OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.06.2021, Az. 26 U 71/20

26. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 5270

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Gegenstand

Keine Bereicherungsansprüche bei Verjährung der Schadenersatzansprüche beim Gebrauchtwagenkauf eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Fahrzeuges.


Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Oktober 2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das am 27. Oktober 2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den [X.] wird auf € 17.135,72 festgesetzt.

Gründe

1

[X.] ist nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.] nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Sach- und Rechtslage kann mit dem Kläger im schriftlichen Verfahren angemessen erörtert werden.

2

[X.] hat keine Aussicht auf Erfolg. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 12. Mai 2021 wird Bezug genommen ([X.]. 394 ff. d. A.).

3

Durch diesen Beschluss vom 12. Mai 2021 hatte der Senat auf seine Absicht hingewiesen, die Berufung des [X.] durch Beschluss zurückzuweisen. Er hat dabei insbesondere dargelegt, warum er der Berufung keine Erfolgsaussicht beimisst.

4

Dieser Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten des [X.] ausweislich des zu den Akten gelangten [X.] am 25. Mai 2021 zugestellt worden ([X.]. [X.]).

5

Der Kläger hat sich zu diesem Beschluss mit [X.] vom 28. Mai 2021 geäußert. Er vertritt darin die Ansicht, dass der Verjährungseinrede der [X.] der Einwand des treuwidrigen Verhaltens im Sinne des § 242 BGB entgegenstehe. Dies sei etwa für die Fälle anerkannt, in denen der Schuldner den Gläubiger von der rechtzeitigen Geltendmachung seines Anspruchs abhalte oder ihn zur Annahme veranlasse, er werde ihn ohne Rechtsstreit vollständig befriedigen. Sowohl durch die Schreiben, die das Softwareupdate ankündigten, als auch mit den zuvor vom [X.] - [X.] - genehmigten Softwareupdates habe die Beklagte das Vertrauen erweckt, „die im Fahrzeug verbauten Abschalteinrichtungen zu beseitigen und die erforderliche Vorschriftsmäßigkeit nun endgültig herzustellen“. Das Update habe jedoch nicht zur Beseitigung aller Abschalteinrichtungen geführt. Es verbleibe jedenfalls eine temperaturabhängige Abschalteinrichtung ([X.]). Zum anderen lägen allem Anschein nach auch weitere Abschalteinrichtungen vor, die mittlerweile zum Rückruf des [X.] geführt hätten. Die von der [X.] im Rahmen des Softwareupdates installierte temperaturabhängige Abschalteinrichtung sei daher unzulässig. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten den Eindruck erweckt, dass die vom [X.] beanstandete Abschalteinrichtung restlos beseitigt werde. Sie hätte - so der Kläger weiter - selbst in Anbetracht der Genehmigung durch das [X.] damit rechnen müssen, dass das verwendete [X.] nicht unionsrechtskonform sei.

6

Sofern man die Anwendbarkeit von § 852 BGB im Falle eines Gebrauchtwagenkaufs ablehne, würde sich - so der Kläger - die Haftung der [X.] aus § 826 BGB „durch einen zufälligen Weiterverkauf“ im Rahmen des § 852 BGB reduzieren, was den Sinn und Zweck des § 852 BGB komplett konterkarieren würde. Die Beklagte habe durch die vorsätzliche rechtswidrige Handlung den Kaufpreis oder jedenfalls den Kaufpreis abzüglich [X.] erlangt. Die Beklagte treffe insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Der Kläger verkenne nicht, dass die Beklagte durch das Inverkehrbringen der Fahrzeuge einen Erlös grundsätzlich nur im Neuwagengeschäft erlangt habe, sei es, dass sie die Fahrzeuge an ihre vertriebsvertraglich gebundenen Vertragshändler verkaufe, sei es, dass sie in Einzelfällen die Fahrzeuge direkt an einen Endkunden veräußert habe. Aus dem vorliegenden Gebrauchtwagengeschäft, bei dem der Kläger das Fahrzeug von einem privaten Fahrzeugbesitzer erworben habe, habe die Beklagte zwar nichts erlangt. Dies stehe der Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB aber gerade nicht entgegen, da es nicht auf die Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung ankomme. Soweit der [X.]. Zivilsenat des [X.] insoweit Vortrag des [X.] voraussetze, dass und in welcher Höhe die Beklagte etwas aus dem Fahrzeugverkauf erlangt habe, stehe dies der Rechtsprechung des X. Zivilsenats des [X.] sowie der Rechtsprechung des [X.] Zivilsenats des [X.] entgegen.

