Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VG 1/09 R

9. Senat | REWIS RS 2010, 7040

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Opferentschädigung - vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff - kosmetischer ärztlicher Eingriff - vorsätzliche Körperverletzung - Sichtweise eines verständigen Dritten - Wohl des Patienten


Leitsatz

Ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff ist dann ein tätlicher Angriff im Sinne des OEG, wenn er aus der Sicht eines verständigen Dritten in keiner Weise dem Wohle des Patienten dient.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Sozialgericht ([X.]) das damals zuständige (jetzt beigeladene) Land zu Recht verurteilt hat, eine bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung als Folge eines schädigenden Ereignisses iS des § 1 Abs 1 Satz 1 Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz <[X.]>) festzustellen.

2

Die am 2.10.1954 geborene Klägerin ließ sich im Jahr [X.] von einem Arzt für Gynäkologie operieren. Zunächst saugte dieser am [X.] im Rahmen eines kosmetischen Eingriffs Fett ab. Danach traten Komplikationen auf. Am [X.] versuchte der Arzt, eine bestehende Fettschürze zu korrigieren und saugte weiteres Fett ab. Nach diesem Eingriff kam es zu erheblichen Gesundheitsstörungen, die im Krankenhaus behandelt werden mussten.

3

Zur [X.] litt die Klägerin neben dem erheblichen Übergewicht an einer Koronarinsuffizienz, Bluthochdruck, Lungeninsuffizienz, insulinpflichtigem Diabetes mellitus sowie einer Darmerkrankung. Darauf machte sie den Arzt vor den operativen Maßnahmen aufmerksam. Dieser wies sie sodann bewusst nicht darauf hin, dass angesichts der Vorerkrankungen bei den [X.]en mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko, ggf sogar mit Todesfolge, zu rechnen sei. Die notwendige Aufklärung unterließ der Gynäkologe aus finanziellen Motiven, weil ihm bewusst war, dass die Klägerin sonst von den [X.]en abgesehen hätte. Er dokumentierte weder ein Aufklärungsgespräch noch eine Einwilligung. Darüber hinaus täuschte er die Klägerin über seine Befähigung, die Eingriffe fachgerecht vornehmen zu können.

4

Das [X.] verurteilte den Gynäkologen wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs 1 [X.] (StGB) aufgrund des operativen Eingriffs vom [X.] zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie aufgrund des weiteren Eingriffs vom [X.] zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Unter Einbeziehung zahlreicher weiterer Taten zum Nachteil anderer Patienten wurde der Gynäkologe zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt (rechtskräftiges Urteil vom 17.7.2002 - 61 KLs/42 Js 1109/00).

5

Am 22.11.2003 beantragte die Klägerin beim seinerzeit zuständigen Versorgungsamt [X.] Leistungen der Beschädigtenversorgung nach dem [X.] ([X.]). Diesen Antrag lehnte das Versorgungsamt nach Beiziehung des Strafurteils durch Bescheid vom 9.1.2004 mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] lägen nicht vor. Das [X.] bezwecke ausschließlich die Entschädigung von Kriminalitätsopfern, die vom Staat trotz des von diesem in Anspruch genommenen Gewaltmonopols im Einzelfall nicht ausreichend hätten geschützt werden können. Die hier der strafrechtlichen Verurteilung zugrunde liegenden ärztlichen Kunstfehler seien von diesem Schutzzweck naturgemäß nicht erfasst. Es fehle an einer feindseligen Tendenz im Sinne des [X.]. Den Widerspruch der Klägerin wies die [X.] mit Bescheid vom 22.6.2004 zurück.

6

Das von der Klägerin angerufene [X.] [X.] hat nach Einholung mehrerer medizinischer Gutachten mit Urteil vom [X.] das (jetzt beigeladene) [X.] ([X.]) unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörung "Zustand nach Abdominalplastik mit zwei großen quer verlaufenden Narben im Ober- und Unterbauch mit korrigiertem Nabel mit Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich" als durch ein schädigendes Ereignis iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] hervorgerufene Gesundheitsstörung festzustellen. Die darüber hinausgehende Klage auf Gewährung von Versorgung hat das [X.] - mittlerweile (nach Rücknahme der Berufung der Klägerin) rechtskräftig - abgewiesen, weil die festgestellte Gesundheitsstörung lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 vH bedinge.

7

Gegen seine Verurteilung hat das Land [X.] Berufung eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist nach Inkrafttreten des § 4 Abs 1 Gesetz zur Eingliederung der [X.] in die allgemeine Verwaltung des [X.] (= Art 1 Zweites Gesetz zur Straffung der Behördenstruktur in [X.] vom 30.10.2007, GVBl [X.] 482, ) ab 1.1.2008 vom [X.] weiter geführt und sodann vom [X.] [X.] (L[X.]) mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung ist auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Zum 1.1.2008 sei ein [X.] kraft Gesetzes eingetreten. Berufungsführer sei seitdem der [X.]. Ob sich dieser als neuer Beklagter gegen die Anerkennung von Schädigungsfolgen wende oder dies dem notwendig beigeladenen Land als weiterhin materiell Verpflichtetem obliege, ändere am Tenor der Berufungsentscheidung nichts, denn weder das Land noch der [X.] hätten einen Anspruch auf Aufhebung des Urteils des [X.].

