Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.2014, Az. B 9 V 1/13 R

9. Senat | REWIS RS 2014, 334

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Soziales Entschädigungsrecht - Gewaltopferentschädigung - tätlicher Angriff - Banküberfall - schwere räuberische Erpressung - Drohung mit Gewalt - Täuschung mit ungeladener Schreckschusspistole - Fehlen einer unmittelbaren, körperlichen Gewaltanwendung - psychische Drohwirkung nicht ausreichend - sozialgerichtliches Verfahren - Unzulässigkeit einer Klage auf isolierte Feststellung der Opfereigenschaft


Leitsatz

1. Ein tätlicher Angriff im Sinne des Opferentschädigungsrechts setzt eine unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus. Die bloße Drohung mit einer - wenn auch erheblichen - Gewaltanwendung oder Schädigung reicht damit für einen tätlichen Angriff nicht aus.

2. Ein "tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs 1 S 1 OEG liegt nicht bereits dann vor, wenn der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer ungeladenen, täuschend echt aussehenden Schreckschusspistole bedroht (Aufgabe von BSG vom 24.7.2002 - B 9 VG 4/01 R = BSGE 90, 6 = SozR 3-3800 § 1 Nr 22).

3. Die isolierte Feststellung, ob eine Person Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden ist, ist unzulässig.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des [X.] vom 13. Dezember 2012 und der Gerichtsbescheid des [X.] vom 23. April 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander in allen drei Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin bei einem Banküberfall Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 Opferentschädigungsgesetz ([X.]) geworden ist.

2

Die 1985 geborene Klägerin ist als Bankkauffrau bei einer Bank beschäftigt. Am [X.] wurde sie während ihrer Tätigkeit bei einem Banküberfall von dem Täter ([X.]) mit einer ungeladenen, jedoch wie eine echte Schusswaffe aussehenden Schreckschusspistole bedroht. [X.] richtete dabei die Waffe aus naher Entfernung deutlich sichtbar zunächst auf den Kollegen [X.] der Klägerin und forderte diesen auf, Bargeld in die mitgebrachte Stofftasche zu packen und ihm zu übergeben. [X.] und die Klägerin, die an einem Schreibtisch hinter dem Kundenschalter saß, gingen von der Echtheit der ihnen vorgehaltenen vermeintlichen Schusswaffe aus und fürchteten um ihr Leben. Nach der Tat war die Klägerin zwei Wochen arbeitsunfähig krank und wurde psychologisch behandelt. Aufgrund dieses Vorganges wurde [X.] vom [X.] wegen schwerer räuberischer Erpressung nach §§ 253, 255, 250 Abs 1 [X.] 1b Strafgesetzbuch (StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

3

Der Antrag der Klägerin auf Entschädigung nach dem [X.] blieb erfolglos (Bescheid des Beklagten vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]). Klage und Berufung sind für die Klägerin hingegen erfolgreich gewesen (Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.] VG 976/10 - und Urteil des [X.] vom 13.12.2012 - L 6 VG 2210/12).

4

Das [X.] hat die beigezogenen Überwachungsvideos vom [X.] genommen und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des [X.] zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten zuvor den Streitgegenstand übereinstimmend auf die Feststellung beschränkt hatten, ob die Klägerin Opfer eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 [X.] geworden ist. Das [X.] habe der Klage zu Recht stattgegeben, weil die Klägerin am [X.] Opfer eines Banküberfalles geworden sei. Hierbei handele es sich um einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff (auch) gegenüber der Klägerin. Der Annahme eines tätlichen Angriffs stehe nicht entgegen, dass [X.] hierbei "nur" eine Schreckschusspistole bei sich geführt und damit beide Bankangestellten bedroht habe, weil es sich hierbei um eine täuschend echt aussehende Attrappe gehandelt habe. [X.] sei wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilt worden, dh wegen eines erschwerten Falles einer Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leben oder Leib iS des § 255 StGB. [X.] habe, wenn auch nicht durch unmittelbaren Körperkontakt, körperlich auf die Klägerin eingewirkt, da er sie durch die gezielte Bedrohung zur Aufgabe ihrer Bewegungsfreiheit gezwungen habe. Hierzu habe er ein physisches Mittel eingesetzt, das aus der objektiven Sicht eines vernünftigen [X.] als einsatzfähige Schusswaffe angesehen worden wäre. Mit dieser Waffe habe [X.] ua auf die Klägerin gezielt; aus der objektiven Sicht eines vernünftigen [X.] habe kein Zweifel daran bestehen können, dass [X.] bereit gewesen sei, mit der Waffe auf die Klägerin zu schießen. Für die Klägerin habe nicht nur aus deren Sicht, sondern auch aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines vernünftigen [X.] akute Leibes- und Lebensgefahr bestanden, die sich jederzeit hätte realisieren können. Es liege andererseits eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vor, würde der mit einer geladenen und entsicherten Schusswaffe Bedrohte dem Schutz des [X.] unterstellt, derjenige aber, der auch aus Sicht eines vernünftigen [X.] derselben Gefahrenlage ausgesetzt ist und deshalb zB beim Fluchtversuch oder einer Notwehrhandlung zu Schaden komme, vom Anwendungsbereich des [X.] ausgenommen (Urteil vom 13.12.2012).

