Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2016, Az. III ZR 286/15

3. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 2974

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Gegenstand

Anspruch eines Zahnarztes gegen eines gesetzlich Versicherten auf Zahlung des Eigenanteils für eine prothetische Versorgung: Anwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben bei formnichtiger Honorarvereinbarung; Begründung des Zahlungsanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag und/oder ungerechtfertigter Bereicherung


Leitsatz

1. Zur Anwendbarkeit des § 242 BGB bei formnichtiger Honorarvereinbarung für eine über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende zahnärztliche Versorgung.

2. Bei einem formnichtigen Heil- und Kostenplan steht der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 Satz 1 GOZ, den Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zuverlässig zu informieren und ihn von einer unüberlegten und übereilten Honorarvereinbarung abzuhalten, Ansprüchen des behandelnden Zahnarztes aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung entgegen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 27. August 2015 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Januar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist Zahnärztin. Sie nimmt die gesetzlich krankenversicherte Beklagte auf Zahlung des Eigenanteils für zahnprothetische Leistungen in Anspruch.

2

Nachdem die Beklagte sich am 3. September 2012 erstmals in der Praxis der Klägerin zur Zahnbehandlung vorgestellt hatte, erstellte diese unter dem 13. September 2012 zwei Heil- und Kostenpläne. Ein Plan hatte die Erbringung reiner kassenzahnärztlicher Leistungen (ohne Eigenanteil) zum Gegenstand, während der andere Plan zusätzliche, zahnmedizinisch nicht notwendige Arbeiten (mehrflächige Keramikverblendung sowie eine keramikverblendete Krone mit Geschiebe als Halterung) vorsah und in der Anlage einen voraussichtlichen Eigenanteil in Höhe von 6.838,52 € auswies. Die Beklagte, die von einer Praxismitarbeiterin darauf hingewiesen wurde, dass sie ihr Einverständnis zu der Behandlung schriftlich erklären müsse, nahm beide Pläne mit nach Hause und reichte schließlich den einen Eigenanteil ausweisenden Heil- und Kostenplan bei ihrer Krankenversicherung zur Genehmigung ein. Den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plan gab sie sodann an die Klägerin zurück, ohne jedoch die in dem [X.] und der beigefügten Anlage vorgesehene Unterschrift zu leisten. Die fehlende Unterschrift wurde von den [X.] nicht bemerkt. Ab dem 21. November 2012 erbrachte die Klägerin die vereinbarten zahnprothetischen Leistungen und verlangte mit Rechnung vom 31. Dezember 2012 einen auf die Beklagte entfallenden Eigenanteil in Höhe von 3.860,30 €. Die Beklagte leistete trotz Mahnung keine Zahlungen. Daraufhin hat die Klägerin den Betrag gerichtlich geltend gemacht. Im Prozess hat sich die Beklagte darauf berufen, dass hinsichtlich eines von ihr zu tragenden Eigenanteils keine schriftliche Vereinbarung getroffen worden sei.

3

Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 3.860,30 € nebst Zinsen sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Anwalts- und Mahnkosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin könne die begehrte Bezahlung der privatärztlichen [X.] nicht verlangen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte ([X.]) müssten über das zahnmedizinisch notwendige Maß hinausgehende Leistungen und ihre Vergütung in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung liege hier nicht vor, da keine der [X.]en den maßgeblichen Heil- und Kostenplan vom 13. September 2012 unterschrieben habe. Dies habe dessen Nichtigkeit nach § 125 Satz 1 i.V.m. § 126 [X.] zur Folge. Der Beklagten sei es nach dem Grundsatz von [X.] und Glauben (§ 242 [X.]) nicht verwehrt, sich auf diesen Formmangel zu berufen. Die Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung führe nicht zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis. Es habe sich nicht um einen Notfall gehandelt, so dass die Klägerin mit der Behandlung bis zur Leistung der Unterschrift hätte zuwarten können. Bereicherungsrechtliche Ansprüche seien ebenfalls ausgeschlossen. Die Formvorschriften in den Gebührenordnungen für Ärzte und Zahnärzte hätten den Zweck, den Zahlungspflichtigen wegen der Risiken einer Honorarvereinbarung vor einer übereilten Bindung zu schützen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn man einem Zahnarzt, der eine formunwirksame Honorarvereinbarung abgeschlossen habe, die Möglichkeit eröffnete, über das Bereicherungsrecht wirtschaftlich zu demselben Ergebnis zu gelangen. Außerdem habe die Klägerin nicht ohne Rechtsgrund geleistet. [X.] sei nur die Honorarvereinbarung, nicht jedoch der Behandlungsvertrag.

