Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.12.2019, Az. I ZR 21/19

1. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 419

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Widerrechtliche Anspielung auf Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di Parma" durch Vertrieb von Fleischprodukten unter der Bezeichnung "Culatello di Parma"


Leitsatz

Culatello di Parma

1. Die Frage, ob gegen die Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung für die Vermarktung eines Erzeugnisses ein Unterlassungsanspruch besteht, ist nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats zu beurteilen, in dem das Erzeugnis vermarktet wird (Art. 13 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012).

2. Bereits der Umstand, dass eine nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete Bezeichnung (hier: "Culatello di Parma") in der Ortsangabe (hier: "di Parma") mit einer nach demselben Muster gebildeten geschützten Ursprungsbezeichnung (hier: "Prosciutto di Parma") übereinstimmt, kann eine Anspielung im Sinne von Art. 13 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 begründen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 18. Januar 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine Vereinigung im Sinne von Art. 3 Nr. 2, Art. 45 der Verordnung ([X.]) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel ([X.]), in der sich Erzeuger zusammengeschlossen haben, um die Herstellung und Vermarktung des unter der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.) "Prosciutto di Parma" vertriebenen Schinkens zu überwachen und diese unter anderem gegen widerrechtliche Verwendungen gemäß Art. 13 [X.] zu verteidigen. Die der Produktspezifikation entsprechende Etikettierungsanweisung wird im Handel unter anderem wie folgt umgesetzt:

Abbildung

2

So gekennzeichnete vorverpackte Ware in Scheiben wird in erheblichem Umfang nach [X.] exportiert. In den Jahren 2013 bis 2015 wurden jährlich mehr als 70 Millionen Packungen unter der Bezeichnung "Prosciutto di Parma" in [X.] abgesetzt; allein im Jahr 2015 betrug der Werbeaufwand dafür ca. 900.000 €.

3

Die Beklagte ist ein in der [X.] [X.] ansässiger Hersteller von Fleischprodukten, der in Scheiben geschnittenen Rohschinken unter der Bezeichnung "[X.]" in [X.] in folgender Aufmachung vertreibt:

Abbildung

Abbildung

4

Dabei ist das Frontetikett der überwiegend durchsichtigen Plastikverpackung als schmaler rechteckiger schwarzer Streifen gestaltet, auf der die Produktbezeichnung nebst näherer Beschreibung des Produkts in weißer Schrift, eine [X.] Flagge sowie eine Landkarte [X.] in grüner Grundfarbe, auf der die Region [X.] weiß hervorgehoben ist, zu erkennen sind.

5

Die Klägerin hat eingeräumt, dass ein "[X.]" unter der Bezeichnung "[X.]" auch von Betrieben vertrieben oder jedenfalls beworben wurde, die ihrem Präsidenten und ihrem Vizepräsidenten gehören. Eine weitere Verwendung der Bezeichnung "[X.]" hat sie bestritten.

6

Nach Ansicht der Klägerin stellt die Verwendung der Produktbezeichnung "[X.]" eine widerrechtliche Anspielung auf die g.U. "Prosciutto di Parma" dar. Sie hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in der Bundesrepublik [X.] Fleischerzeugnisse unter der Bezeichnung "[X.]" anzubieten, zu bewerben, in Verkehr zu bringen und/oder einzuführen, wenn dies nicht unter Einhaltung der geltenden Produktspezifikation der geschützten Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di Parma" erfolgt, wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet:

[Es folgen die oben Rn. 3 wiedergegebenen Abbildungen.]

7

Darüber hinaus hat sie die Beklagte auf Auskunft über entsprechende Handlungen in Anspruch genommen.

8

Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben ([X.], [X.], 251 = [X.], 362).

9

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

A. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig und begründet angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Nutzung der Bezeichnung "[X.] " stelle eine unzulässige Anspielung auf "Prosciutto di [X.]" dar. Der Unterlassungsanspruch ergebe sich aus Art. 13 Abs. 1 Buchst. [X.] in Verbindung mit § 135 Abs. 1 [X.], § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die g.U. sei nach Art. 13 Abs. 1 [X.] nicht nur gegen eine Verwendung der vollständigen Angabe, sondern auch gegen eine Verwendung einzelner ihrer Bestandteile und insbesondere derjenigen Elemente geschützt, die auf die geografische Herkunft der Ware hindeuteten, hier also "di [X.]". Bei der Beurteilung, ob eine unzulässige Anspielung vorliege, komme es auf die Verkehrsauffassung des [X.]n Verbrauchers an und nicht allein auf die Verbraucher des Mitgliedstaats, in dem das Erzeugnis hergestellt werde. Zu den danach relevanten Verkehrskreisen zählten auch die Mitglieder des Senats des Berufungsgerichts. Eine Anspielung ergebe sich insbesondere daraus, dass die angegriffene Bezeichnung "[X.]" in den letzten zwei von jeweils drei Wörtern mit der Ursprungsbezeichnung übereinstimme. Hinzu kämen eine hohe visuelle und eine gewisse phonetische Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Bezeichnungen. Ferner seien auch die in Bezug genommenen Produkte einander in hohem Maße ähnlich.

