Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2013, Az. I ZB 56/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5253

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Gegenstand

Zwangsvollstreckung wegen nicht vertretbarer Handlung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch: Berücksichtigung des Erfüllungseinwands


Leitsatz

Der Erfüllungseinwand des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO zur Durchsetzung eines für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss des [X.] - 34. Zivilsenat - vom 18. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 10.000 €.

Gründe

1

I. Die Parteien sind Rechtsanwälte einer Rechtsanwaltssozietät. Sie haben im [X.] folgende Schiedsvereinbarung getroffen:

Streitigkeiten aus dem [X.], aus [X.] oder aus [X.] werden unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch einen Schiedsrichter entschieden. Zu diesen Streitigkeiten gehören auch alle Auseinandersetzungen um das Zustandekommen vorerwähnter Verträge.

2

Der Gläubiger hat gegen den Schuldner in einem schiedsrichterlichen Verfahren einen [X.] mit vereinbartem Wortlaut vom 27. Juni 2011 erwirkt. Danach hat der Schuldner dem Gläubiger - näher bezeichnete - Auskünfte über den Bestand sämtlicher Bankkonten und Buchhaltungskonten der Rechtsanwaltssozietät zu erteilen. Das [X.] hat diesen [X.] durch Beschluss vom 17. Oktober 2011 für vollstreckbar erklärt.

3

Der Gläubiger hat beantragt, gegen den Schuldner wegen Nichterteilung der Auskünfte nach § 888 ZPO Zwangsmittel festzusetzen.

4

Der Schuldner ist dem entgegengetreten und hat Erfüllung der Auskunftspflicht eingewandt.

5

Das [X.] hat den Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln zurückgewiesen, soweit der Schuldner die verlangten Auskünfte nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien erteilt hat. Dagegen hat es dem Antrag stattgegeben, soweit die Erfüllung der Auskunftspflicht zwischen den Parteien streitig ist. Dazu hat es ausgeführt, bei [X.] sei der [X.] im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO nicht zu berücksichtigen; die - weit auszulegende - Schiedsvereinbarung umfasse den [X.].

6

Mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die vollständige Zurückweisung des Zwangsmittelantrags.

7

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und gemäß § 575 ZPO auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann der [X.] des Schuldners nicht zurückgewiesen und dem Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln daher nicht stattgegeben werden.

8

1. Der [X.] des Schuldners ist grundsätzlich auch im Verfahren der Zwangsvollstreckung nach §§ 887, 888 ZPO aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch zu berücksichtigen.

9

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist der Schuldner nicht nur im Verfahren der [X.] nach § 767 ZPO, sondern auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 887 ZPO mit seinem Einwand zu hören, der vollstreckbare Anspruch sei erfüllt ([X.], Beschluss vom 5. November 2004 - [X.], [X.]Z 161, 67, 71 ff.; Beschluss vom 22. September 2005 - [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 17. September 2009 - [X.], [X.] 2009, 662 Rn. 7; Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 470 Rn. 11). Das gilt gleichermaßen für das - hier in Rede stehende - Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ([X.], Beschluss vom 7. Juni 2010 - 7 W 13/10, juris Rn. 18 mwN; [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 13 Sch 1/10, juris Rn. 7; [X.]/Stöber, ZPO, 29. Aufl., § 888 Rn. 11; Musielak/[X.], ZPO, 10. Aufl., § 888 Rn. 8).

Für die Prüfung des [X.]s in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO statt erst bei der [X.] kann - unter anderem - die [X.] sprechen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist - soweit nötig - in beiden Verfahren möglich und liegt stets in den Händen des [X.]. Dieses ist im Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO ohnehin grundsätzlich verpflichtet, Beweis zu erheben. Das Vollstreckungsverfahren würde durch die Verweisung des Schuldners auf den Weg der [X.] auch nicht beschleunigt. Bei Erhebung der [X.] müsste dem Schuldner unter Umständen Vollstreckungsaufschub nach § 769 ZPO gewährt werden und würde das Verfahren angesichts der einzuhaltenden Fristen letztlich verzögert. Die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebietet, kann das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits zudem am ehesten entscheiden (vgl. [X.]Z 161, 67, 72 f.).

b) Der [X.] des Schuldners ist im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO grundsätzlich auch dann zu berücksichtigen, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem für vollstreckbar erklärten Schiedsspruch betreibt.

aa) Nach der Rechtsprechung des [X.] sind sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch innerhalb des Verfahrens über die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (vgl. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) zulässig, soweit auf sie eine [X.] gestützt werden könnte ([X.], Beschluss vom 8. November 2007 - [X.], NJW-RR 2008, 659 Rn. 31; Beschluss vom 30. September 2010 - [X.]/10, NJW-RR 2011, 213 Rn. 8 f. mwN).

Es wäre nicht sinnvoll, wenn der Schuldner in solchen Fällen die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste; vielmehr ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung Einwendungen zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der [X.] nach § 767 ZPO gehören ([X.], NJW-RR 2008, 659 Rn. 31 mwN).

bb) Sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den Schiedsspruch können aber auch im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs vorgebracht werden.

