Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.01.2020, Az. 1 B 87/19, 1 B 87/19 (1 PKH 51/19)

1. Senat | REWIS RS 2020, 11819

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Der Antrag der Klägerin, auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im dem Urteil des [X.] vom 13. August 2019 wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1

1. Der Antrag der Klägerin auf [X.]ewilligung von Prozesskostenhilfe und [X.]eiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das [X.]eschwerdeverfahren vor dem [X.] wird abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung - wie es sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO [X.]. § 114 Abs. 1 Satz 1 und § 121 Abs. 1 ZPO).

2

2. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (2.1) und eines [X.] (2.2) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg, weil sie nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

3

2.1 Die Revision ist nicht wegen grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache zuzulassen.

4

a) Eine Rechtssache hat grundsätzlich [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Falle erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 1. April 2014 - 1 [X.] 1.14 - [X.]uchholz 402.242 § 7 AufenthG Nr. 8 und vom 10. März 2015 - 1 [X.] 7.15 - juris).

5

Für die Zulassung der Revision reicht, anders als für die Zulassung der [X.]erufung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO / § 78 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ([X.]VerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 - [X.]VerwGE 70, 24 <26>), eine Tatsachenfrage grundsätzlicher [X.]edeutung nicht aus. Die Klärungsbedürftigkeit muss vielmehr in [X.]ezug auf den anzuwendenden rechtlichen Maßstab, nicht die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung bestehen; auch der Umstand, dass das Ergebnis der zur Feststellung und Würdigung des [X.] berufenen Instanzengerichte für eine Vielzahl von Verfahren von [X.]edeutung ist, lässt für sich allein nach geltendem Revisionszulassungsrecht eine Zulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu. Der Gesetzgeber hat insoweit auch für das gerichtliche Asylverfahren an den allgemeinen Grundsätzen des [X.] festgehalten und für das [X.] keine [X.]efugnisse eröffnet, Tatsachen(würdigungs)fragen grundsätzlicher [X.]edeutung in "[X.]", wie sie etwa das [X.] Prozessrecht kennt, zu treffen.

6

Anderes folgt auch nicht aus dem Kammerbeschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 14. November 2016 - 2 [X.]vR 31/14 - ([X.] 2017, 75). Das [X.]undesverfassungsgericht hat in diesem [X.]eschluss nicht entschieden, dass in Fällen, in denen Oberverwaltungsgerichte/[X.] auf der Grundlage (weitestgehend) identischer Tatsachenfeststellungen zu einer im Ergebnis abweichenden rechtlichen [X.]eurteilung kommen, stets und notwendig eine (klärungsbedürftige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts vorliegt, welche eine Rechtsmittelzulassung gebietet, um den Zugang zur Rechtsmittelinstanz nicht in einer durch [X.] nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren. Das [X.]undesverfassungsgericht hat vielmehr als Grund der bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage im Ergebnis unterschiedlichen Entscheidungen des [X.] für das [X.] einerseits und des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg andererseits eine unterschiedliche Rechtsauffassung zur Rechtsfrage bezeichnet, ob der Asylbewerber tatsächlich politisch aktiv war oder ob es ausreicht, dass die [X.]ehörden des Heimatstaates von einer solchen [X.]etätigung ausgingen. Für [X.] - und damit auch für Unterschiede bei der tatsächlichen [X.]ewertung identischer Tatsachengrundlagen - hat es vorab ausdrücklich bestätigt, dass wegen der [X.]indung des [X.] an die tatsächlichen Feststellungen des [X.]erufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) eine weitergehende Vereinheitlichung der Rechtsprechung durch das [X.] ausscheidet. Auch in Fällen (weitgehend) identischer Tatsachengrundlagen ist für die Revisionszulassung mithin eine Darlegung erforderlich, dass die im Ergebnis abweichende [X.]ewertung der Tatsachengrundlage eine klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, und diese Frage hinreichend klar zu bezeichnen.

7

Im Ergebnis unterschiedliche [X.]ewertungen von Tatsachen bei (weitgehend) identischer Tatsachengrundlage weisen auch nicht auf rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftige Fragen zur Auslegung und Anwendung des § 108 VwGO hin; im Übrigen sind (mögliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen.