Zu keinem anderen Ergebnis führe der Vortrag der Beklagten, aufgrund der bereits jahrhundertelangen Kenntnis von der Schinkengattung "[X.]", die auch unter der Bezeichnung "[X.]" vermarktet worden sei, liege keine Anspielung vor. Dabei sei davon auszugehen, dass die Bezeichnung "[X.]" im Ursprungsland [X.] gebräuchlich sei und daher auch eine gewisse Bekanntheit genieße. Dies schließe aber nicht aus, dass der maßgebliche [X.] Verbraucher eine gedankliche Verbindung zwischen den Produkten herstelle. Es sei auch nicht hinreichend dargelegt, dass der durchschnittliche [X.] Verbraucher Kenntnis von den traditionsbedingten Unterschieden der Schinkensorten habe. Die Darlegungen der Beklagten bezögen sich im Wesentlichen auf Verbraucher in [X.]. Schließlich bestünden auch objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bewusst auf das Produkt der Klägerin [X.]. Trotz einiger Unterschiede sei von einer erkennbaren Anlehnung an den Eindruck der Verpackung des von der Klägerin hergestellten Schinkens auszugehen, die bei vergleichbaren Produkten auf dem [X.] Markt so nicht festzustellen sei. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung wirkten die Teilübernahme der Bezeichnung, die [X.] sowie der visuelle Dreiklang besonders schwer zu Lasten der Beklagten. Die geringere phonetische Ähnlichkeit, soweit diese selbständig neben der visuellen Ähnlichkeit beurteilt werden könne, und die objektiven Anhaltspunkte für eine bewusste Anspielung durch die Beklagte wirkten in dieselbe Richtung.

Gegen die angenommene Weite des Schutzbereichs von Art. 13 Abs. 1 Buchst. [X.] könne die Beklagte nicht einwenden, dass es eine geschützte geografische Angabe "[X.]" gebe. Kennzeichnungspflichten aus Art. 17 und Art. 26 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1169/2011 könne die Beklagte durch die ihr erlaubte isolierte Verwendung der Bezeichnung "[X.]" erfüllen. Der Verweis der Beklagten auf [X.] höchstgerichtliche Rechtsprechung sei nicht geeignet, diese rechtliche Würdigung zu erschüttern. Diese Rechtsprechung befasse sich nicht mit der Auslegung von Art. 13 [X.] oder deren Vorgängervorschriften.

Das Vorgehen der Klägerin sei schließlich nicht rechtsmissbräuchlich. Auch wenn die Unternehmen des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Klägerin früher Produkte unter der Bezeichnung "[X.]" vertrieben hätten, sei dieser Vertrieb eingestellt und weigere sich allein die Beklagte nach entsprechender Ansprache durch die Klägerin, von der weiteren Vermarktung des Produkts abzusehen.

Der Auskunftsanspruch folge dem Unterlassungsanspruch.

B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die beanstandete Nutzung der Bezeichnung "[X.]" eine unzulässige Anspielung auf die für die Klägerin geschützte Bezeichnung "Prosciutto di [X.]" darstellt.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte vor.

1. Die internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist, folgt im Streitfall aus Art. 7 Nr. 2 [X.]. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden.

Die Beklagte hat ihren satzungsmäßigen Sitz, der für die Anwendung der Verordnung gemäß Art. 63 Abs. 1 Buchst. a [X.] ihrem Wohnsitz entspricht, im Mitgliedstaat [X.]. Unerlaubte Handlungen im Sinne von Art. 7 Nr. 2 [X.] sind auch Verletzungen einer g.U. gemäß der Grundverordnung.

Die Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht" meint sowohl den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens, so dass der Beklagte nach Wahl des [X.] vor dem Gericht eines dieser beiden Orte verklagt werden kann. Dabei kommt es nur darauf an, ob der Kläger schlüssig vorgetragen hat, im Inland sei ein schädigendes Ereignis eingetreten (vgl. [X.], Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, [X.], 924 Rn. 12 bis 18 = [X.], 1074 - [X.], [X.]). Bei der behaupteten Verletzung einer g.U. liegt der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs der unerlaubten Handlung in dem Mitgliedstaat, in dem die angegriffenen Verletzungshandlungen erfolgt sind (hier: Anbieten, Bewerben usw.). Die Klage ist nach dem Antrag auf Handlungen in [X.] beschränkt.

2. Die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte ergibt sich ferner aus Art. 26 [X.], weil sich die Beklagte auf das Verfahren vor den [X.] Gerichten eingelassen hat, ohne deren fehlende internationale Zuständigkeit zu rügen.