5

Mit seiner Revision rügt das beklagte Land eine Verletzung von § 1 Abs 1 S 1 [X.]. Bei der Drohung mit einer ungeladenen Schreckschusspistole und somit einer lediglich vorgetäuschten, vermeintlichen Gefährdungssituation könne ein tätlicher Angriff nicht angenommen werden. Die vom Täter benutzte Waffe sei objektiv nicht geeignet gewesen, das Leben oder die körperliche Integrität der Klägerin zu gefährden. Eine intellektuell oder psychisch vermittelte Beeinträchtigung reiche insoweit nicht aus.

6

Das beklagte Land beantragt,
das Urteil des [X.] vom 13.12.2012 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für rechtmäßig; die Revision schränke den Anwendungsbereich des § 1 [X.] in unzulässiger Weise ein.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des [X.]eklagten ist begründet. Das in der [X.]erufungsinstanz reduzierte isolierte Feststellungsbegehren der Klägerin, ob sie Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden ist, ist bereits unzulässig (dazu unter 1.). Aber auch die vor dem [X.] noch zulässig erhobene Klage ist unbegründet, weil die Klägerin am 13.2.2009 nicht Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden ist (dazu unter 2.). Die bloße [X.]edrohung mit einer ungeladenen Schreckschusspistole erfüllt die Voraussetzungen eines tätlichen Angriffs nicht. Eine erweiternde Auslegung von § 1 Abs 1 S 1 [X.] kommt nach Sinn und Zweck des Gesetzes nicht in [X.]etracht. Der angefochtene [X.]escheid vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.] ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Entsprechend waren der Gerichtsbescheid des [X.] vom [X.] sowie das Urteil des L[X.] vom 13.12.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

1. Die Klägerin konnte ihr [X.]egehren in der [X.]erufungsinstanz nicht zulässig auf die isolierte Feststellung und Antwort auf die Rechtsfrage beschränken, ob sie Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden sei.

a) Das [X.] hatte im Tenor seines Gerichtsbescheids noch festgestellt, dass das bei der Klägerin vorliegende posttraumatische [X.]elastungssyndrom Folge eines tätlichen Angriffs sei. Im [X.]erufungsverfahren stellte das L[X.] fest, dass es insoweit an ausreichenden Tatsachenfeststellungen fehlte. Das L[X.] wies die [X.]eteiligten hierauf hin und veranlasste sie, sich darüber zu einigen, dass [X.] lediglich die Feststellung des schädigenden Ereignisses sein solle. Auf entsprechende Frage des Gerichts verzichtete die anwaltlich vertretene Klägerin sodann insoweit auf die Rechte aus dem Gerichtsbescheid, als darin ein posttraumatisches [X.]elastungssyndrom festgestellt war.

Das L[X.] hätte in dieser prozessualen Situation in der Sache nicht mehr entscheiden dürfen. Die Klägerin konnte ihre vor dem [X.] ursprünglich zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 55 Abs 1 [X.] [X.]G; vgl [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], [X.]G, 11. Aufl 2014, § 55 Rd[X.]b und 13) im [X.]erufungsverfahren nicht in zulässiger Weise auf die isolierte Feststellung beschränken, sie sei am 13.2.2009 Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden. Ihr Feststellungsbegehren kann weder auf § 55 Abs 1 [X.] [X.]G (dazu unter b) noch auf § 55 Abs 1 [X.] [X.]G (dazu unter c) gestützt werden, weil nur eine isolierte Feststellung (Anerkennung) von Schädigungsfolgen im Sinne des [X.] zulässig ist, nicht aber die Klärung einzelner Elemente als Vorfrage des Anspruchs nach § 1 Abs 1 S 1 [X.].

