Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.05.2010, Az. 27 W (pat) 530/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 6383

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Mehr! Entertainment" – teilweise keine Unterscheidungskraft – teilweise Schutzfähigkeit


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 30 2009 039 032.0

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 21. Mai 2010 durch…  

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 3. März 2010 wird aufgehoben, soweit die Markenstelle die Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen

zurückgewiesen hat.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 3. März 2010 die Anmeldung der Kennzeichnung

2

[X.]

3

für die Waren und Dienstleistungen

4

5

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die Wortzusammensetzung „[X.]“ werde der Verbraucher nur dahingehend verstehen, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handelt, die „mehr“ als nur Unterhaltung bieten oder diese vermitteln bzw. dafür werben. Beide Begriffe gehörten dem [X.] Wortschatz an und hätten in den [X.] Sprachgebrauch Eingang gefunden. „Entertainment“ im Sinne von berufsmäßig angebotener, leichter Unterhaltung präge das angemeldete Zeichen inhaltlich, wobei das erste Wort mit der Betonung durch das Ausrufezeichen diese Aussage noch verstärke. Das Publikum erwarte daher, dass die mit diesem Ausdruck gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen einen engen Bezug zur Unterhaltung aufwiesen. In Verbindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die entgegen den umfangreichen Ausführungen des Anmelders mit diesem Thema zu tun haben könnten, erweise sich der Ausdruck „[X.]“ daher als unmittelbar beschreibende, sachliche Angabe in Bezug auf die Bandbreite der entsprechenden Waren oder Dienstleistungen; denn vordergründig werde der durchschnittliche Verbraucher fürs erste den Sinngehalt von „[X.]“ im Sinne von besonders ausgewählten Unterhaltungsangebote erkennen, ohne sich aber dabei Gedanken zu machen, in welcher Hinsicht diese genau erfolgen. Insoweit erkenne der durchschnittliche Verbraucher den direkten Aussagegehalt der Marke als reine Bestimmungsangabe und sehe darin keinen Hinweis auf ein ganz bestimmtes Unternehmen.

6

Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die [X.] sei schutzfähig, weil die [X.] in ihrer Gesamtheit, insbesondere wegen des Ausrufezeichens, welches wie ein „Störer“ wirke und dem Verkehr signalisiere, dass es sich nicht mehr um eine Sachaussage handele, keinen engen Bedeutungszusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen - wozu sie im Einzelnen weiter vorträgt - habe. Darüber hinaus habe das [X.] bereits zahlreiche andere Wortmarken, die mit dem Bereich der Unterhaltung in Verbindung stünden und die Begriffe „entertain“, „entertainer“ oder „entertainment“ enthielten, eingetragen. Insgesamt fehle der [X.] damit weder die erforderliche Unterscheidungskraft noch sei sie freihaltungsbedürftig.

7

Die Anmelderin beantragt,

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den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 vom 3. März 2010 aufzuheben.

II.

9

A. Da die Anmelderin keinen (Hilfs-) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und der Senat eine solche auch nicht für sachdienlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden.

B. Die nach § 64 Abs. 6 [X.] zulässige Beschwerde hat nur zu einem kleinen Teil Erfolg, während im Übrigen die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] versagt hat, weil ihr zumindest die erforderliche Unterscheidungskraft für den Großteil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen fehlt.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - [X.] 2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - [X.]. 2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] [X.], 604, 607 [Rz. 46] – [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – [X.]. 2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] - [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

2. Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung mit Ausnahme der im Tenor genannten Waren der Fall, weil sie für die übrigen, zu Recht zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen nur einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. [X.], 1151, 1153 - marktfrisch; [X.], 1050, 1051 – [X.]; [X.], [X.], 162, 163 m. w. N. – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (vgl. [X.] [X.], 58, 59 [Rz. 21] - [X.]; [X.] 2003, 450, 453 [Rz. 32] - [X.]; [X.] 2004, 99, 109 [Rz. 97] - [X.]; [X.] 2004, 111, 115 [Rz. 38] - BIOMILD).

3. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, wird der überwiegende Teil der angesprochenen Verbraucher die [X.] nur im Sinne von „Mehr Unterhaltung“ verstehen und ihm damit einen Hinweis darauf entnehmen, dass die von der Zurückweisung betroffenen so gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen der Befriedigung eines gesteigerten Unterhaltungsbedürfnisses dienen können.

Soweit die Anmelderin meint, infolge des nach dem ersten Wort gesetzten Ausrufezeichens werde das Publikum von einem solchen Verständnis fortgeführt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Das Ausrufezeichen dient, wie die Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung selbst vorträgt, allein der Betonung des Wortes „Mehr“. Eine solche, neben die Wortunterstreichung oder die Absetzung des hervorgehobenen Wortes durch unterschiedlichen Druck (insbesondere [X.]) tretende Verwendung dieses Satzzeichens ist in der [X.] Sprache nicht nur in der Werbung, sondern auch bei literarischen Texten üblich und gebräuchlich. Das Publikum wird die [X.] „[X.]“ daher nicht anders verstehen als in der Schreibweise

4. In dieser Bedeutung wird der Durchschnittsverbraucher der [X.] im Hinblick auf den Großteil der beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur einen unmittelbaren Sachhinweis entnehmen. Soweit die Anmelderin dies in ihrer Beschwerdebegründung bezweifelt hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Als beschreibbare Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung gelten nach ständiger Rechtsprechung auch der mit ihnen verbundene Einsatz- oder [X.]. Als unmittelbar beschreibende Angaben sind damit auch solche Hinweise anzusehen, die über die bloß unmittelbaren technischen Merkmale hinaus auf den mit der Verwendung intendierten Zweck einer Ware oder Dienstleistung aufmerksam machen. Hierzu gehört gerade ihr möglicher Einsatz als Mittel der Befriedigung von [X.], wobei es nicht erforderlich ist, dass diese bei Verwendung der jeweiligen Ware oder Inanspruchnahme der jeweiligen Dienstleistung im Vordergrund stehen oder sogar den einzigen Zweck darstellen.

Ein solcher möglicher Einsatzzweck besteht für alle Geräte, die unter die im [X.] genannten Oberbegriffe

5. Lediglich bei den Waren

6. Soweit die Anmelderin sich bei den zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbaren Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende [X.]. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] [X.] 2008, 163, 167 [Rz. 39] - [X.]); [X.], 674, [X.]. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428, Nr. 63 - [X.]; BPatG [X.] 2007,351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - Papaya). Nach der Rechtsprechung des [X.] verbietet die [X.] es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. [X.], [X.], 667, 668 [Rz. 15 ff.] -

Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, weshalb die genannten Dritteintragungen mit der [X.] vergleichbar sein sollten; denn anders als diese enthalten die von der Anmelderin genannten Eintragungen über den bloßen Begriff der Unterhaltung hinausgehende weitere Bestandteile.

C. Da die [X.] somit nur zu einem kleinen Teil sich als schutzfähig erweist, war der ihr die Eintragung versagende Beschluss der Markenstelle teilweise aufzuheben und im Übrigen die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

27 W (pat) 530/10

21.05.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 21.05.2010, Az. 27 W (pat) 530/10 (REWIS RS 2010, 6383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6383

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Referenzen
Wird zitiert von

29 W (pat) 612/17

26 W (pat) 509/20

25 W (pat) 575/19

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