Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2003, Az. 1 StR 186/03

1. Strafsenat | REWIS RS 2003, 1497

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[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 186/03vom25. September 2003in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Verhandlung vom25. September 2003, an der teilgenommen haben:[X.] am [X.] [X.] am [X.]. [X.],[X.],[X.],[X.]in am [X.],Oberstaatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.],Rechtsanwälte als Verteidiger,Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenkläger,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -1. [X.] und der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17.Dezember 2002 werden verworfen.2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der [X.] und die durch dieses Rechtsmittel entstande-nen notwendigen Auslagen des Angeklagten. Die Neben-kläger tragen die Kosten ihrer [X.] Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen [X.] enthaltene Entschädigungsentscheidung wirdkostenpflichtig verworfen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigespro-chen, seinen Bekannten [X.]getötet zu haben. Es konnte [X.] der Täterschaft des Angeklagten nicht überzeugen. Darüber hinaus hat esihm für erlittene Untersuchungshaft eine Entschädigung zuerkannt. Die [X.] und die Nebenkläger greifen den Freispruch mit der [X.] an; die Nebenkläger erheben darüber hinaus Verfahrensrügen. [X.] haben keinen Erfolg. Die sofortige Beschwerde der [X.] war zu [X.] 4 - [X.] von den [X.] erhobenen Verfahrensrügen haben aus denvom [X.] in seiner Zuschrift angeführten Gründen [X.]. Der Freispruch hält auch sachlich-rechtlicher Prüfung stand.Das [X.] hat folgende Feststellungen getroffen:Der Angeklagte und das spätere [X.] [X.]; sie kannten sich bereits aus [X.]. Sie trafen sich in [X.]wieder, freundeten sich näher an und teilten bis Frühjahr 1999 die Wohnung.Verwandte und Freunde konnten von keinen Streitigkeiten zwischen den bei-den berichten.[X.] kündigte die Pächterin des als [X.] betriebenen Ver-einsheim eines Sportvereins in [X.] , in dem [X.] vonAnfang 1999 bis Frühjahr 2001 als Pizzabäcker gearbeitet hatte, wegen hoherSchulden den Pachtvertrag. [X.]warb den Angeklagten unddessen Cousin [X.]. N. , die frei werdende [X.] gemeinschaftlich [X.]. Mit der früheren Pächterin vereinbarte er eine Ablösezahlung [X.] DM. Nach Abschluß des Pachtvertrages hielt er sich nicht an die [X.] und wollte nur noch 30.000 DM zahlen. Die Vorpächterin fühlte [X.] ihm hintergangen und baute die gesamte Küchenausstattung aus.[X.] S. wurde in mehreren Telefongesprächen von ihr und ihrenSöhnen wegen seines Verhaltens beschimpft und bedroht, bis hin zu der [X.], man werde ihn "an einem Baum aufhängen".- 5 -Die drei neuen Betreiber nahmen für die Einrichtung der [X.] [X.] und renovierten die Räume selbst. Aus Kostengründen teilten sich der An-geklagte und das spätere [X.] wieder eine kleine Wohnung. Am 11. [X.] eröffneten sie die [X.]. Am 15. oder 16. Januar 2002 wurde die leichtzugängliche Telefonleitung zum Sportgelände und damit auch zur [X.]mutwillig zerstört.Am Abend des 17. Januar 2002 hielten sich in der [X.] zahlreicheGäste auf, die von den drei Betreibern bedient wurden. Die letzten Gäste [X.] gegen 2.30 Uhr das Lokal, so daß der Angeklagte, [X.]. N. und[X.]S. zurückblieben. In den folgenden Stunden bis [X.] am 18. Januar 2002 wurde [X.]S. durchMesserstiche mit einem oder mehreren einseitig geschliffenen Messern, derenKlingenlänge mindestens 10 cm, höchstens ca. 12 cm und deren Klingenbreiteetwa 2 cm betrug, getötet. Das [X.] erlitt 17 Messerstiche. Sieben [X.] trafen ihn in den Brust- und Halsbereich, zwei Stiche in die linke [X.], sechs Einstiche in den Rücken, hiervon drang einer durch das rechteSchulterblatt. Ein Stich mit dem Stichkanal von ca. 5 cm drang in die [X.] rechten Hohlhand in Richtung [X.] ein. Darüber hinaus ging [X.] mit einem ca. 6 cm langen, horizontal verlaufenden Wundkanal in die [X.] am Unterrand der linken [X.] bis zum [X.] [X.] und verursachte dort eine Einkerbung durch das Auf-treffen der Messerspitze. Die teilweise mit erheblicher Wucht geführten Sticheverletzten beide Lungen, eine Körperhauptschlagader und die [X.]