8

b) Nach diesen Grundsätzen ist eine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache schon nicht dargelegt.

9

Die [X.]eschwerde hält folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:

"ob syrischen [X.]ürgerkriegsflüchtlingen - und damit auch der Klägerin - bei einer (hypothetisch zu unterstellenden) Rückkehr nach [X.] dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungen im Sinn von § 3 [X.] aufgrund der illegalen Ausreise [X.]. und oder bereits allein aufgrund der Asylantragstellung in [X.] [X.]. oder bereits allein aufgrund des längeren Auslandsaufenthalts droht".

Sie macht geltend, dass diese Rechtsfrage bisher von den Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich beantwortet wurden sei, und benennt im Einzelnen Entscheidungen verschiedener Oberverwaltungsgerichte/[X.].

Mit diesem und dem weiteren Vorbringen wird eine grundsätzliche [X.]edeutung nicht dargelegt, weil keine klärungsbedürftige Rechtsfrage im Hinblick auf den für die materiell-rechtliche Subsumtion sowie für die Tatsachenfeststellung und - Würdigung heranzuziehenden rechtlichen Maßstab dargelegt ist. Der bloße Hinweis darauf, dass mehrere Oberverwaltungsgerichte - bei als identisch angenommener Tatsachengrundlage - zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, weißt gerade nicht auf eine (klärungsfähige) Rechtsfrage des [X.]undesrechts, wenn und weil es - wie hier - an Darlegungen zur Frage fehlt, auf welchem (klärungsbedürftigen) Unterschied in dem der Tatsachenbewertung zu Grunde liegenden Rechtsausfassungen die im Ergebnis abweichenden [X.]eurteilungen beruhen.

2.2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Ohne Erfolg rügt die [X.]eschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das [X.]erufungsgericht angesichts der neueren [X.]eweismittel, die das [X.]erufungsgericht selbst benannt haben, nicht zu dem Schluss gekommen sei, dass es für Frauen ohne effektiven Schutz durch männliche Mitglieder der Kernfamilie eine gemäß § 3 [X.] beachtliche landesweite Gefahr gebe, gezielt Opfer sexueller Gewalt zu werden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der [X.]eteiligten, wie es Art. 103 Abs. 1 GG vorschreibt, zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör ist nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände deutlich ergeben, dass das Gericht bestimmtes Vorbringen nicht berücksichtig hat (stRspr, vgl. etwa [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 19. Mai 1992 - 1 [X.]vR 986/91 - [X.]VerfGE 86, 133 <145 f.>). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvorbringen oder der Rechtseinsicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. Juli 2014 - 1 [X.] 10.14 - juris Rn. 9 m.w.N.). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner [X.]egründungsteile des Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, da das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 21. April 1982 - 2 [X.]vR 810/81 - [X.]VerfGE 60, 305 <310> m.w.N.) und die vorhandenen [X.] anders beurteilt als der Kläger ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. Juli 2014 - 1 [X.] 10.14 - juris Rn. 9).

Nach diesen Grundsätzen ist bereits die Möglichkeit einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Der Sache nach greift die Klägerin allein die tatsächliche Würdigung der Lage für weibliche Asylbewerber ohne männlichen Schutz in [X.] durch das [X.]erufungsgericht an, ohne zu kennzeichnen, welches tatsächliche Vorbringen von diesem nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen seien sollte. Die von der Klägerin genannten [X.] sind ausweislich des [X.]erufungsurteils ([X.] Rn. 35 f.) zur Kenntnis genommen und auf der Grundlage der in vorangehender Rechtsprechung entwickelter Maßstäbe erwogen worden.

3. Von einer weiteren [X.]egründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § [X.] [X.] nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Meta

1 B 87/19, 1 B 87/19 (1 PKH 51/19)

28.01.2020

Bundesverwaltungsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: PKH

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28.01.2020, Az. 1 B 87/19, 1 B 87/19 (1 PKH 51/19) (REWIS RS 2020, 11819)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11819

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

2 BvR 31/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.