7

Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise komme es maßgeblich auf den Umfang des verjährten Schadensersatzanspruchs an, nach dem sich der Restschadensersatzanspruch richte. Der Umfang des § 826 BGB, der auch das Vermögen schütze, sei „entsprechend weit gefasst“. Dem entspreche es, dass zum Beispiel im Falle eines verjährten Schadensersatzanspruches gemäß § 102 Satz 2 [X.] der objektive Gegenwert für den erlangten Gebrauch eines Immaterialgüterrechts in der angemessenen Lizenzgebühr zu sehen sei. In Fällen, in denen das Erteilen einer Lizenz tatsächlich nicht in Betracht komme, stehe dies der Anwendung des § 852 BGB nicht entgegen. Denn die Verpflichtung zum Wertersatz stelle einen Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis dar. Die vorgenannten Grundsätze seien auf die hiesige Fallgestaltung zu übertragen. Die Beklagte habe einen entsprechenden Zufluss erhalten, da sie das von ihr hergestellte Fahrzeug veräußert habe und ihr demgemäß ein Erlös aus diesem Geschäft zugeflossen sei. Es komme dabei nicht darauf an, dass dieser Zufluss nicht aus dem Vermögen des [X.], sondern aus dem Vermögen des ursprünglichen Vertragspartners der [X.] erfolgt sei. Insoweit bestehe ein ausreichender wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss auf Seiten der [X.] und dem Schaden des [X.]. Denn beim Weiterverkauf des Fahrzeugs durch den Ersterwerber an die weiteren Käufer des Fahrzeugs werde der Vermögensschaden des [X.], dem der [X.] auf Seiten der [X.] unmittelbar gegenüberstehe, in der Kette der weiteren Erwerber weitergereicht. Bei der maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise korrespondiere der dem Kläger entstandene Schaden daher mit dem [X.] bei der [X.]. Die Verletzungshandlung der [X.] sei insoweit kausal für die Vermögensdisposition des [X.] gewesen. Der Anspruch sei damit auch nicht etwa bereits deswegen ausgeschlossen, weil es sich um einen Gebrauchtwagenerwerb handele und die Weiterveräußerung des Fahrzeugs an den Kläger damit außerhalb der Wertschöpfungskette der [X.] erfolgt sei. Diese Argumentation liefe auf einen „Einbau“ des Grundsatzes der Relativität der Schuldverhältnisse in das Deliktsrecht und damit auf einen [X.] hinaus: § 852 Satz 1 BGB „verlängere" bestehende deliktische Ansprüche über den Zeitpunkt der Verjährung hinaus. Die Vorschrift greife damit immer dann, wenn ein deliktischer Anspruch bestehe. Dieser richte sich hier gegen die Beklagte gemäß § 826 BGB. Der Umstand, dass daneben ein weiteres Vertragsverhältnis zu einem Gebrauchtwagenhändler bestanden habe, schmälere diesen deliktischen Anspruch in seinem Anwendungsbereich jedoch unstreitig nicht, spiegelbildlich gelte dies auch für § 852 Satz 1 BGB.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme des [X.] wird auf den [X.] vom 28. Mai 2021 Bezug genommen ([X.]. 408 ff. d. A.).

9

Der Senat bleibt nach nochmaliger Überprüfung bei seiner Auffassung. Zur Vermeidung von Wiederholungen ist zunächst auf die Gründe des [X.] vom 12. Mai 2021 zu verweisen ([X.]. 394 ff. d. A.).

10

Die Einwände des [X.] aus dem [X.] vom 28. Mai 2021 tragen kein anderes Ergebnis.

11

Das Erheben der Einrede der Verjährung durch die Beklagte verstößt nicht gegen § 242 BGB. Die Zwecke der Verjährung erfordern es, insoweit strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem groben Verstoß gegen Treu und Glauben, hingegen nicht schon bei einem bloß objektiv pflichtwidrigen Verhalten durchgreifen zu lassen. Einen solchen Verstoß gegen Treu und Glauben könnte man etwa dann annehmen, wenn die Beklagte den Kläger durch ihr Verhalten von der rechtzeitigen Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung abgehalten hätte (vgl. [X.], Urteil vom 14.07.2010 - IV ZR 208/09 -, NJW 2011, 73, 76). Davon kann hier indes keine Rede sein. Selbst wenn man zugunsten des [X.] unterstellt, dass die Beklagte den Eindruck erweckt habe, die vom [X.] beanstandete Abschalteinrichtung werde beseitigt, obgleich dies in der Folgezeit tatsächlich jedoch nicht gesehen sei, so könnte unter Zugrundelegung des gebotenen strengen Maßstabs einem solchen Verhalten nicht der Erklärungsinhalt beigemessen werden, dass die Beklagte den Kläger durch ihr Verhalten von der rechtzeitigen Verjährungshemmung durch Rechtsverfolgung abgehalten hat.

12

In Bezug auf die Ausführungen des Senats zu § 852 BGB gehen die Einwände des [X.] aus dem [X.] vom 28. Mai 2021 vollständig an dem entscheidenden Punkt vorbei. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass die Beklagte lediglich Herstellerin des in dem [X.] verbauten Dieselmotors ist. Dies übersieht die textbausteinartige Argumentation des [X.], in der u. a. die Beklagte als Fahrzeugherstellerin (S. 3, [X.]. 410 d. A.) bezeichnet wird, was offensichtlich unzutreffend ist.

13

Vor diesem Hintergrund besteht im Streitfall ganz offensichtlich kein Anspruch des [X.] aus § 852 Satz 1 BGB, da die Beklagte aus dem oder im Zusammenhang mit dem im [X.] 2015 zwischen dem Kläger und der [X.] abgeschlossenen Kaufvertrag nichts erlangt hat. [X.] hat die Beklagte einige Jahre zuvor lediglich dass mit der [X.] vereinbarte Entgelt für die Lieferung des [X.]; insofern korrespondiert jedoch der Vorteil der [X.] nicht mit dem Vermögensverlust beim Kläger.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

15

[X.] gründet sich auf § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO.

16

Die [X.] beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG


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Meta

26 U 71/20

07.06.2021

OLG Frankfurt 26. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: U

§ 852 BGB

Zitier­vorschlag: OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.06.2021, Az. 26 U 71/20 (REWIS RS 2021, 5270)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 5270

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