Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2013, Az. XII ZB 624/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6030

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Gegenstand

Verfahrenskostenhilfe: Erfolgsaussicht bei einer höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage; Einlegung der Rechtsbeschwerde zum BGH durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt


Leitsatz

1. Ist das Beschwerdegericht in einem Verfahrenskostenhilfeverfahren der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn es die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 17. März 2004, XII ZB 192/02, NJW 2004, 2022 und vom 12. Dezember 2012, XII ZB 190/12, FamRZ 2013, 369).

2. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wirksam nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010, XII ZB 82/10, FamRZ 2010, 1425).

Tenor

Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 18. Zivilsenats - [X.] - des [X.] in [X.] vom 30. Oktober 2012 bewilligt.

Auf die Rechtsbeschwerde wird der vorgenannte Beschluss aufgehoben, soweit darin die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die Verfolgung von Unterhaltsansprüchen für die [X.] vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die 1989 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Sie besuchte seit August 2006 die gymnasiale Oberstufe und ging im Juni 2010 mit dem Erwerb des schulischen Teils der Fachhochschulreife vom Gymnasium ab. Im [X.] an ihren Schulbesuch war sie zeitweise als Verkäuferin tätig und absolvierte seit September 2011 ein freiwilliges soziales Jahr bei dem [X.]        . Im August 2012 hat sie eine Ausbildung zur Erzieherin aufgenommen.

2

Mit Antrag vom 16. September 2011 hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner rückständigen und laufenden Kindesunterhalt geltend gemacht und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Das Amtsgericht hat der Antragstellerin die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverfolgung versagt. Die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde hat das Beschwerdegericht nach Übertragung des Verfahrens durch die Einzelrichterin auf den Senat zurückgewiesen. Zugleich hat es die Rechtsbeschwerde zugelassen, soweit der Rechtsverfolgung für die Dauer der Ableistung des freiwilligen [X.] Jahres vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 die Erfolgsaussichten abgesprochen worden sind. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass die Klärung der - von ihm verneinten - Frage, ob die Ableistung eines freiwilligen [X.] Jahres schon generell und ohne Zusammenhang mit einem konkreten Ausbildungskonzept des Kindes als angemessener Ausbildungsabschnitt im Rahmen einer Gesamtausbildung anzusehen sei, im Hinblick auf eine divergierende Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordere.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

4

1. Die Rechtsbeschwerde, deren Zulassung das Beschwerdegericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. August 2012 beschränkt hat, ist statthaft (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

5

Allerdings hätte die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen werden dürfen. Im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) oder der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - [X.] 11/07 - FamRZ 2007, 1720 Rn. 6 und vom 4. August 2004 - [X.] 6/04 - FamRZ 2004, 1633 f.; [X.] Beschluss vom 22. November 2011 - [X.]/11 - NJW-RR 2012, 125 Rn. 10). Hängt die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aus Sicht des [X.] dagegen allein von der Frage ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann die Rechtsbeschwerde wegen dieser Frage nicht zugelassen werden. Indessen ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch an eine insoweit rechtsfehlerhafte Zulassung der Rechtsbeschwerde gebunden (Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - [X.]/02 - NJW 2004, 2022; [X.] Beschlüsse vom 21. November 2002 - [X.]/02 - NJW 2003, 1126 und vom 27. Februar 2003 - [X.]/02 - NJW-RR 2003, 1001).

6

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hätte die Erfolgsaussichten der von der Antragstellerin mit ihrem Unterhaltsbegehren beabsichtigten Rechtsverfolgung mit der gegebenen Begründung nicht verneinen dürfen.

7

Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, dass der volljährigen Antragstellerin für die Dauer ihres freiwilligen [X.] Jahres schon dem Grunde nach kein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt zustehe, weil sie mangels Darlegung eines tragfähigen, an ihren Begabungen und Fähigkeiten orientierten Ausbildungskonzeptes nicht hinreichend belegt habe, inwieweit die Ableistung des freiwilligen [X.] Jahres für ihre später beabsichtigte Berufsausbildung konkret nutzbar gemacht werden könnte. Ferner ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass es demgegenüber nach einer vom [X.] ([X.], 995 f.) vertretenen Rechtsansicht zum Unterhaltsanspruch von Kindern während des freiwilligen [X.] Jahres solcher Darlegungen nicht bedürfe.

8

Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Verfahrenskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das [X.] will den Rechtsschutz, den das Rechtsstaatsprinzip erfordert, nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen ([X.] NJW 1994, 241, 242 und [X.], 1936, 1937; Senatsbeschluss vom 4. August 2004 - [X.] 6/04 - FamRZ 2004, 1633, 1634 mwN). Ist das Beschwerdegericht daher - wie im vorliegenden Fall - der Auffassung, dass die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung von der Klärung einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte umstrittenen und höchstrichterlich noch nicht geklärten Rechtsfrage abhängen, muss es dem Beschwerdeführer beim Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen insoweit Verfahrenskostenhilfe bewilligen, und zwar auch dann, wenn das Beschwerdegericht die Auffassung vertritt, dass die Rechtsfrage zu Ungunsten des Beschwerdeführers zu entscheiden ist ([X.] FamRZ 2013, 605, 606; 2013, 685, 686; Senatsbeschluss vom 12. Dezember 2012 - [X.]/12 - FamRZ 2013, 369). Verweigert es dem Beschwerdeführer dagegen Verfahrenskostenhilfe und lässt gleichzeitig wegen der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, widerlegt es damit in aller Regel die Richtigkeit seiner eigenen Entscheidung. Dies muss grundsätzlich ohne nähere Sachprüfung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht führen (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2004 - [X.]/02 - NJW 2004, 2022; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 127 Rn. 36; [X.]/Fischer ZPO 9. Aufl. § 127 Rn. 25).

9

3. Zur Rechtsmittelbelehrung des [X.] weist der Senat noch darauf hin, dass die unter Bezugnahme auf § 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG ausdrücklich erteilte Belehrung, wonach sich die Beteiligten im Verfahren der Rechtsbeschwerde in [X.] nicht durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, nicht zutreffend ist. Auch in Verfahren der Verfahrenskostenhilfe kann eine Rechtsbeschwerde zum [X.] wegen § 114 Abs. 2 FamFG nur durch einen beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - [X.]/10 - FamRZ 2010, 1425 Rn. 7; [X.]/[X.] FamFG 17. Aufl. § 114 Rn. 11, 20; Prütting/[X.] FamFG 2. Aufl. § 114 Rn. 34; [X.]/[X.] FamFG 3. Aufl. § 114 Rn. 6).

Dose                           [X.]                         [X.]

               [X.]

Meta

XII ZB 624/12

08.05.2013

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 30. Oktober 2012, Az: 18 WF 74/12

§ 114 ZPO, § 574 ZPO, § 114 Abs 2 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2013, Az. XII ZB 624/12 (REWIS RS 2013, 6030)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6030

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