9

Zu Recht habe dieses die streitbefangenen ärztlichen Maßnahmen als tätliche Angriffe iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] bewertet. Nach den Feststellungen des [X.], die der Senat sich zu eigen mache, habe der Gynäkologe die vor den Eingriffen notwendige Aufklärung aus finanziellen Motiven unterlassen. Er habe die Klägerin bewusst nicht darauf hingewiesen, dass angesichts der Vorerkrankungen mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko, ggf sogar mit Todesfolge, während und nach den [X.]en zu rechnen gewesen sei. Auch sei ihm klar gewesen, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung gegen die [X.]en entschieden hätte. Dies habe der Gynäkologe zumindest billigend in Kauf genommen. Damit stellten die operativen Eingriffe tatbestandlich vorsätzliche Körperverletzungen iS des § 223 StGB dar, die nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) mangels wirksamer Einwilligung auch rechtswidrig gewesen seien. Eine wirksame Einwilligung liege danach nur vor, wenn der Patient in der gebotenen Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden sei.

Der Arzt habe durch die [X.]en unmittelbar in die körperliche Integrität der Klägerin eingegriffen. Zwar habe er keinen Widerstand der Klägerin überwinden müssen. Diese Situation habe er sich jedoch nur verschaffen können, weil er die Klägerin zuvor über die Risiken der [X.] und seine Befähigung, die Eingriffe fachgerecht vornehmen zu können, getäuscht habe. Ob zwischen dem Arzt und der Klägerin ein besonderes Vertrauensverhältnis bestanden habe, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Die von dem Gynäkologen vorgenommenen Eingriffe stellten auch keine Heilbehandlung dar, denn es sei keine objektive Heiltendenz feststellbar. Zudem handle es sich bei der von § 1 Abs 1 [X.] geforderten [X.]keit der Tathandlung nicht um eine innere Tatsache. Was feindselig sei, bestimme das Strafgesetz. [X.] in diesem Sinne seien alle § 223 StGB zuzuordnenden, strafbewehrten Tathandlungen. [X.] sei, dass die im Rahmen der [X.]en begangenen Kunst- und Behandlungsfehler nur fahrlässiger Natur gewesen seien.

Die Klägerin habe durch die beiden durchgeführten [X.]en eine gesundheitliche Schädigung erlitten, an deren Folgen sie fortdauernd leide. Art und Umfang der insoweit verbliebenen Gesundheitsstörung seien von den Beteiligten unstreitig gestellt worden.

Der Beklagte macht mit seiner nach Zulassung durch den erkennenden Senat eingelegten Revision eine Verletzung von § 1 Abs 1 [X.] geltend. Zur Begründung führt er ua aus:

Durch die Regelungen des [X.] wolle der Staat für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger insbesondere vor gesundheitlichen Schädigungen durch kriminelle Handlungen wie vor allem Gewalttaten einstehen. Im Lichte dieses Gesetzeszwecks seien auch die einzelnen Tatbestandsmerkmale auszulegen. Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS des § 1 Abs 1 [X.] setze daher eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame, in der Regel auch handgreifliche Einwirkung voraus.

An einer feindseligen Willensrichtung fehle es hier. Zwar hätten Eingriffe in die körperliche Integrität eines anderen grundsätzlich die Tendenz, diesen zum bloßen Objekt herabzuwürdigen; sie seien deshalb als feindselig zu werten. Wenn aber im Rahmen eines [X.] die Einwilligung zur [X.] vorliege, verliere der Eingriff in die körperliche Integrität seine feindselige Qualität. Im vorliegenden Fall bestehe die Besonderheit, dass die Klägerin zwar ihre Einwilligung in beide [X.]en gegeben habe, diese aber vom Täter erschlichen worden seien. Das L[X.] schließe ohne eigene Sachaufklärung aus den vom [X.] in seinem Strafurteil benannten Motiven für das Erschleichen der Einwilligung und aus der Tatsache der strafrechtlichen Verurteilung, dass der Gynäkologe keine Heilbehandlung vorgenommen habe, weil die Eingriffe nicht zur Heilung geeignet gewesen seien. Letzteres lasse sich aber den einschlägigen Passagen des [X.]urteils nicht entnehmen. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Operateur der Klägerin insofern rechtsfeindlich gesonnen gewesen sei, als er sie dauerhaft habe schädigen wollen. Eine rechtsfeindliche Willensrichtung lasse sich zwar für die fehlerhafte Aufklärung über die [X.]srisiken bejahen. Hieraus resultiere aber nicht gleichzeitig eine rechtsfeindliche Willensrichtung hinsichtlich der anschließenden [X.]en. Das Vertrags- und Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestatte nur dann die Annahme einer feindseligen Willensrichtung hinsichtlich des operativen Eingriffs, wenn dies bestimmte äußere Umstände nahelegten, etwa wenn sich der [X.] fälschlich als Arzt ausgebe.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des [X.]s [X.] vom [X.] und des Sozialgerichts [X.] vom [X.] abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen des L[X.] für zutreffend.