II. Die Klage ist begründet.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass sich der Schutzumfang der eingetragenen Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" nach Art. 13 Abs. 1 [X.] richtet und eine widerrechtliche Verwendung der geschützten Ursprungsbezeichnung einen Unterlassungsanspruch aus § 135 Abs. 1 Satz 1 [X.] sowie einen Auskunftsanspruch aus § 135 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 19 [X.] begründet, zu dessen Geltendmachung die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG befugt ist.

Die Grundverordnung regelt die Rechtsfolgen einer widerrechtlichen Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung nicht selbst. Sie bestimmt vielmehr in Art. 13 Abs. 3 [X.], dass die Mitgliedstaaten die angemessenen administrativen und rechtlichen Schritte unternehmen, um die widerrechtliche Verwendung von geschützten Ursprungsbezeichnungen für Erzeugnisse zu vermeiden oder zu beenden, die im jeweiligen Mitgliedstaat erzeugt oder vermarktet werden.

Wird die Unterlassung der Verwendung einer geschützten Ursprungsbezeichnung bei der Vermarktung eines Erzeugnisses beansprucht, ist die Frage, inwieweit ein solcher Unterlassungsanspruch besteht, daher nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaats zu beurteilen, in dem das Erzeugnis vermarktet wird. Im Streitfall möchte die Klägerin der Beklagten die Verwendung der Bezeichnung "[X.]" für Fleischprodukte untersagen lassen, weil sie darin eine widerrechtliche Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" sieht. Dabei beansprucht sie mit ihrem Unterlassungsantrag das Verbot der Vermarktung von Fleischerzeugnissen allein in [X.]. Danach richtet sich die Frage, inwieweit ein solcher Unterlassungsanspruch besteht und ob die Klägerin zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs berechtigt ist, nach [X.] Recht. Eine Anwendung [X.]n Rechts kommt im Streitfall nicht in Betracht.

Wer im geschäftlichen Verkehr Handlungen vornimmt, die gegen Art. 13 [X.] verstoßen, kann gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 [X.] von den nach § 8 Abs. 3 UWG zur Geltendmachung von Ansprüchen Berechtigten bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Die Klägerin ist als rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG berechtigt, einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Sie kann von der Beklagten im Falle eines Verstoßes gegen Art. 13 [X.] gemäß § 135 Abs. 1 Satz 3 [X.] in Verbindung mit der entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 19 [X.] Auskunftserteilung verlangen.

2. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Beklagte habe gegen Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] verstoßen, indem sie Rohschinken unter der Bezeichnung "[X.]" in [X.] vermarktet hat.

a) Nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstabe [X.] werden eingetragene Namen, das sind Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben im Sinne der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 und 2 [X.]), unter anderem gegen jede widerrechtliche Anspielung geschützt, selbst wenn der tatsächliche Ursprung des Erzeugnisses oder der Dienstleistung angegeben ist.

b) Für die Beurteilung, ob eine widerrechtliche Anspielung auf eine geschützte Ursprungsbezeichnung vorliegt, gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] folgende Grundsätze:

aa) Für die Bestimmung des Begriffs "Anspielung" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] maßgebendes Kriterium ist, ob der Verbraucher durch eine streitige Bezeichnung veranlasst wird, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu der Ware herzustellen, die die g.U, oder die geschützte geografische Angabe trägt ([X.], Urteil vom 7. Juni 2018 - [X.]/17, [X.], 843 Rn. 51, 56 = [X.], 813 - [X.]; Urteil vom 2. Mai 2019 - [X.]/17, [X.], 737 Rn. 20, 45 = [X.], 870 - Queso Manchego). Hingegen genügt es für eine "Anspielung" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] nicht, wenn der streitige Bestandteil des fraglichen Zeichens bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine irgendwie geartete Assoziation mit der g.U. oder der geschützten geografischen Angabe oder dem zugehörigen geografischen Gebiet hervorruft, weil dadurch kein hinreichend unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang zwischen dem streitigen Bestandteil und der g.U. oder der geschützten geografischen Angabe hergestellt wird ([X.], [X.], 843 Rn. 53 - [X.]).

Die Anspielung auf eine eingetragene Bezeichnung kann auch durch den Gebrauch von Bildzeichen erfolgen ([X.], [X.], 737 Rn. 32 - Queso Manchego). Bei der Beurteilung, ob eine Anspielung vorliegt, sind sämtliche Bild- und Wortzeichen, die auf den in Rede stehenden Erzeugnissen abgebildet sind, zusammen zu berücksichtigen, um eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in der allen Gesichtspunkten, die ein Anspielpotenzial haben, Rechnung getragen wird ([X.], [X.], 737 Rn. 42 - Queso Manchego).