. Der daraus resultierende Blutverlust führte rasch zum Tode des [X.]. Zwischen zehn und zwölf Stunden nach seinem Tode wurde [X.] des [X.]s entweder in den 30 Meter hinter dem [X.] Fluß [X.] oder in den [X.], der in die [X.] mündet,- 6 -verbracht. Am Morgen des 29. März 2002 - ca. zehn Wochen nach seiner Tö-tung - wurde der Leichnam des [X.]s kurz vor der Einmündung der [X.]in den [X.] in angetriebenem Schwemmgut aufgefunden. Bis auf die [X.] war die Leiche mit den Kleidungsstücken bekleidet, die das [X.] am Abend des 17. Januar 2002 in der [X.] getragen hatte.Am 18. Januar 2002, dem Morgen nach der Tatnacht, wurde der Ange-klagte im [X.] wegen einer kompletten Durchtrennung zweier Beugeseh-nen des [X.] und des fünften Fingers der rechten Hand operiert. [X.] ist das wichtigste [X.].II.Der Freispruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Spricht der [X.] Angeklagten frei, weil er vorhandene Zweifel nicht überwinden kann, so istdas grundsätzlich hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich [X.]. In diesen Fällen beschränkt sich die [X.] darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Einsachlich-rechtlicher Fehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung widersprüch-lich, unklar oder lückenhaft ist (st. Rspr.; vgl. [X.] StV 2001, 440; [X.]R StPO§ 261 Überzeugungsbildung 25 m.w.N.). Ein derartiger Mangel ist dem ange-griffenen Urteil nicht zu entnehmen. Auch wenn - wovon das [X.] aus-geht - der Angeklagte bei der Tötung des [X.]S. anwesend war,so hat die [X.] gleichwohl rechtsfehlerfrei festgestellt, die [X.] könne auch anders als durch einen mit Tötungsabsichtgeführten Messerstich entstanden sein.- 7 -1. Das [X.] hat sich rechtsfehlerfrei davon überzeugt, [X.]S. sei in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 2002 [X.] Uhr bis 7.00 Uhr morgens durch 17 Messerstiche getötet worden und [X.] sei dabei gewesen. Für den Tatzeitraum spricht, daß die [X.] die [X.] gegen 2.30 Uhr verlassen und die drei Betreiber allein zu-rückgeblieben waren. Die [X.] hat festgestellt, daß danach niemandmehr [X.]S. lebend gesehen hat. Sein Leichnam war beim [X.] rund zehn Wochen nach der Tat bis auf die roten Sportschuhe noch mitden Kleidungsstücken bekleidet, die der Getötete an diesem Abend in der [X.] getragen hatte. Die Oberbekleidung wies auch Textildurchtrennungenauf, die mit den Einstichen an seinem Körper übereinstimmten. [X.] Untersuchungen ergaben, daß das [X.] bereits tot war, bevor [X.] eines der Gewässer eingebracht wurde. Der Zustand der Leiche ließ [X.] Berücksichtigung der Witterungsverhältnisse mit dem Todeszeitpunkt [X.] bringen ([X.] 29).2. Ebenso begegnet die Annahme des [X.]s keinen rechtlichenBedenken, die am Morgen des 18. Januar 2002 von mehreren Zeugen beimAngeklagten festgestellte Schnittverletzung an der rechten Hand stehe im en-gen Zusammenhang mit der Tötungshandlung. Die [X.] hat sich, [X.] durch zwei Rechtsmediziner, davon überzeugt, die Handverletzung seientstanden, "als die rechte Hand des Angeklagten zumindest nahezu [X.] kraftvoll zur Faust geschlossen war" ([X.] 32). Sie ist deshalb "zu der si-cheren Feststellung gelangt, daß der Angeklagte bei der Tötung von [X.]S. zumindest anwesend war und sich dabei die Schnittverletzung ander Hand zugezogen hat" ([X.] 27). Die [X.] hat damit zugleich dieEinlassung des Angeklagten als widerlegt angesehen, [X.] S. - 8 -habe die [X.] nach 2.30 Uhr verlassen und sei möglicherweise an einemanderen [X.]t und zu einer späteren [X.] getötet worden. Sie hat dem Ange-klagten auch nicht abgenommen, er sei - während er ein Messer in der [X.] gehalten habe - beim Aufräumen am Morgen des 18. Januar 2002 aufdem Küchenboden