Die beigeladene [X.] hat wie folgt Stellung genommen: Generell liege bei ärztlichen Kunstfehlern keine Gewalttat iS des § 1 Abs 1 [X.] vor. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen Körperverletzung führe zwar in der Regel auch zur Bejahung eines tätlichen Angriffs. Jedoch sei dies nicht zwangsläufig so. Zusätzlich sei nämlich auch ein tätlicher Angriff in feindseliger Willensrichtung erforderlich. Daran fehle es im konkreten Fall. Das L[X.] habe den feindseligen Akt wohl im Erschleichen der Einwilligung durch bewusst unzureichende Aufklärung gesehen. Es leuchte jedoch nicht ein, warum ein tätlicher Angriff im Sinne des [X.] davon abhängen solle, dass der Arzt die Patientin mit Eventualvorsatz unzureichend aufgeklärt habe. Mit einer solchen Argumentation könne praktisch jeder ärztliche Heileingriff, bei dem eine wirksame Einwilligung fehle, als [X.]-Fall anerkannt werden, und zwar selbst dann, wenn der ärztliche Eingriff richtig und erfolgreich ausgeführt worden sei und ein Kunstfehler daher überhaupt nicht vorliege. Eine entsprechende Ausweitung des vom [X.] erfassten Personenkreises sei vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen. Die Rechtsentwicklung zum Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern lasse sich auf den Bereich ärztlicher Kunstfehler nicht anwenden. Die tatbestandliche Ausgangslage sei eine gänzlich andere.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision des [X.]n ist zulässig. Richtiger [X.]r und Revisionskläger ist nunmehr der Direktor des [X.] Rheinland.

a) Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass es mit Inkrafttreten von § 4 Abs 1 Eingliederungsgesetz zum 1.1.2008 im Verlauf des Berufungsverfahrens zu einem [X.] kraft Gesetzes auf der [X.]nseite gekommen ist (vgl hierzu B[X.], Urteil vom [X.] - [X.]/9a [X.] 2/07 R - [X.], 9 = [X.]-3250 § 69 [X.], jeweils Rd[X.]3 f; B[X.], Urteil vom [X.] - B 1 KR 5/08 R - [X.], 177 = [X.]-2500 § 109 [X.], jeweils Rd[X.]3; B[X.], Urteil vom 11.12.2008 - [X.] VS 1/08 R - [X.], 149 = [X.]-1100 Art 85 [X.], jeweils Rd[X.]0; B[X.], Urteil vom 11.12.2008 - [X.] V 3/07 R - juris Rd[X.]1; B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] -, juris Rd[X.]2; B[X.], Urteil vom [X.] - B 10 EG 8/08 R - [X.], 291 = [X.]-7837 § 2 [X.], jeweils Rd[X.]9; B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.], 245, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, Rd[X.]6). Durch § 4 Abs 1 Eingliederungsgesetz wurden die den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben des Sozialen Entschädigungsrechts einschließlich der Kriegsopferversorgung mit Wirkung vom 1.1.2008 rechtswirksam auf die Landschaftsverbände übertragen. Ab diesem [X.]punkt ist der für die Klägerin örtlich zuständige [X.] gemäß § 6 Abs 1 [X.] für die Versorgung nach diesem Gesetz zuständig.

b) Das [X.] hat den [X.] selbst als [X.]n behandelt. Die Klägerin hat ihre Klage im Verlauf des Revisionsverfahrens umgestellt und nunmehr gegen die nach § 70 [X.] [X.] beteiligtenfähige Behörde - den Direktor des [X.] - gerichtet. Mit dieser Umstellung trägt sie der Rechtsprechung des 8. [X.]s des [X.], wonach die Klage zwingend gegen die nach § 70 [X.] [X.] für beteiligtenfähig erklärte Behörde zu richten ist, wenn ein Land - wie hier [X.] durch § 3 Gesetz zur Ausführung des [X.] - das Behördenprinzip eingeführt hat (vgl B[X.], Urteil vom [X.] - B 8 [X.] 19/08 R - Rd[X.]4). Demgegenüber hat der erkennende [X.] die Auffassung vertreten (vgl Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 3/08 R - juris Rd[X.]1), dass die nach § 70 [X.] [X.] beteiligtenfähige juristische Person (hier der [X.]) diese Fähigkeit nicht dadurch verliert, dass die für sie handelnde Behörde (hier der Direktor des [X.] Rheinland) durch Landesrecht iS des § 70 [X.] [X.] für beteiligtenfähig erklärt worden ist. Zur Vermeidung einer Divergenz hat der erkennende [X.] deshalb eine Umstellung der Klage angeregt; dem steht § 168 Satz 1 [X.] nicht entgegen, weil sich der Klagegrund, also der dem Klageantrag zugrunde liegende Lebenssachverhalt, nicht geändert hat (vgl § 99 Abs 3 [X.]).

2. Die Revision des [X.]n ist unbegründet, denn das [X.] hat im Ergebnis zu Recht dessen Berufung gegen das Urteil des [X.] zurückgewiesen, mit dem dieses die entgegenstehende ablehnende Verwaltungsentscheidung aufgehoben und das seinerzeit beklagte Land zur Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines schädigenden Ereignisses iS von § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] verurteilt hat. Eine Rechtskraft dieser Entscheidung erstreckt sich gemäß § 141 Abs 1 [X.] [X.] auf den jetzigen [X.]n.