Dafür kann allerdings nicht angeführt werden, die Frage, ob die vom Schuldner unstreitig vorgenommenen Handlungen dem entsprechen, was der Titel ihm gebiete, könne am ehesten vom [X.] als Vollstreckungsgericht aufgrund seiner Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits entschieden werden (vgl. oben Rn. 10 [X.]). Das [X.] ist im Erkenntnisverfahren nicht mit dem Rechtsstreit befasst gewesen und hat von daher auch keine Kenntnis vom Inhalt des Rechtsstreits. Für eine Zulassung sachlich-rechtlicher Einwendungen im Verfahren zur Durchsetzung des Schiedsspruchs sprechen jedoch die anderen Gründe, die der [X.] bereits in seinen früheren Entscheidungen als maßgeblich angesehen hat (vgl. [X.]Z 161, 67, 71 ff.; [X.], NJW-RR 2008, 659, 662 Rn. 31).

So hängt die Vollstreckung gemäß § 887 ZPO schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift davon ab, dass der Schuldner seine Verpflichtung zur Vornahme einer (vertretbaren) Handlung nicht erfüllt. Der Wortlaut des § 888 ZPO knüpft an den des § 887 ZPO an. Die Vollstreckung nach § 888 ZPO setzt daher gleichfalls voraus, dass der Schuldner seine - auf die Vornahme einer (nicht vertretbaren) Handlung gerichtete - Verpflichtung nicht erfüllt.

Dass der [X.] in Verfahren nach §§ 887, 888 ZPO als erheblich anzusehen sein soll, ergibt sich ferner aus der Begründung des [X.] zur Neufassung der Kostenvorschrift des § 891 Satz 3 ZPO durch die [X.] vom 17. Dezember 1997 ([X.] I S. 3039). Danach soll diese Neufassung der Möglichkeit Rechnung tragen, dass [X.] des Gläubigers etwa nur deshalb teilweise erfolgreich sind, weil der Schuldner nachweist, dass er die vertretbare oder unvertretbare Handlung teilweise erfüllt hat (vgl. BT-Drucks. 13/341, S. 41).

Schließlich ist es auch im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, sachlich-rechtliche Einwendungen, auf die eine [X.] gestützt werden könnte, bereits im Verfahren zur Durchsetzung des für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zuzulassen und den Schuldner nicht auf den Weg der [X.] zu verweisen. Eine Beweiserhebung über die Einwendungen des Schuldners ist, soweit nötig, in beiden Verfahren möglich. Das Vollstreckungsverfahren würde auch nicht beschleunigt, sondern könnte eher verzögert werden, wenn der Schuldner auf den Weg der [X.] verwiesen würde (vgl. [X.]Z 161, 67, 72 f.).

cc) Abweichendes gilt im Schiedsverfahren allerdings, wenn der geltend gemachte Einwand seinerseits der [X.] unterliegt. In diesem Fall ist nicht das [X.], sondern das Schiedsgericht zur Entscheidung berufen ([X.], Urteil vom 3. Dezember 1986 - [X.], [X.]Z 99, 143, 146 ff.; Beschluss vom 19. Dezember 1995 - [X.], NJW-RR 1996, 508; [X.], NJW-RR 2008, 659 Rn. 19; NJW-RR 2011, 213 Rn. 10; [X.], Beschluss vom 10. Dezember 2010 - 13 Sch 1/10, juris Rn. 8).

2. Nach diesen Maßstäben kann der [X.] des Schuldners nicht mit der vom [X.] gegebenen Begründung zurückgewiesen werden. Der [X.] ist grundsätzlich auch im hier in Rede stehenden Verfahren zur Durchsetzung eines für vollstreckbar erklärten Schiedsspruchs zu berücksichtigen. Abweichendes gilt zwar, wenn der [X.] der [X.] unterliegt. Die Annahme des [X.]s, die - weit auszulegende - Schiedsvereinbarung umfasse den [X.], entbehrt aber einer tragfähigen Grundlage.

Die Auslegung eines [X.] durch den Tatrichter kann vom Rechtsbeschwerdegericht zwar nur beschränkt überprüft werden ([X.]Z 99, 143, 150). Das [X.] hat seine Auffassung, die Schiedsvereinbarung umfasse den [X.], jedoch nicht begründet. Seine Beurteilung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage und kann schon deshalb keinen Bestand haben. Nach ihrem Wortlaut erfasst die Schiedsvereinbarung (lediglich) - dem Erkenntnisverfahren zuzuordnende - Streitigkeiten aus dem [X.], aus [X.] oder aus [X.] einschließlich aller Auseinandersetzungen um das Zustandekommen dieser Verträge. Dass die Schiedsvereinbarung sich auch auf das Zwangsvollstreckungsverfahren und Streitigkeiten über den [X.] erstreckt, erschließt sich aus dem Wortlaut nicht und kann auch im Übrigen nicht ohne Weiteres angenommen werden.

IV. Danach ist auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu prüfen haben, ob sich aus den bei der Auslegung der Schiedsvereinbarung gemäß §§ 133, 157 BGB zu berücksichtigenden Umständen ergibt, dass diese sich auf im Rahmen der Zwangsvollstreckung auftretende Streitigkeiten über die Frage der Erfüllung erstreckt.

[X.]                              Schaffert                              Kirchhoff

                          Koch                                    Löffler

Meta

I ZB 56/12

06.06.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 18. Juni 2012, Az: 34 Sch 32/11, Beschluss

§ 888 ZPO, § 1062 Abs 1 Nr 4 Alt 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2013, Az. I ZB 56/12 (REWIS RS 2013, 5253)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5253

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