Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.08.2010, Az. 27 W (pat) 81/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 4208

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Avanti" – keine Unterscheidungskraft – schlichte Kaufaufforderung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die angemeldete Marke 307 26 625.7

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 6. August 2010 durch [X.] [X.] und [X.] und Kruppa

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das [X.] hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 vom 29. März 2010 die Anmeldung des Wortes

2

[X.]

3

für die Waren und Dienstleistungen

4

5

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] als nicht unterscheidungskräftige Angabe zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Das angemeldete Wortzeichen „[X.]“ werde vom Publikum wegen seiner Gebräuchlichkeit in der [X.] Umgangssprache und der Werbesprache nicht als Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen erfasst. Das aus dem [X.] stammendes Wort habe mit der Bedeutung „vorwärts, los, weiter“ bereits Eingang in die [X.] Umgangssprache gefunden hat und finde als Werbeschlagwort sowie allgemeine Kaufaufforderung Verwendung, wie bereits der 30. Senat des [X.] in seiner Entscheidung 30 W (pat) 119/97 vom 28. Oktober 1998 festgestellt habe. Dass trotz dieser sich allein auf Datenverarbeitungsprogramme beziehenden zurückweisenden Entscheidung später eine andere Wortmarke „[X.]“ für Wohnmobile eintragen worden sei, könne vorliegend nicht zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens führen, denn die Rechtsprechung gehe von jeher davon aus, dass Voreintragungen - selbst identischer Marken – weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen führen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Anders als die Anmelderin meine, sei es im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] für eine Zurückweisung der Anmeldung nicht erforderlich, dass es sich bei dem angemeldeten Zeichen um eine rein beschreibende Angabe handelt; bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen komme dem angemeldeten Wort aber auch eine beschreibende Bedeutung in Form einer Modalität- und Eigenschaftsangabe zu, was im Einzelnen weiter ausgeführt wird. Werde das angemeldete Zeichen aber als werbeübliche Kaufaufforderung oder Modalität- und Eigenschaftsangabe verstanden und verwendet, eigne es sich nicht als Herkunftsangabe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, so dass seiner Eintragung das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegenstehe.

6

Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die [X.] sei schutzfähig, weil sie die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibe. Dem mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochenen Publikum, auf dessen Sprachkenntnisse abzustellen sei, seien die Grundzüge der [X.] auch nicht bekannt. Eine Bedeutung oder übliche Verwendung auf dem einschlägigen Waren- und Dienstleistungssektor sei seitens der Markenstelle nicht nachgewiesen. Die Schutzfähigkeit ergebe sich auch aus der Eintragung vergleichbarer Wortmarken.

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Die Anmelderin beantragt,

8

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.] vom 29. März 2010 aufzuheben.

II.

9

A. Da die Anmelderin keinen (Hilfs-) Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat und der Senat eine solche auch nicht für sachdienlich erachtet, kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden.

B. Die nach § 66 [X.] zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, hat die Markenstelle der angemeldeten Bezeichnung die Eintragung nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] versagt. Die Beschwerdebegründung bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass. Mit der Markenstelle geht auch der Senat davon aus, dass die angemeldete Bezeichnung nach § 37 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] mangels jeglicher Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen ist.

1. Nach der Rechtsprechung des [X.], welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 [X.] für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr.1 [X.] auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der [X.] zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ([X.]. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem [X.] als [X.] vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] – [X.]/[X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 23] - [X.]. 2; [X.], 229, 230 [Rz. 27] - BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. [X.] [X.], 943, 944 [Rz. 26] - [X.]. 2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. [X.] [X.], 604, 607 [Rz. 46] - [X.]; [X.], 943, 944 [Rz. 24] – [X.]. 2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] – [X.]/[X.]; [X.] 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler; [X.] 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] - Das Prinzip der Bequemlichkeit).