Rechtsgrundlage für den von der Klägerin in zulässiger Weise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]) geltend gemachten Anspruch auf Feststellung einer bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörung als Folge eines schädigenden Ereignisses ist § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] (idF vom 11.5.1976, [X.] 1181). Danach erhält ua derjenige, der im Geltungsbereich des [X.] infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.]. [X.] - wie hier - der Grad der Schädigungsfolgen für einen Anspruch auf Gewährung von [X.] nicht aus (vgl § 31 Abs 1 [X.]), hat der Beschädigte nach der gefestigten Rechtsprechung des B[X.] einen Anspruch auf isolierte Feststellung (Anerkennung) von Schädigungsfolgen. Denn die Feststellung von Schädigungsfolgen kann als eigenständiger begünstigender Verwaltungsakt Grundlage für weitere Ansprüche oder Rechtsfolgen sein, zB Ansprüche auf Heilbehandlung wegen der anerkannten Folgen einer Schädigung (vgl zum [X.] bereits B[X.]E 9, 80, 83 f = [X.] [X.]7 zu § 55 [X.]; B[X.]E 12, 25, 26; B[X.]E 27, 22, 23 = [X.] [X.]9 zu § 77 [X.]; B[X.], Urteil vom 2.6.1970 - 10 RV 69/68 - [X.] 1971, 170; zum Soldatenversorgungsgesetz etwa B[X.]E 57, 171, 172 = [X.] 1500 § 55 [X.]4 [X.]; B[X.]E 68, 128, 129 f = [X.] 3-3200 § 81 [X.] S 3; B[X.] [X.] 3-1500 § 55 [X.]8 S 39; B[X.] [X.] 3-3200 § 81 [X.]6 S 73; zum [X.] etwa B[X.], Urteil vom 18.10.1995 - 9/9a RVg 4/92 - B[X.]E 77, 1, 6 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]).

Wie [X.] und [X.] im Ergebnis zutreffend erkannt haben, steht der Klägerin gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] nach den Umständen des vorliegenden Falles ein Anspruch auf Feststellung der Gesundheitsstörungen zu, die Folgen der im Jahre 2000 von dem Gynäkologen durchgeführten Schönheitsoperationen sind. Denn diese ärztlichen Eingriffe sind als vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] zu werten. Der erkennende [X.] legt dabei zunächst seine bisherige Rechtsprechung zum Rechtsbegriff "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" zugrunde (dazu unter a). Darüber hinaus ist die Rechtsprechung des [X.] zur Strafbarkeit eines ärztlichen Eingriffs als vorsätzliche Körperverletzung von Bedeutung (dazu unter b). Für diesen Bereich entwickelt der [X.] seine bisherige Rechtsprechung dahin weiter, dass ein ärztlicher Eingriff unter bestimmten Voraussetzungen als tätlicher Angriff anzusehen ist (dazu unter c). Diese Voraussetzungen liegen nach den für den [X.] verbindlichen Tatsachenfeststellungen hier vor (dazu unter d).

a) Die Rechtsprechung des erkennenden [X.]s zur Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] hat sich im Laufe der Jahre anhand einzelner Fallgestaltungen entwickelt. Sie hat sich weitgehend von subjektiven Merkmalen (wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht des [X.]) gelöst und entscheidend auf die [X.]keit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abgestellt. Dabei hat der erkennende [X.] je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Betrachtungsweisen zugrunde gelegt. Leitlinie des erkennenden [X.]s war insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des [X.] ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffs hat der [X.] daher aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist er in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei in aller Regel die Angriffshandlung den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (vgl B[X.], Urteil vom [X.] - 9 RVg 1/96 - B[X.]E 81, 42, 43 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1 S 38; B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 81, 288, 289 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2 S 42 f; B[X.], Urteil vom 24.7.2002 - [X.] [X.] - B[X.]E 90, 6, 8 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2 S 103 f; B[X.], Urteil vom 10.12.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] Rd[X.] f und zuletzt B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - juris Rd[X.]4 ff).

Im Einzelnen hat der erkennende [X.] bislang zu folgenden Fallkonstellationen entschieden:

Zunächst hat er unter Bezugnahme auf die Begründung zum Regierungsentwurf eines [X.] (BT-Drucks 7/2506 S 13) für die Annahme einer Angriffshandlung eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung verlangt und deshalb einen tätlichen Angriff bei der Flucht vor einem Einbrecher verneint (B[X.], Urteil vom 7.11.1979 - 9 RVg 1/78 - B[X.]E 49, 98, 99 f = [X.] 3800 § 1 [X.] S 2; B[X.], Urteil vom [X.] - 9a RVg 1/83 - B[X.]E 56, 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.]). Diese Rechtsprechung hat er später dahingehend präzisiert, dass unter einem tätlichen Angriff ein gewaltsames, handgreifliches Vorgehen gegen eine Person in kämpferischer, feindseliger Absicht zu verstehen ist, nicht jedoch sozial angemessenes Verhalten, wie das Hochheben einer jungen Frau auf einem Straßenfest (B[X.], Urteil vom 23.10.1985 - 9a RVg 5/84 - B[X.]E 59, 46, 47 ff = [X.] 3800 § 1 [X.] S 18 ff).

In Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern iS von § 176 StGB hat der [X.] dann den Begriff des tätlichen Angriffs umfassender im Sinne von [X.]keit verstanden. Danach kommt es nicht darauf an, welche innere Einstellung der Täter zu dem Opfer hatte und wie das Opfer die Tat empfunden hat. Für den [X.] war allein entscheidend, dass die [X.], nämlich sexuelle Handlungen, eine Straftat war, deretwegen die Täter in diesen Fällen auch bestraft worden sind (B[X.], Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 - B[X.]E 77, 7, 8 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.] S 23 f; B[X.], Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 7/93 - B[X.]E 77, 11, 13 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] f; ähnlich auch bei einer Aids-Infektion durch ungeschützten Geschlechtsverkehr: B[X.], Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 5/95 - B[X.]E 77, 18, 19 = [X.] 3-3800 § 2 [X.] S 7).

