Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2003, Az. 5 StR 223/02

5. Strafsenat | REWIS RS 2003, 4900

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5 [X.]/02BUNDESGERICHTSHOFIM [X.] DES VOLKESURTEILvom 15. Januar 2003in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom15. Januar 2003, an der teilgenommen haben:Vorsitzende Richterin [X.],[X.],[X.],Richterin [X.],[X.] Raumals beisitzende Richter,[X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger,Rechtsanwältin [X.] Vertreterin des [X.],[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des [X.]und des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Juli 2001 werden verworfen.Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsan-waltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenennotwendigen Auslagen. Die Kosten der Revisionen des [X.] und des Angeklagten fallen dem jeweiligen Be-schwerdeführer zur Last.[X.] Von Rechts wegen [X.]G r ü n d eDas [X.] hat gegen den Angeklagten wegen Totschlags zehnJahre Freiheitsstrafe verhängt, hat ihn unter Einbeziehung einer früherenVerurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und [X.] Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Ur-teil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft und [X.] Revision eingelegt. Während sich der Angeklagte gegen seineVerurteilung wegen eines Tötungsdelikts wendet und darüber hinaus [X.] angreift, beanstanden Staatsanwaltschaft und Nebenkläger,daß der Angeklagte nicht wegen Mordes verurteilt worden ist. Außerdem rü-gen sie, das [X.] habe sich mit der Frage der Schuldfähigkeit [X.] nicht zutreffend auseinandergesetzt und das Gutachten despsychiatrischen Sachverständigen ungeprüft übernommen. [X.] bleiben ohne Erfolg.- 4 -I.Das [X.] hat im wesentlichen folgende Feststellungen getrof-fen:Am Vorabend der Tat begab sich der bereits angetrunkene Ange-klagte in eine Gaststätte, wo er zunächst eine tätliche Auseinandersetzungmit einem entfernten Bekannten provozierte. Kurze Zeit später wurde er be-schuldigt, gegen das vor der Gaststätte abgestellte Fahrzeug des [X.]getreten und möglicherweise auch versucht zu haben, dieses zuentwenden. Da jedoch zunächst keine Beschädigungen an dem PKW festzu-stellen waren, ließ der Zeuge die Sache auf sich beruhen und kehrte [X.] wie der Angeklagte [X.] in die Gaststätte zurück. Dort wurde er von demempörten Angeklagten beschimpft und kurzfristig auch mit einem Butterfly-messer bedroht. Im Verlauf des Abends nahm der Angeklagte weiter [X.] sich und konsumierte auch Rauschgift.Gegen 1.00 Uhr des folgenden Tages machte sich das spätere [X.], die 62jährige [X.] , auf den Heimweg. Auf Bitten [X.] nahm sie neben dem [X.]auch den ihr bis dahinunbekannten Angeklagten in ihrem Wagen mit, da beide in einem Ort auf [X.] der Frau [X.] wohnten. Dort angekommen, stieg zunächstder Zeuge aus, wobei ihm der Angeklagte behilflich war, sein Fahrrad ausdem Kofferraum zu heben. Als Frau [X.]bei der Weiterfahrt auf einemunbefestigten Weg langsam fahren mußte, stach der Angeklagte plötzlich mitdem [X.] auf sie ein und brachte ihr insgesamt 31 Stich- [X.] bei. Nachdem T aufgrund der erlittenenschweren Verletzungen immer schwächer geworden war, drängte der Ange-klagte sie aus dem Auto; die Frau verblutete am [X.] 5 -Mit dem PKW seines Opfers fuhr der Angeklagte anschließend [X.] eines befreundeten Paares, wo er sich im folgenden verborgenhielt. Nach drei Tagen wurde er dort festgenommen; unter der [X.] wurde die EC-Karte der Getöteten gefunden.Zur Schuldfähigkeit hat die sachverständig beratene [X.], daß die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund vorheri-gen Alkohol- und Drogenmißbrauchs im Sinne von § 21 StGB erheblich ein-geschränkt war.II.Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Daß der Tatrichter an-gesichts der massiven Vorgehensweise des Angeklagten (bedingten) [X.] angenommen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch [X.] enthält keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten.[X.] ohne Erfolg bleiben die Revisionen der Staatsanwaltschaftund des [X.]