II.

6

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

7

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch aus § 611 Abs. 1 [X.] in Verbindung mit dem genehmigten Heil- und Kostenplan vom 13. September 2012 auf Zahlung eines Eigenanteils an den zahnärztlichen Behandlungskosten in Höhe von 3.860,30 €.

8

1. Nach den nicht beanstandeten Feststellungen der Vorinstanzen ist zwischen den [X.]en ein zahnärztlicher Behandlungsvertrag - jedenfalls konkludent - zustande gekommen, indem die Klägerin die Behandlung der Beklagten übernommen und auf der Grundlage des ausgewählten Heil- und [X.] im November und Dezember 2012 durchgeführt hat (vgl. [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 630a Rn. 6).

9

2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die [X.]en keine wirksame Honorarvereinbarung getroffen haben, da der der Behandlung zugrunde liegende Heil- und Kostenplan nicht der Form des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] genügt und deshalb nach § 125 Satz 1 i.V.m. § 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] nichtig ist.

Gegenstand der Eigenanteilsrechnung der Klägerin vom 31. Dezember 2012 sind zahnärztliche Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgingen und darauf beruhten, dass die Klägerin eine ästhetisch ansprechendere Lösung wünschte. Solche Leistungen darf der Zahnarzt nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des - über die fehlende Notwendigkeit aufgeklärten - Zahlungspflichtigen erbracht (§ 1 Abs. 2 Satz 2 [X.]) und zuvor in einem Heil- und Kostenplan einschließlich der Vergütung schriftlich vereinbart worden sind (§ 2 Abs. 3 Satz 1 [X.]). Dabei handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene Schriftform im Sinne des § 126 [X.] ([X.], Medizinrecht, 2. Aufl., § 2 [X.] Rn. 8, 22; siehe auch [X.], [X.], 431; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Aufl., § 2 [X.] Rn. 30 jeweils zu der Formvorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Dementsprechend muss der Heil- und Kostenplan von beiden [X.]en eigenhändig unterschrieben werden (§ 126 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Daran fehlt es hier. Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form hat gemäß § 125 Satz 1 [X.] die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge.

3. Die Berufung der Beklagten auf die Formunwirksamkeit des Heil- und [X.] verstößt jedoch gegen [X.] und Glauben (§ 242 [X.]).

a) Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich. Formvorschriften dürfen im Interesse der Rechtssicherheit nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer [X.] gelassen werden. Ausnahmen sind deshalb nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der [X.]en und den gesamten Umständen mit [X.] und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen. Dabei sind aber strenge Maßstäbe anzulegen. Das Ergebnis darf die betroffene [X.] nicht bloß hart treffen, sondern es muss schlechthin untragbar sein (z.B. [X.], Urteil vom 22. Oktober 2015 - [X.], NJW 2016, 1391 Rn. 15 mwN). Von der Rechtsprechung sind bislang insbesondere zwei Fallgruppen als Ausnahmen anerkannt worden: die Fälle der - hier nicht vorliegenden - Existenzgefährdung des einen Teils und die Fälle einer besonders schweren [X.]epflichtverletzung des anderen Teils (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 20. September 1984 - [X.], [X.]Z 92, 164, 172 und vom 13. Oktober 2005 - [X.], NJW 2005, 3633, 3636; [X.], Urteile vom 14. Juni 1996 - [X.], NJW 1996, 2503, 2504; vom 24. April 1998 - [X.], [X.]Z 138, 339, 348 und vom 16. Juli 2004 - [X.], NJW 2004, 3330, 3331 f; MüKo[X.]/[X.], 7. Aufl., § 125 Rn. 57 ff; [X.]/[X.], [X.], 75. Aufl., § 125 Rn. 22, 27 ff; jeweils mwN; siehe auch [X.]/Hecht, [X.], § 125 Rn. 110 ff [Stand: 1. September 2016], der in den vorgenannten Fallgruppen eine Korrektur der Rechtsfolge des § 125 Satz 1 [X.] im Wege der teleologischen Reduktion vornehmen will). Eine besonders schwere [X.]epflichtverletzung kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn eine [X.] in schwerwiegender Weise gegen das Verbot des [X.] verstoßen hat, etwa dadurch, dass sie die Erfüllung der von ihr übernommenen Verpflichtung verweigert, nachdem sie über längere [X.] die Vorteile aus der formunwirksamen Vereinbarung in Anspruch genommen hat ([X.], Urteile vom 14. Juni 1996 aaO und vom 16. Juli 2004 aaO; MüKo[X.]/[X.] aaO Rn. 60; [X.]/[X.] aaO Rn. 30, 33).

b) Diese strengen Kriterien für die Annahme eines Verstoßes gegen [X.] und Glauben durch die Berufung der Beklagten auf die [X.]keit des Heil- und [X.] sind hier erfüllt. Die Voraussetzungen einer besonders schweren [X.]epflichtpflichtverletzung liegen vor. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, von denen auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, hat sich die über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten umfassend aufgeklärte Beklagte bewusst für die teurere Behandlungsalternative entschieden. Dementsprechend hat sie allein den einen erheblichen Eigenanteil ausweisenden Heil- und Kostenplan bei ihrer Krankenversicherung eingereicht und nach Genehmigung in der Praxis der Klägerin vorgelegt, um auf dieser Basis die zahnprothetische Versorgung vornehmen zu lassen. Erstmals nach Abschluss der Behandlung, nachdem die Beklagte sämtliche Vorteile aus der zahnärztlichen Versorgung gemäß dem Heil- und Kostenplan in Anspruch genommen hatte, hat sie sich auf die Nichteinhaltung der Schriftform berufen. Es kommt hinzu, dass das Unterschriftserfordernis aus dem ausgehändigten Heil- und Kostenplan klar ersichtlich ist und die aus [X.] stammende, jedoch seit 1994 in [X.] lebende Beklagte die erbetene Unterschriftsleistung lediglich deshalb (zunächst) zurückgestellt hatte, weil sie den - ihr bereits verständlich erläuterten - Heil- und Kostenplan (angeblich) nochmals übersetzen lassen wollte. Nach alledem ist das Verhalten der Beklagten als in hohem Maße widersprüchlich und treuwidrig zu werten, so dass sie sich auf den mit der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 [X.] verfolgten Zweck (Schutz des Patienten vor einer übereilten Bindung, Information des Zahlungspflichtigen über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten) und die [X.]keit der Vergütungsvereinbarung nicht berufen kann (zum Schutzzweck der Formvorschriften des § 2 Abs. 2, 3 [X.] siehe die Begründung zur [X.] zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, [X.]. 566/11 S. 42 f; [X.] aaO § 2 [X.] Rn. 8, 20).