Auch eine absichtliche Blockade mit einem Kraftfahrzeug ist als tätlicher Angriff angesehen worden, wenn das Opfer dem gegen ihn gerichteten körperlichen Angriff durch Ausweichen oder Flucht entgehen will und dadurch zu Schaden kommt. Der [X.] hat es für genügend erachtet, dass das Handeln des Angreifers vorsätzlich und auf Rechtsbruch gerichtet war. In der Regel reicht danach der vorsätzliche rechtswidrige Angriff gegen die körperliche Integrität oder die körperliche Bewegungsfreiheit aus, um den Tatbestand (des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.]) zu erfüllen (B[X.], Urteil vom 12.12.1995 - 9 RVg 1/94 - [X.] 3-3800 § 10a [X.] S 2 f).

Ebenso hat es der erkennende [X.] beim Zünden eines Feuerwerkskörpers durch einen unbekannt gebliebenen Täter ausreichen lassen, dass das Verhalten des [X.] auf Rechtsbruch gerichtet war und dadurch seine [X.]keit erkennen ließ. [X.] handele, wer vorsätzlich und rechtswidrig einen Angriff gegen die körperliche Integrität eines anderen richte (B[X.], Urteil vom 28.5.1997 - 9 RVg 1/95 - USK 9714).

Diese Rechtsprechung hat der [X.] in seiner Entscheidung zur Gewalt gegen Sachen verbunden mit Drohungen gegenüber dem Opfer fortgeführt: Er ist dort zwar davon ausgegangen, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame und in der Regel auch handgreifliche Einwirkung erfordert. Zugleich hat er jedoch klargestellt, dass nicht ein aggressives Verhalten, sondern die [X.]keit des [X.] für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung des "tätlichen Angriffs" maßgeblich ist. Bei Drohungen gegenüber dem Opfer verbunden mit einer unmittelbaren Gewaltanwendung gegen eine Sache hat er es deshalb als entscheidend angesehen, ob aus der Sicht eines objektiven, vernünftigen Dritten ein unmittelbares Ansetzen zu einer gezielten Gewaltanwendung gegen eine Person gegeben ist (B[X.], Urteil vom [X.] - 9 RVg 1/96 - B[X.]E 81, 42, 43 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1 S 38 f, ähnlich B[X.], Urteil vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.]4 S 56 zur Verletzungshandlung eines strafrechtlich schuldunfähigen, aber handlungsfähigen Kindes).

In seiner Entscheidung zur Verletzung durch [X.] in einer Silvesternacht hat der [X.] ein zielgerichtetes, vorsätzliches, aggressives Verhalten gegen eine bestimmte Person nicht für erforderlich gehalten, sondern es für die Annahme eines "tätlichen Angriffs" ausreichen lassen, dass sich der Angriff gegen andere Personen als das Opfer gerichtet hat (B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] R - B[X.]E 81, 288, 289 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2 S 42 ff). Weiter ist in dieser Entscheidung ausgeführt worden, dass die "[X.]keit", die den "tätlichen Angriff" iS des § 1 Abs 1 [X.] kennzeichnet, schon dann zu bejahen ist, wenn mit der Einwirkung auf den Körper des Opfers - zumindest versuchsweise - vorsätzlich ein Straftatbestand verwirklicht wird. "[X.]" handelt der Täter auch dann, wenn er unter Verstoß gegen ein Strafgesetz vorsätzlich auf den Körper eines anderen einwirkt (B[X.]E 81, 288, 292 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2 S 46).

Zum "Mobbing" als einem sich über längere [X.] hinziehenden Konflikt zwischen dem Opfer und Personen seines gesellschaftlichen Umfeldes hat der erkennende [X.] entschieden, dass nur bei einzelnen "Mobbing"-Aktivitäten die Schwelle zur strafbaren Handlung und somit zum kriminellen Unrecht überschritten werden könne; tätliche Angriffe lägen allerdings nur vor, wenn auf den Körper des Opfers gezielt eingewirkt werde, wie zB durch einen Fußtritt (B[X.], Urteil vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - B[X.]E 87, 276, 278 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]8 S 72).

In dem Fall einer Bedrohung mit einer scharf geladenen, entsicherten Schusswaffe hat der erkennende [X.], anknüpfend an sein Urteil vom [X.] (B[X.]E 81, 42 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1), als tätlichen Angriff grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung angesehen. Er hat darauf hingewiesen, dass in aller Regel die Angriffshandlung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] den Tatbestand einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllen wird. Daneben seien aber auch [X.] denkbar, bei denen kein strafrechtlich relevanter Erfolg angestrebt werde. Es sei nicht einmal die körperliche Berührung oder auch nur ein darauf zielender Vorsatz erforderlich. Bereits die absichtliche, rechtswidrige Bedrohung eines anderen mit einer scharf geladenen entsicherten Schusswaffe stellt danach einen tätlichen Angriff dar (B[X.], Urteil vom 24.7.2002 - [X.] [X.] - B[X.]E 90, 6, 8 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2 S 103 f). Diese Rechtsprechung hat der [X.] in seiner Entscheidung zum Entfernen eines Gullydeckels fortgeführt und darin unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom [X.] (B[X.]E 81, 288, 289 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2) weiter festgestellt, dass eine Handlung dann nicht als tätlicher Angriff gegen eine Person angesehen werden kann, wenn ihr die erforderliche unmittelbare (feindliche) Ausrichtung auf andere Menschen fehlt (B[X.], Urteil vom 10.12.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] Rd[X.] f). An diese Rechtsprechung hat der [X.] auch in seiner Entscheidung zur körperlichen Durchsuchung einer Person durch falsche Polizeibeamte angeknüpft (B[X.], Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - juris Rd[X.]4 ff).

