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. August 2016 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Die jeweils auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen haben aus den Gründen der Antragsschriften des [X.] keinen Erfolg. Ergänzend zu den dortigen Ausführungen bedarf es folgender Erörterungen:

2

1. Die von beiden Beschwerdeführern wortgleich erhobene Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 2, 3 und 5 [X.] durch die Ablehnung der Vernehmung der Zeugen S.     und [X.]ist zulässig, aber unbegründet:

3

a) Die vom [X.] als fehlend bemängelten, im Beweisantrag und in dem Ablehnungsbeschluss in Bezug genommenen Dokumente und Sachaktenbestandteile waren zur Entscheidung über die Verfahrensbeanstandung nicht erforderlich; ihre fehlende Vorlage stellt mithin keine Missachtung der sich aus § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] ergebenden Formerfordernisse dar. Das Recht zur Geltendmachung von Verfahrensfehlern mit Blick auf eine Verletzung des Beweisantragsrechts haben die Beschwerdeführer auch nicht verwirkt, weil sie ein Missverständnis des Tatgerichts nicht ausgeräumt hätten. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der Antragsteller eines Beweisantrags zwar gehalten sein, die unzutreffende Auslegung seines Antrags durch einen entsprechenden Hinweis oder einen neuen Beweisantrag noch in der Hauptverhandlung aufzuklären, wenn das gerichtliche Missverständnis jedenfalls auch auf der ungenauen Formulierung des Beweisantrags beruht. Dies ist etwa der Fall, wenn das Gericht ein Beweisbegehren nicht als Beweisantrag behandelt, weil der Antragsteller einen Zeugen nicht zum Beleg für dessen Wahrnehmungen benennt, sondern allein für [X.]lussfolgerungen (das Beweisziel), die dieser auf nicht mitgeteilter Erkenntnisgrundlage gezogen haben soll; dann ist der Antragsteller gehalten, die Tatsachen zu konkretisieren, die Gegenstand der unmittelbaren eigenen Wahrnehmung des Zeugen gewesen sein sollen ([X.], Urteil vom 14. August 2008 - 3 [X.], [X.], 171, 173). So verhält es sich hier indes nicht: Aus der Antragsbegründung ging unmissverständlich hervor, dass die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen dadurch erlangt haben sollten, dass sie jeweils auf der Seite eines Teilnehmers ein Telefongespräch mitgehört hatten.

4

b) Angesichts dessen hätte das [X.] den Antrag nicht deshalb als Beweisermittlungsantrag behandeln dürfen, weil die Zeugen nur hätten bekunden können, was sie gehört hatten, nicht aber, ob das auch tatsächlich zutraf.

5

Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht. Denn hätte der Strafsenat den Antrag richtigerweise als Beweisantrag behandelt, wäre dieser nach § 244 Abs. 5 Satz 2 [X.] zu bescheiden gewesen, denn er war auf die Vernehmung von [X.] gerichtet. Nach dieser Vorschrift kann der Antrag auf Vernehmung eines Zeugen, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre, abgelehnt werden, wenn die Vernehmung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist; Maßstab für diese Prüfung ist die Aufklärungspflicht im Sinne von § 244 Abs. 2 [X.] ([X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 355 ff. i.V.m. Rn. 342 mwN) und damit der gleiche Maßstab, der für die Entscheidung über [X.] gilt (vgl. [X.]/[X.] aaO, Rn. 163 mwN). Gemessen an diesem Maßstab hat das [X.] - wie auch der [X.] im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat - mit revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Begründung ausgeführt, warum es auch für den Fall, dass die Zeugen die in ihr Wissen gestellten Tatsachen bekundet hätten, nicht zu der Überzeugung gelangt wäre, dass die [X.] Gesprächsinhalte tatsächlich der Wahrheit entsprachen.

6

2. Auf etwaigen Fehlern bei der Bescheidung des Antrags auf die Erhebung von Beweisen zu der daktyloskopischen Untersuchung des Autos des Tatopfers (jeweils Rüge II. 4. der Revisionsbegründungen von Rechtsanwalt [X.].  für den Angeklagten [X.] bzw. den Rechtsanwälten [X.], [X.]und [X.]  für den Angeklagten [X.]) würde das Urteil nicht beruhen. Die durch die genannten Beweismittel zu belegende [X.] bestand allein darin, dass das Auto des Mordopfers nach daktyloskopischen Spuren abgesucht worden sei und dabei lediglich ein Daumenabdruck des Opfers am Kofferraumdeckel gesichert werden konnte. Aus dieser [X.] ergeben sich schon für das unmittelbare Beweisziel der Verteidigung, "dass die Täter das Fahrzeug während und/oder nach der Tat mit dem Zweitschlüssel benutzt" und anschließend "sämtliche Spuren beseitigt" hätten, keine über bloße Spekulation hinausreichenden Indizien; erst recht gilt dies mit Blick auf das mittelbare Beweisziel, aus der Nutzung und anschließenden Reinigung des Fahrzeugs ergebe sich ein Hinweis darauf, dass das Mordopfer im Auftrag des [X.] Geheimdienstes [X.] in seinem eigenen Auto hätte entführt werden sollen und diese Entführung eskaliert sei.