Der Begriff "Anspielung" erfasst danach eine Fallgestaltung, in der der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendete Ausdruck einen Teil einer geschützten geografischen Angabe in der Weise einschließt, dass der Verbraucher durch den Namen des fraglichen Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte geografische Angabe trägt ([X.], Urteil vom 21. Januar 2016 - [X.]/15, [X.], 388 Rn. 21, 22 - [X.]; [X.], [X.], 843 Rn. 44 bis 46 - [X.]; [X.], 737 Rn. 19 - Queso Manchego).

Ferner kann bei Erzeugnissen, die ähnlich aussehen, davon ausgegangen werden, dass eine Anspielung auf eine geschützte geografische Angabe vorliegt, wenn die Verkaufsbezeichnungen eine klangliche und visuelle Ähnlichkeit aufweisen. Die Feststellung einer solchen Ähnlichkeit der streitigen Bezeichnung mit der geschützten geografischen Angabe stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung für eine "Anspielung" im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der [X.] dar. Sie ist nämlich nur eines der Kriterien, die das nationale Gericht zu berücksichtigen hat, wenn es beurteilt, ob der Verbraucher durch den Namen des betreffenden Erzeugnisses veranlasst wird, gedanklich einen Bezug zu der Ware herzustellen, die die geschützte geografische Angabe trägt. [X.]glich ist nicht auszuschließen, dass eine Einstufung als "Anspielung" auch dann möglich ist, wenn keine solche Ähnlichkeit besteht ([X.], [X.], 843 Rn. 48, 49 - [X.]). Es sind auch etwaige Umstände zu berücksichtigen, die möglicherweise darauf hinweisen, dass die visuelle und klangliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Bezeichnungen nicht auf Zufall beruht ([X.], [X.], 388 Rn. 35 - [X.]).

Eine "Anspielung" kann nach dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] selbst dann vorliegen, wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist (vgl. [X.], [X.], 843 Rn. 57 - [X.]).

Eine Anspielung kann ferner dann vorliegen, wenn die streitige Bezeichnung, die auf das geografische Gebiet anspielt, mit dem eine Ursprungsbezeichnung oder eine geografische Angabe verbunden ist, von einem in diesem Gebiet ansässigen Erzeuger verwendet wird, dessen Erzeugnisse den von dieser Ursprungsbezeichnung oder geografischen Angabe geschützten Erzeugnissen ähnlich oder mit ihnen vergleichbar sind, aber nicht von dieser erfasst werden (vgl. [X.], [X.], 737 Rn. 34 bis 36 und 43 - Queso Manchego).

bb) Für die Beurteilung, ob eine Anspielung im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a [X.] vorliegt, kommt es auf die Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an, wobei dieser Begriff dahin zu verstehen ist, dass er auf einen [X.]n Verbraucher und nicht nur auf einen Verbraucher des Mitgliedstaats abstellt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Angabe führt ([X.], [X.], 388 Rn. 25 und 28 - [X.]; [X.], 843 Rn. 47 - [X.]). Zwar verlangt der effektive und einheitliche Schutz der eingetragenen Bezeichnungen, Umstände nicht zu berücksichtigen, die das Vorliegen einer Anspielung nur für die Verbraucher eines Mitgliedstaats ausschließen können. Das besagt jedoch nicht, dass eine lediglich in Bezug auf die Verbraucher eines Mitgliedstaats festgestellte Anspielung unzureichend ist, um den von Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] vorgesehenen Schutz auszulösen ([X.], [X.], 737 Rn. 48 - Queso Manchego). Der Begriff des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, auf dessen Wahrnehmung bei der Beurteilung abzustellen ist, ob eine "Anspielung" gemäß Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] vorliegt, ist dahin aufzufassen, dass er auf die [X.]n Verbraucher einschließlich der Verbraucher des Mitgliedstaats Bezug nimmt, in dem das Erzeugnis hergestellt wird, das zu der Anspielung auf die geschützte geografische Bezeichnung Anlass gibt oder mit dem diese Bezeichnung geografisch verbunden ist, und in dem das Erzeugnis überwiegend konsumiert wird ([X.], [X.], 737 Rn. 50 - Queso Manchego).

