Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2017, Az. 3 StR 360/17

3. Strafsenat | REWIS RS 2017, 3045

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:021117U3STR360.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
3
StR 360/17
vom
2. November
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Totschlags

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 2. November
2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
[X.],

[X.] am Bundesgerichtshof
Gericke,
[X.]in am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
die [X.] am Bundesgerichtshof
Dr. [X.],
Dr. Berg

als beisitzende [X.],

[X.]in am [X.]

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Justizhauptsekretärin

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ge-gen das Urteil des [X.]s Osnabrück vom 13.
März 2017 werden verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem [X.] hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu der Frei-heitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.

I.
Nach den Feststellungen versorgte der arbeitslose Angeklagte, der eine Spielleidenschaft entwickelt hatte, neben dem ehelichen Haushalt und seiner demenzkranken Schwiegermutter auch die 79-jährige später getötete Frau M.

, die ihm im Gegenzug finanzielle Zuwendungen -
u.a. eine Schenkung in Höhe von 10.000

n-regelmäßig bedienen konnte, sowie ein "Kostgeld"

-
zu-1
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kommen ließ und sowohl Vorsorge-
als auch Kontovollmacht erteilt hatte. Am Tattag fuhr die später Getötete -
wie an den meisten Tagen -
zum Haus des Angeklagten, um dort zu Mittag zu essen. Hier kam es, nachdem er für sie [X.] Gründen zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der dann Getöteten, in deren Verlauf er ihr in Tötungsabsicht einen blauen Müllsack über den Kopf stülpte und eng am [X.] und im Bereich der unteren Gesichtshälfte mit Klebeband fixierte, so dass sie erstickte. Die Leiche verpack-te er in zwei weitere Müllsäcke und vergrub sie im Wald, wo sie erst nahezu sechs Monate später aufgefunden wurde. Dann zahlte er die vom Konto der
[X.] für seine Wohnung. Am Folgetag begab sich der Angeklagte nochmals zur Wohnung der Getöteten und entwendete einige Schmuckstücke im Wert von insgesamt 3.000

Schuldfähigkeit des Angeklagten war zum Tatzeitpunkt weder durch seine [X.] für Glücksspiel noch durch seine durch die Überforderung bei der Versorgung der Schwiegermutter und eine depressive Grundstimmung bedingte psychische Labilisierung beeinträchtigt.
Die [X.] konnte sich nicht die Überzeugung verschaffen, dass der Angeklagte aus Habgier oder heimtückisch tötete.

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-
II.
Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten greifen die Beweis-würdigung an. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist die [X.] vorschnell aufgrund des Grundsatzes "in dubio pro reo"
von einer streitbeding-ten [X.] ausgegangen, obwohl eine geplante Tötung aus Habgier nahe-gelegen habe. Der Angeklagte beanstandet die Überzeugungsbildung des [X.]s zu seiner Täterschaft und sieht es schon als nicht rechtsfehlerfrei belegt an, dass Frau M.

eines unnatürlichen Todes gestorben ist.
Den Rechtsmitteln ist der Erfolg zu versagen.
Die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§
261 StPO). Es obliegt daher allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie mög-lich sind. Ebenso ist es allein Sache des Tatrichters, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnis-ses zu bewerten. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lü-ckenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrich-terliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine [X.] Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre. Ebenso wenig kann das Revisionsgericht auf der Grundlage einer [X.]n Beurteilung der Bedeutung einer vom Tatrichter vertretbar bewerteten In-4
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diztatsache in dessen Überzeugungsbildung eingreifen (vgl. [X.], Urteile vom 20.
September 2012 -
3
StR 140/12, [X.], 75, 77 mwN; vom 16.
Mai 2013 -
3 StR 45/13, [X.], 242, 243).
Daran gemessen ist gegen die Beweiswürdigung des [X.]s nichts zu erinnern. Sie beruht auf einer bewertenden Gesamtschau aller maßgebli-chen objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles. Die von der [X.] in diesem Zusammenhang angestellten Erwägungen sind weder lückenhaft, widersprüchlich oder unklar noch verstoßen sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze. Im Einzelnen:
1.
Entgegen der Auffassung des Angeklagten begegnet die Beweiswür-digung, auf der die Überzeugung der [X.] gründet, dass die [X.] keines natürlichen Todes gestorben ist, sondern -
vom Angeklagten -
getötet wurde, keinen rechtlichen Bedenken. Das
[X.] hat die Einlassung des Angeklagten, Frau M.

in ihrer Wohnung tot aufgefunden und die Leiche beseitigt zu haben, um ihr Weiterleben vorzutäuschen, damit er sich noch in [X.] gehabt habe, als widerlegt angesehen. Zwar habe der rechtsmedizinische Sachverständige aufgrund des Zustandes der Leiche einen Tod durch Fremd-einwirkung nicht sicher feststellen können. Auch hätte Frau M.

durchaus aufgrund ihrer Erkrankungen versterben können. Doch komme nach den Aus-führungen des Sachverständigen ebenso ein Tod durch Ersticken in Betracht, da eine über den Kopf der Leiche gezogene Mülltüte im Bereich der unteren Gesichtshälfte und des [X.]es mit Klebeband fest verschnürt war. Dass der Angeklagte Frau M.