b) Nach § 55 Abs 1 [X.] [X.]G kann die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer [X.]erufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des [X.]undesversorgungsgesetzes ([X.]) ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Vorschrift ist ein Sonderfall der grundsätzlich unzulässigen Elementenfeststellungsklage (vgl hierzu allgemein: [X.], aaO, Rd[X.] 9 f und 13 mwN). Sie dient der Klärung der haftungsbegründenden Kausalität, dh ob zwischen einer Schädigung im Sinne des [X.] bzw des [X.] Entschädigungsrechts und dem Eintritt eines Primär- oder Erstschadens ein hinreichender Kausal- bzw Zurechnungszusammenhang besteht (vgl [X.][X.] Urteile vom 9.12.1998 - [X.] V 46/97 R - [X.][X.]E 83, 171 = [X.] 3-3100 § 7 [X.], Rd[X.]1 nach Juris und - [X.] V 45/97 R - [X.] 3-1500 § 141 [X.], Rd[X.]1 nach Juris). Der [X.] hat zuletzt mit Urteil vom [X.] ([X.] [X.] - [X.][X.]E 106, 91 = [X.] 4-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 23 mwN) klargestellt, dass dies insbesondere dann von [X.]edeutung sein kann, wenn die eingetretene Gesundheitsstörung aktuell keinen Leistungsanspruch auslöst. Denn die Feststellung von Schädigungsfolgen kann als eigenständiger begünstigender Verwaltungsakt Grundlage für weitere Ansprüche oder Rechtsfolgen (z[X.] Heilbehandlung) sein (vgl auch [X.], aaO, Rd[X.]3, 13a mwN). Vor diesem Hintergrund hätte für die Klägerin rechtlich keine Veranlassung bestanden, ihr Klagebegehren zu reduzieren.

Eine isolierte Feststellungsklage kommt auf der Grundlage des § 55 Abs 1 [X.] [X.]G aber dann nicht in [X.]etracht, wenn mit ihr nur die selbstständige Feststellung des Vorliegens anderer als in der Vorschrift genannter Tatbestandselemente des geltend gemachten Anspruchs begehrt wird (vgl [X.][X.] Urteil vom 15.12.1999 - [X.] [X.] 2/98 R - [X.] 3-3200 § 81 [X.]). Die Feststellung, ob ein bestimmtes Ereignis (hier: der Tathergang des [X.]) ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] ist, kommt nur im Zusammenhang mit der Feststellung bestimmter Schädigungsfolgen in [X.]etracht. Liegen solche erkennbar nicht vor oder werden sie - wie vorliegend nicht (mehr) geltend gemacht - könnte die isolierte Feststellungsklage nur der [X.]eantwortung einer abstrakten Rechtsfrage dienen. Selbst wenn diese im Sinne der Klägerin zu beantworten wäre, könnte dies als bloßes Teilelement der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 S 1 [X.] ohne Schädigungsfolgen keinerlei Ansprüche auslösen. Denn ein Vorgang, der keinen Körperschaden ausgelöst hat, führt nicht zur "Haftung" des Staates (vgl [X.][X.], aaO).

c) Ebenso scheidet eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 und § 55 Abs 1 [X.] [X.]G aus (aA L[X.] Niedersachsen-[X.]remen Urteil vom 12.12.2007 - L 5 VG 15/05 - Rd[X.] 25 Juris; vgl allgemein [X.], aaO, Rd[X.]3b). Nach § 55 Abs 1 [X.] [X.]G kann die Feststellung des [X.]estehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden (vgl [X.], aaO, Rd[X.] 4). Ein derartiges öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis entsteht aber nicht bereits durch die bloße Feststellung der Vorfrage zu § 1 Abs 1 S 1 [X.], ob ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff in diesem Sinne vorgelegen hat. Zwar hat das [X.][X.] eine "isolierte" Feststellungsklage nach § 55 Abs 1 [X.] [X.]G für zulässig erachtet, wenn es um die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen geht, in denen vom Versicherungsträger bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls (§ 8 [X.][X.] VII) oder einer [X.]erufskrankheit (§ 9 [X.][X.] VII) bestritten wird (vgl beispielhaft [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] 2 U 1/04 R - [X.] 4-2700 § 8 [X.]2 Rd[X.]2 f mwN; s auch Darstellung der Rechtsprechung bei [X.], aaO, Rd[X.]3b). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die hier vorliegende rechtliche Konstellation im [X.] Entschädigungsrecht scheidet aus den oben genannten Gründen aus; die bloße Feststellung des schädigenden Vorgangs iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] begründet noch kein Leistungs- oder sonstiges Rechtsverhältnis nach dem [X.] bzw sozialem Entschädigungsrecht.

Ob das L[X.] auf die [X.]erufung des beklagten [X.] den Gerichtsbescheid des [X.] aufheben und die Klage aus den genannten Gründen hätte abweisen können, nachdem es das [X.]egehren der Klägerin selbst auf eine - im vorliegenden Fall unzulässige - isolierte Feststellungsklage beschränken ließ, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hätte das L[X.] den Gerichtsbescheid aufgrund der festgestellten Tatsachen auch in der Sache aufheben und die Klage abweisen müssen. Denn die Voraussetzungen des § 1 Abs 1 S 1 [X.] und damit auch für einen Anspruch auf Versorgung liegen nicht vor (dazu unter 2.).