Danach ist der Umstand, dass die streitige Bezeichnung auf einen Herstellungsort Bezug nimmt, der den Verbrauchern im Mitgliedstaat der Herstellung bekannt ist, im Rahmen der Beurteilung des Begriffs der "Anspielung" kein relevanter Gesichtspunkt, weil die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. [X.] die eingetragenen Ursprungsbezeichnungen und die eingetragenen geografischen Angaben im gesamten [X.] vor jeder Anspielung schützt und angesichts der Notwendigkeit, im gesamten [X.] einen effektiven und einheitlichen Schutz dieser Angaben zu gewährleisten, auf alle Verbraucher dieses Gebiets abstellt ([X.], [X.], 737 Rn. 46 - Queso Manchego).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Nutzung der Bezeichnung "[X.]" eine unzulässige Anspielung auf die geschützte Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" darstellt.

aa) Das Berufungsgericht hat zur Begründung einer Anspielung ausgeführt, die angegriffene Bezeichnung "[X.]" stimme in der geografischen Herkunftsangabe "di [X.]" mit der für die Klägerin geschützten Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" überein. Dies könne bereits eine Anspielung begründen. Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass gemäß Art. 6 Abs. 1 [X.] Gattungsbezeichnungen wie "Prosciutto" und "[X.]" allein keinen Schutz als Ursprungsbezeichnung erlangen könnten. Die Teilübereinstimmung der Bezeichnungen betreffe also gerade die Elemente, aus denen sich die Schutzfähigkeit der Ursprungsbezeichnung ableite, was eine stärkere Gewichtung dieses Umstands rechtfertige. Die beiden Bezeichnungen wiesen ferner eine hohe visuelle Ähnlichkeit auf, da sie jeweils aus drei Wörtern bestünden, von denen das erste und dritte Wort als Hauptwörter groß, das zweite Wort demgegenüber klein geschrieben werde. Dieses mittlere Wort setze als Präposition die beiden äußeren Wörter zueinander in Beziehung, wodurch sich in beiden Fällen ein recht simpler Dreiklang in Optik und Semantik in der Form "Ware aus Ort" ergebe, der gerade wegen seiner Einfachheit einprägsam wirke. Zudem seien die durch die jeweiligen Produktbezeichnungen in Bezug genommenen Produkte einander in hohem Maße ähnlich, weil es sich in beiden Fällen um aufgeschnittene Rohschinkenscheiben aus der [X.] eines Schweins handele. Diese Produkte seien damit für den Verbraucher unmittelbar substituierbar und wiesen zudem eine starke optische Ähnlichkeit in Farbe und Konsistenz auf, die durch die Verwendung einer durchsichtigen Plastikverpackung auch in der Werbung mit der Produktbezeichnung in Verbindung gebracht werde. Hinzu komme eine gewisse phonetische Ähnlichkeit der Formulierungen. Der Umstand, dass die Bezeichnung "[X.]" eine gewisse Bekanntheit erlangt habe, führe zu keiner abweichenden Beurteilung, da dies die Herstellung einer gedanklichen Verbindung zu "Prosciutto di [X.]" beim Verbraucher nicht ausschließe.

bb) Diese tatgerichtliche Würdigung ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt daraufhin zu überprüfen, ob ein zutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde gelegt wurde, kein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegt und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt geblieben sind ([X.], Urteil vom 6. Juni 2019 - [X.]/17, [X.], 1071 Rn. 46 = [X.], 1296 - [X.], [X.]). Danach ist die tatgerichtliche Beurteilung nicht zu beanstanden. Sie ist nicht erfahrungswidrig, sondern naheliegend, und lässt auch keine entscheidungserheblichen Umstände außer Betracht.

cc) Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] (vgl. oben Rn. 36 f.) nicht auf die Verkehrsauffassung im Herkunftsland des Produkts, also [X.], sondern auf das Verständnis des [X.] Verbrauchers als Teil der [X.]n Verbraucher an. Das Berufungsgericht konnte diese Verkehrsauffassung selbst feststellen, da die Senatsmitglieder des Berufungsgerichts zu den angesprochenen [X.]n Verkehrskreisen gehören.

dd) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, bereits der Umstand, dass die angegriffene Bezeichnung "[X.]" in der geografischen Herkunftsangabe "di [X.]" mit der für die Klägerin geschützten Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" übereinstimme, könne eine Anspielung begründen. Entgegen der Ansicht der Revision erstreckt sich der Schutz der eingetragenen Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" nicht nur auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit, sondern auch auf ihren geografischen Bestandteil "di [X.]".

Nach Art. 1 der Verordnung ([X.]) Nr. 1107/96 in Verbindung mit ihrem Anhang wird die Bezeichnung "Prosciutto di [X.] (g.U.)" als geschützte Ursprungsangabe eingetragen. Somit ist nach dem Wortlaut von Art. 1 die Bezeichnung "Prosciutto di [X.]" als Ganzes eingetragen und infolgedessen geschützt. Der durch Art. 13 [X.] verliehene Schutz erstreckt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] mangels spezieller gegenteiliger Umstände aber nicht nur auf die zusammengesetzte Bezeichnung als solche, sondern auch auf jeden ihrer Bestandteile, sofern es sich dabei nicht um einen Gattungsbegriff oder einen üblichen Begriff handelt ([X.], Urteil vom 9. Juni 1998 - [X.]/97 und [X.]/97, Slg. 1998, [X.] = [X.] Int. 1998, 790 Rn. 37 und 39 - [X.] und [X.]; Urteil vom 4. Dezember 2019 - [X.]/18 Rn. 24 und 26 - Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena).