In Bezug auf eine Kindesentziehung durch [X.] hat der erkennende [X.] darauf hingewiesen, dass der Rechtsbegriff des tätlichen Angriffs aus Gründen des [X.] und psychischen Schutzes der Opfer unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des [X.] speziell in Fällen eines sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Weise ausgelegt worden ist, dass er auch ohne Gewaltanwendung die Ausübung des Geschlechtsverkehrs eines erwachsenen Mannes mit einem Kind unter 14 Jahren erfasst. Bei einer Kindesentziehung hat der [X.] jedoch ein entsprechendes Begriffsverständnis abgelehnt, weil dies zu einer Ausweitung der vom [X.] erfassten Tatbestände führen würde, die mit der auf eine körperliche Gewaltanwendung abstellenden gesetzgeberischen Konzeption unvereinbar wäre. Eine erweiternde Auslegung ist auch nicht zum Schutz des betroffenen Kindes geboten (vgl B[X.], Urteil vom 12.2.2003 - [X.] [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.] Rd[X.]2).

In seiner Entscheidung zur Freiheitsberaubung hat der erkennende [X.] ebenfalls maßgeblich darauf abgestellt, dass die Grenze zur Gewalttat iS des § 1 Abs 1 [X.] jedenfalls dann überschritten ist, wenn eine Person durch Mittel körperlicher Gewalt ihrer Freiheit beraubt und/oder dieser Zustand durch Tätlichkeiten aufrecht erhalten wird (B[X.], Urteil vom [X.] - [X.]a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.]0 Rd[X.]3).

Schließlich hat der erkennende [X.] in seiner Entscheidung zu einem möglichen tätlichen Angriff eines 4 ½ jährigen Kindes gegen ein anderes Kind unter Bezugnahme auf die Entscheidung vom [X.] (B[X.]E 81, 288 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]2) erneut hervorgehoben, dass der als "feindselige" Einwirkung auf den Körper eines anderen definierte tätliche Angriff lediglich erfordert, dass (objektiv) gegen ein Strafgesetz verstoßen wird, das die körperliche Unversehrtheit eines anderen schützt. Dies kann bei einem Stoßen ins Wasser unter Umständen der Fall sein (vgl B[X.], Urteil vom 8.11.2007 - [X.]/9a [X.] - [X.]-3800 § 1 [X.]1 Rd[X.]4, 17).

b) Grundvoraussetzung für die Bewertung eines ärztlichen Eingriffs als "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] ist danach, dass dieser als vorsätzliche Körperverletzung strafbar ist. Deshalb ist die einschlägige Rechtsprechung der Strafgerichte, insbesondere des [X.], zu beachten. Danach erfüllt jeder ärztliche Eingriff den Tatbestand einer (vorsätzlichen) Körperverletzung iS des § 223 Abs 1 StGB. Er bedarf grundsätzlich der Einwilligung, um rechtmäßig zu sein. Diese Einwilligung kann nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient in der gebotenen Weise über den Eingriff, seinen Verlauf, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen aufgeklärt worden ist. Aufklärungsmängel können eine Strafbarkeit des Arztes wegen (vorsätzlicher) Körperverletzung jedoch nur begründen, wenn der Patient bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht in den Eingriff eingewilligt hätte. Das Fehlen einer "hypothetischen Einwilligung" ist dem Arzt nachzuweisen. Eine Beschränkung der Strafbarkeit kann sich zudem unter dem Gesichtspunkt des Schutzzweckgedankens ergeben, wenn sich ein Risiko realisiert, das nicht in den Schutzbereich der verletzten Aufklärungspflicht fällt. Dies wird etwa dann in Betracht zu ziehen sein, wenn sich der [X.] lediglich aus dem unterlassenen Hinweis auf Behandlungsalternativen ergibt, der Patient jedoch eine Grundaufklärung über die Art sowie den Schweregrad des Eingriffs erhalten hat und auch über die schwerstmögliche Beeinträchtigung informiert ist (vgl aus der neueren Rechtsprechung: [X.], Urteil vom 29.6.1995 - 4 StR 760/94 - [X.]R StGB § 223 Abs 1 Heileingriff 4 = [X.] 1996, 22, 24 ; [X.], Urteil vom 19.11.1997 - 3 StR 271/97 - [X.]St 43, 306, 308 f = NJW 1998, 1802, 1803 ; [X.], Beschluss vom [X.] 2004, 251, 252 ; [X.], Urteil vom 20.1.2004 - 1 StR 319/03 - [X.] 2004, 469, 470 ; [X.], Urteil vom [X.] - 4 StR 549/06 - [X.]R StGB § 223 Abs 1 Heileingriff 8 = [X.] 2008, 158, 159 ; [X.], Urteil vom 23.10.2007 - 1 StR 238/07 - [X.] 2008, 435, 436 <"[X.]">; [X.], StGB, 57. Aufl 2010, § 223 Rd[X.] 9, 15 ff, § 228 Rd[X.]2 ff).

c) Der erkennende [X.] entwickelt seine bisherige Rechtsprechung zur Auslegung des Rechtsbegriffs "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] für die besondere Fallkonstellation des als vorsätzliche Körperverletzung strafbaren ärztlichen Eingriffs weiter.