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Vertrauen der Klägerin auf das Zustandekommen einer wirksamen Honorarvereinbarung auch schutzwürdig.

aa) Die [X.], die an dem formnichtigen Rechtsgeschäft festhalten will, muss auf die Formgültigkeit vertraut haben. Daher ist § 242 [X.] unanwendbar, wenn beide [X.]en den Formmangel kannten. Auch grobfahrlässige Unkenntnis des Formmangels verdient keinen Schutz ([X.]/[X.] aaO § 125 Rn. 25). Sofern beide Vertragsparteien den Formmangel nicht kannten, kann sich regelmäßig auch derjenige Vertragspartner auf die [X.]keit des Rechtsgeschäfts berufen, der diese objektiv verursacht hat (MüKo[X.]/[X.] aaO § 125 Rn. 61 mwN).

bb) Diese Grundsätze stehen der Berufung der Klägerin auf § 242 [X.] nicht entgegen. Denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führte lediglich ein schlichtes Büroversehen der Praxismitarbeiter der Klägerin dazu, dass die fehlende Unterzeichnung des Heil- und [X.] unentdeckt blieb. Weder kannten die Klägerin beziehungsweise ihre Mitarbeiter (ggf. Wissenszurechnung gemäß § 166 [X.]) den Formmangel noch blieb er ihnen infolge grober Fahrlässigkeit verborgen, während die Beklagte - in Kenntnis des [X.] - den nicht unterschriebenen, jedoch inzwischen von der Krankenversicherung genehmigten Heil- und Kostenplan in der Praxis der Klägerin vorlegte, um diese nunmehr zu der in Aussicht genommenen zahnprothetischen Versorgung zu veranlassen.

cc) Soweit die Beklagte offenbar meint, bereits das festgestellte Büroversehen begründe den Vorwurf grober Fahrlässigkeit, verkennt sie deren Maßstab. Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 [X.] bestimmte Maß erheblich überschreitet (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom 10. Oktober 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 90 Rn. 26; [X.], Urteile vom 8. Juli 1992 - [X.], [X.]Z 119, 147, 149; vom 29. Januar 2003 - [X.], [X.], 1118, 1119; vom 12. Juli 2005 - [X.], [X.], 1271; vom 11. Juli 2007 - [X.], NJW 2007, 2988 Rn. 15 und vom 17. Februar 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 812 Rn. 10; [X.]/[X.] aaO § 277 Rn. 5; jeweils mwN). Dass die Mitarbeiter der Klägerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei Entgegennahme des bereits genehmigten Heil- und [X.] nach diesen Maßgaben in besonders schwerem Maße verletzt haben, ist weder festgestellt noch von der Beklagten vorgetragen oder sonst ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Praxismitarbeiter den Formmangel infolge (einfacher) Fahrlässigkeit nicht kannten, führt entgegen der Revisionserwiderung nicht zur Bejahung grober Fahrlässigkeit auf Seiten der Klägerin.

d) Die Anwendbarkeit des § 242 [X.] scheidet auch nicht deshalb aus, weil bei Berücksichtigung des Formmangels (§ 126 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 2 Abs. 3 [X.]) der Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen culpa in contrahendo (§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 [X.]), ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 [X.] oder ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.] zustünde.

Die Berücksichtigung des Formmangels muss - wie unter 3a) ausgeführt - zu einem untragbaren Ergebnis führen. Das ist nicht der Fall, wenn der bei einem nichtigen Vertrag bestehende Rechtsschutz (insbesondere Ansprüche aus culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder § 812 [X.]) die berechtigen Interessen der schutzbedürftigen [X.] ausreichend sichert ([X.]/[X.] aaO § 125 Rn. 26; MüKo[X.]/[X.] aaO § 125 Rn. 68; siehe auch Senatsurteil vom 13. Oktober 2005 - [X.], NJW 2005, 3633, 3635). Daran fehlt es hier.

aa) Ein etwaiger Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 311 Abs. 2 [X.] (vorvertragliche [X.] hinsichtlich des Unterbleibens der Unterschrift) würde zu keinem angemessenen Ausgleich führen. Denn in diesem Fall könnte die Klägerin lediglich das negative Interesse ersetzt verlangen, das heißt sie wäre so zu stellen, wie sie stehen würde, wenn sie nicht auf die Gültigkeit der Honorarvereinbarung vertraut hätte (vgl. [X.]/[X.] aaO Vorbem. vor § 249 Rn. 17). Dann wäre die aufwändigere Zahnbehandlung (mit Eigenanteil der Beklagten) unterblieben, so dass der Klägerin auch kein auf das Erfüllungsinteresse (Honorarzahlung für die medizinisch nicht notwendigen Zusatzleistungen) gerichteter Schadensersatzanspruch zustünde.