tatsächlich durch Ersticken zu Tode brachte, ergibt sich nach der Auffassung der [X.] aus den erheblichen Unklarheiten und Widersprüchen in seinen Einlassungen sowie aus einer Reihe von Indizien, die dafür sprächen,
dass die später Getötete am Tattag nicht etwa zu Hause 7
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geblieben, sondern -
wie nahezu täglich -
zum Angeklagten gefahren war und dieser in ihrem Auftrag Besorgungen gemacht, u.a. Geld abgehoben, hatte. Dagegen ist -
wie der [X.] in seiner
Zuschrift im Einzelnen dargelegt hat -
nach den dargestellten Maßstäben aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Soweit die Revision des Angeklagten die Bewertung einzelner Indizien durch das [X.] in Frage stellt, nimmt sie eine eigene Beweiswürdigung
vor, die revisionsrechtlich nicht beachtlich ist.
2.
Auch die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keine Rechtsfehler zugunsten oder zulasten (§ 301 StPO) des Angeklagten auf.
a)
Entgegen dem [X.] der Staatsanwaltschaft ist das [X.] nicht unter rechtsfehlerhafter Anwendung des Zweifelsatzes von einer situationsbedingten [X.] ausgegangen. Es hat vielmehr dargelegt, dass es keine Umstände, die auf eine Planung der Tat hindeuten, erkannt habe. Insbesondere sei kein Motiv für
eine geplante Tötung ersichtlich. Der [X.] habe sich zwar in finanziellen Schwierigkeiten befunden, was aber nicht un-gewöhnlich gewesen sei. Vielmehr habe er in der Vergangenheit solche finan-ziellen Engpässe -
gerade auch dank der Zuwendungen von Frau M.

-
be-wältigen können. Seine Spielleidenschaft habe er zu steuern vermocht. Deshalb könne nur ein Streit die Tat ausgelöst haben, wenn sich auch hierzu keine si-cheren Feststellungen treffen ließen. Darüber hinaus sprechen nach der Auf-fassung des [X.]s mehrere, im Einzelnen aufgeführte Indizien sogar gegen eine geplante Tat. Damit hat das [X.] nicht zugunsten des Ange-klagten ohne nähere Begründung eine Tatvariante unterstellt, für die konkrete Anhaltspunkte nicht vorhanden gewesen sind.
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b)
Aufgrund der genannten Erwägungen hat das [X.] auch eine Tötung aus Habgier nicht feststellen können. Dabei hat es in den Blick genom-men, dass der Angeklagte nur zu Lebzeiten der Frau M.

auf weitere finan-zielle Zuwendungen hoffen konnte, da diese ihn testamentarisch nicht begüns-tigen durfte. Davon dass der der Tötung vorausgegangene Streit finanzielle Forderungen des Angeklagten, insbesondere im Hinblick auf das am Tattag im Auftrag der später Getöteten abgehobene Geld, zum Anlass hatte, hat sich das [X.] mit nachvollziehbarer Begründung gerade nicht zu überzeugen vermocht ([X.] f.). Der einen Zusammenhang seines Handelns mit der [X.] beseitigt zu
haben, um das ihm von der Getöteten verspr[X.]e Geld abheben zu können, hat das [X.] keinen Glauben geschenkt. Die Schlüsse der Kammer, die auf lückenlosen Erwägungen beruhen, sind [X.] möglich und damit revisionsrechtlich hinzunehmen.
c)
Schließlich ist die Beweiswürdigung der [X.] auch nicht des-halb lückenhaft, weil das [X.] sich nicht mit dem Umstand auseinander-gesetzt hat, dass bei dem Angeklagten eine [X.] mit [X.] Felgenreiniger festgestellt worden ist,
für deren Inhalt er keine Erklärung habe abgeben können, obgleich dies nach Auffassung der Revision eine vorange-gangene Betäubung der später Getöteten mit [X.] ("k.o.-Tropfen") für möglich erscheinen lasse. Denn die toxikologische Untersuchung der Leiche hat die Einnahme von [X.] nicht belegen können, wenn auch eine solche nach [X.] der Sachverständigen letztlich im Hinblick auf im Mageninhalt vorgefun-dene [X.]/[X.], deren Entstehung allerdings ebenso durch den [X.] erklärt werden könnten, nicht auszuschließen war. Vor dem Hintergrund dieses toxikologischen Untersuchungsergebnisses kam dem [X.], dass der Angeklagte nicht erklären konnte, wie das [X.] in die [X.] gelangt ist, für den Nachweis einer möglichen vorherigen Betäubung 11
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der später Getöteten nur eine geringe Bedeutung zu, zumal er angegeben hat, in der Vergangenheit wegen des darin enthaltenen [X.] selbst Felgenreiniger
-
u.a. mit Cola verdünnt
-
eingenommen zu haben. Das [X.] musste sich deshalb insoweit zu einer Erörterung nicht gedrängt sehen.
3.
Da die danach rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen den Schuld-spruch tragen und auch die Strafzumessung rechtlicher Überprüfung standhält, waren die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wie des Angeklagten zu verwer-fen.

[X.] [X.][X.]

[X.] Berg

13

Meta

3 StR 360/17

02.11.2017

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.11.2017, Az. 3 StR 360/17 (REWIS RS 2017, 3045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 3045

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