In aller Regel wird zwar eine Handlung, die den Tatbestand einer - jedenfalls versuchten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt, eine Angriffshandlung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] sein. Die Verletzungshandlung im [X.] hat jedoch durch das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" - allerdings in Anknüpfung an die Vorschriften des StGB - eine eigenständige gesetzliche Ausprägung gefunden (vgl hierzu B[X.], Urteil vom [X.] - 9a RVg 1/83 - B[X.]E 56, 234, 235 f = [X.] 3800 § 1 [X.] f; B[X.], Urteil vom [X.] - 9a/9 RVg 1/89 - [X.] 3-3800 § 1 [X.] S 2; B[X.], Urteil vom [X.] - 9 RVg 1/96 - B[X.]E 81, 42, 43 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1 S 38; B[X.], Urteil vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.]4 S 56). Das bedeutet, dass nicht jeder als vorsätzliche Körperverletzung strafbare ärztliche Eingriff zugleich ein "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" iS einer in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielenden gewaltsamen Einwirkung sein muss.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass ärztliche Eingriffe - wie die gesamte Tätigkeit des Arztes - von einem Heilauftrag iS des § 1 Abs 1 Bundesärzteordnung (danach dient der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes; vgl dazu auch § 1 Abs 1 Musterberufsordnung für die [X.] Ärztinnen und Ärzte) bestimmt werden (vgl hierzu Laufs in Laufs/[X.]/[X.], Arztrecht, 6. Aufl 2009, [X.] f; [X.]/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, [X.]). Ärztliche Eingriffe werden demnach grundsätzlich in der Absicht durchgeführt, zu heilen und nicht in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten einzuwirken. Zum anderen ergibt sich die Strafbarkeit eines ärztlichen Eingriffs als vorsätzliche Körperverletzung gerade aus der Verknüpfung von vorsätzlichem [X.], Fehlen einer wirksamen Einwilligung und damit rechtswidrigem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Eine strafbare vorsätzliche Körperverletzung kann bei einem ärztlichen Eingriff bereits dann vorliegen, wenn der Arzt nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat und der Patient die Einwilligung zum ärztlichen Eingriff bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht erteilt hätte. Es sind deshalb durchaus Fälle denkbar, bei denen der vorsätzliche [X.] zwar zu einer strafbaren vorsätzlichen Körperverletzung führt, es wegen einer vorhandenen Heilungsabsicht jedoch nicht gerechtfertigt ist, den ärztlichen Eingriff als eine gezielte gewaltsame Einwirkung auf die körperliche Unversehrtheit des Patienten, mithin als eine feindselige Angriffshandlung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.], zu bewerten (vgl etwa den der Entscheidung des [X.] vom 20.1.2004 - 1 StR 319/03 - [X.] 2004, 469 zugrunde liegenden Fall der Durchführung einer zweiten [X.] zur Bergung einer bei der ersten [X.] abgebrochenen Bohrerspitze bei unterlassener Aufklärung über Grund und Anlass der Maßnahme).

Für die besondere Fallkonstellation des ärztlichen Eingriffs müssen deshalb - neben der Strafbarkeit als Vorsatztat - bestimmte weitere Voraussetzungen hinzukommen, bei deren Vorliegen die Grenze zur Gewalttat, also zum "vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff", überschritten ist. Nach Auffassung des erkennenden [X.]s wird ein Patient unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des [X.] dann zum Gewaltopfer, wenn ein als vorsätzliche Körperverletzung strafbarer ärztlicher Eingriff objektiv - also aus der Sicht eines verständigen Dritten - in keiner Weise dem Wohl des Patienten dient. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Arzt bei seiner Vorgehensweise im Wesentlichen von eigenen finanziellen Interessen leiten lässt und die gesundheitlichen Belange des Patienten [X.] hat. Mit dem Abstellen auf das Wohl des Patienten werden neben den Fällen der Heilung einer behandlungsbedürftigen Erkrankung auch die Fälle reiner Schönheitsoperationen erfasst, also Fälle, in denen ohne jede medizinische Indikation allein den Schönheitsvorstellungen des Patienten dienende Eingriffe (s § 52 Abs 2 [X.]B V) vorgenommen werden.