. Die Erwägungen, mit denen das [X.] dasVorliegen von [X.] und niedrigen Beweggründen abgelehnt hat, haltenrechtlicher Prüfung stand. Auch daß die [X.] die Mordmerkmale derheimtückischen und grausamen [X.] nicht erkennbar [X.], begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.1. Ein Täter handelt aus [X.], wenn sich die Tat als Folge [X.] über bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinn-strebens darstellt (BGHSt 29, 317, 318; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl.§ 211 Rdn. 8 m. w. N).- 6 -Dies hat das [X.] im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei verneint.Dabei hat es sich ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der An-geklagte, der sich an die Tat und deren Vorgeschichte nicht erinnern will, mitder Absicht gehandelt hat, sich den PKW seines Opfers und/oder die EC-Karte [X.]. Die [X.] vermochte jedoch nicht auszuschließen,daß der Angeklagte erst nach dem Zustechen den Gedanken faßte, unterBenutzung des Fahrzeugs zu flüchten. Bei dieser Erwägung hat sie nichtübersehen, daß der Angeklagte kurz vor der Tat verdächtigt worden war, sichmöglicherweise in Diebstahlsabsicht dem Fahrzeug des [X.]genähert zu haben, hat diesen nicht bewiesenen Umstand dann aber [X.] außer Betracht gelassen. Es liegt ebenfalls im Rahmen tatrichterlicherBeurteilung, wenn das [X.] es im Hinblick auf die EC-Karte der [X.] für möglich hält, daß er diese erst nach der Tat entdeckt und dann ansich genommen hat. Allerdings hat die [X.] in dem hier gegebenenZusammenhang die erheblichen Vorstrafen des Angeklagten wegen Dieb-stahls, Raubes und gefährlicher Körperverletzung nicht ausdrücklich in [X.] mit einbezogen. Angesichts der ausführlichen Darstellungdieser früheren Straftaten im Urteil ist jedoch auszuschließen, das [X.] könne deren mögliche indizielle Bedeutung nicht bedacht haben.2. Auch daß die [X.] das Vorliegen niedriger Beweggründeabgelehnt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.Beweggründe sind niedrig, wenn sie als Motive einer Tötung nach [X.] sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufestehen (vgl. BGHSt 42, 226, 228; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § 211Rdn. 9 m. w. N.). In subjektiver Hinsicht muß hinzukommen, daß sich [X.] bei der Tat der Umstände bewußt ist, die seine Beweggründe als nied-rig erscheinen lassen, und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte [X.] Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steu-ern kann (BGHSt 28, 210, 212; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige [X.] und 15). Ob dies der Fall ist, bedarf insbesondere bei plötzlichen- 7 -Situationstaten genauerer Prüfung (vgl. [X.], 20, 21, [X.] 2001, 87; Tröndle/[X.], StGB 51. Aufl. § 211 Rdn. 12 m. w. N.).Aus welchen Motiven der Angeklagte [X.] getötet hat,konnte letztlich nicht zuverlässig geklärt werden. Von [X.] hat sich das[X.] rechtsfehlerfrei nicht zu überzeugen vermocht. Für das [X.] Motive fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage. [X.] die Aussage des [X.] , wonach auf der Heimfahrt eineruhige Atmosphäre herrschte und der Angeklagte sich unauffällig verhielt,sieht die [X.] auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß [X.] den Angeklagten kurz vor der Tat verärgert oder in anderer Weise in [X.] haben könnte. Angesichts des gesamten [X.] einschließlich [X.], der psychischen Verfassung und der [X.] Angeklagten ist die Annahme des [X.]s, der zur Tatzeit erheblichunter Alkohol- und Drogeneinfluß stehende Angeklagte habe die Tat nichtausschließbar in einem affektiven Durchbruch ohne Vorplanung aus [X.] heraus begangen, nicht fernliegend.Einer Prüfung, ob sich darüber hinaus die Annahme niedriger Beweg-gründe auch deshalb verbot, weil fraglich erscheint, daß sich der zur Tatzeitin seiner Steuerungsfähigkeit eingeschränkte Angeklagte bei seinem nichtausschließbar spontan geführten Angriff der etwaigen Niedrigkeit seiner Be-weggründe bewußt war, bedurfte es daher nicht.3. Des weiteren begegnet es keinen durchgreifenden Bedenken, daßdie [X.] nicht erkennbar geprüft hat, ob der Angeklagte [X.] heimtückisch oder grausam getötet hat.Zwar liegt es nicht fern, daß [X.] arg- und wehrlos war,als der