2. Die vom [X.] noch zu Recht für zulässig erachtete Klage war in der Sache materiell-rechtlich unbegründet, weil kein tätlicher Angriff vorgelegen hat.

Nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] (in der Fassung vom 11.5.1976, [X.] 1181) erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des [X.], wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem [X.] Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Zwar sind nicht nur physische [X.]eeinträchtigungen, sondern auch psychische Gesundheitsschäden geeignet, einen Opferentschädigungsanspruch auszulösen. Sowohl physische als auch psychische Gesundheitsschäden müssen jedoch auf einen "tätlichen Angriff" zurückzuführen sein. Insoweit ist entscheidend, ob der Primärschaden und eventuelle Folgeschäden gerade die zurechenbare Folge einer körperlichen Gewaltanwendung gegen eine Person sind. Die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht für einen tätlichen Angriff dagegen nicht aus, auch wenn diese Drohung beim Opfer erhebliche gesundheitliche Folgen haben sollte.

a) Der [X.] hat in ständiger Rechtsprechung als einen "tätlichen Angriff" grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung angesehen (vgl z[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 106, 91 = [X.] 4-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 25 mwN; Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - Juris Rd[X.]4 mwN) und die Entwicklung der Auslegung dieses Rechtsbegriffs zuletzt im Rahmen der [X.]eurteilung von strafbaren ärztlichen Eingriffen (vgl Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 106, 91 = [X.] 4-3800 § 1 [X.], Rd[X.] 26 ff) und hinsichtlich des gesellschaftlichen Phänomens des "Stalking" umfassend dargelegt (vgl Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 108, 97 = [X.] 4-3800 § 1 [X.]8, Rd[X.]3 ff). Dabei ist der [X.] immer davon ausgegangen, dass die Verletzungshandlung im [X.] nach dem Willen des Gesetzgebers eigenständig und ohne direkte [X.]ezugnahme auf das StG[X.] geregelt ist (vgl [X.]T-Drucks 7/2506 [X.]), obwohl sich die Auslegung des [X.]egriffs des "tätlichen Angriffs" auch an der im Strafrecht zu den §§ 113, 121 StG[X.] gewonnenen [X.]edeutung orientiert (vgl [X.][X.], aaO, Rd[X.]2 mwN). Der [X.] ist dabei soweit gegangen, eine erhebliche Drohung gegenüber dem Opfer für einen tätlichen Angriff genügen zu lassen, als sie zumindest mit einer unmittelbaren Gewaltanwendung gegen eine Sache einherging, die als einziges Hindernis dem unmittelbaren körperlichen Zugriff auf das Opfer durch die Täter noch im Wege stand, sodass der Angriff nicht lediglich auf einer Drohung, sondern auch auf Anwendung tätlicher Gewalt basierte ([X.][X.] Urteil vom 10.9.1997 - 9 RVg 1/96 - [X.][X.]E 81, 42, 44 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]1).

Soweit - wie im vorliegenden Fall - eine "gewaltsame" Einwirkung in Frage steht, ist nach der [X.]srechtsprechung schon immer zu berücksichtigen gewesen, "dass der Gesetzgeber durch den [X.]egriff des 'tätlichen Angriffs' den schädigenden Vorgang iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] in rechtlich nicht zu beanstandender Weise begrenzt und den im Strafrecht uneinheitlich verwendeten Gewaltbegriff eingeschränkt hat" ([X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 108, 97 = [X.] 4-3800 § 1 [X.]8 , Rd[X.]6; vgl auch: [X.][X.] Urteil vom 14.2.2001 - [X.] [X.] - [X.][X.]E 87, 276, 279 = [X.] 3-3800 § 1 [X.]8 S 73 ; [X.][X.] Urteil vom 28.3.1984 - 9a RVg 1/83 - [X.][X.]E 56, 234, 236 = [X.] 3800 § 1 [X.] ; s auch Darstellung bei [X.], Zu neueren Entwicklungen im [X.]ereich der Gewaltopferentschädigung anlässlich neuerer Rechtsprechung zur Anspruchsberechtigung nach dem [X.] bei erlittenem "Mobbing" und "Stalking", br 2011, 125, 131 f). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff iS des § 240 StG[X.] (vgl hierzu [X.], StG[X.], 61. Aufl 2014, § 240 Rd[X.] 8 ff mwN) wird der tätliche Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] durch eine körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person geprägt (vgl insbesondere [X.]egründung des [X.] zum [X.], [X.]T-Drucks 7/2506 [X.], 13 f) und wirkt damit körperlich (physisch) auf einen anderen ein. Dieses Verständnis der Norm entspricht am ehesten dem strafrechtlichen [X.]egriff der Gewalt iS des § 113 Abs 1 StG[X.] als einer durch tätiges Handeln bewirkten Kraftäußerung, also einem tätigen Einsatz materieller Zwangsmittel wie körperlicher Kraft (vgl [X.], StG[X.], 61. Aufl 2014, § 113 Rd[X.] 23; [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - aaO, Rd[X.]6 mwN).

