Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2017, Az. V ZB 129/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 15914

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[X.]:[X.]:BGH:2017:090217BVZB129.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 129/16
vom

9. Februar 2017

in der Abschiebungshaftsache

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2
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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 9. Februar 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Weinland, [X.] Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] -
5.
Zivilkammer -
vom 30.
August 2016 auf-gehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 24.
November 2015 den Betroffenen in seinen Rechten ver-letzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 5.000

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Gründe:

I.

Auf Antrag der beteiligten Behörde vom 24.
November 2015 hat das Amtsgericht durch Beschluss vom selben Tage gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung in den [X.] längstens bis zum 18.
De-
zember 2015 angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des [X.], die nach seiner Abschiebung am 18.
Dezember 2015 auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der
Inhaftierung gerichtet worden ist, hat keinen Erfolg [X.]. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene seinen Antrag weiter. Die beteiligte Behörde beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, das Amtsgericht habe die [X.] gemäß §
62 Abs.
3 Satz
1 [X.] gegen den Betroffenen zu Recht angeord-net. Er
sei aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig
ge-wesen. Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot seien nicht gegeben. Die Anordnung der Abschiebungshaft begegne auch hinsichtlich des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keinen Bedenken. Soweit der Betroffene ausführe, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft liege nicht vor, werde nur vage vorgetra-gen, jedoch ohne genaue Anhaltspunkte zu nennen. Seiner Bevollmächtigten sei zumutbar gewesen, durch entsprechende Akteneinsicht bei der beteiligten Behörde substantiierten Vortrag zu leisten. Darüber hinaus habe die beteiligte Behörde das Vorliegen des Einvernehmens sämtlicher beteiligter Staatsanwalt-schaften vorgetragen.
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III.

Die gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3 FamFG mit dem Feststellungsantrag nach §
62 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§
71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Beschwerdeentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung bereits deshalb nicht stand, weil der Haftanordnung des [X.] kein zulässiger Haftantrag zugrunde lag.

1. Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. In ihm müssen gemäß §
417 Abs.
1 Satz
2 Nr.
5 FamFG unter anderem die Voraus-setzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung dargelegt werden. [X.] muss er Ausführungen dazu enthalten, ob das nach §
72 Abs.
4 Satz
1 [X.] erforderliche Einvernehmen der Staatsanwaltschaft vorliegt, wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Ohne dieses
darf [X.] nicht angeordnet werden; dass das Einvernehmen später hergestellt werden könnte, ist unerheblich. Das Fehlen
entsprechender Ausfüh-rungen
führt zur Unzulässigkeit des Antrags (st. Rspr., vgl. nur Senat,
Beschluss vom 3. Februar 2011 -
V [X.], FGPrax
2011, 148 Rn.
7;
Beschluss vom 20.
Januar 2011 -
V [X.], FGPrax
2011, 144 Rn.
9;
Beschluss vom 29.
September 2011 -
V [X.], juris Rn.
5; Beschluss vom
30.
Oktober 2013 -
V [X.], juris Rn.
6).

2. Wie konkret die Ausführungen der Behörde sein müssen, richtet sich nach dem Zweck der Begründungspflicht. Die Angabe zu dem Einvernehmen der Staatsanwaltschaft soll den Betroffenen darüber informieren, woraus die antragstellende Behörde die Zustimmung der Staatsanwaltschaft entnimmt. Der 3
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Haftantrag richtet sich nicht nur an das Gericht, sondern auch an den [X.]; die darin enthaltenen Darlegungen sollen ihm eine Grundlage für
seine Verteidigung gegen den Haftantrag geben (Senat, Beschluss vom 31.
Mai 2012 -
V [X.], NJW 2012, 2448 Rn.
8 mwN). Wenn sich aus dem Haftantrag oder den beigefügten Unterlagen ergibt, dass gegen den Betroffenen
nicht of-fensichtlich zustimmungsfreie
Strafverfahren anhängig sind, muss daher mitge-teilt werden, welche Staatsanwaltschaft für welches Verfahren das -
ggf. auch generelle (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 7.
Juni 2011 -
V ZB 44/11, juris Rn.
10; Beschluss vom 31.
Mai 2012 -
V [X.], NJW
2012, 2448 Rn.
8) -
Einvernehmen erteilt hat bzw. aufgrund welcher Überlegungen ein Einverneh-men entbehrlich ist. Andernfalls kann der Betroffene nicht überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 72 Abs. 4 [X.] vorliegen. Ob die Behörde die hiernach erforderlichen Angaben in dem Text des [X.] aufführt oder aber auf dem Antrag beigefügte, aussagekräftige Anlagen verweist, bleibt ihr überlassen.

3. Diesen Anforderungen genügt der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht. Er beschränkt sich auf die bloße Feststellung, dass die gegen den Be-troffenen in der Vergangenheit geführten Strafverfahren zumeist rechtskräftig abgeschlossen seien. In Bezug auf die noch offenen Strafverfahren lägen sämt-liche Erklärungen der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften über das Ein-vernehmen i.S.d. §
72 Abs.
4 [X.] vor.
Die beteiligte Behörde hat jedoch weder die noch offenen Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen aufgeführt
noch dargestellt, welche Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen erteilt hat. Eine Überprüfung der
Angaben der Behörde war dem Betroffenen bei dieser Sachla-ge nicht möglich.

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4. Der Mangel des Haftantrages ist auch nicht nachträglich geheilt [X.]. Weder hat die Behörde ihre Darlegungen ergänzt noch haben die Gerichte das Vorliegen der an sich seitens der Behörde nach §
417 Abs.
2 FamFG [X.] Tatsachen aufgrund eigener Ermittlungen von Amts wegen
(§ 26 FamFG) festgestellt (vgl. zu dieser Möglichkeit Senat, Beschluss vom 16.
Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 384 Rn.
22). Das
Amtsgericht hat in dem [X.] insoweit ohne weitere Erläuterungen auf den Haftantrag der beteiligten Behörde Bezug genommen.
Auch das Beschwerde-gericht hat keine weiteren Feststellungen getroffen.

5. Soweit das Beschwerdegericht darauf verweist, dass der Betroffene zu dem Nichtvorliegen staatsanwaltlicher Einvernehmenserklärungen nur vage vortrage, es sei seiner Bevollmächtigten zumutbar gewesen, durch entspre-chende Akteneinsicht substantiierten Vortrag zu leisten, verkennt es sowohl die Anforderungen an die Begründung des [X.] durch die Behörde als auch die den Gerichten gemäß §
26 FamFG obliegende Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.
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6. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§
74 Abs.
7 FamFG).

[X.] Schmidt-Räntsch Weinland

Göbel Haberkamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 24.11.2015 -
4 XIV (B) 14/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 30.08.2016 -
I-2 [X.]/15 -

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Meta

V ZB 129/16

09.02.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.02.2017, Az. V ZB 129/16 (REWIS RS 2017, 15914)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15914

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