Bei dem Bestandteil "di [X.]" der zusammengesetzten Bezeichnung "Prosciutto di [X.]" handelt es sich weder um einen Gattungsbegriff noch um einen üblichen Begriff, sondern um einen geografischen Begriff. Der der Ursprungsbezeichnung "Prosciutto di [X.]" gewährte Schutz erstreckt sich daher mangels spezieller gegenteiliger Umstände nicht nur auf die Bezeichnung in ihrer Gesamtheit, sondern auch auf ihren geografischen Bestandteil "di [X.]".

ee) Dass der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige [X.] Verbraucher beim Angebot von Rohschinken in Scheiben unter der Bezeichnung "[X.]" einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu dem seit Jahren in großem Umfang im [X.] Lebensmittelhandel abgesetzten und in [X.] stark beworbenen "Prosciutto di [X.]" herstellen wird, steht mit der Lebenserfahrung in Einklang. Ein solcher Bezug liegt bei der großen Bezeichnungs- und [X.] nahe.

ff) Die Revision zeigt keine Umstände auf, die das Berufungsgericht gleichwohl zu der Beurteilung hätten führen müssen, das Angebot von Rohschinkenscheiben in Klarsichtverpackung unter der Bezeichnung "[X.]" veranlasse den mündigen [X.] Durchschnittsverbraucher nicht dazu, einen unmittelbaren gedanklichen Bezug zu dem ihm vertrauten Produkt "Prosciutto di [X.]" herzustellen. Kenntnisse hinsichtlich der Produktionsgeschichte der Schinkenspezialität "[X.]" in der Region von [X.] sind, auch nach dem Vortrag der Revision, bei [X.] Verbrauchern nicht zu erwarten. Soweit inzwischen, wie durch von der Beklagten vorgelegte [X.] belegt, verschiedene Lieferanten in [X.] "[X.]" anbieten, steht dies der Annahme einer Anspielung nicht entgegen. Selbst wenn die beanstandete Bezeichnung, was weder festgestellt noch von der Beklagten dargelegt ist, inzwischen von den [X.] Verbrauchern gewöhnlich als Bezeichnung eines von "Prosciutto di [X.]" zu unterscheidenden Schinkenprodukts "[X.]" verstanden werden sollte, wäre dies kein für das Vorliegen einer Anspielung zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Denn der Zweck des Schutzes geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen, den Verbrauchern die Gewähr dafür zu bieten, dass Erzeugnisse, die mit einer solchen Angabe versehen sind, besondere Merkmale aufweisen und damit eine bestimmte Qualitätsgarantie bieten, könnte nicht erreicht werden, wenn eine g.U. allgemein für die Bezeichnung eines ihrer Spezifikation nicht entsprechenden Lebensmittels verwendet werden könnte (vgl. [X.], Urteil vom 20. Dezember 2017 - [X.]/16, [X.], 327 Rn. 47 f. - Champagner-Sorbet).

gg) Auf die vom Berufungsgericht erörterte und bejahte Frage, ob sich die Beklagte bewusst an die typische Gestaltung der Verpackung für "Prosciutto di [X.]" angelehnt hat, kommt es danach nicht mehr an. Jedenfalls ist die Verpackung des unter der angegriffenen Bezeichnung vertriebenen Produkts nicht so gestaltet, dass sie eine Anspielung auf "Prosciutto di [X.]" ausschließt. Das Berufungsgericht konnte und musste berücksichtigen, dass die Verpackung unter durchsichtiger [X.]ie dem Verbraucher den direkten visuellen Vergleich der jeweils angebotenen Schinkenprodukte ermöglicht.

hh) Der Beklagten ist eine Weiterbenutzung der angegriffenen Bezeichnung parallel zu der geschützten Bezeichnung "Prosciutto di [X.]" nicht deshalb zu gestatten, weil es sich bei "[X.]" um einen nicht eingetragenen, traditionellen geografischen Namen handelt. Für diesen Fall wird in der Literatur zwar eine analoge Anwendung von Art. 6 Abs. 3 [X.] befürwortet, der unter bestimmten Voraussetzungen die Koexistenz eines später eingetragenen Namens mit einem ganz oder teilweise gleichlautenden Namen gestattet ([X.], AuR 2019, 260, 262 ff.). Es kann dahinstehen, ob eine solche Analogie in Betracht kommen könnte. Jedenfalls fehlt es im Streitfall bereits an der Voraussetzung dafür. Nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei "[X.]" um keinen traditionellen geografischen Namen für die von der Beklagten hergestellte Schinkenspezialität.