Der "tätliche Angriff" iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] setzt trotz seiner inhaltlichen Nähe zur Gewalttätigkeit nach § 125 StG[X.] auch nicht unbedingt ein aggressives Verhalten des [X.] voraus, sodass auch ein nicht zum (körperlichen) Widerstand fähiges Opfer von Straftaten unter dem Schutz des [X.] steht (vgl [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - aaO, Rd[X.]7 mwN).

Andererseits reicht die bloße Verwirklichung eines Straftatbestandes, z[X.] eines Vermögensdelikts, allein für die Annahme eines "tätlichen Angriffs" iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] nicht aus (vgl [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 108, 97, 114 = [X.], aaO, Rd[X.] 41 und 62 f), auch wenn das Opfer über den eingetretenen Schaden "verzweifelt" und z[X.] seelische Gesundheitsschäden davonträgt. Demgemäß hat der [X.] eine Wertung als tätlicher Angriff auch für Telefonate, [X.], [X.]riefe, Karten und dergleichen abgelehnt, weil es insoweit bereits an einer unmittelbar drohenden Gewaltanwendung fehlte (vgl [X.][X.], aaO, [X.]). Der [X.] sah schon immer in Fällen der [X.]edrohung oder Drohung mit Gewalt die Grenze der [X.] als erreicht an, wenn sich die auf das Opfer gerichteten Einwirkungen - ohne Einsatz körperlicher Mittel - allein als intellektuell oder psychisch vermittelte [X.]eeinträchtigung darstellen und nicht unmittelbar auf die körperliche Integrität abzielen (vgl zuletzt: [X.]eschlüsse vom [X.] - [X.] V 65/13 [X.] - und vom 17. bzw 22.9.2014 - [X.] V 27 bis 29/14 [X.] -, jeweils zu Rd[X.], wo den Opfern einer Erpressung ua damit gedroht wurde, Familienangehörige umzubringen und das Haus anzuzünden). Der [X.] präzisiert dies dahingehend, dass ein tätlicher Angriff dann nicht vorliegt, wenn es an einer unmittelbaren Gewaltanwendung fehlt (dazu unter b).

b) Soweit der [X.] darüber hinaus einen "tätlichen Angriff" iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] auch noch in einem Fall angenommen hat, in dem der Täter das Opfer vorsätzlich mit einer scharf geladenen und entsicherten Schusswaffe bedroht hat, weil eine derartige [X.]edrohung das Leben und die Unversehrtheit des Opfers objektiv hoch gefährde (vgl [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - [X.][X.]E 90, 6, 9 f = [X.] 3-3800 § 1 [X.] f), hält er hieran nicht mehr fest. Dies gilt auch für die [X.]srechtsprechung, die im Umkehrschluss die bloße Drohung zu schießen, mangels einer objektiv erhöhten Gefährdung des [X.]edrohten nicht hat ausreichen lassen, wenn der Täter keine Schusswaffe bei sich führt (vgl Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - Juris Rd[X.] 20).

Nach dieser Rechtsprechung läge im vorliegenden Fall ein tätlicher Angriff schon deshalb nicht vor, weil der Täter der Klägerin lediglich eine objektiv ungefährliche Schreckschusspistole vorhielt. Der [X.] sieht sich vor dem Hintergrund der aktuell vorliegenden Konstellation im Verhältnis zu den Entscheidungen vom 24.7.2002 ([X.] [X.] - [X.][X.]E 90, 6 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] 22 - "Drohung mit einer scharfgeladenen und entsicherten Schusswaffe") und vom [X.] ([X.] [X.] - "bloße Drohung zu schießen, ohne [X.]esitz einer Schusswaffe") veranlasst, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern: Der [X.] lässt eine objektive Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person auch ohne physische Einwirkung (Schläge, Schüsse, Stiche, [X.]erührung etc) nicht mehr bereits aufgrund der objektiven Gefährlichkeit der Situation (z[X.] Drohung mit geladener Schusswaffe) für die Annahme eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] ausreichen. Für das Vorliegen eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Situation im Nachhinein als tatsächlich objektiv (lebens-)gefährlich erweist, weil die Waffe scharf geladen und entsichert war, oder als ungefährlich, weil es sich um eine bloße - echt aussehende - Schreckschusswaffe handelte. In diesen Fällen steht die Drohwirkung der vorgehaltenen Waffe auf das Opfer und dessen psychische [X.]elastung in der konkreten Situation im Vordergrund; diese unterscheidet sich insoweit in Fällen wie dem vorliegenden regelmäßig nicht.