7

Angesichts dessen war die Bedeutungslosigkeit der [X.] so evident, dass die Beschwerdeführer auch bei einer anderslautenden Ablehnungsbegründung keine weiteren sachdienlichen Anträge hätten stellen können. Es gefährdet den Bestand des Urteils deshalb nicht, dass der Strafsenat bei der Ablehnung des Antrags seinerseits Spekulationen dazu angestellt hat, wie die Täter in den Besitz eines Fahrzeugschlüssels des Opfers gelangt sein könnten.

8

3. [X.], die Verteidigung sei durch die Nichtgewährung vollständiger Akteneinsicht behindert worden, ist von der Verteidigung des Angeklagten [X.]schon deshalb nicht zulässig erhoben, weil sich aus ihrem Vorbringen nicht ergibt, wie sie durch den Umgang mit Akteneinsichtsgesuchen der Verteidigung des Angeklagten [X.]  in ihren Rechten bzw. denen des Angeklagten [X.]beeinträchtigt worden sein könnte.

9

Soweit diese Rüge von der Verteidigung des Angeklagten [X.]  erhoben worden ist, gilt Folgendes: Das [X.] hat der Verteidigung Einsicht in alle Aktenbestandteile gewährt, die es selbst zur Verfügung hatte. Entscheidungen anderer Gerichte, die betreffend weitergehender Anträge auf Akteneinsicht gegenüber dem [X.] (Urteil des [X.] vom 22. Februar 2017) und gegenüber dem [X.] (Beschluss des Ermittlungsrichters des [X.] vom 13. Mai 2016) ergangen sind, unterliegen in diesem Revisionsverfahren nicht der Prüfung durch den Senat. Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die Verteidigung des Angeklagten [X.] durch eine Entscheidung des erkennenden Gerichts in einem wesentlichen Punkt beeinträchtigt worden sein könnte. Aus dem gleichen Grund ist eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren nicht ersichtlich.

4. Der Senat kann offen lassen, ob in der vorliegenden Fallkonstellation - wie von den Revisionen mit der Sachrüge beanstandet - die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der mittelbaren Täterschaft bei uneingeschränkt verantwortlichem Tatmittler (zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Mitgliedern des [X.] bzw. des Politbüros der [X.], vgl. [X.], Urteile vom 26. Juli 1994 - 5 StR 98/94, [X.]St 40, 218; vom 8. November 1999 - 5 StR 632/98. [X.]St 45, 270) anwendbar sind. Dagegen könnte sprechen, dass nicht die [X.]affung einer für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen einschlägigen Beschlusslage in Rede steht, sondern ein gezielter Liquidierungsauftrag.

Dies gefährdet den Bestand des Urteils indes nicht: Der Angeklagte [X.] leistete nach den Feststellungen des [X.]s durch die Beschaffung des [X.]lüssels für die Garage und der letztlichen Festlegung von [X.] und -zeit so wesentliche Tatbeiträge, dass er auch nach allgemeinen Grundsätzen als Mittäter des Mordes anzusehen ist, zumal der Strafsenat insoweit rechtsfehlerfrei begründet hat, dass er die Tat als eigene wollte. Der Angeklagte [X.] schuf durch seine Mitwirkung an der Liquidierungsentscheidung die nach den Feststellungen des [X.]s nicht wegzudenkende Voraussetzung für die Ausführung des Mordes. Es bedarf insoweit letztlich keiner Entscheidung, ob darin - mit Blick darauf, dass auch dieser Angeklagte die Tat als eigene wollte - bereits ein mittäterschaftlich zu bewertender Tatbeitrag oder in der Weitergabe des [X.] an den Angeklagten [X.] (nur) eine Anstiftung zum Mord zu sehen ist, die gemäß §§ 211, 26 StGB dazu führen würde, dass der Angeklagte gleich einem Mörder zu bestrafen wäre.

5. Die Annahme des [X.] der niedrigen Beweggründe begegnet entgegen dem [X.] keinen Bedenken. Dabei kommt es auf Einzelheiten der Motivlage nicht entscheidend an: Ohne Rechtsfehler ist das [X.] davon ausgegangen, dass der Ermordung ein politisches Motiv zugrunde lag. [X.] des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG sind indes keine politischen Beweggründe zur Tötung eines Menschen denkbar, die sich nicht als niedrige Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB erweisen (vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 211 Rn. 94).

[X.]     

        

     Gericke     

        

     Spaniol

        

Ri[X.] [X.] ist
erkrankt und daher gehindert
zu unterschreiben.

        

Ri[X.] Dr. Berg befindet sich
im Urlaub und ist daher gehindert
zu unterschreiben.

        
        

[X.]

        

[X.]

        

Meta

3 StR 355/17

02.05.2018

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG München, 3. August 2016, Az: 7 St 5/14

§ 211 Abs 2 Alt 4 StGB, Art 20 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2018, Az. 3 StR 355/17 (REWIS RS 2018, 9816)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 9816

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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