Soweit der [X.] mit der Revision einwendet, das besondere Vertrags- und Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestatte die Annahme einer feindseligen Willensrichtung bei einem operativen Eingriff nur dann, wenn dies bestimmte äußere Umstände nahelegten, etwa wenn sich der [X.] fälschlich als Arzt ausgebe, vermag ihm der [X.] nicht in vollem Umfang zu folgen. Allein der Umstand, dass ein in keiner Weise zum Wohle des Patienten handelnder Operateur Arzt ist, kann die Annahme einer feindseligen Haltung nicht ausschließen. Auch ein Vertrags- und Vertrauensverhältnis, das der Arzt in rücksichtsloser, krimineller Weise verletzt, hindert es nicht, eine feindselige Willensrichtung bei der [X.] anzunehmen, wenn die vom [X.] als maßgebend angesehenen Umstände vorliegen. Ebenso wenig greift der Einwand durch, dass der Eingriff in die körperliche Integrität dann seine feindselige Qualität verliere, wenn im Rahmen eines [X.] die Einwilligung zur [X.] vorliege. Eine durch Täuschung erschlichene Einwilligung ist unwirksam. Sie steht daher weder einer Strafbarkeit noch der Bejahung einer Gewalttat entgegen.

Mit der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland stimmt der [X.] dahin überein, dass ärztliche Kunstfehler für sich genommen keine Gewalttaten iS des § 1 [X.] sind. Denn Kunstfehler sind sorgfaltswidrige Verstöße gegen die Regeln der ärztlichen Kunst, die lediglich eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 229 StGB oder fahrlässiger Tötung nach § 222 StGB begründen (vgl dazu [X.], StGB, 57. Aufl 2010, § 223 Rd[X.]3c). Stellt der ärztliche Eingriff allerdings einen tätlichen Angriff dar, so ist es unerheblich, ob dabei Kunstfehler unterlaufen. Denn der Vorsatz des [X.] muss sich nicht auf die eingetretene Schädigung beziehen (vgl B[X.], Urteil vom [X.] - 9a/9 RVg 1/89 - [X.] 3-3800 § 1 [X.] S 4; B[X.], Urteil vom 12.12.1995 - 9 RVg 1/94 - [X.] 3-3800 § 10a [X.] S 2; B[X.], Urteil vom [X.] [X.] [X.] R - [X.] 3-3800 § 1 [X.]4 S 57).

d) Gemessen an diesen Kriterien sind die von dem [X.] durchgeführten kosmetischen ärztlichen Eingriffe - im Ergebnis übereinstimmend mit dem [X.] und dem [X.] - nicht nur als strafbare vorsätzliche gefährliche Körperverletzungen iS der §§ 223, 224 Abs 1 [X.] StGB, sondern auch als vorsätzliche, rechtswidrige tätliche Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit der Klägerin iS des § 1 Abs 1 Satz 1 [X.] anzusehen. Denn sie dienten aus der Sicht eines verständigen Dritten in keiner Weise dem Wohl der Klägerin.

Das [X.] hat dazu Folgendes festgestellt: Die Klägerin litt zum [X.]punkt der [X.]en neben dem erheblichen Übergewicht an [X.], [X.], Lungeninsuffizienz, insulinpflichtigem Diabetes mellitus sowie einer Darmerkrankung. Obwohl sie den Gynäkologen auf ihre Vorerkrankungen aufmerksam gemacht hatte, wies sie dieser vor den Eingriffen bewusst nicht darauf hin, dass bei ihr mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko, ggf sogar mit Todesfolge, zu rechnen war. Die notwendige Aufklärung unterließ der Gynäkologe aus finanziellen Motiven, weil ihm klar war, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung von den [X.]en abgesehen hätte. Darüber hinaus täuschte er die Klägerin über seine Befähigung, die Eingriffe fachgerecht vornehmen zu können. Die an der Klägerin vorgenommenen Eingriffe waren insgesamt gesehen weder von einer objektiven noch einer subjektiven Heilungstendenz getragen. Das [X.] hat beide kosmetischen ärztliche Eingriffe als strafbare vorsätzliche gefährliche Körperverletzungen gemäß §§ 223, 224 Abs 1 [X.] StGB bewertet und den Gynäkologen deswegen zu Freiheitsstrafen verurteilt.

Diese Tatsachenfeststellungen des [X.] sind für den [X.] bindend (§ 163 [X.]), denn der [X.] hat dagegen in der Revisionsbegründung keine zulässigen und begründeten Verfahrensmängel vorgebracht. Soweit er darin die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 [X.]) des [X.] angreift, hat er schon nicht dargelegt, dass die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten wurden, also gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen worden ist (stRspr; vgl etwa schon B[X.] [X.] [X.]4 und [X.]6 zu § 128 [X.]; hierzu auch B[X.], Urteil vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R - [X.]-2500 § 44 [X.] 7 Rd[X.]6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.] 9. Aufl 2008, § 128 Rd[X.]0 ff). Der [X.] hat deshalb bei der Beurteilung der Rechtslage von den Tatsachenfeststellungen des [X.] auszugehen. Danach hat sich der Arzt bei seiner Vorgehensweise im Wesentlichen von eigenen Interessen leiten lassen und die gesundheitlichen Belange der Klägerin - gerade auch im Hinblick auf die erheblichen Vorerkrankungen - in sträflicher Weise [X.].

3. [X.] beruht auf § 193 [X.].

Meta

B 9 VG 1/09 R

29.04.2010

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: VG

vorgehend SG Aachen, 21. Dezember 2006, Az: S 3 VG 163/04, Urteil

§ 1 Abs 1 S 1 OEG, § 223 Abs 1 StGB, § 224 Abs 1 Nr 5 StGB, § 229 StGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 9 VG 1/09 R (REWIS RS 2010, 7040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7040

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