Die psychische Wirkung (hier: Drohwirkung) einer Straftat und eine hieraus resultierende z[X.] sogenannte posttraumatische [X.]elastungsstörung ist im [X.] keineswegs unbeachtlich. Sie ist vielmehr insoweit von [X.]edeutung, als für die Frage des Vorliegens eines Gesundheitsschadens nicht nur physische, sondern auch psychische Schäden beachtlich sind. Allerdings kann die psychische Wirkung einer Straftat das Erfordernis des "tätlichen Angriffs" iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] nicht ersetzen. Der eingetretene Schaden muss gerade auf einem solchen "tätlichen Angriff" und nicht - wie vorliegend - auf einer (bloßen) Drohung mit Gewalt beruhen. [X.]ereits in seinem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] - [X.][X.]E 108, 97 = [X.] 4-3800 § 1 [X.]8, Rd[X.] 47) hat der [X.] klargestellt, dass entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung nicht darauf abzustellen ist, ob die Angriffshandlung "körperlich wirkt" bzw zu körperlichen Auswirkungen im Sinne eines pathologisch, somatisch, objektivierbaren Zustands führt (so beispielhaft wohl Geschwinder, Der tätliche Angriff nach dem [X.], [X.]b 1985, 95, 96 zu Fußnote 17 und 18 mwN) oder welches Individualgut (insbesondere körperliche Unversehrtheit und Leben) von der verletzten Strafrechtsnorm geschützt wird (vgl insgesamt: [X.][X.], aaO, Rd[X.] 47 mwN zur Literatur). Fehlt es allerdings an einem tätlichen - körperlichen - Angriff, ergeben sich aus § 1 Abs 1 S 1 [X.] für die Opfer allein psychischer Gewalt keine Entschädigungsansprüche (vgl hierzu allgemein: [X.][X.], aaO, Rd[X.] 49; [X.], [X.] und Neues - zur Reform des [X.]s, [X.] 2014, 231, 233, 235).

c) Entscheidend für einen Anspruch nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] ist, ob die Folgen eines bestimmten Ereignisses (Primärschaden oder eventuelle Folgeschäden) gerade die zurechenbare Folge eines rechtswidrigen tätlichen Angriffs sind. Wie der [X.] mit [X.]eschlüssen vom [X.] ([X.] V 65/13 [X.]) und vom 17.9.2014 bzw 22.9.2014 ([X.] V 27 bis 29/14 [X.], jeweils zu Rd[X.]) zu schriftlichen Erpressungsversuchen bereits angedeutet hat, reicht die bloße Drohung mit einer, wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung für einen tätlichen Angriff nicht aus. Denn dieser Umstand allein stellt über die psychische Wirkung hinaus noch keinen tatsächlichen physischen "Angriff" dar. Aus der Sicht eines objektiven Dritten wie auch des unwissenden Opfers kann es keinen Unterschied machen, ob eine Schusswaffe geladen, nicht geladen oder eine echt wirkende Attrappe ist. Der tätliche Angriff in Gestalt der körperlichen Einwirkung auf den Körper eines anderen beginnt in diesen Fallkonstellationen erst mit dem Abfeuern des Schusses oder dem Aufsetzen der Waffe auf den Körper des Opfers. Maßgeblich iS von § 1 Abs 1 S 1 [X.] ist, ob ein tätlicher - körperlicher - Angriff tatsächlich begonnen hat.

Daran fehlt es hier. Die auf die Klägerin als Opfer gerichtete Einwirkung beruhte ohne den Einsatz körperlicher Mittel allein auf einer intellektuell bzw psychisch vermittelten [X.]eeinträchtigung. Die Klägerin sollte mit einer (hier: vorgetäuschten) [X.]edrohung für Leib oder Leben zu bestimmten Handlungen bzw Unterlassungen genötigt werden. Eine derartige [X.]edrohung stellt keinen tätlichen Angriff iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] dar (vgl [X.][X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.] - aaO, Rd[X.] 44 mwN; [X.], jurisPR-[X.] 10/2013 [X.] 2 zu C).

