Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, Az. 5 AZR 703/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 6383

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Gegenstand

Mindestentgelt - Ausschlussfristen


Leitsatz

Eine arbeitsvertragliche Verfallklausel, die auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfasst, verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 iVm. § 13 AEntG und ist insoweit nach § 134 BGB unwirksam.

Tenor

I. Auf die Revision des Beklagten wird - unter Zurückweisung der Revision im Übrigen - das Urteil des [X.] vom 17. September 2015 - 6 [X.] 1328/14 - teilweise aufgehoben.

II. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. September 2014 - 3 [X.]/14 - in Ziff. 1 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 648,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 288,00 Euro seit dem 1. Januar 2014, aus 216,00 Euro seit dem 8. Januar 2014 und aus 144,00 Euro seit dem 20. Januar 2014 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3, von den Kosten der Berufung und der Revision die Klägerin 1/20 und der Beklagte 19/20 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

2

Die Klägerin war vom 15. Juli bis zum 15. Dezember 2013 beim Beklagten, der damals den ambulanten [X.] betrieb, als Pflegehilfskraft beschäftigt. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 20 Stunden, als Vergütung war ein [X.] von 9,00 [X.] vereinbart.

3

Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der [X.] vom 11. Juli 2013, der - drucktechnisch hervorgehoben - folgende Regelung enthält:

        

„§ 22 Ausschlussfrist bei Geltendmachung von Ansprüchen

        

(1)     

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Dies gilt auch für Ansprüche, die während des bestehenden Arbeitsverhältnisses entstehen.

        

(2)     

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruches, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.“

4

Der vereinbarte [X.] entsprach dem ab dem 1. Juli 2013 im Gebiet des Landes [X.] „je Stunde“ zu zahlenden Mindestentgelt nach § 2 Abs. 1 Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) vom 15. Juli 2010 (BAnz. 2010 Nr. 110 S. 2571). Deren § 4 bestimmt unter der Überschrift Ausschlussfrist:

        

„Die Ansprüche auf das Mindestentgelt verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.“

5

Die Klägerin war vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Der Beklagte hatte trotz ärztlicher Bescheinigung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit und leistete keine Entgeltfortzahlung.

6

Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 forderte die Klägerin den Beklagten zu Abrechnung und Bezahlung der [X.] auf, mit Anwaltsschreiben vom 28. Mai 2014 bezifferte sie die Entgeltfortzahlung auf 684,00 [X.]. Eine Reaktion des Beklagten erfolgte nicht.

7

Mit der am 2. Juni 2014 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 arbeitsunfähig krank gewesen. Für die in diesem Zeitraum anfallenden 19 Arbeitstage schulde der Beklagte für jeweils vier Arbeitsstunden Entgeltfortzahlung. Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist habe sie nicht einhalten müssen, die Frist des § 4 PflegeArbbV sei gewahrt.

8

Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Belang - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 684,00 [X.] brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2014 zu zahlen.

9

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, der Anspruch auf Entgeltfortzahlung sei jedenfalls nach § 22 Arbeitsvertrag verfallen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat nur hinsichtlich der Höhe der Klageforderung Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. [X.] 23. März 2016 - 5 [X.] - Rn. 21). Streitgegenstand ist ein bezifferter Eurobetrag, den die Klägerin als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer ihrer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit vom 19. November bis zum 15. Dezember 2013 begehrt.

II. In Höhe eines [X.] von 36,00 Euro brutto ist die Klage nach der eigenen Darlegung der Klägerin unbegründet.

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 E[X.]ZG betrifft den durch die krankheitsbedingte Verhinderung verursachten Arbeitsausfall, insoweit begründet die Norm trotz Nichtleistung der Arbeit den Entgeltanspruch des Arbeitnehmers. Nach nicht angegriffener [X.]eststellung des [X.] hat die Klägerin am 19. November 2013 ihren Arbeitsplatz (erst) verlassen, „nachdem sie zuvor ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen in vollem Umfang nachgekommen war“. Danach ist an diesem Tag keine Arbeitsleistung wegen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ausgefallen. Sie hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Ob das für den Monat November 2013 gezahlte Entgelt die am 19. November 2013 noch vor Arbeitsende geleistete Arbeit mitumfasst, ist nicht streitgegenständlich.