(1) Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vortrag der Beklagten befasst, "[X.]" sei eine bereits seit 1322 bekannte Spezialität, jedoch angenommen, daraus ergebe sich nur eine entsprechende Bekanntheit des Gattungsbegriffs "[X.]", der jedenfalls auch auf den "[X.]" aus der Region [X.] bezogen werden könne, der als Herkunftsbezeichnung Schutz genieße. Die Revision zeigt nicht auf, dass das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen hat.

(2) Das Gutachten von [X.]vom 7. Dezember 2008 belegt weitestgehend allein die Verwendung des Wortes "[X.]" ohne geografischen Zusatz "di [X.]". Die Wortfolge "[X.]" findet sich lediglich in der Erzählung [X.] des Autors [X.], [X.], 1955, wo "culatello di [X.]" in einer Aufzählung regionaler Spezialitäten neben "zampone di Modena" und "mortadella di Bologna" auf [X.] erwähnt wird. Damit lässt sich weder allein noch unter Berücksichtigung der [X.] möglicherweise erfolgten, einmaligen öffentlichen Benutzung des Begriffs "[X.]" durch den damaligen [X.]n Ministerpräsidenten [X.] ein Gebrauch von "[X.]" als traditioneller geografischer Name belegen. Auch in der Produktspezifikation der Klägerin wird lediglich "[X.]" ohne Zusatz "di [X.]" erwähnt.

(3) [X.] kann, ob es, wie die Beklagte behauptet, letztlich der [X.] war, der die herausragende Bedeutung und den besonderen Ruf der [X.] und der Provinz [X.] in Bezug auf die Herstellung von Delikatessen aus Fleisch mitbegründete und ob erst die Erfahrungen, die man in [X.] mit der Herstellung des "[X.]" gesammelt hatte, zur Entwicklung und Produktion des "Prosciutto di [X.]" führten. Es geht vorliegend nicht darum, ob möglicherweise "[X.]" das ältere und dementsprechend traditionsreichere oder auch das höherwertige und deutlich teurere Produkt gegenüber "Prosciutto di [X.]" ist, sondern allein darum, ob [X.] traditionell unter der Bezeichnung "[X.]" vertrieben worden ist. Das hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht.

ii) Das Berufungsgericht hat ferner zu Recht angenommen, dass sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen könne, es gebe eine geschützte geografische Angabe "[X.]". Im Gegensatz zu "[X.]" ist "[X.]", aus welchen Gründen auch immer, nicht als geografische Angabe oder Ursprungsbezeichnung geschützt. Dementsprechend ist auch unerheblich, dass es weitere Beispiele für nach dem Muster "Ware aus Ort" gebildete eingetragene geografische Ursprungsbezeichnungen gibt, die auf eine Herkunft aus demselben Ort hinweisen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen Beispielen und dem Streitfall ist, dass "[X.]" im Gegensatz zu "Prosciutto di [X.]" nicht als geografische Ursprungsbezeichnung eingetragen worden ist.

jj) Auf die von der Beklagten vorgelegten Urteile [X.]r Gerichte kommt es für den Streitfall nicht an. Sie sind für die Verkehrserwartung der [X.] Verbraucher und die Rechtslage in [X.] ohne Belang. Im Übrigen sind sie auch nicht geeignet, die Argumentation der Beklagten sachlich zu stützen. In den vom [X.] am 19. März 1991 und am 26. März 2004 entschiedenen Fällen ging es um den erfolglosen Versuch der Klägerin, dem dortigen Beklagten die Verwendung der Bezeichnung "[X.]cotto" für gekochten Schinken zu untersagen. Maßgeblich für diese Entscheidungen war insbesondere die Erwägung, dass es sich bei dem "[X.]cotto" um ein im gleichen Gebiet ([X.]) hergestelltes, jedoch anders [X.] und objektiv unverwechselbares Produkt handelte. Die Unterscheidbarkeit der unter "Prosciutto di [X.]" und "[X.]" in [X.] angebotenen Rohschinkenspezialitäten ist indes wesentlich geringer als diejenige zwischen gekochtem und rohem Schinken.

kk) Die Klägerin bestreitet nicht das Recht der Beklagten, für ihr Produkt die traditionelle Bezeichnung "[X.]" zu verwenden. Die Beklagte ist daher auch nicht am Vertrieb dieses Produkts gehindert und könnte beispielsweise der Produktbezeichnung ihren Handelsnamen hinzufügen.

3. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin steht nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen.

a) Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe mit der Formulierung "bei '[X.]' handele es sich um eine Kreation der Beklagten", wissentlich unwahr im Prozess vorgetragen. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, dass die Klägerin diese pointierte Formulierung, die erkennbar ihr Argument stützen sollte, die Bezeichnung "[X.]" werde - anders als "[X.]" - nicht traditionell für die in Rede stehende Schinkenspezialität verwendet, entgegen besserer Kenntnis benutzt hat. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, würde es den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht begründen.

b) Die Revision will einen Rechtsmissbrauch der Klägerin weiter darin erkennen, dass der Präsident, der Vize-Präsident und weitere Mitglieder der Klägerin noch während des Prozesses [X.]-Schinken unter der Bezeichnung "[X.]" angeboten und vermarktet hätten. Damit hat sie keinen Erfolg.

aa) Allerdings kann im Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung durch einen Verband vorliegen, wenn er zur Verfolgung überwiegend sachfremder Ziele selektiv nur gegen einen Außenstehenden vorgeht, entsprechende Wettbewerbsverstöße der eigenen Mitglieder jedoch planmäßig duldet (vgl. [X.], Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 148/10, [X.] 2012, 411 Rn. 22 bis 24 = [X.], 717 - Glücksspielverband).

bb) Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass ein solcher Fall hier nicht vorliegt. Es hat ausgeführt, allein die Beklagte habe sich nach der Beanstandung durch die Klägerin geweigert, von der weiteren Vermarktung des Produkts Abstand zu nehmen, alle anderen Beteiligten, so auch die Unternehmen des Präsidenten und des Vize-Präsidenten der Klägerin, hätten das Produkt nicht weiter vertrieben und beworben.

Soweit Mitglieder der Klägerin die Verwendung der Bezeichnung "[X.]" erst während des Prozesses nach entsprechender Aufforderung durch die Klägerin eingestellt haben, nachdem die Beklagte diese Verwendung aufgedeckt hatte, ergibt sich daraus entgegen der Ansicht der Revision noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin. Eine planmäßige Duldung der Wettbewerbsverstöße ihrer Mitglieder durch die Klägerin ist damit nicht belegt. Einem Verband steht es grundsätzlich frei, zunächst nur gegen einen [X.] und nicht auch gegen Verbandsmitglieder vorzugehen (vgl. [X.], Urteil vom 6. Mai 2004 - [X.], [X.] 2004, 793, 795 [juris Rn. 45] = WRP 2004, 1024 - Sportlernahrung II, [X.]).

III. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - [X.]; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.] Int. 2015, 1152 Rn. 43 - [X.], [X.]). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere wirft der Streitfall nicht die bisher vom Gerichtshof noch nicht behandelte Frage auf, ob und unter welchen Voraussetzungen die Weiterbenutzung eines nicht eingetragenen, traditionellen geografischen Namens für die Bezeichnung eines Lebensmittels parallel zu einer geschützten Bezeichnung zu gestatten ist. "[X.]" ist kein traditioneller Name für die Bezeichnung des Schinkenprodukts "[X.]" (vgl. oben Rn. 48-51). Die vom Berufungsgericht als Grund für die Zulassung der Revision angeführte Frage, welches nationale Recht für die Bestimmung der Rechtsfolgen aus einer Verletzung der Grundverordnung anzuwenden ist, beantwortet sich ohne weiteres aus Art. 13 Abs. 3 [X.] (vgl. oben Rn. 24 f.). Schließlich ist auch die Frage, nach welchen Kriterien die Verkehrsauffassung des maßgeblichen [X.]n Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen ist, in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] jedenfalls in dem für die Entscheidung des Streitfalls erforderlichen Maß geklärt (vgl. oben Rn. 36 f.).

IV. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Beklagten (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

Koch     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Löffler     

      

Schwonke     

      

Meta

I ZR 21/19

12.12.2019

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 18. Januar 2019, Az: I-6 U 61/18, Urteil

Art 13 Abs 1 UAbs 1 Buchst b EUV 1151/2012, Art 13 Abs 3 EUV 1151/2012

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.12.2019, Az. I ZR 21/19 (REWIS RS 2019, 419)

Papier­fundstellen: MDR 2020, 362-363 REWIS RS 2019, 419


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZR 21/19

Bundesgerichtshof, I ZR 21/19, 12.12.2019.


Az. 6 U 61/18

Oberlandesgericht Köln, 6 U 61/18, 18.01.2019.

OLG München, 6 U 61/18, 25.10.2018.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 U 61/18 (Oberlandesgericht Köln)


I ZR 253/16 (Bundesgerichtshof)

Markenrechtsschutz: Schutz der geografisch geschützten Angabe "Aceto Balsamico die Modena" gegen Anspielung - Deutscher Balsamico …


30 W (pat) 33/09 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Schwarzwälder Schinken (geografische Angabe)" – Antrag auf Änderung der Spezifikation – Änderung der …


I ZB 72/19 (Bundesgerichtshof)

Markenrechtsschutz: Voraussetzungen für die Änderung einer die Zuerkennung einer geschützten geografischen Angabe an die Aufmachung …


I ZR 253/16 (Bundesgerichtshof)

Vorlage an den EuGH: Erstreckung der geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ – Deutscher …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.