d) Vor allem die Entwicklung der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs 1 S 1 [X.] lässt nach dem Verständnis des [X.]s eine Erstreckung der Opferentschädigung auf die bloße Drohung mit Gewalt ohne Vorliegen eines tätlichen Angriffs nicht zu. [X.]ereits nach dem Gesetzentwurf der [X.]undesregierung vom 10.5.1974 war der bestimmende Grundgedanke für die Schaffung des [X.] der Umstand, dass Gewaltopfern ein Aufopferungsanspruch gegenüber der Gesellschaft und damit dem Staat zustehen sollte, weil es dieser nicht vermocht hat, die unschuldigen Opfer vor Gewalttaten zu schützen (vgl [X.]T-Drucks 7/2506 [X.], 13). Damit sollte der Staat für die Unvollkommenheit staatlicher Verbrechensbekämpfung aus Solidarität für den von einer Gewalttat betroffenen [X.]ürger eintreten ([X.]T-Drucks 7/2506 [X.]; s auch [X.][X.] Urteil vom 7.11.1979 - 9 RVg 1/78 - [X.][X.]E 49, 98, 101 = [X.] 3800 § 1 [X.]; [X.][X.] Urteil vom 7.11.1979 - 9 RVg 2/78 - [X.][X.]E 49, 104, 105 = [X.] 3800 § 2 [X.] mwN zur Gesetzesentwicklung; [X.][X.] Urteil vom 23.10.1985 - 9a RVg 4/83 - [X.][X.]E 59, 40, 44 = [X.] 3800 § 1 [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2010, § 1 Rd[X.]). Diese - auf Gewalt abzielende - inhaltliche Ausrichtung hat das Gesetz trotz einiger Erweiterungen seines Anwendungsbereiches (vgl dazu Rademacker in [X.], Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012 § 1 [X.] Rd[X.] 2 bis 6) bis heute beibehalten und wird "von dem Grundsatz der allgemeinen staatlichen Fürsorgepflicht getragen" (Entwurf eines [X.] des [X.] vom [X.], [X.]T-Drucks 16/12273 S 6).

Für das zentrale Tatbestandsmerkmal des "tätlichen Angriffs" war von Anfang an darauf verzichtet worden, auf das Strafrecht zurückzugreifen mit seinen vielfältigen und uneinheitlich weit gefassten Gewaltbegriffen (vgl z[X.] [X.], Zu neueren Entwicklungen im [X.]ereich der Gewaltopferentschädigungen anlässlich neuerer Rechtsprechung zur Anspruchsberechtigung nach dem [X.] bei erlittenem "Mobbing" und "Stalking", br 2011, 125, 132). Es sollten ausschließlich die Fälle der sogenannten "Gewaltkriminalität" in die Entschädigung einbezogen werden, die mit einem willentlichen [X.]ruch der Rechtsordnung durch körperliche Gewaltanwendung gegen eine Person einhergehen ([X.]T-Drucks 7/2506 [X.]). In Anlehnung an § 113 StG[X.] hat der Gesetzgeber den "rechtswidrigen tätlichen Angriff gegen eine Person" als eine unmittelbare auf den Körper eines Menschen zielende feindselige Einwirkung verstanden und beim (vorsätzlichen) Tathergang als erforderlich angesehen, dass der Täter im Rahmen des bereits begonnenen tätlichen Angriffs auf einen Menschen zumindest Leib oder Leben eines anderen Menschen wenigstens fahrlässig gefährdet hat ([X.]T-Drucks 7/2506 S 13, 14; zu aberratio ictus vgl Rademacker, aaO, § 1 [X.] Rd[X.]1).

Der Gesetzgeber hat es zudem ausdrücklich vermieden, strafrechtliche Tatbestände listenmäßig, wie z[X.] die §§ 250, 253 und 255 StG[X.], zu benennen, um [X.] zu der nach § 1 Abs 1 S 1 [X.] allein zu berücksichtigenden körperlichen Gewaltanwendung gegen eine Person zu vermeiden ([X.]T-Drucks 7/2506 [X.]; vgl auch [X.][X.] Urteil vom 18.10.1995 - 9 RVg 4/93 - [X.][X.]E 77, 7, 10 = [X.] 3-3800 § 1 [X.] S 25). Zwar kann auch Drohung mit Gewalt psychische Gesundheitsstörungen beim [X.]etroffenen hervorrufen. Dieser ist aber nicht zu staatlicher Entschädigung berechtigtes Opfer krimineller Gewalt iS des § 1 Abs 1 S 1 [X.] geworden, weil das Tatmittel nicht körperliche Gewalt ("tätlicher Angriff") gegen den Körper, sondern eine List oder Täuschung gewesen ist (zum Erfordernis "körperlicher Gewalt" vgl Rademacker, aaO, § 1 [X.] Rd[X.] 8, 32; [X.], jurisPR-[X.] 10/2013 [X.] 2 zu C).