III. Im Übrigen ist die Klage begründet. Der Beklagte ist nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 E[X.]ZG verpflichtet, der Klägerin für die Dauer ihrer durch ärztliche Bescheinigung belegten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe des ihr bei der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehenden Arbeitsentgelts zu leisten. Seine Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin hat der Beklagte in der Revisionsinstanz ausdrücklich nicht aufrechterhalten. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist nicht aufgrund der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist erloschen, denn diese ist wegen Intransparenz unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]). [X.]olglich war die Klägerin nicht gehalten, den Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall binnen der [X.]risten des § 22 Arbeitsvertrag geltend zu machen.

1. § 22 Arbeitsvertrag ist nach nicht angegriffener [X.]eststellung des [X.] eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.]). Dafür begründet zudem das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. [X.] 19. März 2014 - 5 [X.] ([X.]) - Rn. 17 mwN), der keine der Parteien entgegengetreten ist.

2. § 22 Arbeitsvertrag erfasst den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV und verstößt im Anwendungsbereich dieser Verordnung gegen § 9 Satz 3 [X.], der über § 13 [X.] auch für das Mindestentgelt aufgrund einer nach § 11 [X.] erlassenen Rechtsverordnung gilt.

a) Der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ist ein normativ begründeter Anspruch, der eigenständig neben die sonstigen Grundlagen für das Entgelt tritt (vgl. - zum [X.] - [X.] 25. Mai 2016 - 5 [X.] - Rn. 22). Er fällt als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, jedenfalls als solcher, der mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung steht, in den Anwendungsbereich von § 22 Arbeitsvertrag.

b) [X.] kann - ausgehend von ihrem Wortlaut - nicht einengend dahingehend ausgelegt werden, sie erfasse den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV nicht.

aa) Während für Altverträge, also vor dem Inkrafttreten der PflegeArbbV geschlossene Arbeitsverträge, eine einengende, das Mindestentgelt nicht erfassende und damit den Vorgaben des § 9 Satz 3 [X.] genügende Auslegung in Erwägung gezogen werden könnte (vgl. zum entsprechenden Problem im Anwendungsbereich des [X.][X.] Ausschlussfristen und [X.] S. 49 ff.; [X.] in Thüsing 2. Aufl. § 3 [X.] Rn. 12), scheidet eine solche Auslegung bei einem Neuvertrag wie dem vorliegenden aus. Wird eine derartige [X.] im Anwendungsbereich der PflegeArbbV noch nach deren Inkrafttreten gestellt, muss der durchschnittliche Arbeitnehmer davon ausgehen, dass sie auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV erfassen soll.

bb) Auch die Annahme, eine arbeitsvertraglich vereinbarte Ausschlussfrist solle nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen [X.]älle erfassen, während eine Anwendung auf [X.]allkonstellationen, die zwingend durch gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig nicht gewollt sei ([X.] 20. Juni 2013 - 8 [X.] - Rn. 21 f. mwN; 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu IV 6 der Gründe, [X.]E 115, 19), führt zu keinem anderen Ergebnis (zum [X.] ebenso [X.]/Nimmerjahn [X.] § 3 Rn. 17; [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 47; [X.]/[X.] 2014, 372, 376; Nebel/[X.] 2014, 2933, 2936; unentschieden Preis/[X.] aaO S. 53 f.; [X.], 865, 870). Denn die Kollision des Anwendungsbereichs der [X.] mit § 9 Satz 3 [X.] betrifft nicht einen nur selten auftretenden Sonderfall, sondern das Entgelt für geleistete Arbeit und damit den Hauptanwendungsbereich einer Ausschlussfrist.

c) Wegen der Einbeziehung des Anspruchs auf das Mindestentgelt verstößt die Klausel gegen § 9 Satz 3 [X.]. Danach können Ausschlussfristen für die Geltendmachung eines durch Rechtsverordnung nach § 7 [X.] oder § 11 [X.] (§ 13 [X.]) begründeten Anspruchs auf das Mindestentgelt nicht arbeitsvertraglich geregelt werden. Die Norm entzieht zum Schutz des [X.] Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Anspruchs der Regelungsmacht der Arbeitsvertragsparteien und ist damit Verbotsgesetz iSd. § 134 [X.] (zu dessen Voraussetzungen vgl. etwa [X.] 19. August 2015 - 5 [X.] - Rn. 31 f., [X.]E 152, 228). Soweit der Schutzzweck des [X.] reicht, ist die Klausel teilunwirksam (allg. zur Rechtsfolge [X.]/[X.] [X.] 75. Aufl. § 134 Rn. 13, § 139 Rn. 18 mwN). Denn arbeitsvertragliche Ausschlussfristen für andere Ansprüche als den auf das Mindestentgelt verbietet § 9 Satz 3 [X.] nicht.

3. Nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen führt der Verstoß gegen § 9 Satz 3 [X.] zur Gesamtunwirksamkeit der [X.] nach § 306 [X.], dessen Rechtsfolgen nicht nur zur Anwendung kommen, wenn sich die Unwirksamkeit einer AGB-Klausel aus den §§ 305 ff. [X.] selbst ergibt, sondern auch dann, wenn sie gegen sonstige Verbote verstößt ([X.] 19. Juni 2012 - 9 [X.] - Rn. 21 mwN; 21. April 2016 - 8 [X.] 474/14 - Rn. 42).

a) [X.] ist nicht teilbar, denn § 22 Arbeitsvertrag enthält nicht verschiedene Ausschlussfristenregelungen (dazu [X.] 27. Januar 2016 - 5 [X.] 277/14 - Rn. 22 ff.), sondern erfasst inhaltlich und sprachlich alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen (vgl. [X.]/[X.]/[X.] 7. Aufl. [X.]. §§ 305 - 310 [X.] Rn. 12; aA [X.]/Nimmerjahn [X.] § 3 Rn. 18, die stets Teilbarkeit annehmen).

b) Sind Allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder teilweise unwirksam, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam (§ 306 Abs. 1 [X.]) und richtet sich der Inhalt des Vertrags insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 [X.]). Eine geltungserhaltende Reduktion von Klauseln auf den zulässigen Inhalt durch die Gerichte findet grundsätzlich nicht statt (vgl. nur [X.] 28. September 2005 - 5 [X.] 52/05 - Rn. 39, [X.]E 116, 66; 16. Dezember 2014 - 9 [X.] 295/13 - Rn. 20, [X.]E 150, 207; 17. März 2016 - 8 [X.] 665/14 - Rn. 29; [X.]/Preis 16. Aufl. §§ 305 - 310 [X.] Rn. 104; [X.]/[X.]/[X.] 7. Aufl. § 306 [X.] Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] im Arbeitsrecht 4. Aufl. § 306 [X.] Rn. 18, alle mwN; krit. [X.] in Clemenz/Kreft/[X.] - Arbeitsrecht § 306 [X.] Rn. 73 ff.).

4. Der Aufrechterhaltung der [X.] für - abgesehen vom Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV - alle anderen von ihr erfassten Ansprüche steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegen.

a) Gibt eine Norm eine eindeutige Grenze der Unwirksamkeit vor, stellt die Aufrechterhaltung des nicht verbotenen Teils einer Klausel nicht in jedem [X.]alle eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion dar (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu III 2 der Gründe, [X.]E 115, 19; 21. April 2010 - 10 [X.] 288/09 - Rn. 22, [X.]E 134, 147). Dementsprechend lässt im Bereich des [X.]es die weit überwiegende Meinung im Schrifttum eine geltungserhaltende Reduktion arbeitsvertraglicher Ausschlussfristenregelungen zu, weil § 3 Satz 1 [X.] die Unwirksamkeit nur „insoweit“ anordne, als Vereinbarungen die Geltendmachung des Anspruchs auf den Mindestlohn beschränken oder ausschließen, er also eine geltungserhaltende Reduktion vollumfänglicher [X.]n ermögliche ([X.] 2014, 865, 870; [X.]. [X.] 2015, 385, 387; [X.]/[X.]ranzen 16. Aufl. § 3 [X.] Rn. 3a; [X.]. [X.] 52 S. 89; HK-[X.]/[X.] § 3 Rn. 30; [X.] in Thüsing [X.] 2. Aufl. § 3 Rn. 12; [X.]/[X.] 2014, 372, 376; Nebel/[X.] 2014, 2933, 2936;[X.] AGB-Recht 3. Aufl. Rn. 1127; wohl auch Preis/[X.] aaO S. 55; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 3 [X.] Rn. 4; abl. [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 48).

b) Ob § 9 Satz 3 [X.] eine geltungserhaltende Reduktion ermöglicht, braucht der Senat nicht zu klären, denn der Aufrechterhaltung der streitgegenständlichen [X.] für Ansprüche, die nicht solche auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV sind, steht das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] entgegen.