2. Ob die erforderliche Unterscheidungseignung bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung schon deshalb fehlt, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. [X.], 1151, 1153 - marktfrisch; [X.], 1050, 1051 – [X.]; [X.], [X.], 162, 163 m. w. N. - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION), kann dahinstehen. Ungeachtet einer möglichen beschreibenden Bedeutung entspricht es nämlich entgegen der Auffassung der Anmelderin einer langen, auch vom [X.] immer wieder bestätigten [X.], dass ein Wortzeichen von der Eintragung als Marke auch dann ausgeschlossen ist, wenn es sich bei ihm um einen Werbeslogan handelt, bei dem die Werbefunktion im Vergleich zu der Hauptfunktion einer Marke als Herkunftshinweis nicht offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist. Aus solchen Angaben wird der Durchschnittsverbraucher nicht auf die Herkunft der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen schließen (vgl. [X.] [X.] 2005, 22, 26 [Rz. 35] - Das Prinzip der Bequemlichkeit). Ebenso verstehen die Verbraucher gebräuchliche Wörter und gebräuchliche Wendungen - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel (vgl. [X.], 1042 - [X.]; [X.], 1043, 1044 - Gute [X.]en, Schlechte [X.]en; [X.], 850, 854 - [X.]). Soweit die Anmelderin daher ihren Vortrag allein auf eine nach ihrer Ansicht fehlende, die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibende Bedeutung stützt, verkennt sie - worauf die Markenstelle bereits im angefochtenen Beschluss hingewiesen hatte, so dass es eines neuen Hinweises seitens des [X.] nicht bedurfte - die rechtliche Ausgangssituation.

3. Die genannten Voraussetzungen für eine Schutzversagung, auf welche die Markenstelle ihren Beschluss vorrangig gestützt hat, sind vorliegend erfüllt. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt und durch lexikalische Einträge und [X.] in der Tagespresse hinlänglich belegt hat, hat das ursprünglich aus dem [X.] stammende Wort „[X.]“ zwischenzeitlich bereits mit der Bedeutung „vorwärts!, [X.], weiter!“ Eingang in den [X.] Sprachgebrauch gefunden (vgl. insbesondere [X.] - [X.] Universalwörterbuch, 6. Aufl. [X.] 2006 [CD-ROM], Stichwort „avanti“). Angesichts dieses Umstandes geht der Einwand der Anmelderin über die angebliche Unkenntnis [X.] Grundbegriffe beim inländischen Publikum - der, wie sich aus der zitierten Entscheidung des 30. [X.] des [X.] bereits ergibt, ohnehin fragwürdig ist - ins Leere, weil sich aus dem (bereits einige [X.] zurückliegenden) lexikalischen Beleg zweifellos ergibt, dass es sich bereits um einen eingedeutschten und damit nicht (mehr) rein fremdsprachigen Ausdruck handelt.

Wie bereits der 30. Senat in der genannten Entscheidung näher ausgeführt hat, wird das inländische Publikum den Begriff „[X.]“ lediglich als schlichte Kaufaufforderung verstehen. Der Gedanke, dass damit auf die Herkunft der angebotenen Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen hingewiesen werden solle, wird ihm damit erst gar nicht kommen. Damit ist das angemeldete Wort zur Unterscheidung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen von solchen anderer Unternehmen nicht geeignet, so dass ihr die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] erforderliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist.

4. Soweit die Anmelderin sich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbare Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende [X.]. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben, denn die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. [X.] [X.] 2008, 163, 167 [Rz. 39] - [X.]; [X.], 674, [X.]. 43, 44 - Postkantoor; [X.], 428, Nr. 63 - [X.]; BPatG [X.] 2007,351, 352 f. - Topline; [X.], 333, 335 ff. - [X.]; [X.], 423 amazing discoveries; [X.], 425 - [X.]). Nach der Rechtsprechung des [X.] verbietet die [X.] es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. [X.], [X.], 667, 668 [Rz. 15 ff.]

5. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der [X.] zutreffend die Eintragung wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] versagt hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.

C. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr bestand ebenso wenig Anlass wie für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Meta

27 W (pat) 81/10

06.08.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.08.2010, Az. 27 W (pat) 81/10 (REWIS RS 2010, 4208)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4208

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