Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2009, Az. II ZB 1/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 2665

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[X.] vom 6. Juli 2009 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233, 520 Abs. 2 Satz 3 War ein (Berufungs-)Anwalt aufgrund einer plötzlich auftretenden, nicht vorhersehba-ren Erkrankung an der fristgebundenen Begründung einer Berufung gehindert, kann ihm ein Fehler im Verlängerungsantrag, der zu dessen Ablehnung führte, (hier: feh-lende Einholung der Einwilligung zur zweiten Fristverlängerung) nicht angelastet werden. Es ist dann Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbe-gründungsfrist zu gewähren.
[X.], [X.]uss vom 6. Juli 2009 - [X.]/09 - [X.] - 2 - [X.] [X.] hat am 6. Juli 2009 durch [X.] und [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des [X.]n wird der [X.]uss des 9. Zivilsenats des [X.] vom 22. April 2005 aufgehoben. Dem [X.]n wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 20. Februar 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. [X.]: 50.725,97 • Gründe: [X.] Der [X.] hat gegen das am 1. März 2004 zugestellte Urteil des [X.] rechtzeitig Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 29. April 2004 hat er beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 1 - 3 - 1. Juni 2004 zu verlängern. Dem Antrag hat das Berufungsgericht stattgegeben. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2004, per Fax am frühen Nachmittag desselben [X.] bei Gericht eingegangen, beantragte die Prozessbevollmächtigte des [X.], die Berufungsbegründungsfrist erneut, nunmehr bis zum 3. Juni 2004, zu verlängern, und begründete dies mit ihrer aufgrund einer Erkrankung seit dem 28. Mai 2004 bestehenden Arbeitsunfähigkeit. Sie wies zugleich darauf hin, dass sie die alleinige Sachbearbeiterin sei. Mit Fax vom selben Tag teilte der Vorsitzende der Prozessbevollmächtigten mit, dass nicht beabsichtigt sei, dem [X.] stattzugeben, da er nicht von einem beim Ober-landesgericht zugelassenen Rechtsanwalt gestellt worden sei. Gleichzeitig gab er per Fax dem Prozessbevollmächtigten des [X.], ohne dies zugleich der Bevollmächtigten des [X.]n nachrichtlich mitzuteilen, Gelegenheit, bis zum 2. Juni 2004 zu dem [X.] Stellung zu nehmen. Bereits ca. 40 Minuten nach Eingang des Faxes bei der Prozessbevollmächtigten des [X.] teilte diese per Fax mit, dass sie beim [X.] zugelassen sei. Mit Fax vom 2. Juni 2004 verweigerte der Klägervertreter seine Zustim-mung zu der Fristverlängerung. Daraufhin wies der Vorsitzende des Berufungs-gerichts am selben Tag den [X.] zurück und begründete dies mit der mangelnden Einwilligung des Prozessbevollmächtigten des [X.]. Diese Entscheidung wurde der Bevollmächtigten des [X.]n am Mor-gen des 3. Juni 2004 per Fax mitgeteilt. Ebenfalls am 3. Juni 2004 ging [X.] ein Fax des Klägervertreters beim Berufungsgericht ein, in dem er mit-teilte, dass er nach einem Telefonat mit der Bevollmächtigten des [X.]n, in dem diese ihm ihre Notlage geschildert habe, nunmehr der Fristverlängerung zustimme. Ebenfalls am 3. Juni 2004 ging die Berufungsbegründung per Fax beim Berufungsgericht ein. Mit Schreiben vom 4. Juni 2004 teilte der [X.] des Berufungsgerichts der Bevollmächtigten des [X.]n mit, dass trotz - 4 - der Zustimmung des Klägervertreters die Berufungsbegründungsfrist nicht ver-längert werde. 2 Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2004 beantragte der [X.] vorsorglich, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist zu gewähren unter Glaubhaftmachung der Erkrankung seiner Bevollmächtigten durch die Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheini-gungen. Die Prozessbevollmächtigte des [X.]n hat im [X.] die Ansicht vertreten, sie habe von einer Zustimmung des Gegners zur Fristverlängerung ausgehen dürfen, da der Vorsitzende sie lediglich darauf hin-gewiesen habe, dass eine Fristverlängerung nur wegen mangelnder Postulationsfähigkeit nicht in Betracht komme. Ihr Vertrauen auf die Fristverlän-gerung sei zudem gestärkt worden durch die gängige Gerichtspraxis beim [X.] Naumburg, bei Krankheit auch ohne Zustimmung des [X.] einer beantragten zweiten Fristverlängerung stattzugeben, weil [X.] sowieso einen Wiedereinsetzungsgrund bezüglich der versäumten Handlung begründe. Erst mit [X.]uss vom 22. April 2005 hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des [X.]n zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der [X.] mit seiner Rechtsbeschwerde. Das Rechtsbeschwerdeverfahren war wegen des über das Vermögen des [X.] eröffneten Insolvenzverfahrens vom 29. Juli 2005 bis zum 11. Februar 2009 unterbrochen. 