aa) Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.] kann sich die zur Unwirksamkeit einer Allgemeinen Geschäftsbedingung führende unangemessene Benachteiligung aus der mangelnden Klarheit und Verständlichkeit der Bedingung ergeben. Dieses Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Es müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner des Klauselverwen[X.] soll ohne fremde Hilfe Gewissheit über den Inhalt der vertraglichen Rechte und Pflichten erlangen und nicht von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten werden (st. Rspr., vgl. etwa [X.] 17. August 2011 - 5 [X.] 406/10 - Rn. 13, [X.]E 139, 44; 21. Januar 2015 - 10 [X.] 84/14 - Rn. 33, [X.]E 150, 286). Eine Klausel, die die Rechtslage unzutreffend oder missverständlich darstellt und auf diese Weise dem Verwender ermöglicht, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren, benachteiligt den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen ([X.] 5. Oktober 2005 - [X.]/04 - Rn. 23; 25. November 2015 - [X.]/14 - Rn. 17 mwN, [X.]Z 208, 52).

bb) Gemessen daran ist die Ausschlussfristenregelung des § 22 Arbeitsvertrag intransparent. [X.] stellt die Rechtslage irreführend dar und suggeriert dem durchschnittlichen Arbeitnehmer - selbst wenn er die Klausel nicht nur flüchtig, sondern aufmerksam und sorgfältig betrachtet (vgl. [X.] 23. Januar 2014 - 8 [X.] 130/13 - Rn. 24) -, er müsse auch den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV innerhalb der dort vorgesehenen [X.]risten außergerichtlich und gerichtlich geltend machen. Damit besteht die Gefahr, dass bei Verstreichen dieser [X.]risten der Arbeitnehmer den Anspruch auf das Mindestentgelt nicht mehr durchsetzt, obwohl nach § 4 PflegeArbbV noch kein Verfall eingetreten ist. Um dieser Gefahr vorzubeugen, muss im Anwendungsbereich der PflegeArbbV der Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV von einer arbeitsvertraglichen [X.] klar und deutlich ausgenommen werden (zum [X.] im Ergebnis ebenso [X.]/[X.]ranzen 16. Aufl. § 3 [X.] Rn. 3a; HK-[X.]/[X.] § 3 Rn. 30; [X.]/[X.] ArbR-HdB 16. Aufl. § 66 Rn. 48; Nebel/[X.] 2014, 2933, 2936 f.; wohl auch Preis/[X.] aaO S. 56; aA [X.] in Thüsing [X.] 2. Aufl. § 3 Rn. 12; [X.] 2015, 385, 387; [X.]/[X.] 2014, 372, 376; [X.] [X.]. Rn. 1127).

5. Eine rechtskonforme Ausschlussfrist mittels ergänzender Vertragsauslegung einzufügen, kommt nicht in Betracht. Dies setzte voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und das Unterbleiben der Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet ([X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu IV 8 b der Gründe, [X.]E 115, 19). Der Wegfall der Klausel muss den Verwender über Gebühr benachteiligen und umgekehrt den Vertragspartner in einem Maße begünstigen, das durch dessen schutzwürdige Interessen nicht mehr gerechtfertigt ist ([X.] 17. März 2016 - 8 [X.] 665/14 - Rn. 31 mwN).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die [X.] war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses fast drei Jahre in [X.], dem Beklagten als Inhaber eines ambulanten [X.] wäre es unschwer möglich gewesen, die [X.] so zu formulieren, dass sie den Anspruch auf das Mindestentgelt nach § 2 PflegeArbbV ausnimmt. Die bei Wegfall der [X.] greifenden Verjährungsregeln sowie die Bestimmung des § 4 PflegeArbbV bieten einen hinreichenden Interessenausgleich.

6. Die Klägerin hat Anspruch auf Verzugszinsen, § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 Arbeitsvertrag wurde die Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 20. bis 30. November 2013 am 15. Werktag des [X.]olgemonats fällig, so dass diesbezüglich dem Antrag der Klägerin mit dem Zinsbeginn 1. Januar 2014 entsprochen werden konnte. Von der Entgeltfortzahlung für den Zeitraum 1. bis 15. Dezember 2013 waren 60 % am fünften Werktag (§ 8 Abs. 3 Satz 1 Arbeitsvertrag) und der Rest am 15. Werktag des Januar 2014 fällig. Insoweit war die Zinsentscheidung der Vorinstanzen zu korrigieren.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Biebl    

        

    Weber    

        

        

        

    Jungbluth     

        

    Zorn    

                 

Meta

5 AZR 703/15

24.08.2016

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Braunschweig, 12. September 2014, Az: 3 Ca 253/14, Urteil

§ 9 S 3 AEntG 2009, § 13 AEntG 2009, § 134 BGB, § 2 Abs 1 PflegeArbbV, § 4 PflegeArbbV, § 307 Abs 1 S 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, Az. 5 AZR 703/15 (REWIS RS 2016, 6383)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6383

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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