bb) Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 670 [X.]) beziehungsweise aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 [X.]) steht der Schutzzweck der Formvorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] entgegen. Die Notwendigkeit der Vereinbarung eines schriftlichen Heil- und [X.] soll dem Bedürfnis des Zahlungspflichtigen nach Information über die geplanten Leistungen und die voraussichtlich entstehenden Kosten und damit der Transparenz und dem Patientenschutz auch bei so genannten Verlangensleistungen Rechnung tragen (Begründung zur [X.] zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, [X.]. 566/11 S. 42 f; [X.], Medizinrecht, 2. Aufl., § 2 [X.] Rn. 20). Wie § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] (dazu [X.] aaO Rn. 8) bezweckt auch § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.], den Zahlungspflichtigen wegen der Risiken einer Honorarvereinbarung vor einer unüberlegten und übereilten Bindung zu schützen. Dieser Schutzzweck würde unterlaufen, wenn dem Zahnarzt bei einer formnichtigen Honorarvereinbarung ein entsprechender Bereicherungsanspruch oder Aufwendungsersatzanspruch nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag zustünde (siehe auch Senatsurteile vom 19. Februar 1998 - [X.], [X.]Z 138, 91, 99 und vom 17. Oktober 2002 - [X.], NJW 2002, 3772 zur Rechtslage bei unwirksamen Wahlleistungsvereinbarungen und vom 13. Oktober 2005 - [X.], NJW 2005, 3633, 3635 zur Rechtslage bei unwirksamer Vereinbarung von Zusatzleistungen im Rahmen eines [X.]). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Patient - wie im Streitfall - mündlich umfassend über etwaige Behandlungsalternativen und deren Kosten aufgeklärt worden ist. Zwingende Formvorschriften gelten vielmehr auch dann, wenn ihr Zweck im Einzelfall auf andere Weise erreicht wird ([X.]/[X.] aaO § 125 Rn. 1 mwN).

cc) Selbst bei Anwendbarkeit der Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag beziehungsweise der bereicherungsrechtlichen Bestimmungen käme ein diesbezüglicher Anspruch der Klägerin nicht in Betracht. Denn die Klägerin hat ihre Leistungen auf der Grundlage eines konkludent abgeschlossen (wirksamen) [X.] erbracht. Ohne schriftlichen Heil- und kostenplan ist lediglich die Honorarforderung nicht durchsetzbar ([X.] aaO § 2 [X.] Rn. 22). § 1 Abs. 2 Satz 2 und § 2 Abs. 3 Satz 1 [X.] verbieten, wenn die dort genannten Kriterien nicht erfüllt sind, lediglich die Abrechnung von Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen zahnärztlichen Versorgung hinausgehen (siehe auch Senatsurteil vom 19. Februar 1998 aaO zum Vorliegen eines Rechtsgrundes bei unwirksamer Wahlleistungsvereinbarung).

III.

Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Die Sache ist zur Endentscheidung reif, so dass der Senat die Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückweisen kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Herrmann                          [X.]

                      Reiter                                 [X.]

Meta

III ZR 286/15

03.11.2016

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Wuppertal, 27. August 2015, Az: 9 S 52/15

§ 125 S 1 BGB, § 126 Abs 2 S 1 BGB, § 242 BGB, § 611 BGB, § 670 BGB, § 683 BGB, § 812 BGB, §§ 812ff BGB, § 2 Abs 3 S 1 GOZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.11.2016, Az. III ZR 286/15 (REWIS RS 2016, 2974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2974

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