3 I[X.] 1. Die gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, da zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] - 5 - richts erforderlich ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Anspruch des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es dessen zentrales Vorbringen im Wiedereinsetzungsge-such unberücksichtigt gelassen hat, dass nämlich seine [X.] in der [X.] vom 28. Mai 2004 bis 7. Juni 2004 arbeitsunfähig erkrankt und daher wegen des unvorhersehbaren Eintritts der Erkrankung ohne Verschulden an der Einreichung der Berufungsbegründung innerhalb der verlängerten Beru-fungsbegründungsfrist bis zum 1. Juni 2004 gehindert gewesen sei. 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem [X.]n ist unter Aufhebung des [X.]usses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Damit sind der Be-schluss über die Verwerfung der Berufung und die dagegen eingelegte Rechts-beschwerde des [X.]n gegenstandslos ([X.], [X.]. v. 16. April 2009 - [X.]/08 und - [X.]/08, juris [X.]. 13 m.w.Nachw. z.V.b.). 5 a) Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] zurückgewiesen, da er nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen sei. Das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das er sich gemäß § 85 ZPO zurechnen lassen [X.], liege daran, dass sie keinen korrekten zweiten [X.] gestellt habe. Auch bei (unterstellter) Arbeitsunfähigkeit habe sie ohne Erklä-rung über das Vorliegen der Einwilligung des Gegners auf die zweite Fristver-längerung nicht vertrauen dürfen, da nach der Einführung von § 520 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, die über einen Monat hinausgehe, ohne Einwilligung des Gegners schon von Gesetzes wegen nicht in Betracht komme. Die Prozessbevollmächtigte des [X.]n habe nicht davon ausgehen dürfen, dass das Berufungsgericht sich über diese eindeutige Gesetzeslage hinwegsetzen werde. An dem Ergebnis 6 - 6 - ändere sich nichts durch die nachträglich erklärte Einwilligung des Gegners, denn die Einwilligung sei bedingungsfeindlich und grundsätzlich unwiderruflich. Für die einmal verweigerte Einwilligung könne nichts Abweichendes gelten, dies insbesondere dann nicht, wenn der [X.] bereits vor der Erklärung der Einwilligung zurückgewiesen worden sei. 7 b) Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht stellt verfehlt nur darauf ab, die Prozessbevollmächtigte des [X.]n habe mangels Darlegung der Einwilligung des Gegners keinen korrekten Antrag hin-sichtlich der zweiten Fristverlängerung gestellt. Ob die Erkrankung unabhängig vom Antrag auf erneute Fristverlängerung das Wiedereinsetzungsgesuch [X.] kann, zieht das Berufungsgericht dagegen unter Verstoß gegen den Anspruch des [X.]n auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) überhaupt nicht in Erwägung. [X.]) Noch zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der [X.] die am 1. Juni 2004 ablaufende Berufungsbegründungsfrist ver-säumt hat. Die Berufungsbegründung ist erst am 3. Juni 2004 und damit nach Ablauf der nicht erneut verlängerten Frist eingegangen, ohne dass es darauf ankäme, ob die Verweigerung der zweiten Fristverlängerung zu Recht erfolgt ist. 8 [X.]) Das entscheidungserhebliche Übergehen des Vortrags des [X.] (Art. 103 Abs. 1 GG) und die darauf beruhende Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsst[X.]tsprinzip) durch Zurückweisung des [X.] und Verwerfung der [X.] zwingen zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses. Die Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist war unverschuldet. 9 - 7 - Der [X.] hat glaubhaft gemacht, dass seine Prozessbevollmächtigte aufgrund einer plötzlich aufgetretenen, unvorhersehbaren Erkrankung an der Wahrung der Berufungsbegründungsfrist gehindert war. Die Bestellung eines Vertreters, der anstelle der allein sachbearbeitenden Bevollmächtigten des [X.] die Berufungsbegründung hätte fertigen können, kam wegen der Un-vorhersehbarkeit der Erkrankung ersichtlich nicht in Betracht (vgl. [X.].[X.]. v. 26. Februar 1996 - [X.], NJW 1996, 1540, 1541; [X.], [X.]. v. 18. September 2008 - [X.], [X.], 3571, 3572 m.w.Nachw.). [X.] dieser Umstände hat sie mit dem [X.] eine Maß-nahme getroffen, zu der sie im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand schon nicht verpflichtet war. Allein deshalb kann ihr der dabei nach der nicht hinrei-chend differenzierenden Meinung des Berufungsgerichts aufgetretene Fehler nicht angelastet werden ([X.], [X.]. v. 26. November 1997 - X[X.]50/97, NJW-RR 1998, 639 m.w.Nachw.). 10 [X.][X.]

[X.]

Drescher Löffler Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 20.02.2004 - 5 O 323/02 - [X.], Entscheidung vom 22.04.2005 - 9 U 39/04 -

Meta

II ZB 1/09

06.07.2009

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2009, Az. II ZB 1/09 (REWIS RS 2009, 2665)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2665

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