Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.11.2020, Az. B 3 KR 33/20 B

3. Senat | REWIS RS 2020, 2491

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Rüge des Übergehens eines Beweisantrags in der Berufungsinstanz - Fragerecht dient der Gewährung rechtlichen Gehörs


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 18. Mai 2020 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Das [X.] hat mit Urteil vom 18.5.2020 einen Anspruch des [X.] auf Gewährung von Krankengeld ([X.]) in der [X.] vom [X.] bis zum 7.1.2018 verneint. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger ab [X.] nicht mehr mit Anspruch auf [X.] versichert gewesen sei und daher gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V iVm § 46 Sätze 1 und 2 SGB V (id[X.] des [X.] - [X.] vom 16.7.2015, [X.] 1211 ab 23.7.2015) kein Anspruch auf [X.] in der streitigen [X.] gehabt habe. Die durch den Bezug von Arbeitslosengeld [X.]) begründete Mitgliedschaft [X.] habe nur nach § 192 Abs 1 [X.] bestanden. Vorliegend fehle es daran, dass die Arbeitsunfähigkeit ([X.]) des [X.] nicht spätestens am nächsten Werktag nach Ablauf des letzten Abschnitts der Bewilligung von [X.] (bis 13.8.2017) erneut ärztlich festgestellt worden sei. Der Kläger habe einen Arzt erst am 17.8.2017 aufgesucht. Die [X.] der ärztlichen [X.]-[X.]eststellung könne auch nach der Rechtsprechung des [X.] nicht ausnahmsweise behoben werden (Hinweis auf Urteile vom 11.5.2017 - B 3 KR 22/15 R - [X.]E 123, 134 = [X.]-2500 § 46 [X.] und vom 26.3.2020 - B 3 KR 9/19 R - [X.]E (vorgesehen), [X.]-2500 § 46 [X.]). Ein solcher Sachverhalt habe hier nicht vorgelegen. Der Kläger sei im [X.]raum vom 14.8. bis 16.8.2017 nicht durch Umstände außerhalb seines Verantwortungsbereichs gehindert gewesen, seine [X.] rechtzeitig feststellen zu lassen. Er sei insbesondere weder geschäfts- oder handlungsunfähig gewesen.

2

Mit der gegen dieses Urteil erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 [X.] SGG.

3

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund des [X.] nicht formgerecht aufgezeigt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

4

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

a) Soweit - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das [X.] nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des [X.], aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des [X.] auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das [X.] mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (vgl [X.] [X.] 1500 § 160 [X.] 5, 35, 45 und § 160a [X.] 24, 34).

6

Zudem kann ein in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl [X.] [X.]-1500 § 160 [X.] 13 Rd[X.] 11 mwN). Denn nur dann hätte nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 [X.] letzter Teilsatz SGG ein Beweisantrag die Warnfunktion dahingehend erfüllt, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 9 S 21; [X.]1 S 52).

7

Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der [X.]punkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG ([X.] [X.] 3-1500 § 124 [X.] S 4 f).

8

Der Kläger rügt, dass das [X.] im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) verpflichtet gewesen sei, den behandelnden Arzt [X.] ergänzend zu seinem Attest vom 19.10.2017 zu befragen, wonach der Kläger vom 14.8. bis 16.8.2017 krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, seine Praxis aufzusuchen. [X.] habe den Kläger aus vorangegangenen früheren Behandlungen gut gekannt und er hätte die [X.]ähigkeiten des [X.] im streitigen [X.]raum gut beurteilen können.

9

Aus diesem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass der Kläger trotz Erklärung des Einverständnisses gemäß § 124 Abs 2 SGG auf die Durchführung einer etwaigen Beweisaufnahme "beharrt" habe. Denn nur dann gelten zuvor schriftsätzlich gestellte Beweisanträge als nicht erledigt. Jedenfalls einem in der Berufungsinstanz durch einen Rechtsanwalt vertretenen Beteiligten, der vorbehaltlos sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt, muss klar sein, dass das Gericht ohne weitere Sachaufklärung entscheiden kann (stRspr, zB [X.] [X.] 3-1500 § 124 [X.] S 5).

b) Sollte das Beschwerdevorbringen des [X.] sinngemäß dahin zu verstehen sein, dass er die Verletzung des [X.]ragerechts nach § 116 Satz 2 SGG rügt mit dem Inhalt, dem Zeugen [X.]ragen zu stellen, die zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet werden, so lässt sich auch daraus kein Verfahrensmangel bezeichnen. Das [X.]ragerecht dient nicht in erster Linie der Sachaufklärung, sondern der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl [X.] [X.]-1500 § 116 [X.] 1 Rd[X.] 11 mwN). Daher muss der Kläger darlegen, alles getan zu haben, um eine Befragung oder Anhörung des Arztes zu erreichen (vgl allgemein dazu [X.] [X.] 3-1500 § 160 [X.] 22; vgl auch [X.]E 68, 205, 210 = [X.] 3-2200 § 667 [X.] 1 S 6). Dieser Obliegenheit ist ein Beteiligter jedenfalls dann nachgekommen, wenn er rechtzeitig einen solchen Antrag gestellt hat, schriftlich [X.]ragen angekündigt hat, die objektiv sachdienlich sind und diese auch aufrecht erhalten hat (vgl [X.] [X.]-1500 § 62 [X.] 4 Rd[X.] 5).

Auch ein solches Vorbringen lässt sich der Beschwerdebegründung nicht hinreichend entnehmen. Es fehlt schon daran, dass nicht dargelegt worden ist, ob und wann eine Anhörung oder weitere Befragung des Arztes gegenüber dem [X.] im Berufungsverfahren beantragt worden sei.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Meta

B 3 KR 33/20 B

11.11.2020

Bundessozialgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Stuttgart, 2. Oktober 2019, Az: S 19 KR 985/18

§ 116 S 2 SGG, § 124 Abs 1 SGG, § 124 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 62 SGG, § 103 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 11.11.2020, Az. B 3 KR 33/20 B (REWIS RS 2020, 2491)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2491

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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