ausgerutscht und habe sich beim Abstützen in die [X.] Die [X.] hat jedoch trotz dieser belastenden Indizien ohneRechtsfehler dargelegt, warum sie sich dennoch nicht von der Täterschaft [X.] überzeugen [X.]) Aus den Angaben der Polizeibeamten und den verlesenen spuren-kundlichen Gutachten ergibt sich, daß trotz umfangreicher und [X.] weder in und um die [X.] noch in der Wohnung des Getöteten tat-relevante Spuren gesichert werden konnten. Die [X.] konnte deshalbletztlich keine verläßlichen Feststellungen zum genauen Tatort, zum [X.]t undzur Art und Weise der Einbringung der Leiche in eines der am [X.] Gewässer treffen. Auch das oder die [X.] gefunden werden, so daß nicht feststeht, ob [X.] S. mit ei-nem oder mehreren einseitig geschliffenen Messern getötet wurde. Die [X.] ließen auch keine sicheren Feststellungen darüber zu, ob ein oder zweiTäter gleichzeitig oder nacheinander dem [X.] Stiche sowohl in den [X.] auch in den Rückenbereich versetzten.b) Die [X.] hat allein aus der von den Sachverständigen "mitsehr hoher Wahrscheinlichkeit" angenommenen Griffhaltung und der Entste-hung der Handverletzung beim Angeklagten nicht auf den genauen [X.] -hensablauf schließen können. Sie hat sich ausführlich mit den Gutachten derbeiden Rechtsmediziner auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt,die Gutachter hätten sich nicht in der Lage gesehen, "den Ausschluß andererEntstehungsmöglichkeiten der Schnittverletzung durch medizinische [X.] überzeugend darzustellen" ([X.] 36). Sie konnte es deshalb als mög-lich ansehen, daß dem Angeklagten "im Rahmen eines Hilfeversuchs zuguns-ten des Getöteten die Verletzung durch eine dritte messerführende Person zu-gefügt worden sein könnte, wenn er mit der zur Faust geschlossenen Handgegen eine solche Person, um sie am Stechen zu hindern, von vorne gegendie Stichrichtung vorgegangen wäre". Ebenso ist nicht zu beanstanden, daßdie [X.] es für möglich gehalten hat, "daß der Angeklagte die messer-führende Hand einer anderen Person von vorne oder aber auch aus einer Po-sition hinter ihr umfaßte und festhielt und dann die Verletzung davontrug" ([X.]. 36). Diese Annahmen sind möglich und damit revisionsrechtlich unangreif-bar. Damit ist die vom [X.] angestellte Erwägung rechtsfehlerfrei, esliege eine unaufklärbare Lücke im Tatgeschehen vor, die sich nur durch spe-kulative Erwägungen ausfüllen lasse.c) Diese möglichen Schlüsse hat das [X.] - ersichtlich vor [X.] der massiven Bedrohung durch andere - auch darauf gestützt, essei kein Motiv erkennbar, was Anlaß für die Tötung des [X.]S. hätte sein können. Da keiner der gehörten Zeugen von Streitigkeiten zwischendem Angeklagten und dem [X.] berichtete, liegen keine Beweisanzeichenfür ein tragfähiges Motiv des Angeklagten vor. Die Kammer hat auch die Mög-lichkeit eines plötzlich ausbrechenden heftigen Streits zwischen dem Ange-klagten mit dem Getöteten erwogen. Sie hat dazu nachvollziehbar ausgeführt,eine plötzliche, sich aus einem Streit ergebende Motivation für eine Tötung des- 10 -[X.]S. hätte genauso auf [X.]. N. zutreffen können. [X.] Motiv hat auch die Beschwerdeführerin nicht benennen [X.] Die [X.] hat sich in ihrer ausführlichen Beweiswürdigungnicht auf eine Einzelbewertung der belastenden und entlastenden Indizien be-schränkt. Sie hat die einzelnen Beweisanzeichen einer nach der [X.] gebotenen Gesamtwürdigung ([X.]St 35, 308, 316) unterzogen. In [X.] ist sie zwar nicht mehr auf jedes einzelne Indiz eingegangen. Der [X.] aber aus dem Gesamtzusammenhang der Beweiswürdigung schließen,daß der [X.] dabei nicht die wechselseitige Durchdringung der [X.] Beweisanzeichen aus dem Blick geraten ist. Auch insoweit ist ein Rechts-fehler nicht erkennbar.[X.] [X.] [X.] [X.] Elf

Meta

1 StR 186/03

25.09.2003

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.09.2003, Az. 1 StR 186/03 (REWIS RS 2003, 1497)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 1497

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