e) Auch das [X.] vom 24.11.1983 über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Zustimmungsgesetz vom 17.7.1996, [X.]I 1120; [X.]ekanntmachung vom [X.] über das Inkrafttreten des Übereinkommens in [X.] am [X.], [X.]I 740) gebietet keine erweiternde Auslegung des § 1 Abs 1 S 1 [X.]. Gemäß Art 1 des Übereinkommens verpflichten sich die Vertragsparteien, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die in dessen Teil I enthaltenen Grundsätze zu verwirklichen. Art 2 Abs 1 [X.]uchst a des Übereinkommens bestimmt: "Soweit eine Entschädigung nicht in vollem Umfang aus anderen Quellen erhältlich ist, trägt der Staat zur Entschädigung für Personen bei, die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, die unmittelbar auf eine vorsätzliche Gewalttat zurückzuführen ist." Hierzu hat der [X.] bereits mit Urteil vom [X.] ([X.] [X.] - [X.][X.]E 108, 97 = [X.] 4-3800 § 1 [X.]8, Rd[X.] 48 f) ausgeführt, dass das Übereinkommen eine Definition des [X.]egriffs "vorsätzliche Gewalttat" nicht enthält (vgl auch Denkschrift zum Übereinkommen, [X.]R-Drucks 508/95 [X.] = [X.]T-Drucks 13/2477 [X.]), sodass der bundesdeutsche Gesetzgeber durch das Tatbestandsmerkmal "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" in § 1 Abs 1 S 1 [X.] in zulässiger Weise von seinem durch das Übereinkommen belassenen Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht hat. Ein weitergehender Anspruch lässt sich aus dem Übereinkommen nicht ableiten. Zudem hat der [X.] auch ausgeführt, dass es dem Gesetzgeber entsprechend den Zielen des Übereinkommens unbenommen sei, über die von dem [X.]egriff des tätlichen Angriffs erfasste Fallgestaltung hinaus auch Opfer psychischer Gewalt in den Schutzbereich des [X.] mit einzubeziehen (vgl [X.][X.], aaO, Rd[X.] 49 mwN).

f) Es ist dem Gesetzgeber vorbehalten, den [X.]egriff des tätlichen Angriffs über den mit [X.]edacht gewählten und bis heute beibehaltenen engen Wortsinn des [X.] auf Straftaten zu erstrecken, bei denen es an einem solchen tätlichen Angriff fehlt, weil das strafbare Verhalten z[X.] in einer Drohung mit Gewalt, Erpressung oder einer Täuschung besteht. Soweit im Schrifttum vereinzelt vertreten wird, dass die Regelungen im [X.] im Hinblick auf die Opfer von Straftaten nicht mehr zeitgemäß seien und unter Einbeziehung von Opfern psychischer Gewalt aktualisiert werden müssten (vgl hierzu insbesondere die umfassenden Ausführungen von [X.]rettel/[X.]artsch, [X.] nur bei Gewalttaten? Zum Anwendungsbereich des Opferentschädigungsgesetzes, [X.] 2014, 263 ff, 267 mwN), handelt es sich um rechtspolitische Forderungen an den Gesetzgeber. Entsprechend ersten Vorschlägen im [X.] im [X.]undesministerium für Arbeit und Soziales ([X.]MAS) vom 24.6.2014 zur Reform des [X.] Entschädigungsrechts gibt es im [X.]MAS offenbar Überlegungen, dass zukünftig psychische Schäden in größerem Umfang vom Gesetzgeber erfasst werden könnten (vgl [X.], [X.] und Neues - zur Reform des [X.]s, [X.] 2014, 231, 235 ff mwN). Sollte der Gesetzgeber den Tatbestand des § 1 [X.] im Hinblick auf solche Kritik (vgl hierzu insgesamt die Darstellung bei [X.], aaO, [X.] 2014, 231; [X.]rettel/[X.]artsch, aaO, [X.] 2014, 263) erweitern wollen, empfehlen sich aus der Sicht der Rechtsprechung zugleich Überlegungen, wie einer uferlosen Ausweitung von Opferentschädigungsansprüchen bei Erstreckung des [X.] auf bloße Drohung mit Gewalt und psychische Einwirkungen auf das Opfer durch jedwede Straftat anderweitig als durch das Kriterium des tätlichen Angriffs entgegengewirkt werden kann.

3. [X.] beruht auf § 193 [X.]G.

Meta

B 9 V 1/13 R

16.12.2014

Bundessozialgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: V

vorgehend SG Heilbronn, 23. April 2012, Az: S 2 VG 976/10, Gerichtsbescheid

§ 1 Abs 1 S 1 OEG, § 255 StGB, § 253 StGB, § 250 Abs 1 Nr 1 Buchst b StGB, § 113 StGB, § 125 StGB, Art 2 Abs 1 Buchst a EuOEÜbk, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG, § 55 Abs 1 Nr 3 SGG, § 54 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.12.2014, Az. B 9 V 1/13 R (REWIS RS 2014, 334)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 334

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