Angeklagte sie mit Tötungsvorsatz angriff. Dem [X.] und insbesondere dem ausführlich dargestellten [X.] des psychiatrischen Sachverständigen entnimmt der Senat [X.] -daß der Tatrichter jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen der Heimtük-ke, nämlich das Bewußtsein, die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers auszu-nutzen, sicher ausgeschlossen hat; entsprechende Ausführungen waren da-nach nicht unerläßlich. Auch die Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage nichtauf das Mordmerkmal der Heimtücke gestützt.Die Feststellungen belegen bereits nicht die objektiven Voraussetzun-gen einer grausamen [X.] im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB.Jedenfalls durfte das [X.] auch hier annehmen, daß dem Angeklag-ten das Bewußtsein fehlte, dem Opfer beim [X.] zuzufügen. Die Nichterörterung dieser Gesichtspunkte stellt deshalbkeinen Rechtsfehler dar, zumal da die Staatsanwaltschaft auch [X.] in der Anklage nicht benannt hat.4. Im Ergebnis ohne Erfolg bleibt schließlich auch die weitere sachlich-rechtliche Beanstandung zur erheblichen Einschränkung der Schuldfähigkeit.Die hierzu getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Gutachten despsychiatrischen Sachverständigen W , dem das [X.] gefolgtist. Die hiergegen geltend gemachten Bedenken, das [X.] habe esbei der Beurteilung der Schuldfähigkeit an der gebotenen eigenverantwortli-chen Prüfung des Gutachtens (vgl. BGHSt 7, 238; 12, 311; [X.] in [X.] Aufl. § 261 Rdn. 32; [X.] in Löwe/[X.], [X.]. § 261Rdn. 92) fehlen lassen, sind unbegründet. Das [X.] hat nach einge-hender Darstellung des Gutachtens zusammenfassend ausgeführt, daß an-gesichts der Erläuterungen des Sachverständigen keine Zweifel daran be-stehen, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt bei erhaltener Einsichtsfähig-keit erheblich in der Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt und damit vermindertschuldfähig gewesen sei ([X.]). Daß die [X.] sich genügendmit dem Sachverständigen auseinandergesetzt hat, lassen auch die [X.] zur Persönlichkeit des Angeklagten erkennen, die [X.] eng mit der Frage der Schuld verknüpft. In diesem [X.] -hang teilt das Urteil im einzelnen mit, aus welchen Gründen es sich demGutachten des Sachverständigen anschließt und sich dessen [X.] eigen macht ([X.] 34).Davon abgesehen darf sich der Tatrichter auch mangels genügendereigener Kenntnisse auf dem für die Urteilsfindung maßgeblichen [X.] darauf beschränken, sich der Beurteilung des Sachverständigen hin-sichtlich der einschlägigen Fachfragen anzuschließen, wenn er die wesentli-chen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen im Ur-teil so wiedergibt, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beur-teilung seiner Schlüssigkeit und sonstiger Rechtsfehlerfreiheit erforderlich ist(vgl. BGHSt 7, 238; [X.] in [X.]. § 261 Rdn. 32 m. w. N.). [X.] im vorliegenden Fall mehr als ausreichend geschehen. Insbesondere hatder Sachverständige auch zu den von den Beschwerdeführern angeführtenGesichtspunkten Stellung genommen, die nach Auffassung der Revision eineerheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen.Dies gilt namentlich im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten,das keine Störungen seines Leistungsverhaltens oder sonstige auf eine er-heblich eingeschränkte Steuerungsfähigkeit hinweisenden Auffälligkeitenerkennen ließ. Der Sachverständige hat dieses Phänomen nachvollziehbardamit erklärt, daß hier das zusätzlich zu dem Alkohol genossene Rauschgiftbei dem ohnehin zu Aggressionen neigenden Angeklagten einen [X.] begünstigt haben könnte, wobei der Sachverständige dies aus-drücklich nur auf den Tatzeitpunkt bezieht ([X.] 41, 42). Mit einem unauf-fälligen Nachtatverhalten des alkoholgewohnten Angeklagten ist diese Be-wertung vereinbar (vgl. BGHR StGB § 21 Alkoholauswirkungen 6; Blutalko-holkonzentration 4).[X.] Häger [X.] Raum

Meta

5 StR 223/02

15.01.2003

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.01.2003, Az. 5 StR 223/02 (REWIS RS 2003, 4900)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4900

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